Zusammenfassung
Das römische Recht ließ nur ausnahmsweise die Erbschaft unmittelbar auf den Erben übergehen. In der Regel unterschied es zwischen der Berufung zur Erbschaft (Delation) und dem Erwerb der Erbschaft (Akquisition), und ließ die erstere regelmäßig mit dem Tode des Erblassers, die letztere aber durch Rechtsgeschäft des Berufenen, d. h. durch Erklärung seines Willens, Erbe zu werden, eintreten. Im Gegensatz dazu steht das BGB. auf dem Standpunkt des deutschen Rechts, der vor ihm u. a. im preußischen Landrecht anerkannt war: Mit dem Erbfall geht die Erbschaft mit Rechtsnotwendigkeit auf den Erben über; der Berufene bedarf daher keiner Willenserklärung mehr, um Erbe zu werden, sondern im Gegenteil einer solchen, um sich der Erbschaft, wenn er dies will, zu entledigen (§§ 1922/1942). Eine Besonderheit gilt nur für den Fiskus, der als letztberufener gesetzlicher Erbe nicht berechtigt ist, die Erbschaft auszuschlagen (§ 1942). Infolge des Rechts der Ausschlagung haben wir zwei Stadien des Erbschaftserwerbs zu unterscheiden: den vorläufigen Erwerb durch den Anfall und den definitiven Erwerb durch die Annahme der Erbschaft. In beiden ist die rechtliche Stellung des Erben verschieden. Während er nach der Annahme die Erbschaft behalten muß und daher durchaus als Herr der Erbschaft behandelt wird, ist seine Rechtsstellung, solange er das Recht der Ausschlagung hat, erheblich günstiger. Es ist zwar Erbe, Subjekt des Nachlasses, also Eigentümer der Erbschaftssachen, Gläubiger der Erbschaftsforderungen und Schuldner der Erbschaftsschulden, er setzt die vom Erblasser begonnene Ersitzung fort und unterliegt der gegen ihn laufenden Verjährung2; er ist zuständig zur Verfügung über Nachlaßgegenstände und legitimiert zur Prozeßführung über sie; aber dabei berücksichtigt das Gesetz doch die Möglichkeit der Ausschlagung, die rückwirkende Kraft auf den Zeitpunkt des Erbfalls hat, indem es einerseits den Erben in diesem Zeitraum der Ungewißheit seiner Erbenstellung vor Belästigung und Benachteiligung schützt, andererseits aber auch den endgültigen Erben, wer er auch sein mag, vor Benachteiligung durch den einstweiligen Erben oder Dritte zu sichern sucht. Dies kommt in Besonderheiten der rechtlichen Stellung des einstweiligen Erben und in besonderen Aufgaben des Nachlaßgerichts zum Ausdruck.
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Binder, J. (1930). Anfall, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft. In: Bürgerliches Recht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 11 . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41841-3_6
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