Zusammenfassung
Wetterdienste und andere Forschungseinrichtungen in Deutschland und seinen Nachbarländern beobachten seit dem 19. Jahrhundert, wie sich das Klima in Mitteleuropa verändert. Auf Basis der gesammelten Beobachtungen lassen sich Aussagen über die Klimaentwicklung in Deutschland treffen: Die Daten erlauben Beschreibungen der Atmosphäre vom täglichen Wetter bis zu mehreren Jahrzehnten, über die sich das Klima ändert. Darüber hinaus liefern die Langzeitbeobachtungen auch Datensätze, welche die Überprüfung von Klimamodellen ermöglichen. Das Kapitel stellt schwerpunktmäßig die Geschichte der Beobachtungen sowie die tatsächlich gemessene Veränderung verschiedener Klimakenngrößen für Deutschland dar. Außerdem werden Nutzbarkeit und Einschränkungen der Datensätze für die Evaluation der Klimamodelle bewertet.
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1 Einleitung
Der weltweite Klimawandel wirkt sich regional unterschiedlich aus. Um Klimaänderungen in Mitteleuropa und Deutschland genau zu beschreiben, benötigt man daher Beobachtungen und Klimamodelle mit größerer räumlicher Auflösung als bei globalen Betrachtungen (Kap. 2). Für Deutschland und die Nachbarländer gibt es viele regionale Daten, sodass sich das hiesige Klima des vergangenen Jahrhunderts gut beschreiben lässt. Diese Datenbasis erlaubt daher auch eine Qualitätseinschätzung von Klimasimulationen auf der regionalen Skala (Kap. 4). Zur Evaluation von regionalen Klimamodellen werden häufig atmosphärische, bodennahe Variable herangezogen, insbesondere Temperatur und Niederschlag, da von diesen direkte Auswirkungen auf die Gesellschaft ausgehen.
Die Entwicklung der Wetterbeobachtung ist eng mit der Geschichte der Wetterdienste verknüpft. Heute beobachtet der Deutsche Wetterdienst (DWD) das Wetter systematisch und international abgestimmt. Neben den Beobachtungsdaten der Wetterstationen werden zur Bewertung der Klimamodelle häufig aufbereitete Daten eingesetzt, die, ausgehend von den Beobachtungen, auf ein regelmäßiges räumliches Raster umgerechnet werden. Zusätzlich zu den traditionellen Beobachtungen wurde das Wetter während der vergangenen Jahrzehnte auch mit Satelliten und Wetterradaren beobachtet.
Die gesamten Daten erlauben Beschreibungen der Atmosphäre vom täglichen Wetter bis zu mehreren Jahrzehnten, über die sich das Klima ändert. Unter dem Begriff Klima versteht man dabei die statistische Beschreibung der relevanten Klimaelemente. Dabei muss ein ausreichend langer Zeitraum verwendet werden, sodass die statistischen Eigenschaften der Erdatmosphäre hinreichend genau charakterisiert werden. Gemäß den Empfehlungen der Weltmeteorologieorganisation (WMO 1959) werden daher bei der Berechnung von Klimagrößen üblicherweise drei aufeinanderfolgende Jahrzehnte verwendet. In der Vergangenheit wählte man überwiegend 1961 bis 1990, teilweise 1971 bis 2000. Aufgrund der Klimaerwärmung ist die Zeit von 1961 bis 1990 aber nicht mehr repräsentativ für das aktuelle Klima (Scherrer et al. 2006). Für die Bewertung von Klimaänderungen ist aber weiterhin der ursprüngliche Referenzzeitraum (also 1961–1990) angemessen und wird durch die WMO für diesen Zweck nach wie vor empfohlen. Viele Anwendungen benötigen aber eine statistische Beschreibung des aktuellen Klimas. Für diesen Zweck wird daher die Verwendung eines aktuelleren Zeitraums empfohlen, und viele Wetterdienste stellen daher Auswertungen auch für den Vergleichszeitraum von 1981 bis 2010 zur Verfügung.
