Die drei Schlüsselwörter in der Überschrift dieses Kapitels sind für sich genommen einfach. Aber die Begriffe beziehen sich dennoch auf komplexe und vielschichtige, zum Teil kontrovers diskutierte Konzepte, die es zu definieren und zu systematisieren gilt. Folglich werden diese Begriffe im ersten Teil des Kapitels näher beleuchtet, um u. a. deutlich zu machen, wie sie im neueren Risikoansatz des Fünften Sachstandsberichts (AR5) des Weltklimarats (IPCC) genutzt und abgegrenzt werden. Auch die Frage, was unter Unsicherheit und Bandbreiten möglicher Entwicklungen des Klimas und sogenannter sozioökonomischer Entwicklungspfade zu verstehen ist, spielt dabei eine wichtige Rolle. In dieser Hinsicht geht dieses Kapitel besonders auf die Diskussion im Zusammenhang des AR5-Berichts sowie auf ausgewählte Diskurse in Deutschland ein. Insgesamt wird dabei deutlich, dass bisherige Untersuchungsmethoden zu Risiken im Kontext des Klimawandels und darauf aufbauende Entscheidungsprozesse so weiterentwickelt werden müssen, dass einer eher engen Betrachtung von direkten Klimaauswirkungen heute eine breitere Perspektive auf Risiken und Anpassungsmöglichkeiten im Kontext des Klimawandels gegenübergestellt wird.

1 Die Risikoperspektive

Betrachtet man die neuesten Berichte des Weltklimarats wie beispielweise den Fünften Sachstandsbericht – insbesondere der Arbeitsgruppe II – (IPCC 2014a) sowie den Synthesebericht des IPCC (IPCC 2015), so zeigt sich, dass den übergreifenden und komplexen Risiken, die nicht allein auf den Klimawandel zurückzuführen sind, dem Umgang mit Unsicherheiten sowie der Frage von Anpassungsoptionen eine wesentlich stärkere Aufmerksamkeit gewidmet wird als zuvor (IPCC 2007). Warum aber rücken neuerdings übergreifende und entstehende Risiken besonders in den Blickpunkt? Weshalb werden die Begriffe Vulnerabilität und Risiko in dem neuen Bericht deutlich voneinander unterschieden? Zudem ist zu prüfen, welche neuen Erkenntnisse es bezüglich der Frage gibt, wie man mit Unsicherheiten und Komplexität im Rahmen der Klimaanpassungsforschung und Klimarisikoforschung umgehen kann (Kap. 30). Trotz wesentlicher Erweiterungen bestehender Daten zum Klimawandel und zur Klimavariabilität werden Unsicherheiten in Bezug auf die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels selbst bei verbesserter Datenlage und wissenschaftlichem Fortschritt auch weiterhin bestehen bleiben. Daher sind der Umgang mit Unsicherheiten und die Bewertung von potenziellen Auswirkungen und Risiken im Kontext des Klimawandels Kernthemen eines gesellschaftlichen Umgangs mit dem Klimawandel, der auch zu thematisieren hat, wie die Einsichten und Erkenntnisse der Wissenschaft in einen demokratischen Prozess der Entscheidungsbildung einfließen (können) (Kap. 29, 31).

1.1 Risiken und mögliche Anpassungsstrategien: von zwei Seiten her denken

Eine Kernerkenntnis der neueren IPCC-Berichte (AR5, IPCC SREX) liegt darin, dass die Chancen und Risiken im Kontext des Klimawandels und entsprechende Strategien zur Anpassung komplexer Systeme von zwei Seiten oder Polen her definiert und analysiert werden müssen: einerseits aus der Perspektive des Klimawandels und andererseits aus der Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung bzw. der Veränderung sogenannter sozial-ökologischer Systeme. Risiken wie auch Kosten und Nutzen von unterschiedlichen Anpassungsstrategien und –maßnahmen (etwa Küstenschutzmaßnahmen gegen Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten oder Frühwarnsysteme gegenüber Hitzestress) können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Szenarien zur Entwicklung gesellschaftlicher und räumlicher Prozesse diesen Analysen zugrunde liegen. Beispielsweise können je nach demografischem und wirtschaftlichem Szenario unterschiedliche Werte hinter dem Deich entstehen („starkes Wachstum“ oder „geringes Wachstum“), und damit kann auch der jeweilige zukünftige Nutzen einer Anpassungsmaßnahme oder Strategie deutlich höher oder geringer ausfallen. Auch in Bezug auf den Hitzestress – z. B. hinsichtlich der Zahl älterer Menschen, der demografischen Komponente von Szenarien – können sich je nach Szenario sehr unterschiedliche Auswirkungen ergeben. Tendenziell könnte ein höherer Nutzen für ein Hitzefrühwarnsystem bestehen, wenn es zukünftig deutlich mehr Menschen gibt, die potenziell besonders anfällig gegenüber Hitzestress sind und daher gewarnt werden müssen. Der Ansatz, die Kausalität von Risiken im Kontext des Klimawandels von zwei Seiten zu beleuchten, erstens dem Klimawandel und der Klimavariabilität und zweitens vonseiten des gesellschaftlichen Wandels, bietet einen neuen Problemfokus und Lösungszugang, in dem übergreifende Risiken als Schnittstellenproblem zwischen Umweltwandel und gesellschaftlichem Wandel begriffen werden.

