Zusammenfassung
Wie schon gesagt, drängt sich einem die Frage, ob die Huntingtonsche Chorea als selbständige Krankheitsform aufrecht zu erhalten ist, recht angelegentlich auf. Jahrelang wurde über diesen Punkt ein lauer Kampf geführt, die Entscheidung blieb aus. Der ablehnende Standpunkt Charkots, Jollys und Zinns, wonach die chronische, progressive Chorea nur eine durch das Alter modifizierte Form der Sydenhamschen Chorea sein sollte, ist heute nahezu gänzlich verlassen. Mit vollem Recht sagt H. Curschmann, dieser Standpunkt sei heutzutage unbegreiflich. Man könne ihn nur aus dem Gesichtspunkte verstehen, daß damals die Lehre von der rheumatischen bzw. infektiösen Natur der Chorea minor noch nicht wissenschaftliches Dogma war. Etter spielt wohl noch etwas mit Charkots Idee, wenn er schreibt, bei der Annahme eines Zusammenhanges beider Choreaformen (Huntingtonsche und Sydenhamsche) könne man den verschiedenen Verlauf und die verschiedene Erscheinungsweise lediglich auf den Altersunterschied zurückführen. Speziell bei der Chorea minor nähmen die psychischen Erscheinungen einen um so schwereren Verlauf, je älter das befallene Individuum sei. Es wäre denkbar, daß depressive Zustände und Zustände akuter Demenz, wie sie bei an Chorea minor Erkrankten mit Vorliebe in den Pubertätsjahren auftreten, infolge der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung sich wieder regenerierten. Sikora und Débuck stehen noch fest zur Charkotschen Lehre. Débuck vermutet, daß die Fälle von chronischer, progressiver Chorea ohne Erblichkeit möglicherweise das Mittelglied zwischen den akuten und den typisch degenerativen Formen der Chorea darstellten. Nach ihm wäre die chronische Chorea der Erwachsenen möglicherweise nur ein Syndrom bei ganz verschiedenartigen Rindenläsionen. Neben Sikora und Débuck hat sich in jüngerer Zeit einzig Swift mit aller Entschiedenheit zur Charkotschen Lehre bekannt. Die Chorea erkennt Swift überhaupt nur mehr als Symptomenkomplex an, der bei den verschiedensten Krankheitsprozessen vorkommen kann. Es ist nicht zu erwarten, daß Swift viele Anhänger finden wird. In seiner Anschauung steckt zweifellos ein berechtigter Kern; es will uns aber bedünken, daß Swift das bißchen Berechtigtes zu sehr auf die Spitze treibt. Die allgemeine Abkehr von der Charkotschen Lehre hält er damit kaum auf. Man darf ihm jedoch zugestehen, daß das heutige Krankheitsbild der Huntingtonschen Chorea eine engere und klarere Um schreibung wohl verträgt. Ja, die Aufrechterhaltung der nosologischen Selbständigkeit der Huntingtonschen Chorea fordert dies geradezu.
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Entres, J.L. (1921). Klassifikation der choreatischen Erkrankungen. In: Rüdin, E. (eds) Studien Über Vererbung und Entstehung Geistiger Störungen. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-34478-1_5
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