Zusammenfassung
Die Erneuerung der deutschen Rechtsphilosophie zu Beginn unseres Jahrhunderts ist in erster Linie das Werk Rudolf Stammlers 1. Durch ihn wurde eine rechtsphilosophische Bewegung eingeleitet, die, so vielfältig und verschlungen ihre Wege im einzelnen auch sind2, im ganzen durch die Abkehr vom Positivismus gekennzeichnet ist. Die Abkehr vom Positivismus verband sie durchweg mit der Bejahung der Geschichtlichkeit des Rechts; so strebte sie einer Synthese der beiden großen Geistesströmungen: des „Naturrechts“ und des „Historismus“, zu3. Etwa zu Beginn der zwanziger Jahre hatte die vom Neukantianismus ausgehende Bewegung — mit Binders ersten Werken, mit Lask, Radbruch, Max Ernst Mayer, mit Emge, Laun u.a. — ihren Höhepunkt erreicht; sie setzte sich teilweise im „Neuhegelianismus“ (Binder, Schönfeld, Dulckeit) fort. Ihr zur Seite trat, ebenfalls in den zwanziger Jahren, eine weitere Richtung: die phänomenologische (Reinach, G. Husserl, Welzel). Der Einfluß dieser Richtungen auf die gleichzeitige dogmatische Rechtswissenschaft, die noch lange ganz überwiegend dem Positivismus verhaftet blieb, war zunächst, abgesehen vom Strafrecht, nur gering4. Dies erscheint um so verwunderlicher, als infolge ihres Ausgangspunktes, der Erkenntnistheorie Kants, die neukantische Rechtsphilosophie sich selbst ursprünglich weitgehend als eine Methodologie der Rechtswissenschaft verstand. Dies gilt vor allem auch für Stammler selbst.
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Literatur
Hauptwerke: Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, 1896, 5. Aufl. 1924; Theorie der Rechtswissenschaft, 1911 (2. Aufl. 1923; zit. nach der l.Aufl); Die Lehre von dem Richtigen Recht (zit. RR), 3. Aufl. 1926; Lehrbuch der Rechtsphilosophie, 3. Aufl. 1928. Zur Einführung besonders geeignet ist die Abhandlung „Wesen des Rechts und der Rechtswissenschaft“ in Rechtsphilosophische Abhandlungen und Vorträge, Bd. I, 1925, S. 395.
Eine Darstellung dieser Wege habe ich von meinem damaligen „neuhegelischen“ Standpunkt aus in meinem Buch „Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart“ (2. Aufl. 1935) gegeben. Aus dem Abstand von fast einem Menschenalter und auf Grund der seither gemachten Erfahrungen sehe ich, was wohl kaum betont zu werden braucht, heute vieles sehr anders als damals. Meine damalige, an Hegels allzu optimistischer Einschätzung der objektiven Vernünftigkeit und Sittlichkeit der Staatswesen seiner Zeit orientierte, Staatsauffassung habe ich bereits am Schluß meiner Abhandlung über „Sittlichkeit und Recht“ (1943) revidiert. Heute halte ich Hegels Staatsphilosophie für den am stärksten zeitbedingten und daher schwächsten Teil seiner Ethik und Rechtsphilosophie. Den Rahmen des Hegeischen Systems und dessen Anspruch, die Vollendung des sich wissenden Geistes zu sein, hat der Fortgang der Geschichte selbst widerlegt. Hegels großartige Leistung bleibt einmal seine Logik des „konkreten Begriffs“, zum anderen die Fortbildung der Ethik und Freiheitslehre Kants zu einer materialen Rechtswertlehre, vornehmlich in den ersten Teilen seiner Rechtsphilosophie. Insoweit halte ich auch heute den Hegelianismus der zwanziger Jahre noch nicht für „überholt“.
Nicht zufällig ist das erste Werk dieser rechtsphilosophischen Bewegung eine Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung (Stammler), eines der letzten eine „Philosophie der Rechtsgeschichte“ im Geiste Hegels (Dulckeit).