International entsteht im Rahmen des Global Climate Observing System (GCOS; Karl et al. 2010) ein langfristiges Beobachtungssystem. Dafür wurde eine Liste „essenzieller Klimavariablen“ definiert: Diese derzeit 50 Kenngrößen der Atmosphäre, des Ozeans und der Landoberfläche dienen einer ausführlichen Beschreibung des gesamten Klimasystems, sodass eine systematische langfristige Beobachtung dieser Kenngrößen angestrebt wird. Auch deutsche Institutionen leisten dazu umfangreiche Beiträge (Deutscher Wetterdienst 2013).
Seit einigen Jahrzehnten stehen auch Satellitendaten zur Verfügung. Aus ihnen lassen sich Datensätze verschiedener Klimakenngrößen erstellen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die (frühen) Satelliteninstrumente nicht für diesen Zweck entwickelt wurden und daher zunächst die methodische Einheitlichkeit der Daten sichergestellt werden muss. Einige Projekte arbeiten an satellitenbasierten Datensätzen verschiedener essenzieller Klimavariable. So bearbeitet beispielsweise die Climate Change Initiative der Europäischen Weltraumorganisation ESA derzeit Datensätze von 13 Variablen (Hollmann et al. 2013). Die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten EUMETSAT erstellt im Rahmen ihrer Satellite Application Facility on Climate Monitoring Datensätze zu Strahlung, Wasserdampf und Bewölkung (siehe z. B. Karlsson et al. 2013).
2 Beobachtung des Klimawandels in Deutschland
2.1 Geschichte der Wetterbeobachtung in Deutschland
Seit jeher fasziniert das Wetter die Menschen und sie versuchten, ihre Beobachtungen in Bild und Wort festzuhalten – vor allem bei außergewöhnlichen Ereignissen. Doch erst mit der Erfindung von Messinstrumenten begann die objektive Wetteraufzeichnung (Schneider-Carius 1955, Tab. 3.1). Im Jahr 1781 gründete sich in Mannheim die Pfälzische Meteorologische Gesellschaft Societas Meteorologica Palatina. Sie baute in Europa 39 Messstationen auf, 12 davon in Deutschland (Wege 2002) – alle mit den gleichen, geeichten Messinstrumenten, einer Anleitung sowie einheitlichen Formularen und Wettersymbolen. Die Messungen von Temperatur, Feuchte, Luftdruck, Sonnenschein und Niederschlag sowie die Schätzung von Bewölkung und Wind erfolgten dreimal täglich. Aus Geldmangel stellte diese Institution nach ein paar Jahren ihre Aktivitäten ein. Einige Beobachter führten die Messungen aber eigenständig weiter (Winkler 2006).
Es dauerte noch mehr als 50 Jahre, bis auf Initiative von Alexander von Humboldts 1848 der erste staatliche Wetterdienst in Preußen entstand (Hellmann 1887). Danach gründeten weitere Königreiche und Herzogtümer in Deutschland ihre eigenen Wetterdienste (Hellmann 1883). Allerdings wurden erst im Laufe der Zeit durch systematische Untersuchungen die Anforderungen an die Beobachtungen beschrieben und in den Beobachteranleitungen verbreitet. Weitere Verbesserungen gingen mit der Schulung der Laienbeobachter, einer repräsentativeren Auswahl der Beobachtungsstandorte und der technischen Entwicklung im Instrumentenbau einher.
Von Anfang an stützten sich die Wetterdienste auf Privatpersonen oder Institutionen, die schon vorher meteorologische Messungen durchführten. Diese Messungen waren aber sehr an deren individuelle Gegebenheiten angepasst, was sich in den unterschiedlichsten Beobachtungsterminen widerspiegelt. Beispielsweise konzentrierte sich das im Königreich Sachsen von der Forstwirtschaft errichtete Stationsnetz zur Untersuchung von Frostschäden vor allem auf die Minimumtemperatur und den Niederschlag, die beide mittags abgelesen wurden (Freydank 2013).
Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, bedingt durch den zunehmenden Flugverkehr, Flugwetterwarten mit Berufsbeobachtern. Auch wurde es für die Wettervorhersagen immer wichtiger das Wetter gleichzeitig an vielen Standorten zu beobachten. Daher wurden Wetterwarten eingerichtet, die rund um die Uhr mit Berufsbeobachtern besetzt waren. Nebenbei schulten diese Profis die Laienbeobachter ihres Kreises. Viele Laienbeobachter hielten das tägliche Messen jedoch nicht lange durch, was häufig zu Stationsverlegungen und mehrmonatigen Lücken in den Messreihen führte. An fast allen Standorten gab es 1945 bei den Beobachtungen Unterbrechungen von Tagen bis mehreren Jahren (Mächel und Kapala 2013).
2.2 Das aktuelle Stationsmessnetz in Deutschland
Heute ist die Wetterbeobachtung durch einen gesetzlichen Auftrag geregelt: Der Deutsche Wetterdienst soll meteorologische Prozesse, Struktur und Zusammensetzung der Atmosphäre kurzfristig und langfristig erfassen, überwachen und bewerten. Dafür betreibt er ein Messnetz, archiviert die Beobachtungen, prüft deren Qualität und wertet sie aus (Deutscher Wetterdienst 2013). Zusammen mit den Beobachtungen der Vorgängerorganisationen ermöglichen diese Daten Aussagen darüber, wie sich das Klima in Deutschland entwickelt. Genug Daten für regionale Auswertungen liegen seit etwa 1881 vor (Kaspar et al. 2013). Die elektronischen Datenkollektive werden ständig ergänzt – auch durch die Digitalisierung historischer, täglicher Klimaaufzeichnungen aus Papierarchiven (Kaspar et al. 2015; Mächel et al. 2009; Brienen et al. 2013).
Kernstück des DWD-Messnetzes sind 182 hauptamtlich betriebene Wetterwarten und -stationen (Stand 01.11.2013). Der Geoinformationsdienst der Bundeswehr betreibt 31 weitere in das Netz integrierte Bodenwetterstationen. Darüber hinaus werden 1786 Mess- und Beobachtungsstationen ehrenamtlich betreut. Wetterradare gibt es an 19 Standorten, mit denen eine flächendeckende Niederschlagserfassung über Deutschland möglich ist. Messungen mit Radiosonden werden an 9 Stationen durchgeführt. Außerdem betreibt der DWD ein Netz mit 1267 phänologischen Beobachtungsstellen, an denen überwiegend ehrenamtliche Beobachter das Auftreten von Wachstumsphasen ausgewählter Pflanzenarten dokumentieren (Kaspar et al. 2014). Seit 2014 ist ein Großteil der Beobachtungsdaten frei zugänglich (www.dwd.de/cdc).
Zudem messen auch andere Institutionen und Privatpersonen verschiedene Klimavariable. Diese Daten fließen aber nur zu einem geringen Teil in die Datenbank des DWD oder in andere internationale Datensätze ein, weil sie oft nicht repräsentativ sind, die Anforderungen an das Messprogramm und die Dauerhaftigkeit des Betriebs nicht erfüllen oder datenpolitische Aspekte im Wege stehen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Auswertung längerfristiger Trends ist die Homogenität der Messreihen. Veränderungen in den Messbedingungen können Messreihen inhomogen werden lassen. Es treten dann Sprünge auf, die nicht durch tatsächliche Klimaveränderungen verursacht wurden. Abhängig vom Messprinzip können die Ursachen der Inhomogenitäten sehr unterschiedlich sein. Müller-Westermeier (2004) hat die Homogenität deutscher Temperatur- und Niederschlagsreihen untersucht. Augter (2013) hat Vergleichsmessungen von automatischen und manuellen Messungen der Klimareferenzstationen verwendet, um die Auswirkungen der Automatisierung des Messnetzes zu analysieren. Der folgende Abschnitt diskutiert Einzelheiten der wichtigsten Parameter.
