Zusammenfassung
Die Angehörigen depressiv kranker Menschen sind häufig in einer schwierigen Situation. Erkrankt ein Familienmitglied erstmals depressiv, erkennen Angehörige die Erkrankung meist sehr spät bzw. verwechseln sie häufig mit einer Verlust- und Trauerreaktion. Anfänglich erfährt der Depressive, z. B. nach einer Verlustsituation, lange Zeit Zuwendung und Verständnis vom gemeinsamen Weinen, sich gegenseitig in den Arm nehmen, bis zu konkreten Ratschlägen und Unterstützung. Mit der Zeit merken jedoch die Angehörigen, daß neben dem depressiven Gefühl auch andere Beschwerden, z. B. Schlafstörungen, dauernde Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Verlangsamung im Bewegungsablauf, Grübelzustände auftreten, die Besorgnis erregen. Dies führt dann zum Umdenken: Der vorher trauernde, der als im landläufigen Sinne »depressiv« verstandene Angehörige wird nun als »krank«, als hilfsbedürftig erkannt, und ärztliche Behandlung wird empfohlen. Andere Angehörige ziehen sich zunehmend zurück, werden mißgestimmt, weil der depressiv Kranke auf ihre liebevolle Zuwendung nicht reagiert, nicht reagieren kann. Dies wird vom fürsorglichen Angehörigen als Mißachtung, als Nichteingehen auf seine Fürsorge, vielleicht sogar als Lieblosigkeit, als emotionaler Rückzug, als gefühlsmäßige Eiszeit mißverstanden, und es entsteht Ärger über den Depressiven. Liebesbeziehungen werden zerstört; junge depressive Mütter, deren Kinder unter der Unfähigkeit der sonst fürsorglichen Mutter, sich ihnen liebevoll zuzuwenden, leiden, werden als »Rabenmütter« kritisiert.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Rights and permissions
Copyright information
© 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Wolfersdorf, M. (1995). Was Angehörige tun können, tun sollen, was sie nicht tun sollen. In: Depression. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-11439-1_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-11439-1_12
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-59320-1
Online ISBN: 978-3-662-11439-1
eBook Packages: Springer Book Archive