Berufliches Handeln zeigt sich nicht nur im Tun und manifestiert sich in der Handlungspraxis, sondern ebenfalls in der Narration und damit in der Form, wie über das eigene berufliche Handeln gesprochen und gedacht wird. Wie beschreiben Fachpersonen der Sozialen Arbeit ihr berufliches Handeln im Feld der Palliative Care? Dies ist die zentrale Frage der vorliegenden Forschung. Um darauf empirisch fundierte Antworten zu finden, wurden mittels rekonstruktiven Verfahrens aus den sieben Interviews Orientierungsmuster und Begründungen, welche von Seiten der Fachpersonen selbst bezogen auf unterschiedliche Aspekte im Arbeitsalltag herangezogen wurden, herausgearbeitet. Die Ergebnisse werden nachfolgend basierend auf acht Unterkapitel (vgl. 7.17.8) dargelegt und später vor dem Hintergrund der ausgewählten professionstheoretischen Positionierung sowie bezogen auf den Kernbegriff «professionelles Selbstverständnis» im Feld der Palliative Care verortet.

Sich als Fachperson der Sozialen Arbeit über das eigen Tätigsein äussern zu können, bildet das zentrale Momentum der vorliegenden Forschung – und es war zugleich auch Anstoss für das Erkenntnisinteresse. Wie bereits erwähnt, wurde das Verfahren der dokumentarischen Methode (nach Nohl, 2017) bei der Analyse der Gesprächsdaten angewendet, da dieses sich als besonders ertragreich bezogen auf das Ergründen von Orientierungsmustern erweist. Der Modus Operandi, womit vorliegend die Art und Weise gemeint sind, wie über das eigene berufliche Tun erzählt wird, wird nicht nur in das Zentrum gesetzt, sondern ebenso handlungstheoretisch analysiert.

Die Ergebnisdarstellung erfolgt basierend auf den aus dem Material rekonstruierten Begründungen und Orientierungsmustern und beginnt bei dem Berufseinstieg sowie der Deutung ihrer eigenen Tätigkeit als Fachperson selbst, geht über die Alltagsbeschreibungen und die Umsetzungsmöglichkeiten der Aufgaben und Tätigkeiten sowie die diesbezüglichen Herausforderungen in praxeologischen Verankerung hinweg und findet in der Form der Wunsch-Realität-Differenzierung ihren Abschluss. Um die Interpretationen der gemachten Aussagen und die damit rekonstruierten Orientierungsmuster bzw. Begründung der Fachpersonen nachvollziehbarer zu machen, werden diese mit aussagekräftigen Zitaten untermauert.

7.1 Das Private, das professionelle Interesse oder der Zufall als Begründung für das Tätigsein

Einen Beruf zu wählen oder sich für einen Job zu bewerben, wird allgemein als individueller, sehr bewusster und auch an gewisse Voraussetzungen geknüpfter Entscheid beschrieben. Die späteren beruflichen Entwicklungsprozesse und die weiteren Karriereverläufe im Beruf können mehr oder weniger geplant oder ungeplant, fliessend bzw. stockend sowie schnell oder weniger schnell verlaufen. Zu erzählen, wie der Berufseinstieg sich ereignete, lässt Rückschluss darauf zu, welche Rahmungen oder Orientierungen für den Entscheid, im beruflichen Feld überhaupt wirken zu wollen, vorhanden waren bzw. sind.

Vorliegend zeigt sich, dass insbesondere der Berufseinstieg der interviewten Fachpersonen nicht nur unterschiedlich, sondern grösstenteils teilstrukturiert, mit fliessenden bzw. prozesshaften Übergängen bis gar mit unbewusstem Beginn verliefen. Ein Blick auf das Sampling verdeutlicht, dass auch die bisher angestammte Berufserfahrung und die Altersklassen sehr unterschiedlich sind, womit sich gewisse Begründungen von Seiten der Fachpersonen bezogen auf den Berufseinstieg kontextualisieren lassen.

Die Begründungen, welche zum heutigen Tätigsein im Handlungsfeld der Palliative Care von Seiten der Fachpersonen herangezogen werden, bewegen sich zwischen beruflich begründeten und bewussten Entscheidungen, über persönliche Erlebnisse, welche teils klar für den Berufseinstieg oder dann eher im Verlaufe des Gesprächs ex- bzw. implizit als Begründung heranzogen werden, bis hin zu einem zufälligen Tätigsein im heutigen Feld der Palliative Care. Teils erwähnen die Fachpersonen selbst, dass es aus ihrer Sicht keinen bewussten Entscheid für den Berufseinstieg im Feld der Palliative Care gab, doch insbesondere die reflektierende Interpretation von ausgewählten Passagen zur Frage betreffend den Berufseinstieg zeigt, dass sich etwas Prozesshaftes und Systematisches in den Erzählungen findet und zwei Fachpersonen so eine für sie «atheoretische» Nähe zum Gesundheitswesen mitbringen. Diese Nähe lässt sich erst im Verlauf der Erzählungen rekonstruktiv entfalten. Aus den sieben Interviews lassen sich drei Begründungspraxen für den eigenen Berufseinstieg bzw. den heutigen Beruf und das professionelle Wirken rekonstruieren. Das Herausgearbeitete Momentum ist jenees des bewussten bzw. unbewussten oder zufälligen Interesses. Dieses wird nun ausgeführt und später nicht nur in Bezug auf den Einstieg in das Berufsfeld, sondern auch in Bezug auf die Kompetenzen und das Dasein verdichtet.