Ein Grund dafür dürfte darin gelegen sein, daß die deutsche Zivilrechtswissenschaft mindestens noch bis zum Ende des ersten Weltkrieges ganz unter dem Einfluß der übermächtigen Kodifikation und des dadurch bedingten Glaubens an den Perfektionismus des Gesetzes stand, eines Glaubens, dem sich nur die Rechtshistoriker zu entziehen vermochten. Ein anderer Grund war der Einfluß Jherings und der Interessenjurisprudenz, die für die Bedürfnisse der Rechtspraxis vollauf zu genügen schien. Der allmähliche Stilwandel der zivilrechtlichen Dogmatik nahm seinen Ausgang von der Erschütterung des Sozialgefüges in der Inflation und der zweiten Nachkriegszeit, von den Wandlungen im Wirtschaftsleben und besonders in den Arbeitsverhältnissen, kurz von dem Einbruch der neuen Sozialwelt in das überlieferte Begriffsgefüge. Rechtsphilosophische Erwägungen haben dabei, anders als im Strafrecht und teilweise auch im öffentlichen Recht (Erich Kaufmann, Rudolf Smend), eine sehr geringe Rolle gespielt. Sie treten erst in der jüngsten Zeit, wie im letzten Kapitel des historischen Teils gezeigt werden wird, und zwar im Zusammenhang mit der Besinnung auf die Grenzen der Interessenjurisprudenz, ihrer Umbildung zu einer „Wertungsjurisprudenz“, und der stärkeren Betonung rechtsethischer Prinzipien (der „materialen Gerechtigkeit“, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 603 ff.) wieder stärker hervor.
Unsere Darstellung beschränkt sich aber auf diejenigen rechtsphilosophischen Lehren, die unmittelbar einen Bezug auf die juristische Methodenlehre haben. Die allgemein-philosophischen Voraussetzungen dieser Lehren werden nur insoweit erwähnt, als das zum Verständnis der methodologischen Ausführungen unerläßlich ist. Die Beschränkung auf die für die juristische Methodologie bedeutsamen Ausschnitte aus der Rechtsphilosophie unseres Jahrhunderts hat zur Folge, daß eine Anzahl von Rechtsphilosophen, die in der Geschichte der Rechtsphilosophie ihren Platz haben, hier nicht erwähnt wurden. Das bedeutet selbstverständlich kein Werturteil.
Dazu kann ich auf meine „Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart“, 2. Aufl., S. 28, verweisen. Eingehende Auseinandersetzungen finden sich bei Binder, Rechtsbegriff und Rechtsidee, 1915, und Erich Kaufmann, Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie, 1927. Geistesgeschichtlich am interessantesten ist aber die Kritik, die Max Weber in einer unvollendeten Abhandlung (Gesammelte Schriften zur Wissenschaftslehre, 1922, S. 291 ff, 556 ff.) an Stammler geübt hat. Sie hat sicher in vielen Einzelheiten recht — so wenn sie Stammler „Begriffsvertauschungen“ vorwirft — und ist doch im ganzen ein grandioses Miß-verständnis, weil Weber, selbst noch im positivistischen Wissenschaftsbegriff befangen, Stammlers eigentliches Anliegen, eben die Überwindung dieses Wissenschaftsbegriffs, nicht zu würdigen vermag. Vgl. dazu v. Schelting, Max Webers Wissenschaftslehre, 1934, S. 400 ff. und oben S. 63 Anm. 78.
Zitiert nur mit Seitenangabe.
In seiner Rede über „Geschichte und Naturwissenschaft“, 1894 (abgedr. in „Präludien“, 3. Aufl. 1907, S. 359).
So genannt im Gegensatz zum „Marburger Neukantianismus“ (Hauptvertreter: Hermann Cohen). Über diesen vgl. meine Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart, 2. Aufl., S. 35 ff.; neuerdings Lübbe in ARSP 1958, S. 333 ff.
Vgl. dazu E. Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, S. 8 ff.
So schon Windelband, a.a.O., S. 364: „Die Erfahrungswissenschaften suchten in der Erkenntnis des Wirklichen entweder das Allgemeine in der Form des Naturgesetzes oder das Einzelne in der geschichtlich bestimmten Gestalt.“
Vornehmlich in den späteren Auflagen seiner Schrift „Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft“. Zitiert wird die 1926 erschienene 6. und 7. Auflage (K. u. N.).
