Zusammenfassung
Der Geschmackssinn wurde früher mit dem Geruchssinn als „chemischer Sinn“ zusammengefaßt. Einer Geschmackswahrnehmung liegt die Erregung zahlreicher verschiedenartiger Receptoren zugrunde (Geschmacks-, Tast-, Schmerz-, Thermo- und Geruchsreceptoren), wobei dem Geruchssinn eine dominierende Rolle zukommt. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn die Nase künstlich oder durch Katarrhe verschlossen ist. Es kann dann etwa eine Frucht noch als süß, sauer oder bitter empfunden werden, aber nicht mehr ihr Aroma; eine Zwiebel und ein Apfel schmecken etwa gleich. Diese überwiegende Bedeutung des Geruchssinns beim Schmecken kommt auch in den alemannischen Dialekten zum Ausdruck, in denen unter dem Ausdruck Schmecken das Riechen gemeint ist. Diese nahe funktionelle und psychologische Beziehung hat zu der Annahme geführt, daß Geschmack und Geruch nur Varianten einer einzelnen physiologischen Einheit seien, und zum falschen Postulat gleicher Rindenbezirke als primären sensorischen Gebieten verleitet. In Wirklichkeit ergeben sich erhebliche Unterschiede in Bau und Funktionsweise der beiden Sinnesorgane. Die Geschmacksreceptoren zeigen mehr Verwandtschaft mit den Hautreceptoren und sie übermitteln ihre Erregungen nicht dem Riechhirn, sondern dem gleichen Feld im Parietalhirn wie die Druck- und Thermoreceptoren der Zunge. Es kommt hinzu, daß auf der anderen Seite neuerdings bezweifelt wird, ob wirklich der adäquate Reiz für die Geruchsreceptoren chemischer und nicht vielmehr physikalischer Natur sei.
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Rein, H., Schneider, M. (1956). Der Geschmackssinn. In: Schneider, M. (eds) Einführung in die Physiologie des Menschen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-28813-9_20
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