Neben den zuvor genannten Anpassungsmaßnahmen sind auch CO2-Minderungsziele wichtig, damit der Klimawandel und die damit aller Wahrscheinlichkeit nach verbundenen Extremereignisse in einem Rahmen bleiben, an den man sich überhaupt noch anpassen kann. Das neue Rahmenkonzept des Fünften Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC 2014a), das sich stark auf den IPCC-Spezialbericht SREX bezieht (IPCC 2012), verdeutlicht in dieser Hinsicht, dass die gesellschaftliche Verwundbarkeit sowie diejenige von sozial-ökologischen Systemen ein wesentlicher Ausgangspunkt für Anpassungsstrategien ist, um mittel- oder langfristig mit veränderten Umwelten leben zu können. Andererseits wird eine Anpassung von Systemen wie Infrastrukturen oder Städten oder auch Ökosystemen mit der Zunahme des Klimawandels und der Steigerung der Intensität von sogenannten Extremereignissen deutlich schwieriger. Folglich sind nur in einer bestimmten Bandbreite von Klima- und Umweltveränderungen Anpassungsstrategien denkbar, und die Möglichkeiten, Risiken zu mindern, fallen bei einer 4- oder 6-Grad-plus-Welt deutlich geringer aus als in einer 2-Grad-plus-Welt.

Diese Grenzen der Anpassung werden in der folgenden Grafik des IPCC aus dem Europa-Kapitel deutlich (Abb. 26.1).

Abb. 26.1
figure 1

Regionale Schlüsselrisiken durch den Klimawandel und das Potenzial zur Verringerung der Risiken durch Anpassung und Minderung. Jedes Schlüsselrisiko wird als sehr gering bis sehr hoch beschrieben für die drei Zeiträume: Gegenwart, kurzfristig (hier untersucht für 2030–2040) und langfristig (hier untersucht für 2080–2100). Kurzfristig unterscheiden sich die projizierten globalen mittleren Temperaturanstiege in den verschiedenen Emissionsszenarien nicht wesentlich. Langfristig werden die Risikolevels für zwei Szenarien des Anstiegs der globalen mittleren Temperatur dargestellt (2 und 4 °C über dem vorindustriellen Niveau). Diese Szenarien illustrieren das Potenzial von Minderung und Anpassung, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu verringern. Klimatische Treiber von Folgen werden durch Symbole bildlich dargestellt. (IPCC 2014b, SPM.2 Tab. 1, Ausschnitte)

Aktuelle Forschungen im Kontext der Vulnerabilitäts- und Anpassungsforschung zielen darauf ab, den Szenarien zum Klimawandel auch gesellschaftliche Szenarien gegenüberzustellen (O’Neill et al. 2015). Für den Klimawandel werden insbesondere RCP-Szenarien genutzt. Demgegenüber wird in SSP-Szenarien (shared socio-economic pathways), die für Fragen der Anpassung und der Transformation unter Mitigationsszenarien entwickelt werden, stärkeres Gewicht auf Probleme der Armut, der Wohlstandsentwicklung oder der Demografie gelegt, da diese Faktoren Aussagen zur Anfälligkeit von Gesellschaften gegenüber den Einwirkungen des Klimawandels erlauben (van Ruijven et al. 2014). Diese SSP-Szenarien haben das Ziel, über verschiedene Szenarien relevante Veränderungen und unterschiedliche künftige Zustände von Gesellschaften bzw. gesellschaftliche Bedingungen abzubilden, z. B. Armut, Urbanisierung, demografischer Aufbau oder Wirtschaftskraft (O’Neill et al. 2015; van Ruijven et al. 2014). Die Diskussion der SSP-Szenarien ist allerdings noch recht jung, und eine quantitative Entwicklung der storylines, die den Szenarien als qualitative Elemente zugrunde liegen, befindet sich noch im Entwicklungs- und Abstimmungsprozess (O’Neill et al. 2015).

