Zusammenfassung
Vor dem Beginn der analysierenden Tätigkeit treten uns die Organismen als in sich geschlossene Einheiten, als Gestalten, Individuen, entgegen. Bei dieser lediglich in der Anschauung verbleibenden, im engeren Sinne des Wortes morphologischen Betrachtung gewinnen wir den Eindruck, daß das, was wir als ein Lebewesen bezeichnen, wirklich etwas räumlich und zeitlich fest Umrissenes ist. Heute verstehen wir in der Biologie unter „Morphologie“ im allgemeinen nicht mehr dieses Erschauen in sich geschlossener Einheiten, sondern die exakte Beschreibung des Organisierten. Aber wir müssen jene ursprüngliche Einstellung doch kennen, um Irrtümer zu verstehen, die sich immer wieder in die Biologie einschleichen. Keine anderen Naturgegenstände treten uns so sehr als in sich geschlossenen Gestalten entgegen wie die Organismen; sie erwecken sogar den Eindruck, als seien diese Einheiten beharrende Wesen, die nicht nur mehr sind als die Einzelteile und Einzelvorgänge, sondern die zudem von sich aus diese einzelnen Vorgänge lenken. So erklärt es sich, daß man auch bei der analysierenden,dem Ziele nach nicht anschauenden Betrachtung immer wieder verleitet wird, den erschauten Einheiten eine kausale Aktivität zuzuschreiben. Wie stark dieses Bestreben ist, erkennen wir einerseits daraus, daß sich fortgesetzt im Gestaltschauen wurzelnde Formulierungen einschleichen, etwa: Die Pflanze schafft sich Ersatz für einen verlorenen Sproß, die Pflanze bildet Blätter, die Pflanze reguliert ihre Permeabilität. Andererseits erkennen wir die Stärke jenes Bestrebens zur Vermengung der „Morphologie“ (im engeren Sinne des Wortes, nicht im heute üblichen Sinne der Organisations- oder Strukturlehre) mit der Physiologie aus dem Versuch, im Organismus wirklich solche aktive Lenker zu suchen, die das übrige passive Geschehen steuern, also in dem Bestreben, einen Gegensatz zwischen lebenden Zentren und passiven gelenkten Vorgängen zu suchen. Hierher gehört die Suche nach „lebenden Molekülen“, nach „Dominanten“, nach „Elementarkörperchen“, „Bioplasten“ usw. Aber auch die Neigung, in neuentdeckten Elementen der Zelle, etwa in den Genen, oder in Stoffen, die die Formbildung regulieren, die eigentlichen Gestalter des im übrigen passiven Zellsubstrats zu suchen, erklärt sich aus der mangelnden Ausschaltung der Morphologie in jenem gekennzeichneten engeren Sinne des Wortes.
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Literatur
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Über Variabilität vgl. die Lehrbücher der Vererbungswissenschaft (z. B. Johannsen, Baur, Goldschmidt, Kühn) sowie die Darstellung V. Wettsteins im Handbuch der Pflanzenzüchtung.
Eine schöne Gesamtdarstellung über die Physiologie der Genwirkung mit zahlreichen Literaturhinweisen findet sich bei Beadle (s. unten).
Die neueren Arbeiten über Plasmonwirkungen sind in den Fschr. Bot. zitiert. Vgl. auch FIAT-Bericht Biologie. Namentlich sei auf die Arbeiten v. Wettsteins, Schwemmles, Oehlkers’ und Michaelis’ hingewiesen.
Die zur Frage der Plastidomwirkung wichtigen Arbeiten von Renner, Schwemmle u. a. sind ebenfalls aus den neueren Bänden der Fortschritte der Botanik und aus dem FIAT-Bericht Biologie zu entnehmen. Ferner sei auf Arbeiten von Imai und Mitarbeitern und Rhoades verwiesen (s. unten).
Die für die Fragen der Virus- und Genwirkung wichtige Literatur wird von Darlington und von Haddow zitiert (s. unten).
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Bünning, E. (1948). Grundfragen. In: Entwicklungs- und Bewegungphysiologie der Pflanze. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-35398-1_1
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