Zusammenfassung
In einem kurzen Zeitraum von wenigen Hundert Jahren haben die Erkenntnisse der Naturwissenschaften unser Leben und unsere Zivilisation grundlegend verändert. In immer stärkerem Ausmaß beeinflussen und formen sie unsere heutige Welt. Mit der fortdauernden Industrialisierung der Forschung ist aus dem Wunsch nach Verstehen längst ein Wille zur Gestaltung geworden, der uns auf eine rasante, immer schneller werdende Fahrt in eine durch die Naturwissenschaften und die auf ihr aufbauenden Technologien geprägte Zukunft mitnimmt. Wohin wird uns diese Reise führen? Wir müssen erkennen: Der wissenschaftliche Fortschritt beschleunigt sich weiter. So werden wir in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich noch einmal weit mehr über die Natur sowie uns selber herausfinden als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Dies wiederum wird Technologien hervorbringen, die uns heute noch unvorstellbar erscheinen. In Anbetracht dieser Entwicklungen wird es in den nächsten Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Moment geben, in dem sich die Spielregeln des menschlichen Lebens auf diesem Planeten grundsätzlich verändern werden. Ist die heranwachsende Generation auf diese Entwicklung vorbereitet? Auf sie könnte es ankommen. Sie könnte die wichtigste sein, die je gelebt hat.
Mit den ethischen Dilemmata und der gesellschaftlichen Kritik an ihrem Schaffen erkannte so mancher Wissenschaftler seine Disziplin in der Identitätskrise. Doch als losgelöste, geradlinige Suche nach Wahrheit war die Naturwissenschaft von je her eine Idealisierung. Schon lange stehen naturwissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Innovationen in enger Beziehung zur Gesellschaft, in der sie stattfinden, beeinflussen diese und werden von ihr beeinflusst. So ist der gesellschaftliche Diskurs über ihre ethische Dimension letztendlich ein weiterer Reifeprozess, aus dem die Naturwissenschaften für zukünftige Herausforderungen gestärkt hervorgehen dürfen.
Neben der mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Dynamik ergaben und ergeben sich aus der wissenschaftlichen Naturerkenntnis aber auch immer wieder profunde philosophische Fragestellungen. Wir müssen erkennen, dass die Naturwissenschaft in keiner ihrer Disziplinen bisher an ein Ende gelangt ist. Nirgendwo zeichnet sich ab, dass ihre Fragen endgültig geklärt sind. Dies betrifft insbesondere die grundlegenden Fragen, die sich die Menschen schon seit Jahrtausenden stellen. Werden wir irgendwann die letzten Einzelheiten darüber erfahren, wie das Universum, unsere Galaxie, unser Planet und das Leben darauf entstanden sind? Werden wir eines Tages wissen, wie aus dem Netzwerk von Neuronen in unserem Gehirn Denken und Bewusstsein hervorgehen, wie sich aus unseren Genen unsere physischen und psychischen Eigenschaften erklären lassen, wie die allerkleinsten Bausteine der Materie aussehen und ob sich die Welt in einer einzigen Formel beschreiben lässt? Und wenn ja, was bedeutet das für uns, unser Selbstbild und unser Zusammenleben? Oder zeichnen sich hier Erkenntnisgrenzen der Wissenschaften ab? Wo beginnen andere Bereiche wie Kunst oder Religion ihre eigenen Antworten zu geben? Möglicherweise wird sich die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts in einigen ihrer Bereiche tief in die Grenzgebiete ihrer eigenen Methodik begeben.
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Jaeger, L. (2015). Die Wissenschaften im 21. Jahrhundert. In: Die Naturwissenschaften: Eine Biographie. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-43400-0_20
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