7.1.1 Das professionelle Interesse als prozesshafte, das Private als bewusste Begründung für die berufliche Tätigkeit

Der Umgang mit Menschen, die dem Lebensende nahe sind, legt immer auch die eigene Endlichkeit sowie Bezüge zu Verlust und Tod in der eigenen Biografie nahe. Dass die privaten Erlebnisse mit dem Tod von nahestehenden Personen sowie das Interesse an Gesundheitsfragen in einer engen und bewussten Verbindung stehen, lässt sich bei Frau Matter und Frau Pereira rekonstruieren. Beide führen bewusst und von sich aus entweder zu Beginn oder im Verlauf des Gesprächs aus, welche privaten Verlusterfahrungen sie gemacht haben und wie diese ihre Sicht auf den Tod und das Sterben, aber auch auf die heutige Tätigkeit in der Palliative Care prägten. Frau Pereira beginnt beim Interesse für den Gesundheitsbereich und grenzt sich sprachlich sogleich von der Medizin sowie der Pflege ab und bezeichnet ihre Tätigkeit als «in die soziale Begleitung gehen» (Z. 21). Dieses «Gehen» zeigt sich dann in einem Prozess über ein Vorpraktikum, welches dazu führte, dass sie Ferienvertretungen übernahm und – weil man sie so «näher kennenlernte» – sich auch als Angestellte in der Ausbildung im Hospiz etablieren konnte. Dies bezeichnet sie als «Spezialsetting» (Z. 52), womit sie andeutet, dass ihr Berufseinstieg für sie nicht einem normalen Verlauf mittels des Bewerbungsverfahrens entspricht, sondern einem fliessenden, auf Vertrauen beruhenden Übergang. Die Norm bzw. das «normalerweise» bezieht sie auf den Umstand einer abgeschlossenen Ausbildung in der Sozialen Arbeit, welche ihr Vorgänger hatte, sie jedoch noch nicht besitzt und dennoch den Job, nebst dem Studium, übernehmen konnte. Dass sich diese «Tür» öffnete, beschreibt Frau Pereira als «eher untypisch, da das Hospiz sonst niemanden neben dem Studium angestellt hat» (Z. 248), doch dadurch, dass «man sich kannte», womit Frau Pereira erneut auf das Praktikum und die Ferienvertretung verweist, hätte das funktioniert. Dieses Kennen antizipiert sie mit einem Vertrauensverhältnis, welches sie zwar nicht offensichtlich darlegt, doch sie zieht die Rahmung des «gegenseitigen Vertrauens und Kennens» heran. Dieses sorgte, wie später ersichtlich wird, auch für ein Fundament an guter Kooperation mit weiteren Berufssparten im Hospiz.

Frau Pereira grenzt ihr Interesse für das Gesundheitswesen, welches sie für den Berufseinstieg motivierte, deutlich erkennbar von der Medizin ab. Es sei «nicht im Sinne von Medizin», sondern der Berufseinstieg sei in «einem anderen Sinne» gewesen, womit sie sich auf ein anderes Tätigsein im Feld der Palliative Care fokussiert und dieses als «soziale Begleitung» benennt.

«(…) Und dann war eigentlich relativ schnell klar, dass es wie nicht wirklich im Gesundheitsbereich, also im Sinne von Pflege oder Medizin war, sondern dass es, eben ja so in eine soziale Begleitung geht. Ja, also genau, ich würde das *glaubs* so beschreiben.» (Frau Pereira., Z. 16–18).

Hier wird deutlich, dass sie eine differenzierte Sichtweise zu ihrer eigenen Tätigkeit und zu den Tätigkeiten der Medizin und Pflege besitzt und ihr diese Differenz auch wichtig ist. Sie expliziert jene an dieser Stelle nicht weiter, allerdings nimmt sie eine genauere Differenzierung später in Bezug zur Muliprofessionalität vor (vgl. Abschnitt 7.2.2).

Frau Pereira führt im Gesprächsverlauf von sich aus ihre persönlichen Erfahrungen mit einem Verlust in jungen Jahren in das Feld. Diese scheint sie retrospektiv betrachtet zu prägen, denn sie bleibt ihr ambivalent in Erinnerung, da sie den Verlust als schwierig und schön zugleich beschreibt. Den «Begegnungen» mit Menschen am Lebensende spricht sie allerdings positive Emotionalität zu und diese Begegnungen würden sie auch noch «heute» berühren, denn obwohl der Tod bei ihr nun alltäglich sein kann, hat sie sich diese Emotionalität offensichtlich bewahrt.

«Ich habe es ja vorher schon angetönt gehabt, ich habe ähm Erfahrungen aus jungen Jahren, (…), mit krebskranken Personen, sterbenden Personen, ähm, das war eine schwierige Zeit, verständlicherweise, aber auch eine sehr schöne Zeit. Die menschliche Begegnung ist *öppis* (etwas) das mich heute noch berührt. (…). Das sind sehr schöne Erfahrungen und ähm, also schöne, sehr wertvolle Erfahrungen und das ist die eine Sache.» (Frau Pereira, Z. 213–218; Z. 221–224)

Das Private spielt sich für Frau Pereira stark auf der Begegnungs- und Beziehungsebene ab. Sie betrachtet dies nicht nur «damals» im Privaten und beim Berufseinstieg als wichtig, sondern sie skizziert mit «heute» gedanklich die Gegenwart und legt dar, dass dieses «Begegnen» bzw. die Begegnungen an sich ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit ausmachen und sie sich, obwohl diese alltäglich sind, eine Gefühlsbetontheit bewahrt. Sie verfällt damit nicht in eine routinemässige Abhandlung, sondern gesteht jeder Begleitung eine Individualität und zugleich auch eine neuartige Emotionalität zu.

Frau Matter zeigt im Gespräch auf, dass ihr heutiges Tätigsein für sie eine «logische (Ab-)Folge» von beruflich prozesshaften, strukturellen und privat bedingten Erlebnissen war. Sie betont zu Beginn sowie in den weiteren Ausführungen, dass es immer einen «roten Faden» und eine «Prozessbegleitung» (Z. 14; Z. 80) in allen ihren beruflichen und privaten Tätigkeiten gab. Sie stellt damit für sich fest, dass sie jeweils einer bestimmten Idee oder Handlung, die sich durch etwas hindurchzieht, das ihr Wirken auch verbindet und ihr Tätigsein zusammenhält sowie dieses als schrittweise erscheinen lässt, orientiert. Frau Matter stellt damit auch etwas Prozesshaftes in den Vordergrund, wie es bei Frau Pereira der Fall war, doch bei ihr wird deutlicher erkennbar: Sie war und ist an dieser Entwicklung bzw. dem Prozess stets beteiligt.

«Hm (bejahend). Also für mich ist es eine logische Folge gewesen, von der ganzen Berufstätigkeiten *wo* (die) ich gehabt habe, der rote Faden ist immer eine Prozessbegleitung gewesen, ähm, in der Sozialpsychiatrie, bei den traumatisieren Leuten, in der Onkologie ist es immer um Prozesse gegangen, also Mensch *wo* (die) in einem Prozess sind, die *wo* (die) unterstützen in dem Prozess oder rausfinden an der Schwelle, was brauchen sie an Unterstützung, damit sie den nächsten Schritt machen können.“ (Frau Matter, Z. 10–18).

Frau Matter ist dieses Prozesshafte nicht nur bezogen auf ihren heutigen Beruf, sondern genauso für sich selbst und ihr Tätigsein im Alltag wichtig.

