Zusammenfassung
Das Durchleben und Durchleiden berufsbezogener Dilemmata gehört zum Alltag vieler Führungskräfte. Unvorbereitet mündet die Konfrontation mit ihnen häufig in Zynismus, Schuldgefühle, Lähmung oder Frustration. Mit dilemmatischen Situationen zu rechnen, sich mit der Struktur von Dilemmata zu beschäftigen und Navigationsstrategien zu entwickeln, kann helfen, auch in dilemmatischen Situationen das Gefühl von Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit aufrechtzuerhalten. Solche Navigationsstrategien werden anhand von Erfahrungen aus individuellen Führungskräftecoachings und aus einem Praxisforschungsprojekt der Autoren mit Gruppen mittlerer Führungskräfte in zwei Produktionsbetrieben beschrieben.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
In einem seit Herbst 2014 laufenden Forschungsprojekt untersuchen wir in der Sektion Medizinische Organisationspsychologie am Universitätsklinikum in Heidelberg in aktuell zwei Kooperationsbetrieben die Dilemmata mittlerer Führungskräfte und interessieren uns dafür, wie mit den unvermeidbaren und erwartbaren Widersprüchen so umgegangen werden kann, dass sich Führungskräfte ihre Gesundheit und Freude am Beruf erhalten. Im Fokus der Studie stehen mittlere Führungskräfte, die in ihrer betrieblichen Rolle im Sandwich ganz besonders gefordert sind. Die aus qualitativen Interviews abgeleiteten Erkenntnisse übersetzen wir in ein zielgruppenspezifisches Resilienztraining, das gesunderhaltende Strategien für den Umgang mit belastenden Widersprüchen und Zwickmühlen des Berufsalltags mittlerer Führungskräfte in den Mittelpunkt stellt.
- 2.
Die Frage, wann mehr oder minder dosierter Ungehorsam eine innerbetrieblich sinnvolle Praxis sein kann, scheint uns in der Organisationsberatung bislang unzureichend diskutiert. Sie stammt aus den politischen Konzepten des gewaltfreien Widerstands mit Mahatma Gandhi und Martin Luther King als bekanntesten Protagonisten. In der systemischen Sozialarbeit ist sie bereits zum Buchtitel geworden (Conen 2014). Uns scheint, dass erfolgreiche Führungskräfte immer relativ viel Ungehorsam praktizieren, diesen aber so gut dosieren und kommunizieren, dass dies ihnen als Führungsstärke ausgelegt wird.
- 3.
Was fördert den Mut von (mittleren) Führungskräften? Großenteils bringen sie biografisch schon viel oder wenig Mut in ihre berufliche Rolle mit. Er nimmt aber zu, wenn sie ihre Alternativen im innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Arbeitsmarkt positiv einschätzen und wissen, dass sie notfalls kündigen können und dass dies keine Katastrophe wäre. Auf einer kollektiven Ebene wächst dort solcher Mut, wo solidarischer Austausch mit Kollegen der gleichen Hierarchieebene möglich wird.
Literatur
BundesPsychotherapeutenKammer (BPtK) (2012) BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit: Psychische Erkrankungen und Burnout. http://www.bptk.de/publikationen/bptk-studie.html. Zugegriffen: 15 Juni 2015
Conen ML (2014) Ungehorsam- eine Überlebensstrategie. Professionelle Helfer zwischen Realität und Qualität. Carl Auer, Heidelberg
Fischer HR (2012) Paradoxien als Quelle von Kreativität. Von Double Binds and Double Minds. Familiendynamik 37(4):244–257
Förster H von (1993) KybernEthik. Merve-Verlag, Berlin
Grawe K (2004) Neuropsychotherapie. Hogrefe, Göttingen
Haubl R, Voß GG (Hrsg) (2011) Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision. Eine Studie zu den psychosozialen Auswirkungen spätmoderner Erwerbsarbeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
Karasek R (1979) Job demands, job decision latitude, and mental strain: implications for job redesign. Adm Sci Q 24:285–308
Lohmann-Haislah A (2012) Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden, 1. Aufl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund
Luhmann N (2000) Organisation und Entscheidung. Westdeutscher Verlag, Opladen
Pangert B, Schüpbach H (2011) Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften auf mittlerer und unterer Hierarchieebene. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Macco K (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2011. Führung und Gesundheit. Springer, Berlin, S 71–79
Schlippe A von (2009) Das Auftragskarussell als Instrument der Fallsupervision. In: Neumann-Wirsig H (Hrsg) Supervisions-Tools. ManagerSeminare, Bonn, S 226–233
Schlippe A von, Schweitzer J (2012) Lehrbuch der Systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen
Schweitzer J, Bossmann U (Hrsg) (2013) Systemisches Demografiemanagement. Wie kommt Neues zum Älterwerden ins Unternehmen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Schweitzer J, Bossmann U (2014) Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als überraschend aktuelle betriebliche Gesundheitsthemen im demografischen Wandel. Systeme 28(1):5–26
Siegrist J (1996) Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup Health Psychol 1(1):27–41
Simon F (2013a) Einführung in die systemische Organisationstheorie. Carl-Auer, Heidelberg
Simon F (2013b) Wenn rechts links ist und links rechts. Paradoxiemanagement in Familie, Wirtschaft und Politik. Carl-Auer, Heidelberg
Zwack J, Eck A (2014) Ambivalenz hat viele Gesichter. Begegnungen mit der Zwiespältigkeit. In: Zwack J, Nicolai L (Hrsg) Systemische Streifzüge. Herausforderungen in Therapie und Beratung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S 13–35
Zwack J, Pannicke D (2009) Surviving the Organisation. Einige Landkarten zur Navigation im ganz normalen organisationalen Wahnsinn. In: Schreyögg A, Schmidt-Lellek C (Hrsg) Die Organisation in Supervision und Coaching. Organisation, Supervision und Coaching, Bd 3. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 111–125
Zwack J, Schweitzer J (2009) Bausteine systemischer Führungskräftetrainings. Organ, Superv Coach 4:399–412
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2016 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Zwack, J., Bossmann, U., Schweitzer, J. (2016). Navigieren im Dilemma. In: Hänsel, M., Kaz, K. (eds) CSR und gesunde Führung. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48692-4_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-48692-4_9
Published:
Publisher Name: Springer Gabler, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-48691-7
Online ISBN: 978-3-662-48692-4
eBook Packages: Business and Economics (German Language)