In diesem Kapitel werden ausgewählte Ergebnisse dieser Studie theoretisch verdichtet und in Hinblick auf eine mögliche Implementierung des Tagebuchs diskutiert. Dabei soll die Frage beantwortet werden, inwiefern das Tagebuch als unterstützendes Instrument in der Begleitung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz angewendet werden kann und welche Bedingungen für eine erfolgreiche Anwendung und Implementierung des Tagebuchs erforderlich sind. In einem ersten Schritt werden hierfür die wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf Energieräuber und schöne Momente dargestellt und in Hinblick auf bereits bestehende Literatur theoretisch eingebettet. Im Anschluss daran wird die Methode des Tagebuch-Schreibens diskutiert und unter Einbezug der Erkenntnisse einer durchgeführten Fokusgruppe Implikationen für eine erfolgreiche Implementierung des Tagebuchs in der Praxis gegeben.

14.1 Energieräuber

Wie in Abschnitt 13.1. dargestellt, erleben pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz aufgrund der Übernahme der Pflege und Begleitung ihres Angehörigen eine Vielzahl an Herausforderungen und Belastungen. Die von den pflegenden Angehörigen wahrgenommenen und beschriebenen Energieräuber können dabei durch einschlägige Forschungsliteratur gestützt und miteinander verschränkt werden. So charakterisiert die gegenwärtige Belastungsforschung insbesondere pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz als stark belastete Personengruppe (Gräßel & Behrndt, 2016; Zank & Schacke, 2007). Die Tatsache, dass pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz deutlich stärker belastet sind als pflegende Angehörige von Menschen mit rein somatischen Erkrankungen, lässt sich dabei vor allem durch das Erkrankungsbild Demenz sowie die mit der Demenz einhergehenden Verhaltensveränderungen erklären (Pinquart & Sörensen, 2007; Wetzstein et al., 2015). In den Tagebüchern und Interviews berichten die teilnehmenden pflegenden Angehörigen in diesem Zusammenhang über Schwierigkeiten im Umgang mit ihren an Demenz erkrankten Angehörigen und ordnen permanente Telefonanrufe und das fortwährende Bedürfnis einer sinnvollen und gemeinsamen Beschäftigung mit den pflegenden Angehörigen als alltägliche, belastende Energieräuber ein. Die dabei wahrgenommenen und beschriebenen Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz werden etwa vom Medizinischen Dienst in seiner Grundsatzstellungnahme Menschen mit Demenz – Begleitung, Pflege und Therapie als aufforderndes Verhalten beschrieben (2019) und gelten, neben den veränderten Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz, für pflegende Angehörige als objektive Belastungsfaktoren in der Pflege und Begleitung eines Menschen mit Demenz (Meier et al., 1999). In ihrer Fürsorgerolle erleben pflegende Angehörige darüber hinaus vorwiegend subjektive Belastungen (Meier et al., 1999), die individuell auf die jeweilige Sorgebeziehung und Pflegesituation sowie das eigene Erleben von den pflegenden Angehörigen wahrgenommen werden. Hinsichtlich dieser subjektiven Belastungen werden Aspekte der physischen und psychischen Gesundheit in den Tagebüchern und Interviews deutlich. Einige pflegende Angehörige berichten davon, selbst an einer körperlichen Erkrankung zu leiden oder aufgrund der Übernahme der Pflege und Begleitung unter gesundheitlichen Einbußen zu leiden. Die pflegenden Angehörigen berichten zudem davon, keine zeitlichen Kapazitäten für regelmäßige Arzttermine oder Präventionsmaßnahmen zu haben. Das Phänomen des sich selbst vergessens wurde bereits vor einigen Jahren von Zarit und Kollegen (1985) beschrieben, die pflegende Angehörige demnach als hidden victims bezeichnen. Das Konstrukt macht deutlich, dass pflegende Angehörige aufgrund ihrer hohen Belastungen sowohl physisch als auch psychisch stark beansprucht sind und häufig selbst körperliche Beschwerden wie Erkrankungen des Muskel-Skelettal-Systems, ein höheres Risiko für Infektionserkrankungen oder Kopfschmerzen haben (Capistrant et al., 2012; Haley et al., 2010; Roth et al., 2019; Rothgang & Müller, 2018). Weiterhin können auch seelische Erkrankungen wie ein höheres Risiko einer Depression aus den hohen Belastungen resultieren (Butterworth et al., 2010; Sallim et al., 2015; Schäufele et al., 2007; Wilz et al., 1999). Ein Großteil der teilnehmenden pflegenden Angehörigen thematisiert in den Tagebucheinträgen ihren eigenen Gesundheitszustand und das psychische Wohlbefinden, welche subjektiv von den teilnehmenden pflegenden Angehörigen als schlecht bzw. stark belastet eingeschätzt wird. Ein weiterer essentieller Aspekt in der gegenwärtigen Belastungsforschung ist das Fehlen von sozialen Kontakten und die daraus resultierende Einsamkeit (Andrén & Elmståhl, 2008; Fringer et al., 2022). Auch dieser Zustand wird in den Einträgen der Teilnehmenden deutlich. Darüber hinaus ist bei einigen der teilnehmenden pflegenden Angehörigen eine Belastung durch das soziale Netzwerk erkennbar. Die Tatsache, dass ein bestehendes soziales Netzwerk mitunter auch belastend wirken kann, wurde u. a. von Fringer (2022) sowie Wilz und Pfeiffer (2019) beschrieben. In den Tagebucheinträgen werden diesbezüglich vor allem Konflikte mit anderen in der Pflege und Begleitung involvierten Angehörigen genannt, die die pflegenden Angehörigen unter Druck setzen oder eine Entscheidungsfindung hinsichtlich der Pflege- und Begleitungssituation maßgeblich erschweren. Insgesamt sind vier von zehn der teilnehmenden pflegenden Angehörigen zusätzlich zur Pflege und Begleitung in eine berufliche Tätigkeit eingebunden. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stellt insbesondere innerhalb von Schichtarbeitsmodellen sowie Vollzeitstellen eine große Herausforderung für pflegende Angehörige dar, die aktuell in Forschungsarbeiten diskutiert wird (u. a. Clancy et al., 2020; Kuhlmey & Budnick, 2023). Die Erwartung an sich selbst, als pflegende Angehörige alles „unter einen Hut“ zu bekommen, wirkt sich dabei nicht ausschließlich positiv im Sinne einer willkommenen Abwechslung und der Möglichkeit von der Pflegesituation Abstand gewinnen zu können, sondern erfordert einen höheren Anteil an Koordination und Flexibilität berufstätiger pflegender Angehöriger. Eine teilnehmende pflegende Angehörige berichtet im Zuge dessen von einer erschwerten beruflichen Tätigkeit aufgrund von fehlendem Verständnis und fehlender Kompromissbereitschaft seitens des Arbeitgebers.