«Dann auch ein bisschen vorausplanen, ist immer ein Thema gewesen, und so ist die logische Folge eigentlich, oder, de /, so quasi, dass zweitletzte und das letzte Kapitel von einem Lebensprozess, ähm, strukturieren und zu überlegen, wo möchte ich gepflegt werden und wo möchte ich sein, wenn ich sterbe. Oder wer unterstützt mich in dem Prozess, was brauche ich aufgrund von meiner individuellen Situation.» (Frau Matter, Z. 22–27)

Die Prozesse, die sie hier expliziert, ereignen sich nicht ungeplant oder spontan, sondern eher strukturierend und führen zu einer Unterteilung von am Lebensende sich ereignenden Abschnitten. Diese Unterteilung auf das «zweitletzte» und «letzte Kapitel» verbindet Frau Matter auch mit ihrem bisher angestammten beruflichen Wirken. Für sie geht es einerseits um die Vorausplanung und andererseits um die Prozessbegleitung. Sie benennt es aber nicht explizit, sondern deutet es mit «immer» an. Dass Frau Matter im Weiteren die «Ich»-Perspektive wählt, lässt sich so deuten, dass ihr hier direkte Subjektivität zu dem von ihr Gesagten wichtig ist. Dieses Vorgehen ermöglicht eine persönliche Verbindung zum Gesagten oder Geschriebenen und verleiht den ihr gemachten Aussagen eine stärkere Authentizität und Individualität. Sodann schliesst sie selbst an ihre persönlichen Verlusterlebnisse in jungen Jahren und die dort gemachten Erfahrungen an. Der Verlust beider Elternteile innert kurzer Zeit, während der Phase, selbst Mutter zu werden, führt dazu, dass sie sich an der Dimension der «Gleichzeitigkeit von Tod und Geburt» orientiert. Diese Gleichzeitigkeit habe ihr auch gezeigt, wie sie nicht gehen möchte. Die Gleichzeitigkeit von Tod und Sterben und die damit sich auch ergebende Ambivalenz zwischen «wie möchte man selbst sterben bzw. was wünscht man sich für seine Angehörigen?» und «wie wird gestorben bzw. wie zeigt sich das Sterben?» sei für sie ein wichtiges Momentum gewesen, sich generell für andere und später im Gesundheitsbereich beruflich zu engagieren. Die Gleichzeitigkeit und die damit verbundene Amibivalenz lösen sich bei ihr nicht auf, indem sie sich von dem Erlebten distanziert, sondern, im Gegenteil, indem sie das Erlebte in ihre Praxis transferiert, macht Frau Müller dies zu ihrem eigenen Auftrag.

Es fällt auf, dass bei beiden Fachpersonen ihre privaten Erlebnisse von sich aus schildern, diese sogleich auch selbst in den Kontext ihrer Fachlichkeit und zu ihrem Verständnis von «Sterben und gehen können» setzen. Für Frau Pereira wie auch für Frau Matter sind die gemachten Erfahrungen einerseits wichtig, um zu verstehen, wie eine soziale Begleitung für Angehörige ausgestaltet sein muss, dass sie auch als «soziale Unterstützung» für das Gegenüber, womit die Klientel gemeint ist, annehmbar werde. Es würde um Fragen gehen, welche die Zukunft betreffen, wie jene, «Welche Unterstützung braucht der Klient bzw. die Klientin?» oder «Welche Unterstützung wünscht sich jemand, sei es der kranke Mensch selbst oder der Angehörige?». Andererseits können über die eigenen Erfahrungen gewisse Phasen im Sterbeprozess und im Abschiednehmen für die betroffene Person und deren Angehörigen frühzeitiger erkannt sowie vorausschauend skizziert werden und dementsprechend kann eine spezifischere Unterstützung geboten werden. Dass Frau Pereira und Frau Matter zudem ein persönliches Interesse am Gesundheitsbereich, aber bewusst nicht an der Medizin äussern, zeigt, dass beide über ein differenzierteres Berufsverständnis verfügen, welches sie von der Medizin abgrenzen und für sie beide gewisse soziale aber eben auch persönliche Elemente umfasst.

7.1.2 Das professionelle Interesse als prozesshafte und bewusste, das Private als unbewusste Begründung

Das Interesse am Gesundheitsbereich wird von Frau Christen und Herr Rölli zu Beginn und ganz bewusst für den heutigen Beruf ins Feld geführt. Bei beiden hat sich ebenfalls ein prozesshafter Vorgang für das heutige Tätigsein ereignet – und dieser lässt ich so auch rekonstruieren. Allerdings war der Einstieg in den Beruf ein sehr bewusster Entscheid. Interessant ist sodann, dass auch private Verlusterlebnisse von grösserer Relevanz bezogen auf den Entscheid, im Feld tätig zu sein, waren, diese aber von Frau Christen und Herrn Rölli implizit und erst später im Gesprächsverlauf in das Feld geführt werden. Obwohl beide der Meinung sind, sie hätten sich bewusst für den heutigen Beruf, aber nicht zwingend aus privaten Gründen dafür entschieden, bringt die reflektierende Interpretation von ausgewählten Textstellen bezüglich des Argumentationsprozesses Gegenteiliges hervor. Herr Rölli und Frau Christen entfalten verschiedene Argumentationen, welche auf private Bezüge hindeuten, die ihnen wohl so selbst nicht bewusst sind. Sie beginnen damit, dass der Entscheid nicht «gesteuert, sondern eine Umschulung» (Herr Rölli, Z. 8) oder «bewusst» gewählt sei, aber das fachliche Interesse klar vorhanden war. Wie sich später zeigt, entfaltet Frau Christen private Argumentationen für ihren heutigen Beruf – und obwohl sie zu Beginn selbst ausführt, dass es «kein gesteuerter Entscheid» (Z. 7) war, bedient sie sich verschiedener Begründungen für den heutigen Job. Sie beginnt einen sachlichen Grund, das Interesse an der Gesundheit, zu explizieren, deute so dann an ein «gewisses Defizit an Begleitung» (Z. 12) für sich entdeckt zu haben und gegen Ende führt sie von sich aus einem privaten Grund aus, welcher den Entscheid für den heutigen Beruf mit «es ist wichtig, die Menschen und vor allem das Umfeld dann zu begleiten» (Z. 21) abrundet. Was für Frau Christen selbst wortwörtlich «kein gesteuerter Entscheid» ist, lässt sich im Gespräch deutlich anders entfalten.