Unbeschadet dessen ist es eine wichtige wissenschaftliche Aufgabe, zukünftige Risiken nicht allein über ein enges Gefahrenverständnis (Hochwasser, Hitzestress oder Dürre) zu definieren, bei dem primär die Eintrittswahrscheinlichkeiten eines physischen Ereignisses sowie dessen Verbindung zum Klimawandel im Vordergrund stehen. Vielmehr sind Risiken eher im Kontext von zukünftigen möglichen Entwicklungspfaden der Umwelt bzw. des Klimas und der Gesellschaft zu verstehen, die als Grundlage für die Entwicklung von Anpassungsstrategien dienen sollten. Dementsprechend beruhen beispielsweise auch die Bestimmung von Schlüsselrisiken und die Einschätzung von Anpassungspotenzialen, wie sie sich in Abb. 26.1 wiederfinden, auf einem stark interdisziplinär gestalteten Prozess. Hier fließt Expertenwissen aus unterschiedlichen Disziplinen wie den Natur-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften ein. Eine Schwierigkeit bleibt allerdings vielfach die Bestimmbarkeit der Magnitude und Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken, weil sich aus der Integration sozioökonomischer Entwicklungspfade Möglichkeitsräume auftun, die die Ungewissheit vergrößern (Kap. 5, Kap. 30). Anhand solcher Unsicherheiten wird auch die normative Dimension von Entscheidungsprozessen klar, die auf wissenschaftlichen Einsichten fußen. So ist die Frage, welches Gewicht welchen Risiken unter gegebenen Unsicherheiten beigemessen wird, nicht allein wissenschaftlich bestimmbar, sondern muss Gegenstand eines umfassenden Risikomanagements sein (Kap. 29).

1.2 Vom IPCC-SREX-Spezialbericht zum Fünften IPCC-Sachstandsbericht

Seit der IPCC-Spezialbericht SREX (Managing the risk of extreme events and disasters to advance climate change adaptation) verabschiedet wurde, wird bei der Beurteilung möglicher Auswirkungen des Klimawandels und der Entwicklung von Anpassungsstrategien stärkeres Gewicht darauf gelegt, klar zwischen den verschiedenen Komponenten, die Risiken im Kontext des Klimawandels ausmachen, zu differenzieren. Dabei wird besonders auf folgende Komponenten geschaut: Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit (IPCC 2012, 2014a). In diesem Zusammenhang kommt eine übergreifende Risikoperspektive zum Tragen, wie sie die Risiko- und Umweltforschung schon länger nutzt (UNDRO 1980; UN/ISDR 2004; IPCC 2012; Birkmann 2013). Dies bedeutet auch ein verändertes Verständnis von Verwundbarkeit im Vergleich zu vorherigen IPCC-Sachstandsberichten (IPCC 2001, 2007). Dieses neue Verständnis baut darauf auf, dass Menschen, Ökosysteme oder auch Infrastrukturen oder Städte unterschiedlich verwundbar gegenüber den Einwirkungen des Klimawandels sind. Die Verwundbarkeit wird dabei in eine Komponente der Anfälligkeit bzw. Sensitivität sowie eine zweite Komponente der Reaktions- und Anpassungskapazitäten differenziert. Damit wird deutlich: Risiken, die im Kontext des Klimawandels entstehen, basieren nicht allein darauf, dass es den Klimawandel als solchen gibt und dass er physische Prozesse wie z. B. klimawandelbedingte Veränderungen der Temperatur- und Niederschlagsmuster beeinflusst. Vielmehr kann sich ein Risiko im Kontext der Veränderung des Klimas erst durch die Verknüpfung mit exponierten und verwundbaren Gesellschaften, Städten, Infrastrukturen oder Ökosystemen entwickeln (Abb. 26.2). Diese Zusammenhänge wurden in früheren IPCC-Berichten bereits unter dem Dach der Vulnerabilität betrachtet. In dieser Hinsicht unterscheidet das neue Konzept allerdings eindeutig zwischen der Vulnerabilität eines Systems oder einer Gesellschaft einerseits und der auf das System einwirkenden Gefahr andererseits, etwa Temperaturerhöhung, Hochwasser, Hitzestress usw. Beide Prozesse – a) die Veränderungen des Klimas sowie b) die gesellschaftlichen Veränderungen – sind gemeinsam zu betrachten, um im Rahmen von Anpassungsstrategien an den Klimawandel sowie des Risikomanagements hinreichende Handlungsbedarfe und Strategien ableiten zu können. Erst wenn Anpassungsstrategien und Risikominderungsansätze die mit den verschiedenen Treibern verbundenen Risiken abschwächen, sind nachhaltige Entwicklungspfade denkbar.

Abb. 26.2
figure 2

Der Lösungsraum. Kernkonzepte der WGII AR5, welche die wichtigsten Determinanten von Risiken und zentrale Überlegungen zum Risikomanagement im Zusammenhang mit Klimawandel darstellen. Dieses Rahmenkonzept wurde auch in der Summary for Policy Makers vorgestellt. Querverweise in eckigen Klammern verweisen auf Abschnitte mit den entsprechenden Bewertungsaussagen. (IPCC 2014b, Ausschnitt aus Abbildung SPM8)

Ein Beispiel sind die im Zusammenhang mit dem Klimawandel steigenden Hitzegefahren. Risiken in diesem Zusammenhang – beispielsweise 2003 in ganz Europa oder 2013 in England – ergaben sich nicht allein deswegen, weil die Temperaturen stiegen und damit Hitzestress ausgelöst wurde, sondern auch weil bestimmte Bevölkerungsgruppen sehr anfällig gegenüber den Einwirkungen solcher Hitzephänomene sind, z. B. ältere Menschen (Fouillet et al. 2006). Heutige Anpassungsstrategien sind daher nicht allein an der Veränderung der Klimaparameter auszurichten. Sie müssen auch auf die vielschichtigen Interaktionen zwischen gesellschaftlichem (z. B. demografischem) Wandel und dem anthropogenen Klimawandel sowie der Klimavariabilität fokussieren (IPCC 2012).

