Theorien, das wird in diesem Kapitel deutlich werden, sind kein fruchtloser Acker, auf dem Wissenschaftler (Theoretiker) säen, um sich für die Nachwelt zu verewigen, unsterblich zu werden oder darauf die Legitimation ihres Schaffens zu begründen. Theorien sind hilfreiche Konstruktionen, die Interventionen systematisieren und sachgerecht ordnen. Wir zeigen, dass in Theorien Wissen gespeichert ist, das ein bestimmtes Format aufweisen muss, wenn es für die Praxis tauglich sein soll (nomopragmatisches Wissen). Wir zeigen auch, wie man zu praktisch verwertbaren Theorien gelangt (Realist Synthesis). Wir zeigen weiterhin, dass systematisches Intervenieren theoriegetrieben und evidenzbasiert sein muss, und wir machen deutlich, welche Variante der Wirksamkeitsprüfung dazu gefragt ist. Schließlich erläutern wir das sozial-ökologische Paradigma, das uns als brauchbarer theoretischer Rahmen für gesundheitsfördernde Interventionen gilt.

4.1 Ist alles nur graue Theorie?

Unter einer gesundheitsfördernden Intervention verstehen wir einen Vorgang, mit dem der Ausbruch einer Erkrankung oder deren Verschlimmerung verhindert, der gesundheitliche Zustand erhalten oder verbessert wird oder mit dem ganz allgemein ein als unerwünscht deklarierter Zustand in einen wünschenswerten Zustand überführt wird. Wir fordern von einer systematischen Intervention ein wissenschaftlich fundiertes oder – im Sinne von Max Weber – ein zweckrationales professionelles Vorgehen.

Zu einem wissenschaftlich fundierten Vorgehen gehört als ein wesentliches Kriterium die Feststellung, dass die Maßnahmen wirken, die eine Intervention ausmachen. Ein solches Vorgehen wird auch als evidenzbasiert bezeichnet. Über Wirksamkeit informieren systematische Reviews, die als Metaanalysen die Befunde vorhandener Studien integrieren und die Signifikanz und Stärke des Effektes feststellen. Als zweites wesentliches Kriterium wissenschaftlicher Fundierung gilt das theorieorientierte Vorgehen. Um dem zu entsprechen, muss eine explizite Vorannahme, eine Programmtheorie, formuliert werden, warum die Maßnahme unter den gegebenen Umständen bei den Personen wirken sollte, die mit der Intervention erreicht werden sollen.

„Nichts ist praktischer als eine passende Theorie“ – dieser Satz wird oft zitiert, manchmal auch in leicht abgewandelter Weise. Er wird unterschiedlichen Autoren (meistens aber dem Psychologen Kurt Lewin) zugeschrieben. Die Aussage des Satzes wird aber mindestens so oft verneint oder gar geschmäht. Vor allem Wissenschaftler, die mit Theorien hantieren, sind für praktisch Tätige häufig und in fehlerhafter Deutung als welt- und alltagsfremde Spinner verschrien. Sie, so der Vorwurf, malten sich die Realität schöner, als sie tatsächlich sei, und einmal mit der „wirklichen Welt“ konfrontiert, müssten sie kläglich das Scheitern ihrer Theorien bekennen.

Bevor zustimmender Beifall aufbrandet: Dass Theorien und Praxis nicht miteinander korrespondieren, ist nur dann ein angemessener Standpunkt, wenn Theorien als eine Art Prüfalgorithmus angesehen werden, mit denen sich Handlungsempfehlungen (allenfalls) kritisieren, aus denen sich aber keine Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Theorien als Prüfalgorithmus zu betrachten hat einen erkenntnistheoretischen Hintergrund, der aber in der Debatte um den praktischen Nutzen von Theorien oder in der Feststellung, es existiere ein Graben zwischen Theorie und Praxis, selten gemeint ist. Die Annahme, dass Theorien und Praxis nicht korrespondieren, erscheint nämlich allenfalls für nomologisches Wissen begründet. Davon zu unterscheiden ist nomopragmatisches Wissen, für das aber der Vorwurf der Praxisferne gerade nicht gilt. Vor allem der Wissenschaftstheoretiker Mario Bunge (1985) hat sich zu den verschiedenen Wissenskategorien geäußert.

Nomologisches Wissen enthält Gesetzesaussagen. In den Naturwissenschaften können die Aussagen deterministisch sein, in den Sozialwissenschaften sind sie meistens probabilistisch formuliert: „Wenn x, dann y“ in den Gesetzesaussagen der Naturwissenschaften oder „Wenn x, dann y mit der Wahrscheinlichkeit p“ in den Sozialwissenschaften. Solcherart Wissen stellt einen Sachverhalt fest, sagt aber nichts darüber aus, wie sich etwas herstellen lässt. Es ist zudem voll von Begriffen, die für die Wissenschaft und die in ihr tätigen Personen typisch sind. Ein Beispiel aus der Einstellungsforschung und der sozialpsychologischen Theorie der Selbstwahrnehmung kann das illustrieren: „Wenn Menschen durch Anreize dazu gebracht werden, ein einstellungsdiskrepantes Verhalten zu zeigen, dann finden sich anschließend an das Verhalten wahrscheinlich konvergente Einstellungen, wenn der Anreiz gering ausgefallen ist.“ Wer nicht psychologisch geschult ist, der wird diese Aussage mühsam entschlüsseln müssen.

Nomopragmatisches Wissen enthält dagegen keine gesetzartigen Aussagen, sondern sagt etwas darüber aus, wie sich (beabsichtigte) Veränderungen von Zuständen erreichen lassen: „Wenn x getan wird, dann kann man y beobachten.“ Oder: „Wenn x getan wird, dann kann man y mit der Wahrscheinlichkeit p beobachten.“ Auch hier das Beispiel von eben: „Wenn man Menschen dafür belohnt, etwas zu tun, das sie nicht mögen und von dem sie nicht überzeugt sind (einstellungsdiskrepantes Verhalten), dann werden sie ihre Einstellungen zu diesem Verhalten wahrscheinlich nur dann dauerhaft ändern, wenn die Belohnung gering ausgefallen ist.“ Für den psychologisch nicht geschulten Leser dürfte die Information, die in diesem Satz steckt, schon transparenter geworden sein.

Aus dem nomopragmatischen Wissen lassen sich technologische Regeln oder Handlungsregeln herleiten: „Um y zu erreichen, tue x unter den Umständen u.“ Auch hier das obige Beispiel fortgesetzt: „Um Erwachsene davon zu überzeugen, dass körperliche Aktivität in ihrem Alltag ihrer Gesundheit nutzt (Einstellungen), setze Anreize (Geld, Lob etc.). Die Anreize dürfen aber nur so hoch ausfallen, dass die betreffenden Personen nicht argumentieren können, sie hätten sich nur deshalb aktiv verhalten, weil sie dafür belohnt wurden.“ Wissen, über Handlungsregeln fundamentiert, ist nun genau das, was die Praxis benötigt und an dem sich systematisches interventives Handeln orientieren sollte.