«Es war kein gesteuerter Entscheid. Eben ich habe die Ausbildung gehabt als Pflegefachfrau. Ich habe mich dann sehr bewusst für Sozialarbeit entschieden. Weil mir als Krankenschwester immer vorgeworfen wurde, ich spreche zu viel mit den Patienten. Und ich habe ein gewisses Defizit gesehen oder ein gewisses Defizit an Begleitung/ nicht nur medizinisch, sondern dass diese Menschen auch auf der anderen Ebene psychosozial Unterstützung brauchen und Fragen haben, die geklärt werden müssen. (…). Irgendwann habe ich dann diesen Job gesehen, als Sozialarbeiterin bei der Krebsliga. Und (…) mir war es einfach immer wichtig, dass ich Medizin und Sozialarbeit verknüpfen kann.» (Frau Christen, Z. 7–21).

Frau Christen hat sich bewusster für die Ausbildung als Sozialarbeiterin und später auch für den aktuellen Job entschieden als sie dies selbst (an)erkennt. Es war kein prozesshaftes «sich-Erschliessen des heutigen Arbeitsfeldes» über Praktika oder Ferienvertretungen, sondern ein bewusstes Bewerben auf die Stelle. Der Grund dafür liegt im Momentum «Zeit haben für andere» und «gewisses Defizit (…) auf anderen Ebenen gesehen». Diese Aspekte waren für Frau Christen Anlass genug, weil sie es am vorangegangenen Beruf als Krankenschwester auch nicht umsetzen konnte, obwohl sie den Bedarf dafür bei der Klientel auf professioneller Ebene erkannte. Diese Diskrepanz hat sie für sich mit einem Jobwechsel aufgelöst. Sich Zeit für andere zu nehmen, zeigt, dass Interesse und Sorge für die Bedürfnisse und Anliegen anderer Menschen als Auftrag angesehen werden. Bereit sein, sich Zeit zu nehmen, um dem Gegenüber zuzuhören, Unterstützung anzubieten oder auch zu leisten, ist damit nicht nur eine private Angelegenheit, sondern vorliegend auch eine berufliche. Frau Christen betont, dass sie diesen Bedarf besonders in Bezug auf die «psychosoziale Unterstützung» (Z. 13) erkannte. Diesen Fachtermins führt sie selbst aus. Probleme im psychosozialen Bereich lassen sich nicht unmittelbar erkennen. Sie zieht hier ein sehr professionell begründbares Momentum heran, ohne sich wohl dessen ganz bewusst zu sein, dass dieses auch in der Sozialen Arbeit als wesentlich gilt. Mit dem «irgendwann» leitet Frau Christen den Jobwechsel ein, den sie nach absolviertem Studium der Sozialen Arbeit vorgenommen hatte. Sie bleibt damit zwar unbestimmt bezogen auf den zeitlichen Horizont, offensichtlich spielte dieser für sie keine Rolle, sie stellt dafür aber das berufliche Interesse mit der Verbindung von Medizin und Sozialer Arbeit in den Vordergrund. Erst zum Ende ihrer Ausführungen betreffend den Berufseinstieg kommt Frau Christen auf ihre persönliche Verlusterfahrung zu sprechen. Dadurch, dass ihr erster Freund an Krebs verstarb, sei ihr bewusst geworden, dass insbesondere das Begleiten und «Sich-Zeit-Nehmen» wichtige Elemente am Lebensende seien. In ihrer Rückbetrachtung war das bei ihrem Freund nicht in dem Umfang vorhanden, wie «es doch sein sollte, so mit Erinnerungen und auch mal darüber sprechen können» (Z. 238). Frau Christen orientiert sich hier an zwei Dingen: einerseits verfügt sie heute über die Erfahrung, sagen zu können, dass eine gewisse Zeit, ohne eine spezifische Zeitdauer zu nennen, für eine gute und professionelle Begleitung essenziell ist. Den zeitlichen Aspekt macht sie später nochmals deutlich, als sie sich zu den Aufgaben in ihrem Alltag äussert: «Es sei ganz ganz wichtig, Zeit zu haben, nicht nur für die Klärung von Sozialversicherungen» (Z. 109). Andererseits benennt sie das «Darüber-Sprechen-Können» als gleichwichtige Komponente.

Auch bei Herrn Rölli begann seine Tätigkeit im Palliative Care Bereich prozesshaft und schrittweise, zuerst war er zehn Jahre lang Betreuer im Flüchtlingswesen, kam dort erstmals mit «Gesundheit der Asylsuchenden» in Kontakt, wie er selbst sagt. Er hatte damals (1999) keine Ausbildung im Sozialbereich, doch für ihn war «immer klar» (Z. 68), dass er die Sozialarbeiterausbildung machen will. Der Einstieg in den Bereich war für ihn geplant und ein von ihm bewusst gesteuerter Entscheid, denn er absolvierte mehrere Praktika im Spitalsozialbereich, weil auch er, wie Frau Christen, die Soziale Arbeit und die Gesundheit verbinden wollte. Nach dem Studium erhielt Herr Rölli «gleich im Anschluss eine Stelle» (Z. 73). Was bedeutete, dass er ohne Unterbrechungen nach Abschluss des Studiums im Spital auf der Palliativabteilung angestellt wurde, wo er zehn Jahre tätig war. Da es damals noch kein Hospiz gab, hatte er sich viele Kontakte zur Spitex und zu Krebsligen aufgebaut – und so wurde er dann später angefragt, ob er die Leitung des Beratungsteams für Palliative Care bei der Krebsliga übernehmen möchte. Mit dem «so hat sich das dann ergeben, ja, so ungefähr (…)» (Z. 78) deutet Herr Rölli hier nicht eine Zufälligkeit für seinen Berufsstart im Palliativbereich an, sondern reflektiert den Prozess seines Berufseinstiegs und die verschiedenen Stationen selbst für sich. Sodann bezieht er sich nochmals auf die eigenen Erlebnisse im Asylwesen, welcher er auch als Freiwilliger dort machte, und sagt, «ja, da hatte ich auch mit dem Tod zu tun» (Z. 90), und führt sodann weiter aus, das wäre nicht einfach gewesen, damals so als junger Mann. Ohne dies bewusst zu explizieren, macht Herr Rölli in Bezug auf das Sterben eine Differenzierung zwischen dem Alter. In jüngeren Jahren fehlen Erfahrungswerte mit dem Tod. Obwohl Herr Rölli es nicht weiterexpliziert, lässt sich hier ein Bezug zu Beginn des Gesprächs mit ihm herstellen. Er hat zwar nicht unmittelbar eigene familiäre Verlusterfahrungen dargelegt, doch der Rückbezug am Schluss auf die Erfahrung im Asylwesen macht deutlich: Persönliche Erlebnisse im Asylwesen prägten ihn, wenngleich er nicht konkret darauf eingeht, was für ihn als «junger Mann» schwierig war. Die Betonung auf «jung» erzeugt, dass es ihm heute, als älterer Mann offenkundig einfacher fällt, über das Sterben und den Tod zu sprechen.