In der 1905 — in der Festschrift für Kuno Fischer, Bd. 2 — erschienenen „Rechtsphilosophie“. Zitiert wird der Abdruck in den Gesammelten Schriften von Lask, Bd. 1.
Mindestens formal verfährt die empirische Richtung der Soziologie in der Weise der Naturwissenschaft, also generalisierend. Anders etwa Max Weber, bei dem die Soziologie wenigstens zu einem wesentlichen Teil eine historische Wissenschaft war. Sein „Idealtypus“ ist kein naturwissenschaftlicher Gattungsbegriff, sondern ein methodisches Hilfsmittel zur Erfassung historisch einmaliger Vorgänge. Webers Grenze liegt, wie oben (S. 69 Anm. 73) angedeutet, in der Beschränkung seiner Methodologie auf das „Verstehen“ real-psychischer Vorgänge, im Gegensatz zum „Verstehen“ objektiv-geistiger Sinngebilde. Ein überaus auf-schlußreicher Vergleich über den Begriff „Verstehen“ bei Rickert und bei Max Weber findet sich bei A. V. Schelting, Max Webers Wissenschaftslehre, S. 364 ff.
Rechtsphilosophie, 3. Aufl., S. 1, Anm. 1.
Wir zitieren die dritte, als letzte von Radbruch selbst besorgte Auflage (1932). Eine 8. Auflage, die Erik Wolf und Hans Peter Schneider besorgt haben, ist 1973 erschienen.
In seiner „Vorschule der Rechtsphilosophie“ (2. Aufl., S. 32) sagt Radbruch, daß die drei Wertideen einander forderten und zugleich widersprächen. Diese Formulierung legt es nahe, ihr Verhältnis als ein dialektisches zu denken. Indessen hat sich Radbruch niemals die dialektische Logik (des „konkreten“ Begriffs) zu eigen gemacht.
Dazu Fritz v. Hippel, G. Radbruch als rechtsphilosophischer Denker, 1951, S. 16 ff, insbes. S. 20, und Erik Wolf, ARSP 59, S. 498 f.
In diesem Sinne hatte ich Radbruchs „Relativismus“ in meiner Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart (1931, 2. Aufl. 1935) verstanden. Diese Deutung halte ich auf Grund der überzeugenden Ausführungen F. v. Hippels nicht aufrecht.
Kennzeichnend dafür sind Erik Wolf, Strafrechtliche Schuldlehre, 1928; Erich Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, 1930.
Diese Formel hat Radbruch in seiner „Einführung in die Rechtswissenschaft“ (9. Aufl. 1952, S. 243) und in seiner „Vorschule der Rechtsphilosophie“ (2. Aufl. 1959, S. 9) wiederholt.
Einführung in die Rechtswissenschaft, 9. Aufl., S. 245.
a.a.O., S. 246.
An der gleichen Stelle.
Juristische Methodenlehre, 1940. — Von den rechtsphilosophischen Schriften Sauers sind weiter zu nennen: Das juristische Grundgesetz, 1923; Grundlagen der Gesellschaft, 1924; Rechts- und Staatsphilosophie, 1936; Grundlagen der Wissenschaft und der Wissenschaften, 2. Aufl. 1949; Lehrbuch der Rechts- und Sozialphilosophie, 1929; 2. Aufl., unter dem Titel: System der Rechts- und Sozialphilosophie, 1949.
Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie, S. 98.
Kroner, Von Kant bis Hegel, Bd. 1, 1921; Bd. 2, 1924.
So die von Nicolai Hartmann, 1929, Theodor Haering, 1929 und 1938; H. Glockner, 1929 und 1940. In einer gewissen Verbindung mit der „Hegelrenaissance“ steht auch die Neubearbeitung des „Wörterbuchs der philosophischen Begriffe“ von Joh. Hoffmeister(2. Aufl. 1955).