2.3 Die Beobachtung wichtiger Klimagrößen im Einzelnen
2.3 Temperatur
Seit 60 Jahren wird an mehr als 500 Stationen die Temperatur gemessen. Zuvor war das Netz weniger dicht (Kaspar et al. 2015). Für die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg gibt es teilweise nur Monatswerte, viele Tageswerte gingen verloren. Weiter zurück bis 1881 liegen Monatswerte von mehr als 130 Stationen digitalisiert vor. Noch ältere Messreihen gibt es nur wenige, die aufgrund verschiedener Messverfahren und Beobachtungsprogramme meist inhomogen sind. Die längste dieser Reihen aus Berlin reicht bis 1719 zurück (Cubasch und Kadow 2011). Müller-Westermeier (2004) kommt bei der Untersuchung von Messreihen mit einer Dauer von mehr als 80 Jahren zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Reihen eine oder mehrere Inhomogenität/en aufweist. Diese betrugen bis zu 1,7 K; wobei am häufigsten Inhomogenitäten von 0,2 K auftraten. In den meisten Fällen wurden dabei Stationsverlegungen als Ursache identifiziert. Ein weiterer wichtiger Faktor sind Veränderungen beim Strahlungsschutz der Messgeräte.
Zwischen 1995 und 2005 lösten elektrische Thermometer die visuell abzulesenden Quecksilberthermometer und Registriergeräte auf Bimetallbasis an den meisten Stationen ab. An ausgewählten Stationen wird weiter parallel analog gemessen (s. auch Augter 2013). Wesentliche Auswirkungen in den Zeitreihen von Monats- und Jahresmittelwerten haben sich dabei aber nicht ergeben. An allen Stationen mit Temperaturmessungen wird auch Feuchte gemessen.
2.3 Niederschlag
Das DWD-Niederschlagsmessnetz besteht derzeit aus rund 1900 Messstellen. Seit etwa 60 Jahren liegen Tageswerte in hoher räumlicher Dichte vor, die in früheren Jahrzehnten teilweise aber noch deutlich höher war als heute. Von 1969 bis 2000 gab es mehr als 4000 Stationen. Monatswerte gibt es für die vergangenen 100 Jahre von mehr als 2000 Stationen, und zurück bis 1881 liegt noch ein Netz von mehreren 100 Stationen vor. Noch ältere Messreihen basieren auf sehr verschiedenen Messverfahren. Die längste durchgehende Niederschlagsreihe in Deutschland besitzt die Station Aachen, die seit 1844 in Betrieb ist. Müller-Westermeier (2004) fand bei der Untersuchung von 505 Niederschlagsmessreihen mit einer Dauer von mindestens 80 Jahren weniger Inhomogenitäten als im Fall der Temperatur, was aber auch durch die schwierigere Identifikation der Inhomogenitäten aufgrund der hohen Variabilität des Niederschlags bedingt ist. Die Inhomogenitäten lagen im Bereich von −30 bis +40 % und sind in den meisten Fällen (61 %) durch Stationsverlagerungen verursacht.
Seit etwa 1995 wird die Niederschlagsmessung zunehmend auf digitale Messsysteme umgestellt. Für diese Stationen liegen die Messungen zeitnah und in hoher zeitlicher Auflösung bis hin zu Minuten vor. Heute erfassen auch Wetterradare den Niederschlag. Durch Aneichung an Bodenniederschlagsstationen können flächendeckend, räumlich und zeitlich hoch aufgelöst Niederschlagsmengen abgeleitet werden.
2.3 Schneehöhe
An den Niederschlagsstationen wird auch die Gesamtschneehöhe gemessen. In Bayern begannen diese Messungen bereits 1887, in den nördlichen Teilen Deutschlands erst gegen Ende der 1920er-Jahre. Ab etwa 1951 sind ausreichend digitale Schneehöhenangaben für ganz Deutschland vorhanden, obwohl diese an den Niederschlagsstationen in den alten Bundesländern erst ab 1979 vollständig digitalisiert vorliegen. Für die Zeit vor 1979 sind in den alten Bundesländern die Schneehöhen für die Klimastationen – d. h. Messstationen, an denen auch weitere Größen erfasst wurden – und einige nachträglich digitalisierte Niederschlagsstationen vorhanden. Mit der Automatisierung der Stationen ersetzten Schneehöhensensoren die manuellen Messungen.