2 Artikel 2 der Klimarahmenkonventionen

Das grundlegende Mandat einer wissenschaftlich getragenen Erörterung der Klimarisiken ist politisch gesetzt: Es gilt, gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Für die Arbeit des Weltklimarats, vor allem der Arbeitsgruppe II, ist insbesondere Artikel 2 der Klimarahmenkonvention eine zentrale Grundlage. Darin gilt es als Kernziel der Klimarahmenkonvention, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Stand zu halten, der es erlaubt, gefährliche anthropogene Interaktionen und Störungen mit dem Klimasystem zu vermeiden (. Box).

[Klimarahmenkonvention]

„Das Endziel dieses Übereinkommens und aller damit zusammenhängenden Rechtsinstrumente, welche die Konferenz der Vertragsparteien beschließt, ist es, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.“ (UN 1992; Übersetzung: Lexikon der Nachhaltigkeit)

In dieser Hinsicht betont der neue IPCC-Bericht insbesondere der Arbeitsgruppe II (IPCC 2014a) sowie der Synthesebericht aller Arbeitsgruppen (IPCC 2015), dass die identifizierten Schlüsselrisiken und reasons for concern ein Werkzeug dafür sind, der Frage näherzukommen, was eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ bzw. – anders übersetzt – eine „gefährliche anthropogene Einmischung in das Klimasystem“ eigentlich ist.

Schlüsselrisiken werden dabei als „potenziell irreversible und negative Konsequenzen für Menschen oder sozial-ökologische Systeme“ definiert. Diese Schlüsselrisiken ergeben sich aus der Interaktion zwischen Gefahren im Kontext des klimatischen Wandels, der Verwundbarkeit sowie der Exposition von Gesellschaften und Systemen. Was also ist „eine gefährliche anthropogene Einmischung“ oder „Störung des Klimasystems“?

Aus Sicht der Autoren und auch aus Sicht der neuesten IPCC-Berichte lässt sich diese Frage nicht allein durch die Analyse von Klimaveränderungen beantworten. Vielmehr verlangt die Beantwortung eine stärker integrative Perspektive, die sowohl den physischen Klimawandel und daraus resultierende Gefahren als auch die Vulnerabilität und Exposition von Gesellschaften und Ökosystemen berücksichtigt. Erst dadurch lassen sich Aspekte des gefährlichen Klimawandels in Form von Risiken ermitteln.

In diesem Zusammenhang spielen auch Zeithorizonte eine wichtige Rolle, etwa für Anpassungsprozesse von Ökosystemen oder die Sicherung der Nahrungsmittelsicherheit, sowie eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem Ziel der Nachhaltigkeit vereinbar ist. Dabei geht es um die Frage, wie viel Zeit die verschiedenen Systeme haben, um sich an Klimaveränderungen anzupassen oder darauf vorzubereiten. Diese Aspekte zeigen bereits, dass das neue Risikokonzept im Fünften Sachstandsbericht hier möglicherweise neue Blickwinkel eröffnet.

3 Vergleich der Konzepte IPCC 2007 und IPCC 2014: internationaler und nationaler Diskurs

In der Vergangenheit hat man sich in Deutschland meistens auf das Vulnerabilitätskonzept des Weltklimarats bezogen (IPCC 2001, 2007). Fleischhauer kommt beispielsweise in Kap. 27 zu dem Schluss, dass rund 40 % aller bisherigen Studien zur Vulnerabilität in Deutschland auf der Definition des IPCC-Berichts von 2007 beruhen und erst 25 % die neuere Definition verwenden. Nach der Definition des alten IPCC-Berichts aus dem Jahr 2007 ist die Verwundbarkeit eines Systems eine Funktion seiner Exposition gegenüber einem Klimasignal, der Sensitivität gegenüber diesem Signal und der potenziellen Anpassungskapazität des Systems. Demgegenüber beinhaltet das neuere IPCC-Konzept (2014a) eine sogenannte Risikoperspektive, in der zwischen der Exposition, der Vulnerabilität und der Gefahrenkomponente, die gemeinsam das Risiko determinieren, unterschieden wird. Ein Vergleich des Vulnerabilitäts- und des Risikokonzepts findet sich in Tab. 26.1.