Hinsichtlich der vielfältig erlebten Herausforderungen und Belastungen pflegender Angehöriger von Menschen mit Demenz werden die in Abschnitt 2.2 dargestellten Belastungen auf physischer, psychischer, sozialer und finanzieller Ebene durch die Datenanalyse bestätigt. Die Fürsorge für einen an Demenz erkrankten Angehörigen kann körperlich und emotional belasten und in Folge dessen als kräftezehrender Energieräuber wirken.

14.2 Schöne Momente

Zur Ergänzung und ganzheitlichen Betrachtung der Situation von pflegenden Angehörigen steht hier der ressourcenorientierte Blick auf die Wahrnehmung schöner Momente in der Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz aus Perspektive der pflegenden Angehörigen im Mittelpunkt. Wie bereits in Abschnitt 2.3 eingehend dargestellt liegt der Fokus aktueller Forschungsarbeiten noch auf der Belastungsperspektive. Die positiven Aspekte und deren Auswirkungen werden allerdings immer häufiger im Kontext der familialen Fürsorge von pflegebedürftigen Menschen (mit Demenz) untersucht (Cohen et al., 2002; Habermann et al., 2013; Pendergrass et al., 2019; Smaling et al., 2021; Wang et al., 2022). Eine intensive Auseinandersetzung und die Anerkennung positiver Seiten kann dabei zu einem ganzheitlichen Verständnis informeller Pflegesituationen beitragen (Carbonneau et al., 2010; Pysklywec et al., 2020). Die Betrachtung positiver Aspekte ist dabei nicht als entgegengesetztes Kontinuum zu verstehen, es handelt sich vielmehr um eine eigene individuelle Dimension der Pflegeerfahrung (Boerner et al., 2004; Cheng, 2022; Kramer, 1997a), die eigenständig zu betrachten ist. Die individuelle Wahrnehmung schöner Momente in der Pflege und Begleitung lässt sich auf Grundlage der Tagebucheinträge und Interviews in unterschiedliche Kategorien einordnen, die in Teilen miteinander in Verbindung stehen. In den Analysen konnten insgesamt vier unterschiedliche Kategorien ausfindig gemacht werden, die durch eine Arbeit von Pysklywec und Kollegen (2020) verstärkt werden können. Pysklywec und Kollegen (2020) beschreiben, dass die in der Literatur bereits dargestellten positiven Effekte der Pflegeerfahrung in Beziehungen eingebettet sind und ordnen diese den Bereichen „Beziehung zu sich selbst“, „Beziehung zum Pflegebedürftigen“ sowie „Beziehung zu anderen“ zu (siehe dazu Abschnitt 2.3). Die aus den Tagebucheinträgen und Interviews induzierten Kategorien „Interaktion mit Menschen mit Demenz“, „Zwischenmenschlichkeit“, „soziales Netzwerk“ sowie „Selbstpflege“ lassen sich den einzelnen Themenbereichen zuordnen und geben der Beziehung zu sich selbst, zur pflegebedürftigen Person sowie zu Anderen einen hohen Stellenwert im Erleben schöner Momente in der Pflegesituation. Gegenwärtige Forschungsarbeiten stellen insbesondere die Wirkungen und Effekte positiver Erfahrungen in der Pflege und Begleitung dar, gehen aber weniger der Frage nach, welche Momente von den Pflegenden als positiv bewertet werden, worauf diese Arbeit erste Antworten gibt.