2.3 Luftdruck
Rund 210 Messstellen erfassen derzeit den Luftdruck. Vor 1950 gab es weniger Stationen und vor etwa 1930 nur einzelne Messreihen, die oft aufgrund verschiedener Messverfahren und Beobachtungsprogramme inhomogen sind. Die Messreihe des Observatoriums am Hohenpeißenberg begann 1781. Zwischen 1995 und 2005 ersetzten digitale Geräte weitgehend die Quecksilber- und Dosenbarometer – ohne wesentliche Inhomogenitäten in den Zeitreihen.
2.3 Wind
Seit etwa 20 Jahren messen rund 300 Stationen den Wind. Dazu kommen Windschätzungen von den nebenamtlich betriebenen Stationen. Vor 1950 gab es nur einzelne Messreihen. Zeitreihen von Windschätzungen gehen teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurück, sind aber wegen unterschiedlicher Mess- und Auswertemethoden nur bedingt für längerfristige Auswertungen nutzbar.
2.3 Sonnenscheindauer
Wie lange die Sonne scheint, erfassen seit 60 Jahren rund 300 Stationen. Davor gab es nur einzelne, häufig inhomogene Messreihen. Ursprünglich wurden die Messungen auf der Basis des Brennglaseffekts durchgeführt, visuell ausgewertet und stündlich dokumentiert. Zwischen 1995 und 2005 wurde das Messnetz weitgehend auf automatische Messgeräte umgestellt, die mit hoher zeitlicher Auflösung arbeiten. Aufgrund des grundsätzlich anderen Messprinzips sind hier stärkere Inhomogenitäten durch die Automatisierung festgestellt worden als bei anderen Größen (Augter 2013).
2.3 Wolken
An 64 Wetterstationen des DWD und 31 Stationen des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr werden Wolkenart, Bedeckungsgrad und Wolkenuntergrenze visuell erfasst und dokumentiert. Die Zeitreihen reichen zurück bis in die 1940er-Jahre, an einigen Stationen sogar bis ins 19. oder 18. Jahrhundert. Seit den 1990er-Jahren dienen Laser-Ceilometer dazu, die Wolkenbedeckung und die Wolkenuntergrenze genau zu bestimmen.
Weiterhin gibt es inzwischen ausreichend lange Beobachtungen per Wettersatelliten, um daraus Datensätze etwa für Bedeckungsgrad, Wolkentyp, optische Dicke, Wolkenphase und Wolkenobergrenze abzuleiten, z. B. in der Satellite Application Facility on Climate Monitoring (Karlsson et al. 2013) oder der Climate Change Initiative der ESA.
2.3 Strahlung
Strahlung wird an 121 Stationen gemessen. Dabei kommen allerdings Messinstrumente unterschiedlicher Qualität zum Einsatz. Als höherwertig werden Pyranometer angesehen (Becker und Behrens 2012). Diese messen an 28 Stationen die kurzwellige Globalstrahlung und langwellige Wärmestrahlung der Atmosphäre sowie zusätzlich die diffuse Sonneneinstrahlung. An neun dieser Stationen erfassen auch Pyrgeometer die Wärmestrahlung der Atmosphäre. Gespeichert werden Ein-Minuten-Mittelwerte. An neun Stationen liegen Messreihen der Globalstrahlung von mindestens 50 Jahren vor. Auch bei der bodennahen Strahlung lassen sich Satellitendaten nutzen (Posselt et al. 2012).