Tab. 26.1 Merkmale von Risiko- und Vulnerabilitätskonzepten. (Erweiterte eigene Darstellung auf Basis von Greiving et al. 2012, S. 7)

In dieser Hinsicht stellt der IPCC-Spezialbericht Managing the risks of extreme events and disasters to advance climate change adaptation (IPCC 2012) die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Extremereignissen sowie die Komplementarität von Risikomanagement und Anpassung an den Klimawandel heraus (Kap. 29). Dabei folgt der IPCC-SREX-Report dem Verständnis von Verwundbarkeit aus der Naturrisikoforschung (IPCC 2012, S. 32–33). Risiko ist dann als Funktion von Eintrittswahrscheinlichkeit und Konsequenz eines Ereignisses anzusehen, wobei die Verwundbarkeit als eine Teilkomponente des Risikobegriffs diese Konsequenzen maßgeblich bestimmt (Cardona 2011; Miller et al. 2010). Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass sich bestimmte Phänomene – insbesondere schleichende Prozesse – einer klassischen, auf Wahrscheinlichkeiten fußenden Definition von Risiko entziehen. Deswegen rücken neben der Orientierung an der Eintrittswahrscheinlichkeit eines physischen Ereignisses vor allem die Interaktion von Gefahren, die mit dem physischen Klimawandel verbunden sind, die Vulnerabilität einer Gesellschaft oder eines Ökosystems sowie die Exposition dieser Systeme in den Mittelpunkt der Betrachtung (IPCC 2014a). In diesem Zusammenhang zielt die neue Risikoperspektive auf eine bessere Abstimmung von Managementstrategien, die deutlich über eine rein auf die direkten Auswirkungen des Klimawandels fokussierte Sichtweise hinausgehen (IPCC 2012, 2014a; Kap. 29).

Diese Managementorientierung wird auch in den erweiterten Abbildungen im Fünften Sachstandsbericht (IPCC 2014a, b)veranschaulicht. Sie zeigen, dass das Risiko-Assessment in einen schrittweisen Prozess des Risikomanagements eingebettet sein sollte, der Ziele der Vulnerabilitäts- und Expositionsminderung sowie die Entwicklung sogenannter low-regret-Strategien und entsprechender Maßnahmen umfasst. Sie ermöglichen trotz Unsicherheiten in Bezug auf die Entwicklung des Klimas einen Nutzen, der größer ist als die damit verbundenen Kosten. Neben den low-regret-Strategien stellen sich ebenso Fragen der Verwundbarkeit im Sinne der Adressierung mehrdimensionaler gesellschaftlicher Ungleichheiten (Abb. 26.2).

Mithin sind die Anpassung an den Klimawandel sowie das Risiko- und Katastrophenmanagement von Extremereignissen als komplementäre Ansätze zum Umgang mit dem Klimawandel anzusehen.

Tab. 26.1 stellt den Climate Change Vulnerability Assessment-Ansatz des Weltklimarats aus dem Vierten Sachstandsbericht (IPCC 2007; Füssel und Klein 2006) dem Risikokonzept des SREX-Reports (IPCC 2012) sowie der damit verknüpften erweiterten Perspektive des Fünften IPCC-Sachstandsberichts (IPCC 2014a) gegenüber. Dabei werden nur zentrale Merkmale skizziert.

Neben der Differenzierung der Vulnerabilitätskonzepte aus dem Vierten (2007) und Fünften Sachstandsbericht (2014) ist es von Bedeutung, Aussagen zur Struktur bisheriger Studien und Analysen zu den Klimafolgen und zur Vulnerabilität zu treffen.

Klimafolgen werden in zahlreichen Studien meist für einzelne Sektoren (z. B. Landwirtschaft Kap. 18, Wasserhaushalt Kap. 16) oder Elemente menschlicher Systeme (z. B. Infrastruktur Kap. 24, Verkehr Kap. 21) präsentiert. Eine solche sektorale Betrachtung liefert wichtige Informationen für die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen und Erstellung von Vulnerabilitätsanalysen; allerdings zeigt sich zunehmend, dass eine sektorübergreifende Perspektive notwendig ist, um mögliche Spannungen und Konflikte zwischen Anpassungsstrategien unterschiedlicher Sektoren zu erkennen und im Rahmen von Anpassungsstrategien und -programmen zu mindern. Wechselwirkungen zwischen Sektoren gehören zu den Prozessen, die wissenschaftlich bislang unzulänglich abgebildet sind. Dazu gehören z. B.:

  • die Wasserverfügbarkeit für landwirtschaftliche Bewässerung,

  • Verstärkungseffekte durch Überlagerung von Veränderungen in mehreren Sektoren (hotspots),

  • Fernwirkungen, z. B. durch Handel oder Migration,

  • indirekte Effekte mit nur teilweiser Attribution zu Klimawandel wie Verteilungseffekte oder Konflikte,

  • Kipppunkte wie nichtlineare Ernteeinbußen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts.

Die Forschung hierzu bedarf weiterer raum- und kontextspezifischer Analysen, um beispielweise sogenannte Kipppunkte von sozial-ökologischen Systemen auf kleinräumiger Ebene besser zu erkennen und verstehen zu können. Diese Kipppunkte könnten wichtige Ansatzpunkte für gezielte Anpassungsprogramme sein.