Bei der Analyse der Tagebucheinträge und Interviews wird deutlich, dass pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz insbesondere alltägliche Momente mit ihren an Demenz erkrankten Angehörigen genießen und als schöne Momente wahrnehmen. Dabei kann beispielsweise das Ausführen gemeinsamer Freizeitaktivitäten, ein Spaziergang, Gespräche miteinander oder das gemeinsame Lachen als positiv erlebt werden. Einige der pflegenden Angehörigen berichten darüber hinaus, dass sich durch die Begleitung und Pflege ihrer an Demenz erkrankten Angehörigen das Verhältnis zueinander verbessert habe und intensiver wurde. Die Entwicklung einer engeren Bindung und Beziehung zueinander können auch in dieser Studie als wesentliche Gründe angesehen werden eine Pflege und Begleitung (langfristig) zu übernehmen (vgl. Andrén & Elmståhl, 2005; Habermann et al., 2013; Kuuppelomäki et al., 2004; Motenko, 1989; Peacock et al., 2010; Pysklywec et al., 2020). Mit einem intensiveren Verhältnis zueinander ist es den pflegenden Angehörigen weiterhin möglich, Momente der Zwischenmenschlichkeit innerhalb der Pflegedyade zu erleben. Insbesondere die (ehe-)partnerschaftliche Pflege und Begleitung wird dabei von gegenseitiger Liebe, Zuneigung und Nähe zueinander geprägt. Als besonders wertvoll wird dabei von den teilnehmenden pflegenden Angehörigen die Reziprozität zwischen Pflegenden und Zu-Pflegenden wahrgenommen und in den Tagebucheinträgen und Interviews genannt. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass positive Pflegeerfahrungen durchaus individuell wahrgenommen werden und vor allem in Abhängigkeit mit der jeweiligen Pflegesituation und dem Verhältnis zwischen den Pflegenden und der pflegebedürftigen Person steht.

Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen der einzeln ausgearbeiteten Kategorien des Ergebnisteils zusammengefasst und mit der vorliegenden Literatur theoretisch verschränkt.

Soziales Netzwerk

Wie aus den dargestellten Ergebnissen (Kapitel 13) ersichtlich wird, ist das soziale Netzwerk die häufigste genannte Kategorie hinsichtlich der Wahrnehmung positiver Aspekte innerhalb der Pflegesituation. Insbesondere das familiäre Netzwerk spielt bei den teilnehmenden pflegenden Angehörigen eine wesentliche Rolle. Dabei werden auf der einen Seite schöne Momente gemeinsam mit der Familie (und der pflegebedürftigen Person) erlebt sowie die Familie – insbesondere Kinder und Enkelkinder – als Kraftspender wahrgenommen. Auf der anderen Seite werden wesentliche Aspekte der Unterstützung und Hilfestellung durch die Familie genannt, die es den pflegenden Angehörigen ermöglichen, eine Auszeit zu nehmen, Abstand von der Pflegesituation zu gewinnen und Kraft zu sammeln. Darauf weisen auch Arbeiten von Peacock und Kollegen (2010) sowie Lindeza und Kollegen (2020) hin: Ihren Arbeiten zufolge fühlen sich pflegende Angehörige vor allem durch die Familie gut in der Übernahme der Pflege und Begleitung eines Angehörigen unterstützt. Dies zeigt die Wichtigkeit eines stabilen familiären Umfelds in Bezug auf die Übernahme der Pflege und Begleitung eines Angehörigen deutlich auf.

