Zusammenfassung
In den meisten Branchen macht die Beschaffung einen großen Teil der Wertschöpfung aus. Aus diesem Grund beginnen nachhaltige Geschäftsmodelle bereits in der Einkaufsorganisation. Wir beschreiben anhand einer Fallstudie bei AutoCom, einem weltweit führenden Automobilkonzern, wie Nachhaltigkeitsziele durch einen strukturierten Einkaufsprozess erreicht werden können. Dabei analysieren wir die Bedeutung der konkreten Formulierung und Bewertung der Ziele, die Bewertung der Lieferanten, den Verpflichtungsgrad in der Organisation und das Nachhalten der Zielerreichung. Zum Schluss diskutieren wir die kurz- und langfristigen Auswirkungen eines nachhaltigen Beschaffungsprozesses auf die Innovationsanreize der Lieferanten. Wir argumentieren, dass sich bei einem nachhaltigen Beschaffungsprozess die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen und die gleichzeitige Kostensenkung im Einkauf auf kurze und lange Sicht nicht gegenseitig ausschließen.
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Notes
- 1.
Alle Zahlenwerte der Fallstudie wurden aus Gründen der Anonymisierung geändert.
- 2.
Wir möchten darauf hinweisen, dass es auch andere Möglichkeiten einer monetären Bewertung gibt: CO2‐Schadstoffzertifikate beispielsweise machen eine interne monetäre Bewertung des Schadstoffausstoßes durch AutoCom überflüssig, denn der Preis wird hier durch einen Markt über Angebot und Nachfrage bestimmt. Zum Zeitpunkt der Fallstudie war jedoch der freie Handel von Schadstoffzertifikaten noch nicht etabliert und damit waren keine Informationen über einen Marktpreis vorhanden.
- 3.
Analog wurde ein reduzierter CO2‐Ausstoß mit einem entsprechenden Bonus belegt, denn AutoCom war nicht nur an der Einhaltung, sondern auch an der Übererfüllung der Nachhaltigkeitsziele interessiert: So können beispielsweise andere Bauteile ihren individuellen Zielwert überschreiten, falls der Anteil am CO2‐Ausstoß durch die Steuereinheit geringer ausfällt als geplant. Des Weiteren schafft ein Fahrzeug mit niedrigem Schadstoffausstoß zusätzliche Reputation beim Kunden.
- 4.
Boni und Mali sind nur ein Ausdruck der relativen Unterschiede zwischen den Lieferanten. Deshalb spielt es grundsätzlich in der Vergabe keine Rolle, ob man einen bestimmten Bewertungsfaktor als Bonus oder Malus ausdrückt. Die Differenzierung ist manchmal hilfreich für die Lieferanten, damit sie wissen, welche Faktoren als besonders positiv und welche als besonders negativ gesehen werden.
- 5.
Ein Gewicht von 1,5 kg führte also beispielsweise zu einem Malus von 10 EUR.
- 6.
AutoCom definierte auch Konsequenzen für die Nichteinhaltung des zugesagten Wertes; diese sind in Abschn. 3.4 beschrieben.
- 7.
Engl. „winner’s curse“: Ein Verhalten in Auktionen, bei dem ein unerfahrener Bieter die Auktion gewinnt, da er den tatsächlichen Wert des versteigerten Gutes überschätzt. Der Fluch des Gewinners ist meist unerwünscht, denn hier erhält ein Bieter mit einer nichtnachhaltigen Kostenkalkulation den Zuschlag. Auf lange Sicht führt er außerdem dazu, dass die Bieter in ihren Geboten eine Risikoprämie aufschlagen.
- 8.
Eine genaue Beschreibung des Verhandlungsprozesses und der Überlegungen, die zu dem verwendeten Prozess geführt haben, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Interessierte Leser seien an die Autoren verwiesen, die auf diesem Gebiet aktiv forschen und beraten.
- 9.
Wir möchten dies anhand eines fiktiven Beispiels veranschaulichen: Lieferant X gibt im Laufe der Verhandlung ein Stückpreisangebot von 100 EUR ab und verpflichtet sich zu einem Produktgewicht von 0,8 kg. Dafür erhält er einen Bonus von 4 EUR, d. h., sein Stückpreis wird artifiziell auf 96 EUR erniedrigt. Dieser fiktive Preis wird nun herangezogen, um die Angebote verschiedener Lieferanten zu vergleichen, und bildet die Grundlage für die Vergabeentscheidung. Wir nehmen nun an, dass Lieferant X das Geschäft gewinnt. Bei der Testmessung zu einem festgelegten Zeitpunkt nach der Vergabe wird ein Gewicht der Steuereinheit von 0,9 kg ermittelt. Der von AutoCom zu zahlende Stückpreis erniedrigt sich dadurch automatisch von 100 EUR auf 98 EUR.
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Gretschko, V., Haas, F. (2018). Nachhaltige Geschäftsmodelle im Einkauf: Eine Fallstudie. In: Bungard, P. (eds) CSR und Geschäftsmodelle. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-52882-2_23
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