Dieser Periode Binders gehören folgende Werke an: Rechtsnorm und Rechtspflicht, 1912; Rechtsbegriff und Rechtsidee, 1915; auch noch Prozeß und Recht, 1927.
Kennzeichnend für diese letzte Periode ist die 1935 erschienene „Grundlegung zur Rechtsphilosophie“. Dagegen ist die unter dem Titel „System der Rechtsphilosophie“ 1937 erschienene, stark gekürzte 2. Auflage der „Philosophie des Rechts“ noch der mittleren Periode zuzurechnen. Binder hat hier gerade die auf die Methode der Rechtswissenschaft bezüglichen Teile ausgeschieden, um sie einer späteren Neubearbeitung zu überlassen, der er den Titel „Wissenschaftslehre“ geben wollte. Diese ist von ihm nicht mehr vollendet worden; Auszüge daraus hat 1957 P. Flitsch in ARSP 43, S. 531 veröffentlicht.
In ZHR 100, S. 4 ff. (zum Text vgl. S. 77).
Vgl. seine Ausführungen in ZHR 100, S. 77, und die von P. Flitsch in ARSP 43, S. 531 ff. mitgeteilten Stellen aus Binders nachgelassener Wissenschaftslehre, besonders S. 542.
Daß die Bildung nur abstrakter Begriffe dazu führt, „den geistigen Gehalt aus den juristischen Begriffen zu eliminieren“, hat bereits E. Kaufmann in seiner „Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie“ (1921, S. 75) ausgesprochen.
Auch in der nachgelassenen Wissenschaftslehre; vgl. a.a.O., S. 542.
Dies hatte, wie wir gesehen haben, auch schon Windscheid gefordert. Allein „vernünftig“ ist für Windscheid das logisch folgerichtig zu Ende Gedachte (also das nur „Verständige“ im Sinne Hegels und des späten Binder), für Binder darüber hinaus das teleologisch Richtige, die Übereinstimmung mit der (im geschichtlichen Rechtsganzen positivier-ten) Rechtsidee.
Vgl. auch Binders Abhandlung „Zur Lehre vom Rechtsbegriff“, Logos, Bd. 18 (1929), S. 1 ff., besonders S. 18 f.
ZHR 100, S. 58. Binders Kritik bezieht sich vornehmlich auf das theoretische Fundament, also auf die „genetische Interessentheorie“ Hecks (vgl. ZHR 100, S. 65, Anm. 59), die daraus folgende Verabsolutierung der einzelnen Interessen und das fehlende Verständnis für die Idee und den konkret-allgemeinen Begriff. Diese Kritik ist auch heute noch beachtenswert.
In AcP 153 (1931), S. 1ff.
Logische Struktur, S. 17 ff.
Vgl. dazu Schönfelds Schrift „Über den Begriff einer dialektischen Jurisprudenz“, 1929.
AcP 135, S.42.
Ebenda, S. 47.
Ebenda, S. 43.
Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit.
Gesetz und Urteil, 1912.
Less, Vom Wesen und Wert des Richterrechts, 1954, S. 9.
Dies deshalb, weil „gerecht“ nur eine Entscheidung sein kann, die für alle rechtlich gleichwertigen Fälle das gleiche Maß zugrunde legt. Das betont mit Recht Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV, S. 188 ff. („Gleichgerechtigkeit“).
Daher spricht Henkel, Recht und Individualität (1957), S. 16 f. von einer „individualisierenden“ und einer „generalisierenden“ Tendenz der Gerechtigkeit.
Log. Struktur, S. 53.
S. 54.
In dieser „Umkehr“ ging freilich die erkenntnistheoretische Fragestellung — wie ein dem Bewußtsein „transzendentes“ Sein dennoch adäquat gewußt werden kann — verloren. Sie bleibt aber berechtigt, auch wenn man die Antwort des Neukantianismus für unzureichend hält. Hier liegt das Anliegen, um das es Binder vornehmlich in seiner „Grundlegung zur Rechtsphilosophie“ ging.
Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht, 1935.
Naturalismus und Wertphilosophie, S. 77 ff; Das neue Bild des Strafrechtssystems 3. Aufl. 1957; Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 30 ff.
Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, 1913. Zitiert wird die unter dem Titel „Zur Phänomenologie des Rechts“ im Jahre 1953 erschienene Neuausgabe.
Darüber unten im II. Teil, 2. Kap. 1 b.
In Betracht kommen folgende Arbeiten, die sämtlich in einem inneren Zusammenhang stehen: Rechtskraft und Rechtsgeltung (RKr.), 1925; Rechtssubjekt und Rechtsperson, AcP 127, S. 129; Recht und Welt, Festschr. f. Edmund Husserl, 1929, S. 111; Negatives Sollen, Festschrift für Max Pappemheim, 1931, S. 87; Der Rechtsgegenstand (Rg), 1933; Bemerkungen zur Lehre von den sogenannten Doppelwirkungen im Recht, Archives de Droit Privé (Athen), 1934, S. 690; Recht und Zeit (Rz), 1955; Person, Sache, Verhalten, 1969. Einige der älteren Abhandlungen sind wieder abgedruckt in dem Band Recht und Welt, 1964.
Vgl. auch RZ, S. 14: es handle sich um „die logischen — keineswegs bloß formallogischen — Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn eine soziale Ordnung den Sinn einer Rechtsordnung haben soll“.
Vgl. RG, S. IV: „Die verbreitete Lehre, daß alle Grundstrukturen des Rechts, denen überzeitliche Allgemeingültigkeit zukomme, den Charakter von inhaltlosen Leerformen haben müßten, deren inhaltliche Erfüllung Sache der positiven Rechtssetzung sei, beruht auf einem durch nichts begründeten Vorurteil“. Ebenda spricht Husserl von den „nach ihrem Zeitgesetz abwandelbaren Wesenssachverhalten des Rechts“, die es gelte, „aus den zeitbedingten rechtsjenseitigen Verstrickungen der jeweils vorgegebenen Rechtswirklichkeit in Reinheit herauszuheben“.
Recht und Zeit, S. 10 ff.
Vgl. auch RZ, S. 58 u. 60.
Das gilt kaum auch für die sog. Existenzphilosophie. Über sie und die in ihr gelegenen Möglichkeiten einer rechtsphilosophischen Auswertung vgl. das ungemein aufschlußreiche Kapitel über „Die rechtsphilosophische Grundfrage und die Existenzphilosophie“ bei Erich Fechner, Rechtsphilosophie (S. 223 ff.) sowie Zippelius, Das Wesen des Rechts, S. 104 ff. Völlig ablehnend Kelsen, ARSP, Bd. 43 S. 161 ff. (zu dem Buch von Georg Cohn, Existentialismus und Rechtswissenschaft, 1955). Auch Th. Würtenberger (Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, S. 21 f.) hält die Frage, wohl mit Recht, für ungelöst, „ob von dieser Schau aus überhaupt ein Zugang zur Welt des Rechts offensteht“. Die Existenzphilosophie befaßt sich vorwiegend mit „Grenzsituationen“. Im Recht, jedenfalls im Zivilrecht, geht es indessen weit weniger um Grenzsituationen als um „Typisches“ und „Normales“. Hierfür bedarf es eines Gleichmaßes der Entscheidungen. Dazu treffend Arthur Kaufmann in: Existenz und Ordnung. Festschr. für Erik Wolf, 1962, S. 372 ff. Das Buch von Maihofer, Recht und Sein (1954), ist, weil es auf typische Lebenssi-tuationen und Existenz weisen abstellt, m.E. mehr der „Ontologie“ als der Existenzphilosophie zuzurechnen.
Der Begriff der Rechtsgeltung ist komplex. Er enthält ein normatives Element — die Sollensanforderung — und ein faktisches, die tatsächliche Maßgeblichkeit dieser Anforderung innerhalb des Geltungsgebietes dieser Rechtsordnung. Hierzu Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. S. 543 ff. und das dort angegebene Schrifttum.
Vgl. seine Werke „Zur Grundlegung der Ontologie“, „Der Aufbau der realen Welt“ und „Das Problem des geistigen Seins“.
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Larenz, K. (1983). Die Abwendung vom Positivismus in der Rechtsphilosophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08713-8_6
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