Die Erkrankungen des Sehnerven

Zusammenfassung

Der N. opticus ist eigentlich eine Gehirnbahn, wie die Netzhaut ein vorgeschobener Gehirnteil ist. Das zeigt sich daran, daß er von den drei Gehirnhäuten umgeben und vom Liquor cerebrospinalis umspült ist. Es ist deshalb eine ungenaue Vorstellung, wenn man gemeinhin den Sehnerven erst dort beginnen läßt, wo seine Fasern sich zur Sehnervenpapille vereinigen; denn die Sehnervenfasern haben ihre zugehörigen Zellen in den Ganglienzellen der Netzhaut. Das 3. Neuron der Sehleitung erstreckt sich von den Ganglienzellen der Netzhaut durch den Sehnerven und Tractus opticus bis ins Gehirn, wo es in den primären Opticusganglien endigt, die in dem Corpus geniculatum laterale zu suchen sind. Ein besonders wichtiger Zug von Nervenfasern ist jener, der von den Sinneszellen der Netzhautmitte seinen Ausgang nimmt. Es ist das papillo-maculare Bündel. Von der Macula aus zieht es zunächst nach nasal zur Papilla nervi optici, wo es den temporalen Quadranten desselben einnimmt. Hinter der Lamina cribrosa wendet es sich allmählich den inneren Teilen des N. opticus zu und liegt etwa 15 mm hinter dem Bulbus ziemlich genau in der Achse des Sehnerven. Es wird deshalb auch als axiales Bündel bezeichnet. Die Kenntnis des Faserverlaufs der 3. Neurone der Sehleitung verschafft uns einen besseren Einblick in die Pathologie des Sehnerven; denn wir werden ohne weiteres verstehen, daß ein die inneren Netzhautschichten zerstörendes Leiden die Sehnervenfasern genau so angreift wie eine intrakranielle Erkrankung. Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß es aufsteigende und absteigende Sehnervenerkrankungen geben muß. Zu diesen gesellen sich noch die Läsionen des Opticus selbst.