Zusammenfassung
Durch die Verfassung war der preußische Staat in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt worden. Das belgische Verfassungsvorbild war zwar in vielen Beziehungen recht getreulich, aber doch unter sorgsamer Schonung der Rechte des Königs nachgeahmt worden. Kein Wort davon, daß tous les pouvoirs émanent de la nation, oder daß le roi n’a d’autres pouvoirs que ceux que lui attribuent formellement la constitution et les lois particulières portées en vertu de la constitution même. Vielmehr behielt der König alle Rechte aus dem ancien régime, soweit sie ihm nicht durch die Verfassung ausdrücklich entzogen worden waren. Er vereinigte nach wie vor die gesamte unteilbare Staatsgewalt in seiner Hand und war lediglich in ihrer Ausübung durch die Bestimmungen der Verfassung beschränkt. In die Ausübung der Gesetzgebung mußte er sich mit den beiden Kammern teilen, die Ausübung der richterlichen Gewalt den unabhängigen Gerichten überlassen; die Exekutive aber stand ihm allein zu in einem durch das parlamentarische Budgetrecht nur mittelbar beschränkten Organisationsrecht. Das Recht der Beamtenernennung erstreckte sich nach der Verfassung auch auf die durch den Parlamentswillen in keiner Weise eingeengte Auswahl der Minister. So konnte nach dem Wortlaut der Verfassung von einer parlamentarischen Regierung keine Rede sein. Aber die Verfassung bot keine Sicherung dagegen, daß nicht durch die Stärke rivalisierender Machtfaktoren im Staate das Verhältnis von Krone zu Parlament zugunsten des letzteren im Sinne parlamentarisch regierter Staaten verändert würde. Tatsächlich waren die Tendenzen der fortschrittlichen Mehrheit des Abgeordnetenhauses auf eine solche Veränderung gerichtet. Daher mußte es zwischen ihm und der Krone zu einem Machtkampf kommen, für den die Heeresreorganisation nur Anlaß, die etatsrechtliche Frage nach den Grenzen des parlamentarischen Budgetrechts nur juristische Folie war. Bismarck hat in der „Konfliktszeit“ 1862–1866 diesen Machtkampf als solchen erkannt und geführt und zwar zu einem für die Monarchie siegreichen Ende. Damit war der Charakter Preußens als konstitutioneller Monarchie endgültig festgelegt; das „monarchische Prinzip“ hatte sich gegenüber dem parlamentarischen durchgesetzt.
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Literatur
Vgl. die Kommentare zur Verf.-Urk. und die Lehrbücher des pr. Staats-und Verwaltungsrechts. Ferner Smend (Lit. vor §30). Zum Verfassungskonflikt: Löwenthal, Der preuß. Verfassungsstreit 1862 bis 1866, 1914.
Kitter, Die Entstehung der Indemnitätsvorlage von 1866 (Histor. Zeitschr., Bd. 114, 1915).
Wahl, Beitr. zur Gesch. der Konfliktszeit, 1914.
Es ist besonders auf die Kommentare zur Reichsverfassung von 1871 und auf die Lehrbücher des Reichsstaatsrechts zu verweisen. Im übrigen vgl. die Literatur vor § 37.
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Schmidt, E. (1923). Preußen als konstitutionelle Monarchie (1850–1918). In: Rechtsentwicklung in Preussen. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 6. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-34502-3_6
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