2.4 Klimatrends in Deutschland und den Bundesländern
Aus den Beobachtungen der Messstationen lässt sich ableiten, wie sich das Klima in Deutschland in den vergangenen 130 Jahren verändert hat, auch speziell in einzelnen Regionen. Regelmäßig aktualisiert der Deutsche Wetterdienst ausgehend von diesen Daten seine Auswertungen, beispielsweise in Form von Karten im Deutschen Klimaatlas. Aus den Karten lassen sich Mittelwerte und Trends für Gesamtdeutschland, die Bundesländer oder andere Regionen berechnen (Kaspar et al. 2013). Dabei wird wie folgt vorgegangen: Zunächst werden die beobachteten Werte zeitlich gemittelt. Dann wird ein Rasterfeld mit einer Auflösung von 1 km2 erzeugt – dabei wird die Höhenabhängigkeit der Klimagrößen berücksichtigt (Müller-Westermeier 1995; Maier et al. 2003). Dieses Rasterfeld dient dann dazu, Mittelwerte für bestimmte Regionen zu berechnen. Im Vergleich zu einer reinen Mittelwertbildung aus den Stationsdaten reduziert diese Vorgehensweise die Auswirkungen, die Veränderungen im Messnetz auf die Ergebnisse haben. Auch der Effekt von Inhomogenitäten einzelner Stationsreihen, z. B. infolge von Verlegung, wird reduziert. Daten für dieses Verfahren liegen für Temperatur und Niederschlag für die Zeit seit 1881 und für Sonnenscheindauer seit 1951 ausreichend vor. Abb. 3.1 zeigt Ergebnisse dieser Auswertungen.
Von 1881 bis 2014 stieg die Temperatur deutlich, sowohl im Jahresdurchschnitt (+1,3 °C) als auch im Sommer (+1,2 °C) und Winter (+1,1 °C). Damit erwärmte sich Deutschland mehr als die Erde im Durchschnitt. Im Westen Deutschlands stieg die Temperatur etwas stärker als im Osten.
Die Resultate stimmen mit früheren Auswertungen anderer Autoren überein: Auch der Klima-Trendatlas Deutschland 1901 bis 2000 zeigt Trends der mittleren Temperatur in Deutschland. Allerdings wurden Daten von weniger Stationen verwendet (Schönwiese und Janoschitz 2008; Schönwiese et al. 2004). Für den Zeitraum 1901 bis 2000 erhalten Schönwiese et al. (2004) für Deutschland einen linearen Trend von +1 °C.
Da die Temperatur stets schwankt, bestimmt der Startzeitpunkt der Berechnung die Stärke des Trends. Ebenso fällt der Trend je nach Länge des Zeitraums mehr oder weniger stark aus. Er ist stärker, wenn man Zeiträume in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wählt (Tab. 3.2). Die wärmsten Jahre von 1881 bis 2014 in Deutschland waren 2000, 2007 und 2014, die kältesten 1940, 1956 und 1888.
Die Niederschläge haben von 1881 bis 2014 um 10,2 % zugenommen, verglichen mit dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990. Im Winter stieg die Niederschlagsmenge um 26 % – dabei mehr im Westen Deutschlands als im Osten. Im Sommer gab es dagegen 0,6 % weniger Niederschläge. Seit 1951 nahm die jährliche Sonnenscheindauer deutschlandweit um etwa 4 % zu. Um einen Vergleich über unterschiedliche Zeiträume zu ermöglichen, sind die prozentualen Änderungen in Tab. 3.2 jeweils pro Jahrzehnt angegeben.
Wie signifikant ein Trend ausfällt, hängt von der betrachteten Klimagröße, der Region, der Jahreszeit und dem Zeitraum der Auswertung ab. Dies wurde mit vielen Details von Rapp (2000) ausgewertet: In den 100 Jahren von 1896 bis 1995 erwärmte sich Deutschland überwiegend statistisch signifikant. Niederschläge nahmen besonders im Winterhalbjahr signifikant zu und daraus resultierend auch ganzjährig, vor allem im Westen des Landes. Vergleichbar signifikant sind die Trends der deutschlandweiten Mittelwerte in Abb. 3.1.