«Über das Thema Tod sprechen, hängt primär sehr fest mit meiner eigenen Position zudem zusammen. Wo stehe ich im Ganzen. Habe ich mich damit auseinandergesetzt oder noch nicht» (Herr Rölli, Z. 132–133).

Der Einstieg in das Feld der Palliative Care war bei Frau Christen und Herr Rölli über das fachliche Interesse am Gesundheits- und Sozialbereich entstanden und entfaltet sich systematisch über Praktika, absolvierte Ausbildung und Stellenantritt im Spital bzw. in der Krebsliga. Der weitere Gesprächsverlauf zeigt jedoch, dass die Fachpersonen zwar eher fachliche und berufskarrieretechnische Begründungen für den heutigen Job ins Feld führen, in einem weiteren Schritt aber auch «private (Verlust)erlebnisse» angeführt werden, was den Entscheid für den heutigen Beruf abrundet und damit alles andere als «keinen gesteuerten Entscheid» darstellt. Der Berufseinstieg folgte sodann einer Argumentationslogik, welche sich teils ihrer eigenen Bewusstheit entzieht. Dieser wird aber strukturiert durch eigene Erfahrungen, wie jene der «Zeit», des «Defizits» oder auch des «Sprechen Könnens» sowie jene der Erfahrung als jüngerer bzw. erfahreneren Mensch skizziert.

7.1.3 Der Zufall als professionelle Begründung für das berufliche Tätigsein

Beruflich im Feld von Sterben und Tod tätig zu sein, muss nicht zwingend einer eigenen und individuellen Entscheidung und Planung entstammen. Ebenso bedarf es auch keiner zwingenden privaten Verlusterlebnisse, welche den Entscheid, im Feld tätig zu sein, begründen oder strukturieren. Wie die Gespräche mit Frau Klein, Frau Schumacher und Frau Bender verdeutlichen, ist es möglich, im Handlungsfeld der Palliative Care durch Zufall tätig zu sein und sich dieses Arbeitsfeld so zu erschliessen. Diese «Zufälligkeit» wird nicht abschätzig oder beliebig dargestellt, sondern als eine Tatsache bzw. ein Weg, über welchen sich schrittweise das heutige berufliche Wirken ergab bzw. das weitere ergeben kann. Der Zufall wird so nicht als etwas Unberechenbares für das eigene berufliche Handeln dargestellt, sondern eher als eine Perspektive, die sich öffnet und die danach verlangt, dass man sich auf diese Perspektive und das damit sehr offen gestaltbare Tätigkeitsfeld als Fachperson einstellt. Durch diese Offenheit wird hier auch erst das Potenzial des Tätigsein-Könnens und -Wollens entfaltet.

Frau Klein erhielt vor den Sommerferien eine spontane Anfrage betreffend eine Ferienvertretung in einem Hospiz. Da sie aktuell keine «weiteren beruflichen Verpflichtungen hatte» (Z. 15) und erst nach den Sommerferien eine neue Anstellung im Sozialbereich suchen wollte, entschied sie sich für die Annahme der Ferienvertretung, ohne sich vertieftere Gedanken zum Arbeitsfeld an sich zu machen, wie sie im Gespräch selbst ausführt. Dies erstaunt, wird doch der Entscheid für einen Job normalerweise damit assoziiert, dass Vor- und Nachteile sowie mögliche Karriereperspektiven vorgängig abgewogen werden. Da es sich im Fall von Frau Klein aber um eine zeitlich beschränkte Tätigkeit handelte, erscheint es nachvollziehbar, dass sie sich – zumindest auf den ersten Moment hin – keinen weiteren vertieften Gedanken machte.

«(…) ich dachte, ich hätte dann in diesem Zeitraum Zeit, um diese Ferienvertretung zu machen und habe mir eigentlich gar nicht gross überlegt, wo ich arbeiten gehe, in welches Umfeld, dass ich da hineingehe. Also in das palliative Umfeld, ähm, und eigentlich erst dann, so ein paar Tage vorher, ist mir *sochli* (so ein wenig) bewusst worden, so, *hmm* vielleicht sollte man sich einmal noch *bitz* (ein bisschen) genauer Gedanken machen, ob man mit dem umgehen kann oder nicht.» (Z. 19–25).

Frau Klein tat es dann ein paar Tage vor Arbeitsbeginn dennoch und insbesondere in dem Moment, als sie vor der Eingangstüre des Hospizes stand und mit gewissen Emotionen wie «das Herz hat recht geklopft» (Z. 29) konfrontiert wurde, wurde sie sich zudem einer gewissen Tragweite bewusst, was sie in dem Arbeitsfeld erwarten könnte. Sie hatte «plötzlich», wie sie später ausführt, zwei spezifische Erwartungen im Kopf: einmal, dass der Tod gleich nach dem Öffnen der Türe sich «im Eingangsbereich» in Form eines «toten Körpers» (Z. 67) sichtbar vor ihr zeige und zum anderen Male, dass es in der Institution «nach irgendetwas riechen» könnte. Die Präsenz, das Unmittelbare und Sichtbare des Todes, weil es ja sonst im Alltag eben nicht sichtbar ist, das «Riechen», weil bekannt ist, dass die Verwesung eines Körpers einen Geruch hat. Beide Aspekte, welche sich Frau Klein vorstellte, bewahrheiten sich nicht, was sie später auch deutlich macht – doch es zeigt, dass sich Frau Klein gewisser Aspekte, sei es aufgrund von privatem oder beruflichem Wissen, bewusst war, die mit dem Tod zusammenhängen und auch dazugehören, dass sich diese aber nicht unmittelbar bei Stellenanfrage vergegenwärtigten. Interessant ist dann die in der Erinnerung eigens gemachte Feststellung, «(…) dass man im ersten Moment weniger gerochen hat» (Z. 70) als dort, wo Frau Klein vorher gearbeitet hat.

