Zusammenfassung
Im Falle einer dauerhaften (bleibenden) Schädigung, insbesondere nach einem akuten Ausfall des peripher-vestibulären Apparates, reduziert sich in der Regel das Schwindelgefühl des Patienten erfreulicherweise zusammen mit dem pathologischen Nystagmus allmählich mehr und mehr. Dies geschieht durch die vestibuläre Kompensation. In Abhängigkeit von ihrer Leistung können diese Symptome ganz verschwinden. Normalerweise besteht eine symmetrische Feuerrate der Aktionspotentiale vom rechten und linken Labyrinth zu den Vestibulariskernen und den höher gelegenen zentral-vestibulären Bahnen. Unmittelbar nach einer akuten peripher-vestibulären Läsion (z. B. Ausfall des Labyrinths oder des N. vestibularis auf einer Seite) resultieren Schwindel, Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen. Im Vestibulariskerngebiet der ipsilateralen (=lädierten) Seite liegt somit keine Spontanaktivität mehr vor. Recht bald wird die Spontanaktivität nun in den Vestibulariskernen der kontralateralen (=gesunden) Seite infolge der vestibulären Kompensation reduziert (Precht et al. 1966; Mc Cabe u. Ryu 1969). Infolge von Kommissurenverbindungen zwischen beiden Vestibulariskernen entsteht in der Folgezeit auf der erkrankten Seite allmählich wieder eine zunehmende Spontanaktivität bis im Idealfall wieder ein Gleichgewicht wie vor der Läsion herrscht. Entsprechend werden Schwindel, Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen reduziert und verschwinden schließlich ganz. Für die vesti-buläre Kompensation spielen Zerebellum und Formatio reticularis eine übergeordnete Rolle. Möglicherweise wirken auch efferente inhibitorische Bahnen vom gesunden Labyrinth mit (Henriksson 1984). Die vestibuläre Kompensation ist abhängig vom Alter, von erworbenen Leiden (z. B. Sinusitis maxillaris, Schädeltrauma) und Grundkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Störungen). Sie kann durch Psyche und Wetterfaktoren Schwankungen unterworfen sein. Je jünger der Patient ist, desto schneller und günstiger verläuft in der Regel die vestibuläre Kompensation. Sie kann durch Drogen (z. B. Alkohol) und Medikamente reduziert bzw. dekompensiert werden. Durch die Verabreichung von Antivertiginosa oder Sedativa kann sie mitunter erheblich verzögert werden. Die vestibuläre Kompensation wird erheblich gefördert sowie beschleunigt durch aktive Bewegungsübungen in Form von speziellen Trainingsprogrammen (Cawthorne 1945; Hamann 1987). Erfolgt nach einer vestibulären Kompensation später auf der verbleibenden gesunden Seite auch ein Labyrinthausfall, so erfolgt der gleiche Mechanismus wie zuerst mit Schwindel, Nystagmus (Bechterew-Nystagmus) und Gleichgewichtsstörungen. Es setzt erneut eine vestibuläre Kompensation ein (s. S. 121).
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Haid, C.T. (1990). Vestibuläre Kompensation. In: Vestibularisprüfung und vestibuläre Erkrankungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-10791-1_28
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