4 Schlüsselrisiken im Kontext des Fünften IPCC-Sachstandsberichts

Bei der Auswahl und Priorisierung von Risiken, die der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht als Schüsselrisiken ausweist, kamen Auswahlkriterien zum Einsatz, die ein breiteres Risikoverständnis untermauern. Als Kriterien wurden u. a. folgende herangezogen:

  1. a.

    Magnitude des Risikos – Risiken werden als Schlüsselrisiken angesehen, wenn ihre negativen Konsequenzen sehr hoch sein können. Diese können sich dabei auf unterschiedliche Metriken beziehen, z. B. auf die menschliche Mortalität, wirtschaftliche Schäden oder auf die kulturelle Bedeutung des exponierten Elements bzw. Systems.

  2. b.

    Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Risikos und des Zeitpunkts, z. B. die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gefahrenereignis eintritt und auf sehr verwundbare Gruppen trifft und auf diese einwirkt.

  3. c.

    Irreversibilität und Beharrlichkeit von Bedingungen, die Risiken determinieren – beispielsweise die Dauerhaftigkeit von Triebkräften, die das Risiko erhöhen, bzw. im Umkehrschluss die geringen Möglichkeiten, diese Triebkräfte für Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit (schnell) zu verringern.

  4. d.

    Begrenzte Möglichkeiten, ein Gefahrenereignis oder einen Trend wie den Temperaturanstieg im Kontext des Klimawandels sowie Charakteristika der Verwundbarkeit zu mindern. Dies sind z. B. Risiken, die bereits in den kommenden Jahrzehnten eintreten könnten, unter verschiedenen RCP- und SSP-Szenarien als bedrohlich einzustufen sind und demzufolge nur begrenzt beeinflusst oder umgekehrt werden können (IPCC 2014a, eigene veränderte Übersetzung auf Basis des IPCC 2014b, S. 11–12).

Insgesamt weisen diese Kriterien auf ein deutlich breiteres Risikoverständnis hin, das über die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefahrenereignisses hinausgeht. Gleichwohl bleibt es angesichts des Möglichkeitsraums, der sich aus der Kombination veränderter klimatischer und sozioökonomischer Bedingungen ergibt, eine Herausforderung, die Kriterien in ihrer Magnitude und Eintrittswahrscheinlichkeit zu bestimmen bzw. sie im Einzelfall anzuwenden. Risiken und Entwicklungspfade können räumlich und zeitlich sehr differenziert auftreten. Diese Tücken des neuen IPCC-Ansatzes könnten daher vor allem auf der regionalen und lokalen Ebene zum Tragen kommen, wenn es darum geht, über konkrete Anpassungsmaßnahmen und damit das Gewicht von Anpassung als Abwägungsbelang unter hohen Unsicherheiten zu entscheiden.

4.1 Beispiele für Schlüsselrisiken

Des Weiteren beschreibt Kap. 18 des Fünften IPCC-Sachstandsberichts Schlüsselrisiken vielfach als komplexe Interaktion zwischen vulnerablen Menschen und Lebenssicherungsstrategien einerseits sowie hoher Exposition und hoher potenzieller Gefahreneinwirkung andererseits. Als Schlüsselrisiken werden u. a. folgende Risiken identifiziert:

  • Risiken von Tod, Verletzung und Gesundheitsschädigung sowie Zerstörung oder erheblicher Beeinträchtigung von Lebenssicherungsstrategien von Menschen, die in niedrig liegenden Küstenzonen sowie in small island developing states (SIDS) leben, aufgrund von Stürmen, Küstenüberschwemmungen und Meeresspiegelanstieg.

  • Risiken schwerer Gesundheitsschädigungen sowie Zerstörung und erhebliche Beeinträchtigung von Lebenssicherungsstrategien für große Teile urbaner Bevölkerungsgruppen aufgrund von Hochwassern in zahlreichen Regionen.

  • Systemische Risiken aufgrund von Extremwetterereignissen, die zu einem Zusammenbruch von kritischen Infrastrukturen und ihren Dienstleistungen führen können, z. B. Elektrizität, Wasserversorgung und Notfallversorgung.