Freunde und Bekannte werden in den schriftlichen Ausführungen der pflegenden Angehörigen ebenfalls im Kontext des sozialen Netzwerkes als Kraftspender bzw. in der Wahrnehmung schöner Momente genannt. Gemeinsame Treffen sowie das Teilen und Ausführen gemeinsamer Interessen und Hobbies nehmen dabei einen hohen Stellenwert ein. Die gemeinsame Zeit mit Freunden und Bekannten erscheint nicht nur als Auszeit, sondern ermöglicht es darüber hinaus von Sorgen und Problemen zu berichten und ein „offenes Ohr“ zu finden, sodass die pflegenden Angehörigen fast schon einen therapeutischen Nutzen aus der gemeinsamen Zeit mit Freunden und Bekannten ziehen können. Ebendiese positive Wirkung von Freunden und Bekannten wird auch in Arbeiten von Mehrotra und Sukumar (2007) sowie Lindeza und Kollegen (2020) beschrieben.

Mit Blick auf erwerbstätige pflegende Angehörige gilt auch das Kollegium bzw. die Möglichkeit, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und diese auszuüben, als kraftspendend und wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung der Pflegesituation aus. Dieser Aspekt scheint vor allem in Zukunft von hoher Relevanz zu sein, da immer mehr Menschen früher an einer Demenz erkranken, was mit zusätzlichen Belastungen und Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen verknüpft ist (Chiari et al., 2021), sodass vor allem an dieser Stelle mit Blick auf positive Aspekte weiterer Forschungsbedarf besteht.

Durch die Übernahme der Pflege und Begleitung kann es zudem zu einer Erweiterung des sozialen Netzwerks kommen. Die teilnehmenden pflegenden Angehörigen haben in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass vor allem der Kontakt zu anderen betroffenen pflegenden Angehörigen sowie zu professionellen Akteuren, beispielsweise zu professionell Pflegenden oder die Nutzung von Beratungsangeboten, als positiv erlebt wird. Vor allem der Austausch mit anderen Betroffenen und das „sich Verstanden-fühlen“ bzw. gegenseitige Kraft spenden scheint dabei positive Auswirkungen auf die pflegenden Angehörigen zu haben (Peacock et al., 2010).

Selbstpflege

Aus den Tagebüchern und Interviews der teilnehmenden pflegenden Angehörigen geht hervor, dass vor allem Momente der Selbstfürsorge und Selbstpflege im Wesentlichen für das Aufrechterhalten von Wohlbefinden und Lebensqualität notwendig sind. Ebendiese Momente, in denen pflegende Angehörige etwas für sich selbst tun, ermöglichen es, Kraft zu sammeln und Abstand von der Pflegesituation zu gewinnen. Aspekte der Selbstpflege sind dabei durchaus individuell und abhängig von den Interessen und Charakterzügen der Pflegenden: So versuchen einige pflegende Angehörige durch körperliche Aktivitäten wie Joggen, Spaziergänge in der Natur oder Yoga für sich selbst zu sorgen, andere hingegen benötigen Zeit für sich selbst, in dem sie tägliche Rituale in ihren Alltag einbauen, Achtsamkeitsübungen machen oder ihren Hobbies nachgehen. Ihnen allen ist jedoch gemeinsam, dass sie die pflegenden Angehörigen erden und dazu beitragen, die Fähigkeit zu stärken, die kleinen Momente zu genießen sowie das Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit zu verbessern. Die positive Wirkung ebendieser Faktoren wurde in Abschnitt 2.3 eingehend dargestellt.