Interventionen sollten ein evidentes Fundament haben, auch theoretisch orientiert sein, systematisch geplant sein und ebenso durchgeführt werden. Die Forderung nach Evidenzbasierung und Theorieorientierung lässt sich als wissenschaftliche Fundierung des praktischen Handelns fassen. Angelehnt an Perrez (2005) ist wissenschaftliche Fundierung an drei wesentliche Kriterien gebunden, von denen das erste Kriterium die Evidenzbasierung und die beiden anderen Kriterien die theoretische Orientierung von Interventionen betreffen:

  • Das erste Kriterium fordert den Nachweis der Wirksamkeit (Evidenz). Damit sind Maßnahmen ausgeschlossen, von denen bekannt ist, dass sie unwirksam sind (zum Beispiel hilft körperliche Aktivität nicht vorbeugend gegen Schizophrenie) oder für die keine Annahme formuliert werden kann, die den beiden folgenden Kriterien genügt:

  • Das zweite Kriterium fordert die Übereinstimmung mit dem vorhandenen wissenschaftlichen Wissen.

  • Das dritte Kriterium verlangt technologische Regeln, deren nomopragmatische Grundlage wiederum nicht im Widerspruch zu „Gesetzesaussagen“ steht.

Zu diesen drei grundlegenden Kriterien fordert Perrez außerdem:

  • die ethische Legitimierbarkeit der Intervention

  • die ethische Vertretbarkeit der verwendeten Methode

  • das Abwägen, ob der Interventionserfolg die möglichen Nebeneffekte rechtfertigt

  • die Kalkulation des Aufwands (Kosten)

Nach Auffassung des Soziologen Max Weber (1988) kann ein Handeln, das diesen Kriterien genügt, auch als professionell zweckrational bezeichnet werden. Professionell zweckrational handelt:

… wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenwirkungen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander abwägt.

Wissen

Wissen existiert als wissenschaftliches und als Erfahrungswissen. Im wissenschaftlichen Wissen werden Erkenntnisse, die über den Zusammenhang zweier oder mehrerer Sachverhalte informieren, als nomologisches oder Gesetzeswissen bezeichnet. Dieses Wissen kann deterministische Aussagen enthalten (zum Beispiel: „Im luftleeren Raum fällt ein Gegenstand mit einer Beschleunigung von 9,81 m/s2 zu Boden.“) oder probabilistische (zum Beispiel: „Wenn Menschen um ihre Gesundheit fürchten, werden sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein riskantes Verhalten ändern.“). Wissen, das über die Herstellbarkeit von Sachverhalten informiert, nennt man nomopragmatisches Wissen, das ebenfalls deterministisch oder probabilistisch sein kann. Aus nomopragmatischem Wissen lassen sich Handlungs- oder technologische Regeln ableiten. Nomopragmatisches Wissen liegt Programmtheorien zugrunde.

4.2 Theorieorientiert und evidenzbasiert

Systematische Interventionen sind theoretisch orientiert und evidenzbasiert. Sie sind theorieorientierte oder -getriebene Interventionen (Theory-Driven ), wenn ihnen mindestens die folgende Annahme explizit zugrunde liegt: „Wenn wir x tun, dann wird daraus, unter den Bedingungen y, wahrscheinlich das Resultat z folgen.“ Sie sind also theoretisch orientiert, wenn sie eine nomopragmatische Aussage formulieren, die unterstellt, dass der eine dem anderen Sachverhalt unter spezifischen Umständen mit einer mehr oder minder hohen Wahrscheinlichkeit zukünftig folgen wird.

Die Sachverhalte, die in der Aussage benannt werden, lassen sich unter den in der Annahme formulierten Bedingungen als Stellschrauben einer Intervention nutzen. Das Zutreffen einer solchen Annahme lässt sich prüfen. Vorannahmen dieser Art heißen Programmtheorien . Sie begleiten den im ersten Kapitel (Abb. 1.1) illustrierten Planungszirkel, der von der Statusanalyse bis zur Wirkungsbewertung reicht. Sie setzen einen theoretischen Rahmen und geben so dem Interventionshandeln eine Orientierung.

Einen Ausschnitt der Realität zu beschreiben oder, wie hier, erklärend vorwegzunehmen, ist das Grundkonzept jeder Theorie. Je nach erkenntnistheoretischem Ansatz sind die Auffassungen über eine Theorie aber mal mehr oder mal weniger eng oder weit. Im Positivismus müssen sich Aussagesysteme durch Beobachtung als zutreffend erwiesen haben, um sie als Theorie zu akzeptieren. Eine Theorie kann insofern wahr oder falsch sein, als die Beobachtung sie bestätigt oder sie sich aufgrund der Beobachtungen als unhaltbar erweist. In der Logik des Kritischen Rationalismus setzt die Forschung alles daran, Theorien zu falsifizieren, da Beobachtungen stets nur einen Realitätsausschnitt betreffen und so niemals verifiziert werden können. In der Logik wiederum wird mathematisch streng und formal argumentiert. Eine Theorie ist hier eine Menge M von sprachlichen Aussagen, für die gilt, dass M überhaupt wahr sein kann und die Aussagen in sich widerspruchsfrei und abgeschlossen sind.

In der Wissenschaft kommt im Allgemeinen und deshalb unabhängig vom bevorzugten erkenntnistheoretischen Standpunkt hinzu, dass Theorien sich prinzipiell – je nach erkenntnistheoretischem Fundament – falsifizieren oder verifizieren lassen. Sie müssen sich also an der Wirklichkeit bewähren können. In sich widersprüchliche Aussagen sind keine Theorien, etwa: „Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder es bleibt, wie es ist.“ Solche Aussagen sind immer wahr, damit aber auch informationsleer. Auch pseudo-, parawissenschaftliche oder esoterische Aussagen sind keine Theorien. Sie sagen in aller Regel etwas über die Realität aus, ohne eine Methode anzubieten, mit der sich ihr Zutreffen in absehbarer Zeit prüfen ließe. Sie transportieren Glaubensbekenntnisse, über die man nicht streiten kann – denn keiner der Streitenden wird jemals belegen können, dass seine Auffassung zutrifft und der Kontrahent sich irrt.

Theorien

Theorien sind Aussagesysteme, die in sich widerspruchsfrei sind und die sich durch Beobachtung oder mittels anderer Methoden prinzipiell als falsch oder richtig erweisen können. Theorien nehmen die Wirklichkeit gedanklich vorweg.

Wir wollen die diversen erkenntnistheoretischen Positionen – die wir im ersten Kapitel bereits angedeutet haben – hier nicht weiter vertiefen und verweisen die interessierten Leser/innen daher auf Westermann (2000).

Für unsere weitere Diskussion sind die Begriffe Änderungswissen und Programmtheorien bedeutsam. Programmtheorien sind vor allem in der Evaluationsforschung ein wichtiges Instrument. Sie sind zugleich ein Instrument zur systematischen Interventionsplanung. In einer Programmtheorie, die im Idealfall auf vorhandenem Änderungs- oder nomopragmatischem Wissen gründet, wird detailliert beschrieben, warum ein definiertes Ziel durch definierte Maßnahmen erreicht werden wird. Die Programmtheorie enthält also Aussagen darüber, wie die Maßnahmen so ineinander greifen, dass die Intervention wahrscheinlich wirkt. Vor allem sagt sie etwas darüber aus, warum das so sein wird. Ist kein gesichertes und dokumentiertes Wissen vorhanden, das über die Wirkweise und Wirksamkeit von Maßnahmen informiert, dann werden bei der Programmtheorieerstellung Personen einbezogen, die über eine einschlägige Expertise verfügen und die gemeinsam mit weiteren Verantwortlichen (in einem kommunalen Gesundheitsförderprogramm etwa Vertreter/innen der Kommunalverwaltung) Annahmen über die vermuteten Zusammenhänge, die Wirkmechanismen und den vermutlichen Ausgang formulieren.

