Zusammenfassung
Die sophistische Naturrechtslehre hat die bis dahin grundsätzlich unbestrittene Geltung des positiven Rechts erstmalig in Frage gestellt. Daß diese Kritik von großer Wirkung war, zeigt uns mit besonderer Deutlichkeit ein Gespräch, das nach dem Berichte des Xenophon (Memorabilien I/2,40 ff.) Alkibiades mit seinem Onkel Perikles geführt hat. In ihm bemerkt Alkibiades, daß auch ein von der Volksversammlung beschlossenes Gesetz ein Willkürakt sei, wenn es der Minderheit von der Mehrheit auferlegt wurde, ohne sie vorher von der Richtigkeit der Anordnung überzeugt zu haben. Denn „alles, wozu einer den anderen zwingt, ohne ihn überredet zu haben, sei es, daß er es schriftlich festsetze, oder nicht, scheint mir — bemerkt Alkibiades — mehr Gewalt, als Gesetz zu sein“. Für Alkibiades, dem Perikles schließlich zustimmt, ist somit das echte Gesetz keine bloße Anordnung, sondern eine vernünftige Anordnung, der sich jedermann deshalb unterwerfen müsse, weil sie ein Ausdruck der Vernunft ist. Alkibiades leitet also die Kraft des Gesetzes nicht vom Willen der Volksmehrheit, sondern aus der Vernunft ab.
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References
Die Verwertung dieser grundlegenden Schriften vermissen wir in der sonst tiefbohrenden Abhandlung von Horváth, Die Gerechtigkeit des Sokrates und Plato, Zeitschrift für öffentliches Recht, X (1931), S. 258 ff.
Darüber Menzel, Untersuchungen zum Sokrates-Prozeß, Sitzungsbericht der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 145, II (1902), S. 64 ff.
sowie Hellenika, Gesammelte Schriften (1938), S. 5 ff., ferner Rogers, The Socrates Problem (1933) u. Horváth, Der Rechtsstreit des Genius, Zeitschrift für öffentl. Recht, XXII (1942), S. 126.
Richtig Horváth, Zeitschr. f. öffentl. Recht, X (1931), S. 264.
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Verdross-Drossberg, A. (1946). Die klassische Rechts- und Staatslehre. In: Grundlinien der Antiken Rechts- und Staatsphilosophie. Rechts- und Staatswissenschaften, vol 1 . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41929-8_4
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