Zusammenfassung
In der Erkenntnis, daß die Gesundheit, das höchste Gut, oft weniger von dem Verhalten des einzelnen Menschen als von der Gestaltung des Gemeinwesens, in dem er lebt, abhängt, hat man schon in alter Zeit im Interesse der Hygiene Staatsgesetze geschaffen. Freilich hatte man hierbei bisweilen zu einem religiösen Gewand gegriffen, wie z. B. bei dem mosaischen Gebot der Sabbathruhe; oder man hatte vorzugsweise rein wirtschaftliche Ziele im Auge, wie in Sparta, wo man von Staats wegen schwache oder mißgestaltete Säuglinge an einen abgrundartigen Ort am Taygetus sandte, um sie nicht an dem allgemeinen Güterbesitz, den 9000 Losteilen, partizipieren zu lassen. Welche Motive aber auch bei diesen und anderen legislatorischen Maßnahmen vorgeherrscht haben mögen, ihnen wohnte eine hygienische Wirkung inne.
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Literatur
Rudolf Virchow: „Der Armenarzt“; Die Medizinische Reform vom 3. November 1848.
Paul Laband: „Das Staatsrecht des Deutschen Reiches“, dritter Band; Tübingen und Leipzig 1901.
Franz Dochow: „Gesundheitspolizei“, Artikel im „Handbuch der Politik”; Berlin 1912.
Edmund Bernatzik: „Polizei und Kulturpflege“, Abhandlung in dem Werke „Die Kultur der Gegenwart”, Teil II, Abt. VIII („Systematische Rechtswissenschaft“ ). Berlin und Leipzig 1906.
Lorenz von Stein: „Handbuch der Verwaltungslehre“, zweiter Teil; Stuttgart 1888.
Johann Peter Frank: „System einer vollständigen medizinischen Polizey“; Mannheim 1779ff.
K. Doll: „Dr. Johann Peter Frank“; Karlsruhe 1909.
Alfred Grotjahn: „Soziale Pathologie“; Berlin 1912.
Franz Anton Mai: „Stolpertun, der Polizei-Arzt im Gerichtshof der medizinischen. Polizeygesetzgebung, von einem patriotischen Pfälzer“ (anonym erschienen ). Mannheim 1802.
Ferd. Adolf Kehrer: „F. A. May und die beiden Naegele“; Abhandlung in dem Werke „Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert”; Heidelberg 1903.
Franz Anton Mai selbst hat seinen Namen, wie ich aus seinen Briefen ersah, stets mit i geschrieben. Bemerkt sei noch, daß er der Schwiegervater von dem älteren und der Großvater von dem jüngeren Naegele war.
Es handelt sich um den berühmten Internisten, der lange Zeit in Heidelberg lebte.
Die Broschüre hat den Titel „Religiöses, weltbürgerliches und litterarisches GlaubensbekenntniB“; sie enthält auch das Portrait von Mai und ist von einem seiner Schüler (J. D.) im Jahre 1805 „zum Beaten der Armen” herausgegeben worden.
J. Ma r u s e: „Franz AntonMay“; Mannheimer Geschichtsblätter 1903, Nr. 5.
Siehe „Schillers Briefe“. Herausgegeben von Fritz Jonas, Bd. I, S. 198 (zitiert nach Marcuse).
E. v. Herwarth: „Eine sozialhygienische Gesetzgebung vor hundert Jahren“; „Der Erzähler”, Unterhaltungsblatt des Badischen Generalanzeigers vom 14. und 16. Nov. 1911.
W. Schallmayer, „Soziale Maßnahmen zur Besserung der Fortpflanzungsauslese“. Abhandlung in dem Werke „Krankheit und soziale Lage”, München 1913.
Ernst Benjamin Gottlieb Hebenstreit: „Lehrsätze der medizinischen Polizeiwissenschaft“. Leipzig 1791.
Hermann Rohleder: „Der Geburtenrückgang — eine Kulturfrage“; Berliner Klinik, Heft 297; März 1913.
