Zusammenfassung
Kapillarphysik und Kapillarchemie, die allmählich Domänen der Kolloidlehre geworden sind, behandeln die Geschehnisse an Oberflächen, allgemeiner gesagt: an Grenzflächen, z. B. an der Berührungsstelle eines festen Stoffes und einer Flüssigkeit oder von zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten. Je feiner verteilt der eine Stoff in dem andern ist (je höher sein Dispersitätsgrad ist), um so ausgebreiteter sind natürlich die Grenzflächen. Die Lehrbücher bringen Zahlenangaben über die Zunahme der Oberfläche mit fortschreitender Zerteilung, die den Fernerstehenden phantastisch anmuten können. Damit müssen auch die besonderen Geschehnisse an den Grenzflächen immer intensiver werden. Deshalb die hohe Bedeutung der kolloiden Dimensionen. Aber die Grenzflächengeschehnisse, die man wohl als Hauptgebiet der neueren Kolloidlehre ansprechen darf, hören nicht auf, wenn die Teilchen so grob werden, daß sie nicht mehr in das ursprüngliche System von Ostwald hineingehören. Übrigens hat Ostwald 1) selbst die Grenzen seines Systems inzwischen wesentlich erweitert. Ursprünglich sollte das nicht mehr zu seinen „Kolloiden“ rechnen, was einen Durchmesser von mehr als 0,1 µ (= 1/10000 mm) besaß und damit im gewöhnlichen Mikroskop sichtbar wurde. Jetzt rechnet er auch Fäden zu den kolloiden Gebilden, wenn sie in ihrer Dicke unter 0,1 µ bleiben. Ihre Länge kann aber viel größer sein. Kolloid heißt jetzt bei ihm auch ein Plättchen, wenn nur seine Dicke unter 0,1 t bleibt. Für die beiden anderen Dimensionen läßt er aber diesen Grenzwert fallen. — Man darf wohl noch einen Schritt weiter gehen. Besonders bei Gasreaktionen sind wichtige Beeinflussungen durch die Gefäßwände bekannt. Da ist es gleichgültig, wie dick die Wand ist. Selbstverständlich spricht man hier nicht mehr von kolloiden Dimensionen. Aber es gehört das, was sich an solcher Grenzfläche abspielt, ebenfalls zur Domäne des Kolloidforschers.
Erstmals erschienen in: L. Lichtwitz, Raphael Eduard Liesegang und Karl Spiro (Herausgeber), Medizinische Kolloidlehre. Physiologie, Pathologie und Therapie in kolloid-chemischer Betrachtung (Dresden und Leipzig 1935).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notes
Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 55, 257 (1931).
Mit solchen hat man ebensogut bei der Verteilung eines Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln zu rechnen. Es können sich dann Kurven ergeben, die derjenigen der Freundlichschen Adsorptionsisotherme täuschend ähnlich sind. Aus dieser Kurve darf man also nicht ohne weiteres einen Schluß über das Wesen des vorliegenden Prozesses ziehen. (Unterschiede in der Dielektrizitätskonstante der aneinander grenzenden Flüssigkeiten können zum Zusammenlegen der Moleküle führen. Nach Blüh ist die DEK des adsorbierten Wassers eine ganz andere als die des freien Wassers.)
H. Freundlich, Kolloidchemie und Biologie. 3. Aufl. (Dresden und Leipzig 1924 ).
Läßt man AgC1 in der üblichen Weise durch Doppelzersetzung von AgNO3 und NaCI entstehen, so kommt es schon unmittelbar zur Bildung von Chlor-oder von Silberkörpern.
Chemischer Natur ist diese Bindung gewiß. Denn K. Fajans (Z. physik. Chem. A. 158 97 [1932]) fand bei der Unterordnung der Adsorption an Silberhaloide: Ein Ion wird nur dann gut adsorbiert, wenn es mit dem entgegengesetzt geladenen Ion des Gitters eine schwer lösliche oder schwer dissoziierende Verbindung gibt.
P. A. Thiessen und R. Spychalski, Z. physik. Chem. A. 156, 435, 457 (1931).
Das ist ein charakteristischer Fall, um zu zeigen, daß Kolloide Kristallform haben können. Kolloid und kristallin sind nicht, wie das vielfach vorausgesetzt wird, Gegensätze. Kolloide Teilchen müssen nicht amorph sein.
W. Seifriz, Arch. exper. Zellforschg. 6, 341 (1928).
Baurmann und Thiessen, Nachr. Ges. Wiss. Göttingen, Math.-physik. Kl. 1922.
Das zusammenfassende Werk „Die hochmolekularen organischen Verbindungen“ von H. Staudinger erschien (Berlin 1932), nachdem die vorhergehenden Abschnitte bereits ihre Form erhalten hatten. Um diese Form zu erhalten und um die von Staudinger gebotenen Tatsachen und Deutungen nicht auseinanderzureißen, wurde diese Einschaltung gemacht.
K. H. Meyer, Biochem. Z. 214, 253 (1929).
R. Degkwitz, Erg. Physiol. 32, 821 (1931).
M. H. Fischer, Kolloid-Z. 18, 242 (1915).
M. Goldberg, Beitr. path. Anat. 73, 1 (1924).
W. Seifritz, Americ. J. Physiol. 66, 22 (1924).
N. Waterman, Protoplasma 12, 112 (1931).
H. Freundlich, Kolloid-Z. 46, 289 (1926).
E. A. Hauser, Kolloid-Z. 48, 57 (1929).
Wo. Ostwald, Kolloid.Z. 46, 250 (1928).
VI. Ruzicka, Arch. mikrosk. Anat. 101, 459 (1924).
M. Bürger und G. Schlomka, Klin. Wschr. 7, 1944 (1928).
G. Embden, Min. Wschr. 8, 913 (1929).
H. J. Deuticke und J. Hensey, Pflügers Arch. 224, 1, 44 (1930).
Rights and permissions
Copyright information
© 1975 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Liesegang, R.E. (1975). Kolloide in Biologie und Medizin. In: Konzepte der Kolloidchemie. Steinkopff, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-12186-3_7
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-12186-3_7
Publisher Name: Steinkopff, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-7985-0432-5
Online ISBN: 978-3-662-12186-3
eBook Packages: Springer Book Archive