  • Risiken des Verlustes von ländlichen Lebenssicherungsstrategien und Einkommen aufgrund unzureichenden Zugangs zu Trink- und Bewässerungswasser sowie Risiken im Kontext reduzierter landwirtschaftlicher Produktivität.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Abschätzung von Risiken neben den physischen Veränderungen des Klimas und sogenannten klimawandelbeeinflussten Gefahren auch gerade die Vulnerabilität von Menschen, Lebenssicherungs- und Produktionssystemen und Infrastrukturen umfasst. Dies spiegelt sich z. B. im letztgenannten Schlüsselrisiko wider, in dem es nicht allein um die Frage der Verfügbarkeit von Trinkwasser oder Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft im Kontext des Klimawandels geht, sondern um Fragen des unzureichenden Zugangs, der eben auch durch gesellschaftliche Faktoren und Aushandlungsprozesse determiniert ist. Zudem weist auch das Beispiel der „systemischen Risiken“ darauf hin, dass indirekte Wirkungskaskaden im Kontext des Klimawandels erhebliche Risiken implizieren können und die enorme Abhängigkeit von Gesellschaften in Industrieländern von den Leistungen kritischer Infrastrukturen für Grunddaseinsfunktionen des Lebens diese Risiken noch verschärfen kann. Darüber hinaus wurden in der Technischen Zusammenfassung (Technical Summary, TS) – der eigentlichen wissenschaftlichen Zusammenfassung – im Vergleich zur Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (Summary for Policy Makers) wichtige Differenzierungen zur Verwundbarkeit getroffen. Zahlreiche Schlüsselrisiken verdeutlichen, dass es sich um multidimensionale Vulnerabilitäten handelt, die neben Fragen der Armut oder des Alters von Menschen auch Fragen fehlerhafter und unzureichender governance-Strukturen umfassen (Abb. 26.3). Folglich ist auch die sogenannte institutionelle Dimension von Verwundbarkeit zu ermitteln (vgl. IPCC 2014a).

Abb. 26.3
figure 3

Eine Auswahl der Gefahren, Schlüsselvulnerabilitäten und -risiken, die im Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCC für den Fünften Sachstandsbericht identifiziert wurden. Die Beispiele verdeutlichen die Komplexität der Risiken, die durch die interagierenden klimatischen Gefahren, Expositionen und vielfältige Vulnerabilitäten hervorgerufen werden. Risiken entstehen, wenn erhöhtes Gefahrenpotenzial mit sozialen, institutionellen, ökonomischen und umweltbezogenen Vulnerabilitäten zusammenkommt und auch die Exposition hoch ist, wie durch die Symbole dargestellt. (IPCC 2014c, eigene Übersetzung)

5 Bandbreiten und Unsicherheiten

Unsicherheiten sowie mögliche Bandbreiten potenzieller Entwicklungen, die mit der Modellierung von Prozessen im Erdsystem und auch mit der Frage zukünftiger Expositionsmuster und Vulnerabilitäten von Gesellschaften oder Ökosystemen verknüpft sind, stellen eine signifikante Herausforderung für Planungs- und Entscheidungsprozesse dar. Neben normativen Aspekten, die bei der Bewertung von Anpassungsstrategien auftreten, ist auch die Planung und Umsetzung ausgewählter Anpassungs- und Transformationspfade Teil einer öffentlichen Entscheidungsbildung, die nicht allein auf Expertenwissen zurückgreifen kann (Kap. 33).

5 Entscheidungstheoretische Perspektive

Die deskriptive Entscheidungstheorie differenziert bei Entscheidungssituationen wie folgt entlang des Grades der Sicherheit bzw. Unsicherheit über gegenwärtige und künftige Umweltzustände (Laux 2007):

  • Entscheidungen unter Sicherheit: Die eintretende Situation bzw. Rechtsfolge für eine bestimmte Handlung ist bekannt (deterministisches Entscheidungsmodell, z. B. Grundlage der Straßenverkehrsordnung).

  • Entscheidungen unter Risiko: Wahrscheinlichkeit für möglicherweise eintretende Umweltsituationen und deren Folgen ist bekannt (klassischer Hochwasserschutz).

  • Entscheidungen unter Ungewissheit: Möglicherweise eintretende Umweltsituationen sind bekannt, allerdings nicht deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und genauen Konsequenzen (Klimawandel).

  • Wahre Unbestimmtheit: Keine Grundlage zur Beschreibung von Entwicklungsmöglichkeiten (z. B. bei den möglichen Folgen gänzlich neuer Technologien).

Risikokalkulationen beziehen sich in aller Regel auf die Gegenwart, während sich Aussagen zum Klimawandel auf Zeitabschnitte in der teilweise recht fernen Zukunft beziehen. In der probabilistischen Risikokalkulation wird eine Frequenz-Magnitude-Funktion oftmals aus Zeitreihen abgeleitet, die vielfach auf Beobachtungen aus der Vergangenheit beruhen. In dieser Hinsicht können Ansätze des Managements von Folgen des heutigen Klimas – nach Laux (2007) – als „Entscheidungen unter Risiko“ bezeichnet werden. Die Reaktion auf einen möglichen, in seiner konkreten räumlich-zeitlichen Ausprägung und nicht über Wahrscheinlichkeitsaussagen bestimmbaren Klimawandel ist so allerdings nicht unbedingt fassbar. Deshalb sollte man im Kontext des Klimawandels von „Entscheidungen unter Ungewissheit“ sprechen (nach Laux 2007).

Unsicherheit aufgrund unvollständigen Wissens kann über die Untersuchung der Systeme reduziert werden. Dabei kann die natürliche Variabilität der Umwelt nicht reduziert, aber in der Risikoabschätzung quantifiziert werden (Wahrscheinlichkeit und Konsequenz). Beim Klimawandel sind die Prozesszusammenhänge zwar überwiegend bekannt, die Wahrscheinlichkeit und Folgen aber nicht sicher bestimmbar. Dies geht neben den Quellen der Unsicherheiten, die einer computergestützten Modellierung inhärent sind, auch auf die Ungewissheit über die sozioökonomischen Entwicklungen bzw. den Input der Klimamodelle zurück und lässt sich prinzipiell nicht auflösen.