Die Programmtheorie einer Intervention wird mit der Absicht formuliert, Interventionen systematisch zu planen. Sie kann durch logisches Modellieren (auf das wir später in diesem Buch noch eingehen) ergänzt werden. Ein derart theoriegetriebenes Herangehen hat zugleich den Vorteil, die spätere Evaluation in ihrem Vorgehen vorzubereiten und das Vorgehen selbst zu systematisieren.

4.2.1 Kriterien systematischer Intervention

Wenn Wissenschaftler wissen möchten, was man über die Wirkung eines bestimmten Sachverhalts (Variable) aktuell weiß (das aktuelle Wissen oder der Stand der Forschung wird auch State of the Art genannt), recherchieren sie in Datenbanken, in denen Veröffentlichungen systematisch dokumentiert und geordnet wurden (zum Beispiel die Datenbanken der Cochrane Library oder MedLine, EMBASE, PubMed, PsycInfo, Web of Science, PROSPERO und andere).

Bei der Suche nach dem Stand des Wissens sind Reviews von besonderem Interesse. Das sind Überblicksartikel, die es in verschiedenen Varianten gibt (Grant und Booth 2009). Unter diesen Varianten an Überblicksartikeln werden vor allem Metaanalysen hoch bewertet und unter denen wiederum solche, die „echte Experimente“ in ihre Analyse integrieren. Mit der Bevorzugung „echter Experimente“ wird der internen Validität einer Studie eine herausragende Bedeutung beigemessen. Intern valide ist eine Studie, die mit hoher Wahrscheinlichkeit behaupten kann, dass ein nachgewiesener Effekt tatsächlich der gewollten experimentellen Manipulation zuzuschreiben ist, statt dem Zufall oder anderen Einflussgrößen, die man im Experiment nicht kontrollieren konnte. Metaanalysen treffen Aussagen über die Stärke eines Effektes. Sie machen das, indem sie die weltweit verfügbaren Ergebnisse von Einzelstudien, die zu einer Forschungsfrage durchgeführt wurden, neu verrechnen und anhand statistischer Kennzahlen (Effektstärken) bewerten.

In der Gesundheitsforschung sind Metaanalysen vor allem für die klinische Forschung bedeutsam. Da es in der medizinischen, insbesondere in der klinisch-pharmakologischen oder auch der operativen Therapie meistens um eine eindeutig dokumentierte Form der spezifischen Intervention geht (einer Diagnose folgt eine dafür typische und bewährte Therapie, die gegen eine alternative Vorgehensweise getestet wird), sind die Aussagen von Metaanalysen dort sogar normierend. Sie begründen eine evidenzbasierte Therapie. Die Ergebnisse der Metaanalysen verpflichten medizinisches Personal im Sinne guter therapeutischer Praxis, auf eine gegebene Diagnose mit der wissenschaftlich bewiesenen (evidenten) Therapie zu antworten.

Reviews folgen in der Regel strikten Vorschriften, die zum Beispiel in der Cochrane-Library (www.thecochranelibrary.com) oder in PROSPERO (www.crd.york.ac.uk/prospero/) formuliert sind. Die Berichterstatter melden ihr geplantes Review in den Datenbanken an und starten damit einen kontrollierten Prozess. Das Protokoll des geplanten metaanalytischen Vorgehens wird vorab veröffentlicht. Auf diese Weise wird der Wissenschaftsgemeinde Gelegenheit gegeben, bereits die geplante Analyse zu kritisieren und nicht erst abzuwarten, bis die Ergebnisse vorliegen, um dann festzustellen, dass die Aussagen auf einem fehlerhaften oder unzulänglichen Vorgehen basieren. Auf diese Weise können Wissenschaftler, die auf dem Fachgebiet arbeiten, über das berichtet wird, Ergänzungen für die Analyse vorschlagen. Auch Daten, die bislang nicht veröffentlicht wurden, können den Metaanalytikern zugänglich gemacht werden.

Das „genehmigte“ Protokoll der geplanten Analyse enthält eine eindeutige Definition der Fragestellung, benennt die potenziell effektverursachende Variable (unabhängige Variable) und die dadurch sich verändernde Variable (abhängige Variable oder Endpunkt). In diesem ersten Schritt des Reviewprozesses wird auch festgelegt, welche Studien in die Analyse einbezogen und welche nicht berücksichtigt werden sollen, weil sie die Fragestellung des Reviews nicht in vollem Umfang treffen. In der klinisch-medizinischen und in der Präventionsforschung wird zum Beispiel detailliert benannt und beschrieben, wie die Behandlungsmethode, das Medikament oder die Vorsorgemaßnahme beschaffen ist, mit dem/der Patienten, die unter einer bestimmten Erkrankung leiden, geheilt werden sollen. Als „Endpunkte“ (jene, auf welche die Maßnahme wirken soll) werden zum Beispiel die Anzahl der Neuerkrankungen (Inzidenz ) oder die Sterbefälle (Mortalität ) gewählt. Schließlich werden die Stichwörter spezifiziert, mit denen man in den einschlägigen Datenbanken und in der sogenannten „grauen Literatur“ (Manuskripte, die nicht in den üblichen Zeitschriften und Büchern veröffentlicht wurden) recherchieren will. Auch diese Stichwörter orientieren Metaanalytiker an einer typischen Systematik. Sie nutzen im Kontext gesundheitswissenschaftlicher und medizinischer Fragestellungen beispielsweise Medical Subject Headings (kurz: MeSH-Terms; siehe www.nlm.nih.gov/mesh/), um passende und relevante Artikel zu recherchieren.

Die Autoren des Reviews ziehen sich, nachdem die Wissenschaftsgemeinde dem Protokoll zugestimmt hat, in ihre „Studierstube“ zurück. Sie recherchieren, wählen aus und bewerten nach dem vorher festgelegten Prozedere brauchbare und den Einschlusskriterien genügende Studien. Sie fertigen schließlich ihre Analyse, die sie dann meist viele Monate später veröffentlichen.

Welche Aussagen, die für wissenschaftlich fundierte Interventionen zweckmäßig sind, darf man von Metaanalysen erwarten? Zunächst einmal darf man nicht viel mehr erwarten als eine dichotome Aussage, die über die Wirksamkeit einer Maßnahme informiert und damit einem Kriterium der wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise genügt. Die Reviews berichten also, dass eine spezifische Behandlungsmethode wirkt oder nicht wirkt. Wenn sie wirkt, dann sagen die Analysen auch aus, wie stark die Wirkung im Mittel ausfällt und wie stark sie streut. Sie informieren auf diese Weise über die Evidenz . Infolge dieser Aussagen sind Behandlungsmethoden evidenzbasiert (bewiesen) oder nicht. Existieren genügend aussagekräftige Daten zu einer Behandlung, ist die Evidenz nachgewiesen und ist sie zudem von hoher Güte, dann sind Behandler/innen gefordert, evidenzbasiert zu behandeln, wollen sie sich nicht des unprofessionellen Handelns zeihen lassen.