Interaktion zwischen pflegenden Angehörigen und Menschen mit Demenz

Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt, werden schöne Momente von pflegenden Angehörigen insbesondere in Verbindung mit der pflegebedürftigen Person wahrgenommen. Dabei wird der Beziehungsdimension ein wesentlicher Aspekt in der Wahrnehmung schöner Momente in der Pflege und Begleitung zugesprochen (Nolan et al., 2004). Auch die an dieser Studie teilnehmenden pflegenden Angehörigen geben an, dass die gemeinsame Zeit mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen als wesentlich im Erleben positiver Aspekte angesehen wird und beschreiben dabei vor allem die Gestaltung gemeinsamer alltäglicher Momente und das gemeinsame Unternehmen von Freizeitaktivitäten als schöne Momente in der Pflege und Begleitung. Habermann und Kollegen (2013) führen ebenfalls die Zeit, die die Pflegenden mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen im Alltag verbringen, als bedeutungsvoll an. Es ist anzunehmen, dass sich durch diese Aspekte auch die Beziehung untereinander innerhalb der Pflegesituation oder gerade durch die Pflegesituation verbessern kann, was durch Arbeiten von Cheng und Kollegen (2015), Lloyd und Kollegen (2016) sowie Yu und Kollegen (2018) bestätigt werden kann. Den Ausführungen der teilnehmenden pflegenden Angehörigen zufolge spielen vor allem gemeinsame Gespräche und das miteinander Lachen eine große Rolle innerhalb der gemeinsam erlebten Pflege und Begleitung. Ebendiese Aspekte sind dabei nicht gänzlich von der Kategorie Zwischenmenschlichkeit abzugrenzen, welche im Folgenden beschrieben wird.

Zwischenmenschlichkeit

Momente der Zwischenmenschlichkeit heben vor allem das Gefühl der gegenseitigen Liebe, Nähe und Zuneigung zwischen der (Pflege-)Dyade hervor. Diese wird dabei insbesondere pflegenden (Ehe-)Partnern zugeschrieben, jedoch auch von Eltern-Kind-Dyaden erlebt. Dabei sind vor allem reziproke Blicke, Berührungen und der Austausch von Zärtlichkeiten für pflegende Angehörige in der Übernahme der Pflege und Begleitung kraftspendend und sinnstiftend. In diesem Zusammenhang sei auf Habermann und Kollegen (2013) verwiesen, die ebenfalls Aspekte der Liebe als schöne Momente in der Pflege und Begleitung werten. Insbesondere die vorherrschende Gegenseitigkeit wird dabei bereits von Peacock und Kollegen (2010), Motenko (1989) sowie Nolan und Kollegen (1996) aufgezeigt. Die Autoren sehen hierbei eine Abhängigkeit zwischen erlebter Reziprozität und der Qualität der Beziehung im Kontext der Wahrnehmung positiver Momente.

Dankbarkeit und der Wunsch, den pflegenden Angehörigen zu helfen, sind darüber hinaus ebenfalls Momente, in denen die Menschen mit Demenz ihre Zuneigung und Liebe gegenüber ihrem Partner zeigen, woraus die pflegenden Angehörigen im erweiterten Sinne Kraft und Mut ziehen können. Die entgegengebrachte Wertschätzung der pflegebedürftigen Person kann sich hierbei nach Kuuppelomäki und Kollegen (2004) sowie Andrén und Elmståhl (2005) positiv auf die Pflegeerfahrung auswirken. Auch Wang und Kollegen (2022) belegen vor diesem Hintergrund positive Aspekte in der Übernahme der Pflege und Begleitung. Die Ergebnisse sind dabei auch mit Arbeiten von Braithwaite (1996) in Verbindung zu setzen, die belegen, dass pflegende Angehörige, welche ein hohes Maß an Liebe und Intimität empfinden, in der Übernahme der Pflege und Begleitung positivere Gefühle sowie ein besseres psychisches Wohlbefinden aufzeigen.