Für Frau Klein war der Eintritt in die Institution ein wichtiges, aber auch sinnbildliches Moment. Sie beschreibt diesen Moment rückblickend als «überdramatisiert» (Z. 75). Das Eintreten in das Hospiz und ihre damit zusammenhängenden Gefühle skizziert Frau Klein mit einer übertriebenen Darstellung nach, um ihre – zu Beginn betonten Emotionen – zu erklären. Sie löst die Situation aber unmittelbar selbst auf, indem sie betont, dass dies in ihrer Erinnerung nur «etwa eine halbe Minute» in ihrem Kopf war und sie danach «einfach die Türe aufmachte» (Z. 77) und eintrat. Dieses Momentum des Eintritts in die Institution äussert Frau Klein wie folgt:

«Ähm, aber ich bin eigentlich einfach in die Situation *ine* (rein) und habe dann aber schon gemerkt so der erste Schritt in das Haus *ine* (hinein), das Herz hat recht geklopft und dann *wo* (als) ich nachher dringestanden bin, habe ich so gemerkt, hey so schlimm ist es gar nicht. Ist gar nichts passiert jetzt. Also ist re / ist-ist wirklich so gewesen. Nachher habe ich einfach, eigentlich meine Arbeit gemacht wie vorher im Spital auch.“ (Frau Klein, Z. 79–88).

Mit dem «einfach in die Situation hinein» wird erneut ein zufälliges Moment deutlich, durch welches der damalige Stellenantritt als nicht für sie selbst geplant erscheint. Dennoch betont Frau Klein eine gewisse Entschlossenheit, jetzt nicht aufgrund ihrer spontanen Zusage oder ihrer eigenen Vorstellungen die Stelle nicht anzutreten. Dass sich dann nichts Weiteres, also nichts, was zu ihrer vorherigen Arbeit in Spital diametral anders gewesen wäre, ereignete, liess sie, wie dann auch später ausgeführt wird, ihre Arbeit unkompliziert aufnehmen und keine weiteren Zweifel aufkommen. Frau Klein zeigt damit ebenso auf, dass sie nicht daran dachte, zu wenig kompetent für die neue Arbeit im entsprechenden Handlungsfeld zu sein, sie konnte «sofort» (Z. 89) einsteigen, wie sie selbst es benennt.

Auch Frau Schumacher hat sich als bereits ausgebildete Fachpersonen der Sozialen Arbeit nicht bewusst für das heutige Handlungsfeld der Palliative Care und den direkten Kontakt zur Klientel am Lebensende entschieden, jedoch bewusst für die Anstellung bei der Krebsliga. Dass die Beratung von Klientinnen und Klienten «natürlich eine unmittelbare Nähe zu Palliative Care habe» (Z. 12), habe sie erst später so realisiert. Allerdings sei die Stelle mit Fokus auf sozialrechtliche Abklärungen und entsprechendem Koordinieren von Anmeldungen ausgeschrieben gewesen – und nicht bezogen auf ein Tätigsein in einem Hospiz oder einer palliativen Abteilung. Sie führt daher, wenngleich es ihr nicht bewusst ist und sie es auch nicht nennt, einen Bewerbungsgrund auf, der nicht ihren heutigen Tätigkeiten entspricht. Dass sie sich nun im Feld der Palliative Care in der Praxis verortet sowie nur selten Abklärungen für Finanzielles mache, sei ihrer Vorgängerin «geschuldet» und sei zufällig so. Diese hätte ein Pilotprojekt für eine psychosoziale Beratungsstelle aufgebaut und sie hätte das nach der Kündigung der Kollegin «zugeteilt bekommen» (Z. 38). Diese Zuteilung hätte ihrer Meinung nach auch anders verlaufen können, denn es gab keine spezifischen Anforderungen, um die Tätigkeiten zu übernehmen, und das Pensum dafür wurde mit 5 % dotiert.

Frau Schumacher macht sodann deutlich, dass sie für das Hospiz erst «angefangen habe, nachdem [sie] die Stelle da übernommen habe» (Z. 46–47). Es war also ein zufälliger und gar fliessender Prozess. Mit dem Ausdruck «ähm ja also eben, nachdem ich angefangen hatte» (Z. 57) verdeutlicht sie nochmals, dass sie hier zwischen Praxis im Sinne von psychosozialer Beratung vor Ort und Beratung im Sinne von sozialrechtlichen Abklärungen differenziert und letzteres nicht zufällig, ersteres aber schon bei ihr verankert ist.

«Ich habe dann das halt einfach übernommen. Es ist nur ein kleines Pensum. Habe mich dann angefangen, vermehrt zu vernetzen mit dem Spital, den Sozialdiensten, mit den Ärzten, mit den Onkologen auch und habe so Zugang gefunden auf die palliative Abteilung, und das ist jetzt *amigs* (jeweils) jeden Mittwochnachmittag.» (Frau Schumacher, Z. 45–49)

Dieses zufällige Übernehmen der Tätigkeit löst bei ihr den Drang aus, sich mit den Spitälern, den Ärztinnen und Ärzten, den Pflegenden sowie der Seelsorge und weiteren umliegenden Sozialdiensten zu vernetzen, um so, wie sie zuerst sagt, «(…) einen Zugang zu palliativem Arbeiten zu erhalten» (Z. 49). Später im Gespräch wird deutlich, dass dieses Vernetzen zu anderen Fachpersonen für sie ganz wesentlich dafür war, sich fachlich intensiver mit weiteren Aufgaben in der psychosozialen Beratung und Begleitung auseinanderzusetzen. Dieser Aspekt wird ihr erst später im Gespräch bewusst, dass sie eigentlich durch die Erweiterung ihrer Tätigkeit die psychosoziale Beratung stärkt.

«Und das kommt mir jetzt grad in den Sinn, wo Sie diese Frage stellen. Wir als Sozialarbeiterinnen sollten uns mit der psychosozialen Beratung, (…) ich denke da haben wir auch eine Stärke, also in der Beratung, vernetzten und so stärker beraten. Ich habe es einfach übernommen» (Frau Schumacher, Z. 605–610).

Vorderhand stellt sie selbst das «einfach übernommen» in das Zentrum, womit sie verstärkt, dass sie sich nicht wirklich bewusst mit den Aufgaben oder den Tätigkeiten auseinandergesetzt hat und sich auch nicht bewusst für die Tätigkeiten interessierte. Sie betont aber zugleich, «es ist gut, dass ich jetzt im Haus bin» (Z. 148). Hier orientiert sie sich nicht unmittelbar an der Örtlichkeit, sondern das Haus gewinnt einen metaphorischen Charakter, denn es verkörpert das Gefühl, sich jetzt – auch wenn es Zufall war – an einem richtigen Ort zu fühlen. Für sie ist die Passung somit vorhanden und das wird auch später bei ihren Ausführungen zur eigenen professionellen Kompetenz (Abschnitt 7.3) deutlich.

