Zusammenfassung
Gemessen an den Wahnbildungen der Depressiven sind vergleichbare Inhalte bei cyclothym Manischen so ungewöhnlich, daß die Analyse der dynamischen Konstellation in cyclothymen Manien weniger der Erläuterung manischer Wahnbildungen als einer negativen Aufgabe dienen kann: begreiflich zu machen, warum der cyclothym manische Wahn umstritten ist und dort, wo er behauptet wird, auch jeweils der Einwand nahe liegt, es handele sich um einen zwar manischen, jedoch schizophren manischen Wahn. Zeh, als einer der wenigen Autoren, die in neuerer Zeit wirklich Eigenes zur Psychopathologie der Manie zu sagen wußten, hat auf die „Schwächen des klinischen Maniebegriffes“ hingewiesen und seinerseits die Grenze der cyclothymen Manie sehr weit gezogen, was ihm die Möglichkeit gab, nicht nur eine ganze Reihe manischer Syndrome, sondern auch die verschiedensten, weitgehend von der Ausgangspersönlichkeit und ihrem Erfahrungsbereich geprägten Gestaltungen manischen Wahns zu beschreiben. Ober Gültigkeit oder Ungültigkeit der nosologischen Abgrenzung läßt sich hier am allerwenigsten streiten. Man tut gut daran, die Autoren ohne Widerspruch ihre nosologischen Oberzeugungen verfechten zu lassen und sich im übrigen an das zu halten, was sie, gültig auch für den nosologischen Skeptiker, an psychopathologischen Einsichten zu bieten haben. Wenn wir selbst im klinischen Gebrauch, unverbindlich für andere, mit K. Schneider den Begriff der cyclothymen Manie eng fassen und, anders als Zeh, z. B. die nicht allzu seltenen „Altersmanien“ kaum je den cyclothymen Psychosen zuordnen, so hindert uns das nicht, gerade in diesem Zusammenhang die von Kleist und Leonhard „zwischen“ den beiden Formenkreisen beschriebenen psychopathologischen Typen besonders nützlich zu finden und die psychopathologischen Bemühungen von Zeh zu begrüßen. Psychopathologisch gesehen, halten wir es mit Zeh in der Tat für geboten, sich nicht auf die klassische Form der „heiteren“ Manie zu beschränken, sondern gleichberechtigt neben den Anomalien der Stimmung auch solche des Antriebs zu berücksichtigen, was die Gegenüberstellung von Depression und Manie als zwei fundamentalen psychopathologischen Einheiten weit besser aufgehen läßt, als die einseitige Betonung der manischen Heiterkeit. Nur im Quantitativen, nicht im Qualitativen sieht Zeh die Unterschiede zwischen der Psychopathologie cyclothymer Depressionen und Manien, verlangt aber doch wohl zu viel, wenn er die Entsprechungen sogar in den Wahnthemen sucht und davon spricht, daß auch die manischen Psychosen, wenngleich mit „umgekehrten Vorzeichen“, im Sinne von K. Schneider das Dasein aufdeckten. Wenn etwas Richtiges an der u. a. auch von Weitbrecht beanstandeten Meinung sein sollte, die Manie sei das positive Umkehrbild der Depression, dann gilt diese Meinung gewiß nicht für die psychopathologischen Einzelheiten, sondern allein für das fundierende dynamische Geschehen. In der Polarität der dynamischen Störung liegt die Rechtfertigung für die im Rahmen der Einheitspsychose angewandte Unterscheidung von Depression und Exaltation. Wir berücksichtigen die Polarität des dynamischen Geschehens, indem wir der Reduktion die dynamische Expansion gegenüberstellen und damit die psychologische Grundlage jener Befindlichkeit kennzeichnen, die von L. Binswanger als „springende Daseinsweise“, von E. Straus als „präsentische Bewegung“ dargestellt worden ist.
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Janzarik, W. (1959). Die dynamische Expansion. In: Dynamische Grundkonstellationen in Endogenen Psychosen. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 86. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-11589-3_5
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