Evidenz

Evidenz ist in den Gesundheitswissenschaften und der Medizin der empirische Nachweis, an dem sich Theorien bewähren müssen (verifizieren oder falsifizieren). Evidenz gibt es als Wirksamkeit (Efficacy), Alltagstauglichkeit (Efficiency) und praktische Wirksamkeit. Für die Interventionspraxis liefern Metaanalysen Hinweise auf die Wirksamkeit von Maßnahmen. Die Prüfung der Alltagstauglichkeit ist dagegen Gegenstand der Implementierungsforschung.

In den sozialwissenschaftlich ausgerichteten Gesundheitswissenschaften, die ihre Konzepte auch im sozialen Umfeld anwenden (zum Beispiel in kommunalen Gesundheitsförderprogrammen oder bei der betrieblichen Gesundheitsförderung), um Wirkungen oft für ganze Gruppen von Personen zu erzielen, sind die „therapeutischen Verfahren“ weniger eindeutig definiert als jene der Medizin. Gesundheitsfördernde Interventionen nutzen eher facettenreiche Maßnahmen statt einzelne „Therapien“. Die Strategie „one size fits all“ ist in der Gesundheitsförderung selten zielführend. Das gilt zum einen, weil die Diagnose diffus bleibt, und zum anderen, weil die Maßnahmen meist aus einem Bündel von Techniken, Methoden oder Elementen bestehen. Auch die Maßnahmen, die verwendet werden, sind häufig wenig präzise abgrenzbar von anderen, ähnlichen Maßnahmen. Manchmal sind sie auch nur unzureichend definiert. Ihre Wirkung ist zudem auch noch stark von den Bedingungen abhängig, unter denen die Intervention erfolgt und die passenden Maßnahmen angewandt werden. Interventionen sind eben komplex. Was das bedeutet, haben wir bereits in den ersten beiden Kapiteln ausgeführt.

Gesundheitswissenschaftliche Forschung will Erkenntnisse gewinnen, die in der praktischen Umsetzung von gesundheitsfördernden Interventionen verwertbar sein sollen. Sie hat einen transdisziplinär en Anspruch. Verwertbar sind die Erkenntnisse nicht automatisch und an sich, wie wir mit Hinweis auf die Wissensvarianten bereits herausgestellt haben. Eine bloße Übertragung von Forschungsresultaten auf die Praxis gelingt selten. Wissenschaftliche Erkenntnis bedarf zunächst der Übersetzung, um Gesundheitsförderung wirksam zu unterstützen.

In der Übersetzungsforschung werden drei Forschungskontexte unterschieden, für die die Wirksamkeit einer Intervention nachgewiesen werden soll: a) das Labor, b) die standardisierte Umgebung und c) die Bevölkerung. Diesen Dreischritt kennt man gut aus der pharmakologischen Forschung. Im Labor wird – auch an Tiermodellen – zu Medikamenten oder Behandlungsmethoden geforscht, am Bett ausgewählter Patienten werden die Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente oder Behandlungen getestet, um sie dann – bei nachgewiesener Wirksamkeit und bei akzeptablen Nebenwirkungen – Ärzten als Leitlinien für die Behandlung der Bevölkerung zu empfehlen. Den drei Kontexten (Labor, Bett, Bevölkerung) entsprechend geht der Weg der Übersetzung (T1) vom Labor zum Bett („from bench to bedside“) und dann (T2) vom Bett in die Bevölkerung („from bedside to community“; für eine kurzgefasste Vertiefung siehe Schlicht und Kahlert 2014).

Angelehnt an eine Arbeit von Lobb und Colditz (2013) vom Department of Surgery der University of St. Louis (USA), die im Annual Review of Public Health erschienen ist, ist der Übersetzungsvorgang aber noch komplexer. Auf dem Weg von der Laborforschung zur Umsetzung in das naturalistische Umfeld, in die Praxis also, füllen Forschende und praktisch Tätige jeweils für sie passende Rollen aus. Die einen haben die vornehmliche Aufgabe, Wissen zu schaffen, die anderen haben die Aufgabe, Gesundheit durch Maßnahmen wirksam zu fördern. Formen der Zusammenarbeit zwischen beiden sind selten. Das liegt zum einen an fehlenden personellen und materiellen Ressourcen auf beiden Seiten, die aber für eine engere Zusammenarbeit Voraussetzung wären. Zum anderen liegt es auch an der Reserviertheit, die Akteure in der Forschung und der Praxis wechselseitig der Arbeit der jeweils anderen Seite entgegenbringen. Für jene in der Praxis ist das, was Wissenschaft macht, zu viel „Elfenbeinturm“ und damit zu weit von den täglichen Problemen der Praxis entfernt, und für jene in der Wissenschaft ist das, was Praxis tut, zu wenig systematisch.

Diese Haltung mag dem jeweiligen Selbstverständnis der Protagonisten dienen. Der Sache allerdings nutzt das nicht. Forschung erfährt auf diese Weise nicht, wo in der Praxis der „Schuh drückt“, und die Praxis erfährt nicht, über welchen aktuellen Stand des Wissens man derzeit verfügt. Nicht von ungefähr ist daher die praktische Gesundheitsförderung voll von Mythen: Zwei Liter Wasser täglich müssen es sein, langsames Laufen steigert die Fettverbrennung mehr als schnelles Laufen, Rohkost ist gesund, Krebsvorsorge verhindert massenhaft Todesfälle und dergleichen mehr. Nicht von ungefähr werden auf der anderen Seite der Mauer praktisch unnütze Fragestellungen aufgeworfen. Eine hoffnungsvolle Perspektive bietet sich mit der sozial-ökologischen Nachhaltigkeits- oder transdisziplinären Forschung, die Forschung zu einer Koproduktion von Wissenschaft und Praxis macht (zum Beispiel Zierhofer und Burger 2007).

Die geforderte Evidenzbasierung ist also komplizierter als sie bei einem ersten Hinschauen erscheint. Wir haben es im Feld der Gesundheitsförderung daher auch mit unterschiedlichen Facetten von Evidenz zu tun (siehe dazu unter anderem Dickinson 1998; Green und Tones 1999, 2010). Die erste ist bereits benannt und kann auch als der Nachweis einer kausalen oder assoziativen Verbindung zwischen zwei Variablen betrachtet werden. Der Goldstandard, um diese Facette der Evidenz zu belegen, ist das „echte Experiment“. Im Englischen steht für den experimentellen Wirksamkeitsnachweis der Begriff „Efficacy“, im Deutschen „Wirksamkeit“. Die zweite Facette der Prüfung weist nach, dass eine Maßnahme sich auch unter realen Bedingungen als wirksam erweist; dass sie also nicht nur im Labor („bench“), sondern auch am Bett („bed“) wirkt. Im Englischen steht hierfür der Begriff „Effectiveness“ und im Deutschen jener der „Alltagswirksamkeit“ oder „Alltagstauglichkeit“. Schließlich lässt sich noch eine dritte Prüffacette unterscheiden. Sie belegt, dass eine evidenzgestützte, alltagstaugliche Maßnahme sich auch unter anderen Bedingungen in der Wirklichkeit (Community) bewährt. Man könnte das die „praxisbasierte oder praktische Wirksamkeit“ nennen.