Auch Frau Bender begründet ihre heutige Anstellung selbst als «zufällige Entwicklung» (Z. 9). Sie war ursprünglich, wie Frau Schumacher, bei einer Krebsliga angestellt und hat sich auch auf diese Stelle beworben. Da jedoch im Kanton vor kurzem ein Hospiz eröffnet hat, übernimmt sie im Rahmen von 10 % verschiedene Aufgaben im Beratungsbereich für Menschen am Lebensende und deren Angehörige, allerdings nicht vor Ort. Womit sie ihre Tätigkeit nicht in Hospiz selbst ausführt, sondern als externe Dienstleisterin ohne Ortspräsenz. Sie betont bewusst und klar, die Stelle «sei halt auf 10 % beschränkt» (Z. 38) – und das sei «im Moment» (Z. 40) so. Womit sie andeutet, dass dies nicht so bleiben muss.

«Wir haben wie einmal gesagt, wir starten jetzt einmal so, mit dem, mit dieser Vereinbarung und dass wir schon, längerfristig dann auch anschaut, was gibt es für Veränderungen? Oder Was braucht es zusätzlich und ich denke schon auch längerfristig, also es wäre einfach auch zum Wohl der Bewohner, wenn dort ein breiteres Angebot wäre, aber im Moment ist es noch auf die zehn Prozent beschränkt.» (Frau Bender, Z. 46–52).

Dass sie jetzt dafür zuständig sei, hätte sich in Rücksprache mit der Leitung ergeben, weil man dem Hospiz eine Unterstützung zugesichert hätte – mit dem klaren Ziel, man würde «jetzt mal schauen, was es dann längerfristig, (…) also zum Wohle der Bewohner brauche» (Z. 49–50). Dieses «im Moment» ist für Frau Bender sehr wichtig, denn sie sieht sich selbst nicht in einer aktiven Rolle, Beratungen vor Ort im Hospiz anzubieten, und sie macht damit darauf aufmerksam, dass ihre Tätigkeit zeitlich beschränkt ist. Sie begründet dies damit, dass vieles noch unklar sei und sie ihre eigene Rolle auf das Abklären von finanzrechtlichen Fragen beschränke, weil sie «mit den anderen» (Z. 110–111), womit sie auch die Klientinnen und Klienten im Hospiz meint, vor Ort nicht «in Berührung» komme. Dass sie «berühren» wählt, deutet auf eine Emotionalität hin, welche sie den Begegnungen und dem Kontakt vor Ort potenziell einräumt, selbst aber aktuell nicht erlebt. Es wird somit deutlich, dass sich Frau Bender damit in einer für sie weniger emotional geprägten Anstellung befindet. Das «Nicht-Präsent-Sein» im Hospiz ist für sie zwar nicht problematisch, wie später aber deutlich wird, möchte sie gerne mehr Aufgaben und v. a. eine «offenere und flexiblere Rolle in der Beratung ausfüllen» (Z. 162). Sie ist sehr ambivalent in ihren Aussagen bezogen auf die eigene Herleitung ihrer heutigen Anstellung. Die nicht vorhandene Präsenz vor Ort bzw. der fehlende Zugang ins Hospiz scheint bei ihr mehr in Bezug auf ihr Tätigsein auszulösen als ihr selbst bewusst ist. Das im Gegenzug zur für sie «als Zufall» erhalten Aufgabe, psychosoziale Beratungen von Extern aus zu übernehmen.

Bezogen auf die Begründungen für die heutige Stelle zeigt sich, dass bei allen drei Fachpersonen eigentlich kein bewusstes fachliches Motiv für den Stelleneintritt vorhanden war, dies sich aber nicht als beliebigen Entscheid für die heutige Tätigkeit lesen lässt, sondern eher als Offenheit gegenüber dem gewählten Handlungsfeld der Palliative Care. Der Tod, das Sterben und möglich assoziierte und auch in den Köpfen vorhandene Erwartungen, was den Tod oder deren Sicht- und Riechbarkeit anbelangt, wirken nicht abschreckend oder verhinderten gar die – durch Zufall – entstandene berufliche Tätigkeit. Im Gegenteil, die Offenheit erwies sich offenbar als Potenzial die Anstellung auch gestalten zu können. Auch die Fachlichkeit wird dadurch auch nicht beschnitten, sondern insbesondere angeregt. Gerade durch das sich noch in Entstehung befindenden Anstellungsverhältnis oder durch die Offenheit der Anstellung und deren Ausgestaltung werden individuelle Gestaltungsprozesse bezogen auf das Aufgabenfeld und das Pensum sowie eine Bewegung ersichtlich. Dies lässt sich zudem deuten als ein Handeln in Form von «das Feld sich selbst erschliessen», womit ein Akt beschrieben wird, der von den Fachpersonen selbst verlangt, sich ihre Tätigkeit zu erschliessen.

7.2 Die Suchbewegung als professioneller Akt

In allen sieben geführten Gesprächen mit den Fachpersonen zeigen sich in unterschiedlichem Ausmass und unterschiedlicher Intensität sog. Suchbewegungen in Bezug auf das eigene Tätigsein bzw. das Eruieren von Aufgaben, Beratungs- und Unterstützungsleistungen sowie auf die Übernahme von Tätigkeiten gegenüber weiteren Fachpersonen im multiprofessionellen Team.

Damit dieses Suchbewegung überhaupt entstehen kann, braucht es eine grosse Offenheit und Flexibilität sowie ein eigens gewähltes Vorgehen im Kontaktherstellen von Seiten der Fachpersonen. In dem Sinne ist es auch einleuchtend, dass die Suchbewegung mit einer gewissen professionellen Kompetenz, wie der Fähigkeit, Fragen gezielt und systematisch zu stellen, einhergeht. Das Fragen-Stellen-Können ist und war bereits bei Wasner (2011/2021) ein zentraler Aspekt in der professionellen Haltung von Fachpersonen. Konkret sorgt die Einnahme einer Fragenden Haltung für den benötigten Raum, um Unsicherheiten und Ängste zu thematisieren. Angehörige aber auch die erkrankte Person selbst neigen dazu, ihre Ängste und Bedürfnisse «völlig in den Hintergrund zu stellen» (Wasner, 2011, S. 652). Viele Menschen am Ende ihres Lebens verspüren das Bedürfnis, offene Fragen und ungelöste Themen zu klären. Dabei benötigen sie Unterstützung bei der Entscheidungs- und Lösungsfindung.