Entscheidungen unter Risiko sind in das Konzept der planerischen Entscheidung einzuordnen (Greiving 2002, S. 74; Faßbender 2012, S.  86). Dabei besitzt der Planungs- bzw. Entscheidungsträger einen Spielraum bei der Auswahl einer Analysemethode und Bewertung der Ergebnisse für formelle Verfahren (Kap. 30). Das Gewicht des Belanges ergibt sich bei Risikoanalysen, d. h. bei Entscheidungen unter Unsicherheit, aus der Kombination von Eintrittswahrscheinlichkeit und Konsequenz bestimmter Ereignisse. In der Begründung für oder gegen eine bestimmte Anpassungsmaßnahme ist dann transparent darzulegen, welche fachlichen Daten und Prognosen herangezogen wurden und welche methodische Herangehensweise verwendet wird. Der Konsistenz der methodischen Herangehensweise kommt große Bedeutung für die Rechtssicherheit solcher Planungen zu. Dies gilt auch für Klimafolgenanalysen.

Demgegenüber bietet sich im Kontext des Umgangs mit Ungewissheiten bzw. des Umgangs mit zukünftigen Folgen des Klimawandels in der Praxis der Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip an, das zum Tragen kommt, wenn ein Schutzgut Schaden nehmen kann („Besorgnispotenzial“). Für die Beurteilung eines Besorgnispotenzials ist auch die Sensitivität bzw. Verwundbarkeit zu betrachten, weil sich erst aus Verschneidung von Klimasignal und Sensitivität bzw. Verwundbarkeit beurteilen lässt, ob eine erhebliche Betroffenheit vorliegt. Hierbei wird oftmals auf Wahrscheinlichkeitsangaben verzichtet und stattdessen ein plausibler worst case als Abwägungsgrundlage herangezogen. Das Dilemma ist aber auch hier die Bestimmbarkeit der Betroffenheit, weil die Begründung von Maßnahmen über das Vorsorgeprinzip auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit ist.

Eine wesentliche Schlussfolgerung besteht daher darin, dass Ungewissheit im Klimawandel prinzipiell zwar reduzierbar ist, beispielsweise über

  • eine breitere Verfügbarmachtung von Wissen (problems of interplay, problem of scale, Young 2002, 2010),

  • die Weiterentwicklung von Methoden,

  • Extremwertstatistik, die modellinterne Unsicherheit reduziert,

dass alle diese Ansätze jedoch auch die Komplexität vergrößern und dadurch Entscheidungen und Bewertungen tendenziell erschweren.

Gerade weil sich diese Ungewissheiten nicht vollständig beseitigen lassen, müssen Entscheidungsträger lernen, mit Ungewissheit in Planungs- und Entscheidungsprozessen umzugehen. Daher ist es wichtig, durch die Wissenschaft auch zu vermitteln, dass bei Verwendung des Risikokonzepts im Kontext der Klimafolgenbewertung und Anpassungsdiskussion keine Entscheidungen vorweggenommen werden, sondern hier ebenfalls weitere Abwägungen und Bewertungen erforderlich sind, die allerdings auf wissenschaftlich fundierten Informationen und Befunden aufbauen müssen.

6 Kurz gesagt

In dem neuen Risikoansatz des Fünften Sachstandsberichts des Weltklimarats wird verstärkt zwischen den Komponenten unterschieden, die Risiken im Kontext des Klimawandels ausmachen. Das Risikokonzept wird vom Vulnerabilitätskonzept unterschieden. Es rücken die Begriffe Gefahren, Exposition und Verwundbarkeit in den Fokus. Dieses Verständnis baut darauf auf, dass Menschen, Ökosysteme oder Infrastrukturen und Städte unterschiedlich verwundbar gegenüber dem Klimawandel sind. Die Höhe von Klimaschäden hängt dementsprechend nicht nur von der Stärke des Klimasignals, sondern auch von sozioökonomischen Entwicklungspfaden ab. So sollten auch Chancen und Risiken für Anpassungsprozesse von zwei Seiten her gedacht werden: aus der Perspektive des Klimawandels und aus der Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung. Allerdings wird Anpassung mit der Zunahme des Klimawandels deutlich schwieriger, und nur in einer bestimmten Bandbreite von Klima- und Umweltveränderungen sind Anpassungsstrategien möglich. Da jedoch die physikalischen Umweltveränderungen in keinem der Zukunftsszenarien klar eingegrenzt werden können und die sozialen Entwicklungen eine zusätzliche Dimension der Unsicherheiten mit sich bringen, müssen Entscheidungsträger mit Ungewissheit in Planungs- und Entscheidungsprozessen umgehen.