14.3 Methode Tagebuch

Die in dieser Arbeit entwickelte und angewandte Methode des Tagebuchs-Schreibens wurde mit Blick auf Historie und Entwicklung des Tagebuchs in der Wissenschaft in Kapitel 3 eingehend betrachtet und dargestellt. Dabei wurde insbesondere die positive Wirkung des Schreibens deutlich. Auch der ressourcenorientierte Blick auf die Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz und deren Wirkung auf pflegende Angehörige erwies sich als wertvoll in der Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen für pflegende Angehörige (von Menschen mit Demenz). Die eingesetzte Methode des Tagebuch-Schreibens wurde von den teilnehmenden pflegenden Angehörigen als mehrheitlich positiv und gewinnbringend bewertet. Alle Schreibenden haben dabei über insgesamt vier Wochen (28 Tage) das Tagebuch (fast) täglich genutzt und dabei den Fokus ihrer (Selbst-)Reflexionen auf die schönen Momente in der Begleitung und Pflege ihrer an Demenz erkrankten Angehörigen gelegt. Die Schreibenden entwickelten dabei nicht nur eine tägliche Routine, es ist ihnen darüber hinaus gelungen, den Blick nicht ausschließlich auf die in der Regel vorherrschenden Belastungen zu werfen, sondern auch die Betrachtung positiver Pflegeerfahrungen zuzulassen. Insbesondere Kleinigkeiten bzw. alltägliche Momente konnten dabei stärker wahrgenommen werden. Die pflegenden Angehörigen berichteten zudem davon, jene wahrgenommenen Momente, die nicht zuletzt vor allem von Nähe und Intimität innerhalb der Pflegedyade geprägt sind, stärker zu genießen. Dabei haben die Schreibenden auch positive Auswirkungen bei ihren Angehörigen feststellen können. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass lediglich zwei Teilnehmende (Abschnitt 12.2.4 und 12.2.9) bereits vor der Anwendung des Tagebuchs mit der Methode Tagebuch-Schreiben vertraut waren. Die Ergebnisse entgegnen dahingehend den Befürchtungen von pflegenden Angehörigen, die sich gegen eine Teilnahme an der Studie entschieden haben: Als Gründe gegen eine Teilnahme wurden vor allem die hohe Belastung durch die Pflege und Begleitung sowie der zeitliche Aufwand, den eine Projektteilnahme nachziehen würde, genannt. Auch die Methode des Tagebuch-Schreibens wurde in diesem Zusammenhang teilweise abgelehnt. Weiterhin hat ein Teil der angefragten pflegenden Angehörigen aus Angst, keine schönen Momente mit ihren an Demenz erkrankten Angehörigen zu erleben, nicht teilgenommen.

Die Methode des Tagebuch-Schreibens kann aufgrund der vorgestellten positiven Wirkungen auf pflegende Angehörige und Menschen mit Demenz als eine hilfreiche Strategie zur Selbstreflexion angesehen werden, die nicht nur die bewusste Wahrnehmung schöner Momente fördert, sondern darüber hinaus die Schreibenden empfänglicher für ebendiese schönen Momente macht.

Das Tagebuch-Schreiben kann zudem als eine Achtsamkeitstechnik angewendet werden, mit deren Hilfe innere Prozesse angestoßen werden können und eine Möglichkeit angeboten wird, einen Zugang zu wahrgenommenen Gedanken und Gefühlen zu finden und dadurch (belastenden) Situationen mit Offenheit und Neugier zu begegnen. „Achtsamkeit [unterstützt] den Menschen, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und zu einer neuen höheren Erkenntnis zu gelangen“ (Billmann et al., 2009, S. 192). Wie aus den Ausführungen des theoretischen Teils zur Wirkung von Schreiben (Abschnitt 3.3) ersichtlich wird, hat autobiographisches, selbstregulatives Schreiben zudem einen positiven Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit der Schreibenden und kann als hilfreiches Instrument zur Selbstsorge von pflegenden Angehörigen (von Menschen mit Demenz) angewendet werden.

Anzumerken ist jedoch auch, dass das Tagebuch-Schreiben sehr individuell ist und nicht jede Person einen positiven Nutzen daraus zieht. Die Selbstreflexionen können, vor allem zu Beginn, negativ belasten und möglicherweise unter Druck setzen, einen schönen Moment erleben zu müssen. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Anwendung der Tagebuch-Methode positive Auswirkungen auf die Schreibenden hat und die Entwicklung eines anderen Blickwinkels für die aktuelle Lebenssituation, in diesem Fall der Pflegesituation, erlaubt. Die gemeinsame Zeit mit den an Demenz erkrankten Angehörigen wird dabei aus Sicht der pflegenden Angehörigen mehr wertgeschätzt und in Folge dessen als weniger belastend erlebt.

Im Rahmen einer Fokusgruppe wurden die Ergebnisse professionellen Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen (u. a. Psychologie, Pflege, Beratung, Bildung und Kirche) vorgestellt und gemeinsam mögliche Ansatzpunkte für einen Transfer in die Praxis diskutiert. Die Teilnehmenden äußerten sich dabei zu der vorgestellten Methode durchweg positiv und sehen ein hohes Anwendungspotential – nicht zuletzt auch in ihrer eigenen Arbeit, in der sie zum Teil (hoch belastete) pflegende Angehörige begleiten und beraten. Aus der Fokusgruppe heraus wurden Ideen generiert, in welcher Form das Tagebuch weiterentwickelt werden kann sowie Anwendungsmöglichkeiten für die Praxis diskutiert, die im abschließenden Kapitel (Kapitel 15) detailliert dargestellt werden.