Zusammenfassung
Zwischen den Differentialgleichungen der Variationsrechnung und den partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung besteht ein höchst bemerkenswerter und wichtiger Zusammenhang in dem Sinn, daß man sowohl jedem Variationsproblem eine bestimmte Differentialgleichung erster Ordnung als auch umgekehrt jeder solchen Differentialgleichung gewisse Variationsprobleme zuordnen kann, deren Lösungen entweder überhaupt übereinstimmen oder zumindest in sehr einfacher Weise auseinander hervorgehen. Entdeckt wurde dieser Zusammenhang von dem englischen Physiker Hamilton 1 gelegentlich seiner Untersuchungen zur geometrischen Optik. Diese läßt sich bekanntlich auf zwei verschiedene Arten begründen, aus dem Fermatschen Prinzip (§ 15, 1) und aus dem Huygensschen Prinzip. Indem Hamilton nicht nur den einzelnen Lichtstrahl, sondern das ganze Bündel der von einem leuchtenden Punkt ausgehenden Strahlen betrachtete, gelang es ihm, den Zusammenhang zwischen diesen beiden Prinzipien aufzuzeigen: Die nach dem Huygensschen Prinzip sich ausbildenden Wellenflächen sind gerade die Flächen gleicher Lichtzeit, mit anderen Worten, die Lichtstrahlen sind die Extremalen des Variationsproblems der kürzesten Lichtzeit, die Wellenflächen die zugehörigen Transversalen. Die Übertragung dieser Gedanken auf Probleme der Mechanik — nahegelegt durch die Tatsache, daß das Fermatsche Prinzip der Korpuskulartheorie des Lichts angepaßt ist — führt dann zur Formulierung des seither nach ihm benannten Hamiltonschen Prinzips, das sich als ein immer wirksameres Instrument zur Behandlung physikalischer Probleme, zuletzt in der Schrödingerschen Wellenmechanik, erwies. Hamiltons Ergebnisse hat Jacobi zu einer systematischen Integrationstheorie der sogenannten kanonischen Differentialgleichungen ausgebaut, die im wesentlichen zugleich die Eulerschen Differentialgleichungen des Variationsproblems und die charakteristischen Gleichungen der zugehörigen partiellen Differentialgleichung erster Ordnung sind. Die fundamentale Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Variationsrechnung und der Theorie der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung ist allerdings erst durch den Hilbertschen Unabhängigkeitssatz ins rechte Licht gerückt worden.
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© 1953 Springer-Verlag Wien
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Duschek, A. (1953). Die Jacobi-Hamiltonsche Theorie. In: Vorlesungen über höhere Mathematik. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-38205-9_20
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