Über die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen auf diesem Gebiete siehe Alf ons Fischer: „Die Mutterschaftsversicherung in den europäischen Ländern“; Gautzsch bei Leipzig 1911.
Die Bedeutung dieser Vorschrift erkennt man aus J. P. Franks Schilderungen. Frank weist auf die „Badische Beschellordnung vom 4. Jänner 1753“ hin, wonach „eine Stute, in den letzten 6 Wochen ihrer Tragzeit und 6 Wochen nach dem Fohlen, frohnfrei ist, oder ihr Eigenthümer nicht mehr zu frohnen, wegen solcher angehalten wird”, und fährt dann fort: „Warum ist es nicht auch der Bauer überall, wenn sein Weib auf dem Ziel geht?… eben dann, wenn er den ganzen Tag auswärts für andere arbeiten muß, so liegt jener alle Last allein auf dem Halse. Sollte nicht also der Ehemann einer jeden Schwangeren, damit er solcher mehr gegenwärtige Beihülfe leisten könne, von den Personalfrohnen, wenigstens während der letzten 6 Wochen, gänzlich frei seyn?“
J. P. Frank berichtet, daß die Bauernweiber nicht selten bereits 14 Tage nach der Niederkunft „bis an die Knie in das fließende Wasser stehen und ganze Tage mit Waschen und Ringen der Leinwand zubringen, obschon es nicht allemal die Noth erfordert, und was dergleichen Arbeiten mehr sind, als Fruchtausdreschen, schweres Tragen usw…. gewiß ist, daß gar oft, und meistenteils, die Rauigkeit der Männer an diesem Verderben ihrer noch schwachen Weiber Antheil hat.“
Plato, „Der Staat“, Buch V, Kap. 8 und 9. Deutsche Übersetzung von R. Prantl, Stuttgart.
Georg Adler, „Idealstaaten der Renaissance“. Annalen des deutschen Reiches, 32. Jahrgang, 1899.
Siehe Gazzetta ufficiale Nr. 228 vom 28. Sept. 1907, oder „Veröffentlichungen des Kaiserl. Gesundheitsamtes“ Jahrg. 1908, Nr. 2.
Geheimer Reg.-Rat A. Weber, Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt, hat auf dem XV. Internat. Kongreß für Hygiene und Demographie, Washington 1912, einen Vortrag über „Die Fürsorge für das öffentliche Gesundheitswesen im Deutschen Reiche“ gehalten (siehe Halbmonatsschrift für Soziale Hygiene und Praktische Medizin, 1912, Nr. 25 ). In diesem Vortrage werden alle in Betracht kommenden Maßnahmen des Reiches anschaulich geschildert. Ein Vergleich der Darlegungen von Weber mit dem Gesetzentwurf von Mai zeigt mit besonderer Deutlichkeit, welche Lücken unsere Reichs-Hygienegesetzgebung aufweist.
Die Lücken der Reichsgesetzgebung werden allerdings zum Teil durch Gesetze und Verordnungen in manchen Einzelstaaten ausgefüllt. Es ist jedoch sehr bedauerlich, daß die Wohnungsgesetze, die Bestimmungen über den Turnunterricht (auch in den Fortbildungsschulen), über Spielnachmittage, über die Anstellung von Schulärzten, über die Wöchnerinnenfürsorge auf dem Lande (Landkrankenkassen!), die Junggesellenbesteuerung und vieles andere mehr nicht einheitlich für das ganze Reich geregelt sind.
Siehe Karl Mahler: „Die Programme der politischen Parteien in Deutschland“; Leipzig 1911.
Eine Zusammenstellung der Kommunalprogramme findet man in der „Kommunalen Praxis“ vom 9. September 1911.
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Fischer, A. (1913). Ein sozialhygienischer Gesetzentwurf aus dem Jahre 1800, ein Vorbild für die Gegenwart. In: Ein sozialhygienischer Gesetzentwurf aus dem Jahre 1800, ein Vorbild für die Gegenwart. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-25962-7_1
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