3 Datensätze für Deutschland und Europa
3.1 Stationsdaten
Der niederländische Wetterdienst KNMI sammelt und aktualisiert Daten europäischer Wetterstationen im Projekt European Climate Assessment and Data (ECA&D) (Klok und Klein-Tank 2008). Der Datenbestand dieses Projekts basiert auf Zulieferungen von Wetterdiensten, Observatorien und Universitäten aus 62 Ländern in Europa, im Mittelmeerraum und Vorderasien. Dabei handelt es sich um tägliche Daten von zwölf meteorologischen Kenngrößen: Minimum-, Mittel- und Maximaltemperatur, Niederschlagsmenge, Sonnenscheindauer, Wolkenbedeckung, Schneehöhe, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Windspitze, Windrichtung und Luftdruck. Derzeit liegen 37.025 Zeitreihen von 7848 meteorologischen Stationen vor. Allerdings variiert die Menge der bereitgestellten Daten aus den einzelnen Ländern erheblich. Für Deutschland liegt mit 1084 Stationen eine vergleichsweise hohe Datendichte vor (Stand aller Angaben 26.01.2014, abgerufen unter ecad.knmi.nl). Für wissenschaftliche Zwecke sind 61 % der Daten frei zugänglich. Die Daten des ECA&D-Bestands wurden nicht homogenisiert, da für tägliche Daten derzeit keine automatischen Verfahren verfügbar sind. Da bei Trendanalysen, insbesondere im Fall von Extremwerten, die Homogenität der Zeitreihe beachtet werden muss, wurden zumindest Tests der Homogenität durchgeführt: In einer Untersuchung von Wijngaard et al. (2003) wurde für den Zeitraum von 1901 bis 1999 die Homogenität von 94 % der Temperaturreihen und 25 % der Niederschlagsreihen als „suspekt“ oder „zweifelhaft“ bewertet. Weitere Untersuchungen zur Homogenität führten ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich die Anzahl der als homogen eingestuften Reihen stark zwischen den Klimagrößen unterscheidet: Für den Zeitraum von 1960 bis 2004 wurden dabei zwischen 12 % (Minimumtemperatur) und 59 % (Niederschlag) der Reihen als homogen bewertet (Begert et al. 2008).
3.2 Gerasterte Datensätze
Die oben beschriebenen Routineanalysen dienen vor allem dazu, langfristige Trends zu bestimmen und eine Einordnung der aktuellen Monate vorzunehmen. Darüber hinaus gibt es für andere Zwecke weitere gerasterte Datensätze. Diese basieren für die Region Deutschland üblicherweise ebenfalls auf den Beobachtungen des DWD, können sich aber, etwa in Bezug auf die ausgewählten Messstationen, zusätzlich genutzte Datenquellen oder die Methodik unterscheiden. Datensätze, die mehr als Deutschland abdecken, enthalten vergleichbare Informationen aus den Messnetzen der Nachbarländer. Aufgrund datenpolitischer Einschränkungen basieren diese aber oft auf einer deutlich geringeren Stationsdichte als vergleichbare nationale Datensätze.
Ein häufig genutzter gerasterter Datensatz für Europa ist der Datensatz E-OBS, der auf den Stationsdaten des ECA&D-Projekts basiert. Als Rasterprodukte stehen Temperatur und Niederschlag (Haylock et al. 2008) sowie Luftdruck (van den Besselaar et al. 2011) zur Verfügung. Für die Bewertung regionaler Klimamodelle und der Analyse von Extremereignissen ist er allerdings nur eingeschränkt verwendbar (Hofstra et al. 2009). Bei geringer Stationsdichte sind die Rasterdaten stark geglättet (Hofstra et al. 2010), was insbesondere bei der Bewertung von Trends in Extremen berücksichtigt werden muss. Im Vergleich zu einem höher aufgelösten nationalen Datensatz für Großbritannien zeigen Maraun et al. (2012), dass sich vor allem extreme Niederschläge in bergigen und datenarmen Regionen mit dem E-OBS-Datensatz nicht gut untersuchen lassen. Kyselý und Plavcová (2010) zeigen, dass sich Minimum- und Maximumtemperatur des E-OBS-Datensatzes und eines nationalen Rasterdatensatzes für die Tschechische Republik aufgrund der unterschiedlichen Stationsdichte deutlich unterscheiden.