Schwartz und Lellouch (2009) haben den Unterschied als „explanatorisches “ versus „pragmatisches “ Tun gekennzeichnet. Das erste beschreibt ein Vorgehen, das unter optimalen, weil standardisierten Bedingungen nachzuweisen versucht, dass etwas wirkt, und das zweite ist ein Vorgehen, das unter Alltagsbedingungen Wirksamkeit nachweisen will. Für das zweitgenannte ist das Experiment weniger gut geeignet. Für die Forschung sind das in jedem Fall zwei Schritte, die zu gehen sind und die wir bereits genannt haben: Einmal „from bench to bedside“ und dann „from bedside to community“.

Explanatorische Forschung

Explanatorische Forschung will Sachverhalte erklären, indem Theorien unter standardisierten Bedingungen auf ihre Bewährung getestet werden. Sie sucht nach Evidenz oder Wahrheit.

Pragmatische Forschung

Pragmatische Forschung will testen, ob Sachverhalte unter realen Bedingungen wirken. Sie sucht nach Alltagstauglichkeit oder Pragmatik.

Die dem zweiten (pragmatischen) Schritt zugehörige Forschung firmiert unter Disseminations- oder Implementierungsforschung . Beispiele für diese Art der Forschung sind die Diabetes-Interventionsstudien in China, Finnland und den USA sowie eine laufende weltweite Multicenter-Studie, an der die Arbeitsgruppe des Erstautors beteiligt ist (PREVIEW). Diese Studien suchen bzw. suchten nachzuweisen, dass Lebensstiländerungen wirksam die Inzidenz der Zuckererkrankung verhindern oder deren Verschlimmerung vermeiden helfen. Der Weg von der Umsetzung (Implementierung) der dort gewonnenen Erkenntnisse in den Alltag von Prädiabetikern und Diabetikern ist dann immer noch weit.

Mit PRECIS, das als Akronym für Pragmatic Explanatory Continuum Indicator Summary steht (Thorpe et al. 2009 ), ist ein Werkzeug vorhanden, dass sich dazu eignet, Studien zu konzipieren, die eher dem einen oder eher dem anderen Zweck dienen. Wir stellen PRECIS in Kap. 6 im Zusammenhang mit einem weiteren Werkzeug vor (RE-AIM), mit dem man über den praktischen oder Public Health Impact (Einfluss) einer Maßnahme urteilen kann.

Zu unserer Forderung nach einem systematischen Vorgehen in der Interventionspraxis gehört unabdingbar das evidenzbasierte Vorgehen. Evidenz ist das erste Kriterium einer wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise nach Perrez (2005). Evidenzbasiert zu intervenieren bedeutet entweder, dass die Wirksamkeit der Interventionsmaßnahmen belegt ist oder – sofern man sich in Neuland befindet – dass wenigstens sichergestellt ist, dass die vermuteten Wirkungen dem vorhandenen wissenschaftlichen Wissen nicht widersprechen.

Wie es um die Evidenz einer Interventionsmaßnahme bestellt ist, erfährt man aus Metaanalysen. Diese treffen aber keine Aussagen über Wirkmechanismen einer Intervention. Sie beantworten die beiden Fragen, ob eine Behandlung wirkt und wie stark die Wirkung im Durchschnitt war. Metaanalysen erweitern dadurch ohne Zweifel den Korpus des nomopragmatischen Wissens. Die Frage aber, warum eine Behandlung wirkt, ist so noch unbeantwortet. Vor Beginn einer Intervention sollte man auch diese Frage – wenn nicht abschließend, so doch hypothetisch – beantwortet haben.

Um die Frage nach dem Warum zu beantworten, muss also – wenn bewährtes Wissen fehlt – eine Hypothese formuliert werden, in der jene Mechanismen der Maßnahme benannt werden, denen man unterstellt, sie würden eine Wirkung verursachen. Diese Hypothese muss sich dann in der Wirklichkeit über Beobachtungen oder experimentelle Manipulation bewähren. Im statistischen Modus einer Metaanalyse lässt sich zu dem Zweck der Einfluss einer Mediatorvariablen prüfen. Ein Mediator „vermittelt“ zwischen einer Behandlung (Treatment) und dem durch sie bedingten Effekt. Diese Eigenschaft verleiht ihm den Namen. Anders formuliert: Nur wenn der Mediator in einer ausreichenden Stärke vorhanden ist, wirkt eine Behandlung.

Nehmen wir die Wirkung von körperlicher Aktivität auf das psychische Wohlbefinden als Beispiel für das erwartete Zusammenspiel eines vermeintlichen Mediators mit der verursachenden und der Effektvariable. Ohne auf die methodischen Probleme verweisen zu wollen, die mit der Prüfung dieser Wirkung verbunden sind, gilt im Großen und Ganzen, dass Menschen sich besser fühlen, wenn sie zuvor körperlich aktiv waren. Das belegen sämtliche Metaanalysen (zum Beispiel Schlicht 1994). Wiederholt ist nun die Vermutung geäußert worden, Aktivität wirke, weil sie, so sie denn regelmäßig erfolgt, auch die Fitness steigere (zum Beispiel gemessen über die Ausdauerleistungsfähigkeit und festgemacht an der maximalen Sauerstoffaufnahme). Die Fitness soll hier also zwischen der Aktivität und dem Wohlbefinden mediieren. Wäre dem so, dann wiese dies auf physiologische Wirkmechanismen hin, die das Wohlbefinden beeinflussen (zum Beispiel könnte ein intensivierter Stoffwechsel die Schmerzschwelle erhöhen und die Stimmung steigern). Tatsächlich aber hat sich der Mediator nicht bewährt. Die meisten Personen fühlen sich nach körperlicher Aktivität unabhängig von einer Fitnesssteigerung wohler. Wir wissen bis heute nicht, warum das so ist. Wir müssen also auf diesem Gebiet der Gesundheitsförderung auch weiterhin mit Vorannahmen operieren (siehe etwa bei Schlicht und Reicherz 2012).

Die Debatte über die wissenschaftliche Orientierung oder über theoriegetriebene Interventionen hat zu einem methodischen Zugang der theoretischen Begründung einer Intervention geführt, der als Realist Synthesis etwa seit Beginn des Jahrhunderts bekannt ist. Im erkenntnistheoretischen Realismus , zu dem die Vertreter/innen der Realist Synthesis gehören, hält man die wirkliche Welt für potenziell erkennbar, wenn man die geeigneten Methoden einsetzt. Der Ansatz geht davon aus, dass es physische und psychische Dinge gibt, die existieren, auch ohne, dass wir sie beobachten können. Wir können also nur vermuten, dass sie existieren, und über geeignete Methoden versuchen, ihnen auf die Spur zu kommen. So etwa läuft das in der Physik mit dem Teilchenbeschleuniger am Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, dem CERN.

Popper und Eccles (1987) nennen die physikalische Welt die „Welt 1“, von dieser unterscheiden sie die psychische oder die „Welt 2“ sowie die „Welt 3“, die Welt der Ideen, der Gedanken, des menschlichen Geistes. Die beobachtungsunabhängigen Dinge in der „Welt 1“ sind für alle Personen identisch. Sie sind objektiv vorhanden, also unabhängig von subjektiven Zuschreibungen. Nach Auffassung des Realismus kann man ihre Beschaffenheit und ihre Wirkungen potenziell „wissen“.

