Zusammenfassung
Aus einer genetischen Analyse können sich nicht nur Information ergeben, die für den Patienten oder Probanden selbst interessant sind, sondern auch Informationen von potenzieller gesundheitlicher Relevanz für die genetischen Verwandten des Patienten bzw. Probanden. Die Möglichkeit, eine genetische Information, die für Verwandte von potenziellem Interesse ist, an diese weiterzugeben, wirft viele moralische wie rechtliche Fragen auf. Zentral sind u. a. die möglichen Spannungen und Konflikte zwischen dem Schutz der Privatsphäre des Patienten sowie dem potenziellen Nutzen für den Verwandten sowie dessen Recht auf Wissen bzw. auf Nichtwissen. Die Beschäftigung mit diesen Fragen erscheint vor dem Hintergrund der rasant anwachsenden Verbreitung und Aussagekraft von genetischen Analysen zunehmend dringlich. Übergeordnetes Ziel des Aufsatzes ist eine Problemanalyse, d. h. eine angemessene analytische Darlegung und Explizierung der ethischen Gesamtproblematik der Weitergabe genetischer Informationen an Verwandte in ihrer Breite, ihren zahlreichen Teilaspekten und in ihrer Komplexität. Zunächst werde ich von einem anwendungsorientierten Ansatz aus mögliche konkrete Ex-ante- und Ex-post-Vorgehensweisen zur Einbeziehung von Verwandten und zur Mitteilung von Informationen an Verwandte vorstellen und die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweisen in ethischer Hinsicht darlegen. Von einem zweiten Ansatz aus werde ich dann viele konkrete normative Einzelfragen, auf die man bei der Suche nach praktischen Lösungsansätzen stößt und in die sich die Gesamtproblematik zergliedern lässt, analytisch explizieren und auflisten. Ein besonderes Anliegen des ganzen Aufsatzes ist der Versuch eines starken Praxisbezugs bei der Problemaufdeckung und der Suche nach möglichen praktischen Lösungsansätzen. Außerdem wird Wert gelegt auf eine systematische Einbeziehung der Verwandten und ihrer Rechte gegenüber den behandelnden Ärzten und dem mit ihnen verwandten Patienten.
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Schickhardt, C. (2015). Zu einer Ethik der Weitergabe von genetischen Informationen an Verwandte – theoretische Probleme und praktische Lösungsansätze. In: Langanke, M., Erdmann, P., Robienski, J., Rudnik-Schöneborn, S. (eds) Zufallsbefunde bei molekulargenetischen Untersuchungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-46217-1_13
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