Tab. 3.3 gibt eine Übersicht über neuere Datensätze, die für Überprüfung von Modellen in Deutschland und angrenzenden Regionen relevant sind.
Der Datensatz HYRAS deckt die deutschen Flusseinzugsgebiete inklusive der zugehörigen Regionen der Nachbarländer ab. Er basiert auf insgesamt 6200 Stationen (Rauthe et al. 2013). Durch seine räumliche Auflösung von 1 km verfügt er über eine deutlich andere Häufigkeitsverteilung für Niederschläge als der E-OBS-Datensatz mit einer Auflösung von 25 km. Dabei stimmt die Verteilung im HYRAS-Datensatz gut mit der Verteilung überein, die direkt aus Stationen abgeleitet wird.
Im STAMMEX-Projekt wurde bei der Erzeugung der Datensätze versucht, eine gleichbleibende Stationsdichte zu erreichen. Es wurden tägliche Raster in unterschiedlicher räumlicher Auflösung erzeugt.
Für die Alpen realistische Rasterfelder des Niederschlags zu erzeugen ist aufgrund ihrer komplexen Oberflächenstruktur besonders schwierig. Daher wurde diese Fragestellung in mehreren Projekten behandelt (HISTALP, ALPIMP, EURO4M).
Klimatologische Informationen enthalten auch Klimaatlanten. Diese gibt es sowohl für Deutschland (z. B. Deutscher Wetterdienst 1999, 2001, 2003, 2006) als auch für einzelne Regionen (z. B. Oberrheinische Universitäten 1996). Im Internet finden sich zudem verschiedene interaktive Klimaatlanten, die teilweise auch Ergebnisse aus Szenarienrechnungen enthalten (Tab. 3.4).
4 Kurz gesagt
Erste systematische Wetterbeobachtungen gab es bereits im 18. Jahrhundert. Aber nur an einzelnen Standorten wurden sie kontinuierlich fortgesetzt. Mit der Gründung staatlicher Wetterdienste im 19. Jahrhundert begannen umfangreichere Beobachtungen. Heute beobachten die Wetterdienste in Deutschland und den Nachbarländern, wie sich das Klima in Mitteleuropa verändert. Auf Basis der gesammelten Beobachtungen lassen sich Aussagen über die Klimaentwicklung in Deutschland treffen: Von 1881 bis 2014 stiegen die mittleren Temperaturen in Deutschland deutlich, sowohl im Jahresdurchschnitt (+1,3 °C) als auch im Sommer (+1,2 °C) und Winter (+1,1 °C). In diesem Zeitraum haben die jährlichen Niederschläge um 10,2 % zugenommen (im Vergleich zum langjährigen Mittelwert 1961–1990). Die Zunahme wird überwiegend durch die Zunahme der Winterniederschläge um 26 % verursacht. Aus den Beobachtungen lassen sich auch Datensätze ableiten, mit denen sich regionale Klimamodelle überprüfen lassen. Dabei sind allerdings die spezifischen Eigenschaften der Datensätze zu berücksichtigen, die sich etwa aus der unterschiedlichen Stationsdichte ergeben. Insbesondere bei der Betrachtung von Extremen und Trends sind regionale Datensätze mit hoher Stationsdichte vorteilhaft.
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Kaspar, F., Mächel, H., Jacob, D., Kottmeier, C. (2017). Beobachtung von Klima und Klimawandel in Mitteleuropa und Deutschland. In: Brasseur, G., Jacob, D., Schuck-Zöller, S. (eds) Klimawandel in Deutschland. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-50397-3_3
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