Um zu wissen, was wirken könnte, bedient sich die Realist Synthesis einer systematischen Vorgehensweise. In der wird, anders als in Metaanalysen, nicht danach fragt, ob und wie stark eine Intervention wirkt, sondern warum sie unter gegebenen Umständen gewirkt hat und im gegebenen Kontext einer Intervention wirken könnte. Die Methode der Realist Synthesis kann sowohl in der Konstruktion einer Intervention als auch zu deren Evaluation eingesetzt werden. Realist Synthesis will eine Programmtheorie finden oder aufdecken, die erklärt, warum eine bestimmte Maßnahme unter definierten Umständen wirkt oder warum sie versagt.

Vor allem Ray Pawson hat die Realist Synthesis begründet und das Vorgehen detailliert beschrieben (Pawson et al. 2004). Inzwischen sind einige Beispiele in der Literatur zugänglich, die das Vorgehen an konkreten Interventionsfragestellungen demonstrieren (zum Beispiel Rycroft-Malone et al. 2012). Wie die Autoren selbst anmerken, ist die Methode „nichts für Anfänger“. Man darf also fragen, warum wir sie dann in diesem Einführungsbuch überhaupt behandeln. Wir tun das, weil wir überzeugt sind, dass sie einem systematischen Vorgehen folgt, das selbst in einer reduzierten Form immer noch zielführend ist, um Interventionen systematisch zu planen. Wir tun es auch, weil das Vorgehen mit dem logischen Modellieren korrespondiert, auf das wir in späteren Kapiteln noch eingehen werden.

„Warum wird die Intervention wirken?“ lautet die Frage, die im systematischen Vorgehen der Realist Synthesis beantwortet werden soll, oder – wird die Methode in der Evaluation eingesetzt – „Warum hat die Interventionsmaßnahme gewirkt?“. Gesucht wird also eine Programmtheorie, die entweder die Intervention prospektiv wissenschaftlich fundiert (Konzipierung) oder vorhandene Interventionen auf ihren Wirkmechanismus retrospektiv prüft (Evaluation).

Aus der Realist-Synthesis-Methode greifen wir im Folgenden einige Aspekte heraus, die auch für Anfänger/innen von Interventionsplanungen relevant sind. Auch für diese hier ausgewählten Aspekte ist ein Mindestmaß an theoretischem und methodischem Wissen unerlässlich, um im Sinne von Max Weber professionell zweckrational zu handeln.

4.2.2 Realist Synthesis

Das Vorgehen der Realist Synthesis wird am besten über Fragen und Anweisungen illustriert, die den Prozess der Interventionsplanung respektive -evaluation begleiten. Wir haben in Tab. 4.1 den einzelnen Prozessaktivitäten und Stufen des Vorgehens Fragen und Anweisungen zugeordnet, die für die Aktivitäten und Stufen jeweils passend sind.

Tab. 4.1 Realist Synthesis: Logik des Vorgehens

Der vierte Schritt des Prozesses sieht vor, die vorhandenen Befunde zu dokumentieren. Tabelle 4.2 enthält ein Beispiel für den Aufbau eines solchen Dokumentationstemplates. Die Detailfülle der Dokumentation ist letztlich variabel, sie kann also ausgedehnt werden. Sie sollte aber mindestens die Spaltenüberschriften der Tab. 4.2 enthalten.

Tab. 4.2 Template zur Dokumentation der Rechercheergebnisse

Ein anschauliches Beispiel, wie in einer Realist Synthesis vorgegangen wird, stammt von Yen et al. (2014). Die Autoren befassen sich in ihrer Arbeit mit dem Einfluss, den die gebaute Umwelt auf das Mobilitätsverhalten älterer Personen hat. Alte Menschen sind in wesentlich stärkerem Maße von ihrer Umgebung abhängig als junge Menschen, und Barrieren in der Umwelt hindern sie gegebenenfalls daran, mobil zu bleiben. Hintergrund der Studie von Yen und Kollegen/innen ist das in den Alternswissenschaften vorhandene wissenschaftliche Wissen, nach dem Alltagsmobilität/-aktivität eine kritische Verhaltensweise ist, die ältere Menschen gesund erhält.

Der erste, noch grobe Entwurf der Programmtheorie der Realist Synthesis von Yen und Kollegen sah vor, dass Mobilität vom gebauten Raum (zum Beispiel die Anordnung von Hausfassaden, die Möblierung der Straßen), persönlichen Einstellungen, Vorlieben, Fertig- und Fähigkeiten und von momentanen Einschätzungen der Situation, in der die Mobilität stattfinden soll, abhängt. Mit diesen Facetten der Programmtheorie wurde dann in den einschlägigen Datenbanken nach vorhandener Literatur gesucht, um die Hypothese zu bewähren. Am Ende des gesamten Vorgehens (Tab. 4.1) erwies sich die ursprüngliche Programmtheorie insofern als korrekturbedürftig, als die eingeschätzte Sicherheit der Umgebung eine vermittelnde (mediierende) Variable darstellte. Ältere sind selbst bei günstigen Bedingungen der Raumgestaltung (Ästhetik) und der Flächennutzung im Quartier (Misch- statt reine Wohngebiete) nur dann aktiv mobil, wenn sie die Umwelt als sicher wahrnehmen (das betrifft die Verkehrssicherheit und die Kriminalität).

Wir haben im ersten Kapitel des Buches auf Planungszyklen verwiesen (zum Beispiel auf den Public Health Action Process Cycle). Auch in der Realist Synthesis folgt das Vorgehen einem Kreismodell, das in Abb. 4.1 wiedergegeben ist.

Abb. 4.1
figure 1

Realist-Synthesis-Systematik

Für Interventionen, die darauf zielen, ein gesundheitlich riskantes Verhalten zu verändern, haben Michie und Prestwich (2010) ein Kodierschema vorgestellt, das anhand von 19 Items zu prüfen erlaubt, ob und wie Theorien in einer Intervention genutzt wurden. Ändert man die Perspektive, dann lassen sich die meisten Items des Schemas auch dazu verwenden, Interventionen systematisch zu planen, statt sie im Nachhinein zu evaluieren.

Die von den Autoren vorgeschlagenen Kategorien sind in zwei Klassen gruppiert. Die ersten elf Items eignen sich, um zu beurteilen, in welchem Ausmaß eine Intervention theorieorientiert war. Die folgenden sieben Items sind jene, mit denen die theoretischen Aussagen auf ihre Bewährung geprüft werden können. Legt man die in der Evaluationsforschung gebräuchliche Unterscheidung von Theory-Driven und Knowledge Generating Evaluation (auf die wir in Kap. 6 noch näher eingehen werden) zugrunde, dann zählen die ersten elf Items zu den Theory-Driven Evaluations. Die weiteren acht Items sind dann jene, die eine hohe Qualität einer Knowledge Generating Evaluation sichern sollen (Holling 2009).

4.3 Paradigmata

4.3.1 Theoretische Orientierung schaffen

In diesem Buch können nicht alle Programmtheorien für Interventionen gelistet und erläutert werden, die zu komplexen Interventionen im Kontext der Gesundheitsförderung passen könnten. Wir beschränken uns auf ein wesentliches Paradigma, dem sich verschiedene Theoriegruppen unterordnen: das sozial-ökologische Paradigma. Wir werden in Kap. 5 auf sozial-kognitive Modelle eingehen, mit denen die Autoren erklären wollen, wie Verhaltensänderungen funktionieren. Autoren, die dieses Paradigma bevorzugen, machen Verhaltensänderungen primär an psychischen Prozessen fest. Wer weiterführende und vertiefte Kenntnisse zu den einzelnen Paradigmen, theoretischen Rahmenkonzepten und Theorien, die im Kontext der Gesundheitsförderung relevant sind, erwerben möchte, der sei auf die Überblickswerke und -darstellungen von Renneberg und Hammelstein (2006) oder Schlicht und Brand (2010) verwiesen.

Paradigmata

Paradigmata sind nach Kuhn (2009) „allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern“. In der Psychologie beispielsweise war der Behaviorismus ein vorherrschendes Paradigma, in den Führungstheorien war es die Big Man Theory. Paradigmata werden abgelöst. Sie werden durch andere ersetzt, die fortan das Denken leiten und das methodische Vorgehen bestimmen.

4.3.2 Sozial-ökologisches Paradigma

Menschen werden in ihren Handlungen durch Motive und Ziele beeinflusst. Sie wünschen sich, gesund zu bleiben oder ihre Gesundheit wieder herzustellen; sie wünschen sich ein berufliches Fortkommen oder eine glückliche Partnerschaft und noch vieles mehr. Dazu handeln sie mal mehr, mal handeln sie minder passend. Welche Handlungen sie wählen, hängt aber nicht nur von ihren eigenen Wünschen, ihrem Wollen, ihren Einstellungen oder Persönlichkeitsmerkmalen, ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten ab, sondern auch von der Umwelt, in der sie leben.

Das sozial-ökologische Paradigma trägt der mehrfachen Bedingtheit eines Verhaltens Rechnung und macht dazu folgende Vorannahmen:

  • Umwelt ist vor allem subjektiv wahrgenommene Umwelt: Für das Verhalten ist es also weniger entscheidend, wie die Umwelt physikalisch beschaffen ist, sondern wie sie von der Person subjektiv wahrgenommen und interpretiert wird.

  • Umwelt ist komplex: Die in ihr wirkenden Agenten und Mechanismen sind vielfältig und dynamisch verknüpft.

  • Das Verhalten einer Person ist das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung von Person und Umwelt (Person-mal-Umwelt-Passung: P × U).

Grafisch können die verschiedenen Ebenen, die miteinander agieren, als ineinander verschachtelte Kästen illustriert werden (Abb. 4.2). Für das „klassische“ grafische Modell, das in den Gesundheitswissenschaften geläufig ist, verweisen wir auf Dahlgren und Whitehead (1991).

Abb. 4.2
figure 2

Sozial-ökologischer Theorierahmen

Als Begründer des sozial-ökologischen Paradigmas, so wie es heute gemeinhin bekannt ist, gilt Bronfenbrenner (1981). Letztlich sind alle anderen Modelle, auch jene aus der jüngeren Vergangenheit, Ausgestaltungen seines fundamentalen Ansatzes. Bronfenbrenner unterschied fünf Systeme, die in der Entwicklung einer Person von der Kindheit bis ins hohe Alter wirken und das Resultat des Entwicklungsprozesses beeinflussen:

  • Das Mikrosystem umschließt die sozialen Interaktionen einer Person. Jede einzelne Person ist immer auch Mitglied einer sozialen Gruppe, einer Familie, einer Schulklasse oder einer Arbeitsgruppe. Mit den Mitgliedern dieser Gruppe tauscht die Person sich aus. Auf der Ebene der Mikrosysteme werden beispielsweise Jugendliche durch ihre Peer Group veranlasst, das Rauchen zu beginnen, oder sie lassen sich zum „Kampftrinken“ animieren. Tajfel (1970), ein einflussreicher Sozialpsychologe, hat im Minimal Group Paradigm gezeigt, dass die bloße und daher eigentlich inhaltsleere Zuordnung zu Gruppen, deren Mitglieder sich vorher nicht kannten und die auch zuvor nicht miteinander interagierten, bereits ein Verhalten auslöst, das die Mitglieder der eigenen Gruppe bevorzugt (positive Distinktheit). In der Theorie der emergenten Normen von Turner und Kilian (1957), um ein weiteres Beispiel anzuführen, wird der Einfluss von Interaktionen in einer Gruppe auf (aggressives) Verhalten noch deutlicher. Wenn Personen in einer konfusen, mehrdeutigen Situation nicht wissen, wie sie handeln sollen, dann beobachten sie das Handeln der anderen Gruppenmitglieder und achten auf die damit verbundenen Konsequenzen. Bleiben diese ohne negative Auswirkungen für die Handelnden, dann machen sie es den anderen nach. Es entsteht quasi eine neue, eine emergente Verhaltensnorm.

  • Die Summe der Mikrosysteme und die Beziehung zwischen ihnen bilden das Mesosystem. Auf dieser Ebene wirken beispielsweise die Familie, der Freundeskreis und eine ärztliche Praxis gemeinsam, um eine Person zu veranlassen, ein Symptom abklären zu lassen. Die Familie und die Freunde fordern zum Besuch der Praxis auf und drängen darauf, die im Anschluss an die Diagnosestellung vorgeschlagene Therapie einzuhalten. Ein therapietreues Verhalten (Compliance) könnte aus dieser Interaktion resultieren.

  • Dem Exosystem gehört eine Person nicht direkt an. Sie wird aber indirekt, über ihre Bezugspersonen, vom Exosystem beeinflusst. Zum Beispiel kann die Arbeitsstelle des Partners das Freizeitverhalten einer Person beeinflussen, wenn an der Arbeitsstelle gilt, dass körperliche Aktivität ein Verhalten ist, das man so oft wie möglich praktizieren sollte. Will sie dem Partner gefallen, wird die Person die Freizeitaktivität mit ihm teilen.

  • Das Makrosystem ist schließlich die Summe aller Beziehungen in einer Gesellschaft oder Gemeinschaft. Dies betrifft die (ungeschriebenen) Normen, Erwartungen, Konventionen, Traditionen, Werte und die kodifizierten politischen, juristischen und religiösen Gesetze und Vorschriften. So haben es Frauen, die als Migrantinnen in Deutschland leben, aber im Sinne der Geschlechterrollenbilder eines traditionellen Islam erzogen wurden, deutlich schwerer, in aller Öffentlichkeit sportlich aktiv zu sein, als einheimische Frauen, die nach einem christlichen Weltbild erzogen wurden und so aufgewachsen sind.

  • Schließlich ist noch das Chronosystem zu nennen. Dieses System steht vor allem für die zeitliche Dimension in der ontogenetischen Entwicklung. Bei Havighurst (1972) wurde es in den Entwicklungsaufgaben thematisiert. Bronfenbrenner unterscheidet normative und nicht normative Momente, die eine Entwicklung beeinflussen. Die klassische Dreiteilung des Lebenslaufs beispielsweise sieht im späten Jugend- oder frühen Erwachsenenalter den Eintritt in das Berufsleben vor. Damit ändert sich normativ die frei verfügbare Zeit, und damit ändert sich auch die Möglichkeit, in der Freizeit etwas für die eigene Gesundheit zu tun, indem man beispielsweise körperlich aktiv wird. Nicht normativ – da es nicht alle Personen gleichermaßen in ein und demselben Lebensverlaufsabschnitt trifft – wäre es dagegen, wenn ein Angehöriger an Demenz erkrankte und dadurch die Lebensweise und die Freizeitbedürfnisse der übrigen Familienmitglieder der Pflege des Angehörigen untergeordnet würden.

Vor Bronfenbrenner haben bereits Barker (1968) mit den Behaviour Settings in der Environmental Psychology oder Lewin und Cartwright (1951) in der Ökologischen Psychologie auf Umwelteinflüsse verwiesen, die ein Verhalten mitbedingen. In den Gesundheitswissenschaften hat es eine Reihe von Ausformungen des ursprünglichen Bronfenbrenner’schen Ansatzes gegeben (zum Beispiel Schlicht 2000; Stokols 1992). Diese Ansätze und Modelle benennen alle (mehr oder weniger) übereinstimmend die Komponenten, die ein Gesundheits- und Krankheitsverhalten bedingen, und sie nehmen alle davon Abstand, gesundes Verhalten alleine in die „Verantwortung“ einer Person, ihrer psychischen Zustände und Prozesse zu delegieren. Kurz, sie vermeiden es, die Lebensweise alleine für den gesundheitlichen Zustand einer Person verantwortlich zu machen.

Bei Stokols’ einflussreichem Ansatz beispielsweise wirken multidimensionale physische und soziale Umwelten in Wechselwirkung mit psychischen Attributen auf verschiedenen Aggregationsebenen (Individuum, Familie, Gruppe, Population). Die Interaktion bedingt den Zustand und den Prozess der Gesundheit. Grundlegend im Kontext der Gesundheitsförderung ist die Arbeit von Glass und McAtee (2006). Die beiden Autoren kombinieren eine Zeitachse und eine Achse differenter, miteinander vernetzter Hierarchien, um jene Determinanten zu benennen und zu kontrollieren, die dazu beitragen, dass Menschen übergewichtig werden.

Mit Übergewicht befasst sich auch das sozial-ökologische Konzept von Swinburn et al. (1999). Deren Thema ist die Obesogenic Environment. Sie verdeutlichen, dass es bei Übergewicht und Fettleibigkeit nicht ausreichend ist, ausschließlich das Essverhalten zu ändern. Die Umwelt mit ihrer steten Verfügbarkeit von fett- und zuckerhaltigem Nahrungsangebot ist mindestens so bedeutsam wie das Verhalten selbst. Die Autoren definieren eine Matrix, in der die Umweltebene (Mikro- und Makro-Settings) mit Umwelttypen (physisch, ökonomisch, politisch und soziokulturell) gekreuzt wird. Das Ergebnis ist ein Analysis Grid for Environments Linked to Obesity (ANGELO). Das Grid ist ein geeignetes Werkzeug, um systematische Interventionen zu leiten.

Arbeiten mit einem sozial-ökologischen Hintergrund sind für Interventionen eine Fundgrube. Sie benennen mögliche Komponenten, die es zu adressieren gilt, um eine Intervention mit dem gewünschten Erfolg durchzuführen. Die Komponenten gelten als Determinanten , wenn der wissenschaftliche Nachweis geführt wurde, dass ihre systematische Variation mit einer ebensolchen systematischen Variation im Verhalten korrespondiert (Bauman et al. 2002, 2012). Wie dieser Nachweis zu führen ist, regeln methodische Konventionen (echte Experimente werden in ihrer Aussagekraft höher bewertet als der Konsens zwischen Experten). Die Aussagekraft der Studien wird über Graduierungssysteme beurteilt, unter denen das des Oxford Centre for Evidence Based Medicine das am weitesten verbreitete System ist (www.cebm.net/index.aspx?o=1025).

Für Interventionen sind vor allem solche Determinanten relevant, die sich potenziell verändern lassen. Die genetische Ausstattung einer Person ändern zu wollen, ist kein zielführendes Unterfangen. Auch kann eine einzelne Intervention die klimatischen Bedingungen, unter denen eine Person lebt und leidet, nicht beeinflussen. Dort zu intervenieren kostet, ist aber wenig ertragreich. Dagegen lassen sich Einstellungen ändern, oder es lässt sich die Ästhetik der gebauten Umwelt modifizieren. Damit kann beispielsweise aktives Verhalten gefördert werden, und auf diesem Weg wiederum können Gesundheit und Wohlbefinden beeinflusst werden. Die Änderung der Umwelt, ohne dass die in ihr lebenden Menschen die damit verbundenen Absichten bewusst erfahren, wird auch als Stealth Health Promotion oder als Nudging bezeichnet. Das Vorgehen ist „getarnt“ oder die Personen werden gleichsam „gestupst“, weil Anreize in der Umwelt sie dazu motivieren, sich wie gewünscht zu verhalten, ohne dass die Absicht der Gesundheitsförderung offenbar wird. Die Schwelle, um vom riskanten zum gesunden Verhalten überzugehen, ist damit niedrig.

Wir werden in Kap. 8 auf Planungswerkzeuge eingehen, die explizit fordern, zunächst die Frage zu beantworten, welche der möglichen Einflussfaktoren der Gesundheit veränderlich sind und welche nicht verändert werden können, bevor Maßnahmen ergriffen werden.

▶ Fazit

4.3.2 Fazit

Interventionen sollten evidenzbasiert und theoretisch orientiert sein. Ob eine Maßnahme Evidenz verspricht, lässt sich aus Metaanalysen herauslesen. Neben der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit existieren noch die Alltagstauglichkeit und die praktische Wirksamkeit. Interventionen sollen zudem theoretisch orientiert sein. Theorien sind im Kontext von Interventionen Programmtheorien, die vorwegnehmen, warum eine Intervention unter den gegebenen Bedingungen wirken könnte. Diese Vorannahmen dürfen zum nomopragmatischen Wissen nicht im Widerspruch stehen. Die Realist Synthesis ist eine Variante, mit der eine Intervention und ihre Evaluation theoretisch vorbereitet werden kann. Das sozial-ökologische Paradigma ist ein geeigneter Rahmen für die allermeisten Interventionen, weil dort die Interaktion von Umwelt- und Personenvariablen wirkt.

Merke

Nomopragmatisches Wissen und evidente Resultate fundieren Interventionen. Das Interventionshandeln ist dann zweckrational. Evidenz beantwortet, ob Interventionen wirken. Programmtheorien zeigen, warum sie wirken können. Sozial-ökologische Modelle schreiben die Wirkung Umwelt- und Personenvariablen zu.

Fragen

  • Wann nennt man eine Intervention „systematisch“?

  • Welche Art des Wissens taugt für die Übersetzung in praktische Handlungsanweisungen?

  • Welche Kriterien führt Meinrad Perrez an, um praktisches Handeln „wissenschaftlich fundiert“ zu nennen?

  • Was ist eine Realist Synthesis und auf welcher erkenntnistheoretischen Annahme fußt die Methode?

  • Welche Varianten von Evidenzaussagen gibt es?

  • Welche Aussagen treffen systematische Reviews wie Metaanalysen und an was sind ihre Aussagen festgemacht?

  • Auf welchen Grundannahmen fußt das sozial-ökologische Paradigma?