Die Suchbewegung ist vorliegend somit nicht als professionelle Unsicherheit von Seiten der Fachpersonen, sondern als Unsicherheit bezogen auf «was anstehen könnte» bzw. «was zu tun bzw. was getan werden kann» zu deuten.

Aus den Gesprächsdaten lassen sich zwei Arten von Suchbewegungen herausarbeiten, welche sich nachfolgend einmal als Suchtbewegung «für das eigene Tätigsein» und einmal für das «Tätigsein im multiprofessionellen Team» zeigen.

7.2.1 Die Suchbewegung als Türöffner für das eigene Tätigsein

Die Suchbewegung, welche für das Tätigsein an sich bzw. die sich dahinter befindenden Aufgaben umgesetzt wird, zeigt sich besonderes bei Frau Bender, Schumacher, Pereira, Herrn Rölli sowie ansatzweise bei Frau Christen und Frau Matter.

Frau Bender berichtet, dass ihr Auftrag von Seiten der Krebsliga und für das Hospiz zwar «wirklich auf das Finanzielle bzw. die finanzrechtlichen Abklärungen» (Z. 119) vorgegeben und definiert sei, sie aber dennoch immer wieder mit Fragen konfrontiert werde, die sie dazu veranlassen würden, sich auf die Suche nach Alternativen zu machen. Die Suche strebt sie von sich aus an, sie legt damit eine eigene Motivation zu Grunde und sie empfindet das nicht als nachteilig, sondern als «ergibt sich *halt* so» (Z. 122). Dass diese Fragen überhaupt auftauchen, begründet Frau Bender auf zwei Arten – und diese lassen sich beide als eine Form der Voraussetzungen für die Suchbewegung lesen. Die finanzrechtlichen Abklärungen seien der Grund, dass sie mit der Klientel überhaupt direkt Kontakt aufnehme bzw. in direkten Kontakt komme, was sie dann auch benennt als das «Eingangstor». Dieses Tor, welches sinnbildlich für den Beginn eines Gespräches mit ihrer Klientel gelesen werden kann, würde viele Themen beherbergen, welche «sich erst ergeben» (Z. 256), nachdem sie danach gefragt hat. Frau Bender geht somit nicht mit einem bestimmten Verständnis oder einem konkreten Thema in das Beratungsgespräch, sondern sie tritt mit einer ergebnisoffenen Haltung an.

Diese offene und auf den ersten Blick planlos wirkende Haltung führt sie zu vielen Themen, die die Klientel betreffen, jedoch, wie sie selbst sagt, keinen wiederholenden Charakter haben müssen. Auch nach 4 ½ Jahren beruflicher Tätigkeit würden stets neue Themen in den Gesprächen mit der Klientel auftauchen, so dass sie nicht eine Art «Repertoire» oder standardisiertes Frageprogramm entwickle. Frau Bender versucht sich dann, auf ihre Erfahrung rückzubeziehen – bzw. in dem Sinne, dass sie sich einerseits an ihren bisherigen gemachten Erfahrungen orientiert bzw. diese ihr helfen, einen fragenden, aber nicht unsystematischen oder forsch wirkenden Dialog zu generieren. Zugleich zeigt sie sich offen, indem sie für sie «banal» (Z. 145) wirkende Fragen, wie «Wie geht es Ihnen damit?», stellt, um so ihr Gegenüber zur Gesprächsaufnahme oder -weiterführung zu bewegen und den Dialog zu initiieren. Sie sei «sehr offen, was da sonst noch komme im Gespräch»(Z. 316), und betont Folgendes:

«(…) das ist auch meine Haltung, ich bin offen, ähm eigentlich ja, für das was alles kommt. Das ist sowieso in meiner normalen Tätigkeit auch (…), i-ich, also, die Leute können mit allem zu mir kommen und dann schauen wir weiter.» (Z. 316–321)

Hier wird deutlich, dass genau diese Offenheit in ihrer eigenen Haltung es überhaupt erst ermöglicht, dass danach andere oder weiterführende Themen von Seiten der Klientel auffindbar, sichtbar und/oder bearbeitbar werden. Frau Bender nimmt im weiteren Interview nochmals selbst einen Rückbezug auf diese offene Haltung und betont, es dürfe dann nicht unterschätzt werden, dass durch diese Offenheit viele Themen genannt werden, in welchen auch sie sich nicht auskenne. Sie betont deutlich, dass sie sich auf die Suche danach mache, wer «denn geeignet dafür ist» und «wer es dann auch macht oder ja eben machen muss» (Z. 1347). Der Suchprozess bildet für sie keine Hürde, er untergräbt auch nicht ihr professionelles Wirken; eher hat Frau Bender diesen Prozess für sich selbst verinnerlicht und betont erneut, es sei eine grosse Flexibilität von ihrer Seite gefordert und auch vorhanden. Sie orientiert sich hier auch an der internen Zusammensetzung im Team und einer sog. interprofessionellen Haltung, die sie dazu bewegt, andere Fachrichtungen zu involvieren. Wie Frau Bender hier vorgeht und was dies weiter bedeutet, werde ich unter Abschnitt 7.7 näher explizieren.

Auch Frau Schumacher erzählt an zwei Stellen im Gespräch, dass sie für die finanzrechtlichen Abklärungen zuständig sei, dies sich «im Moment gar noch auf Steuererklärungen ausweite», bzw. sie diese «von der Klientel erhalte» (Z. 497). Ihr Aufgabenbereich wird damit aber nicht erschöpft. Es wird an dieser Stelle wie auch an weiteren Stellen deutlich, dass sie selbst ihren Auftrag nicht wirklich auf diese Aspekte fokussiert sieht, «mach ich nicht immer so gerne» (Z. 520). Sie betont, dass später nochmals, aber fügt sodann ein «eigentlich, ja (…)» «oder, ja nur teilweise, *öppe so*?» an (Z. 499/Z. 545). Mit dieser für sie selbst gestellten rhetorischen Frage beginnt sie, weitere Überlegungen anzustellen, und betont, «(…) ja jetzt, wo Sie da sind, also ja die Frage stellen, ich mache schon mehr.» (Z. 524). Frau Schumacher beginnt, sich zu überlegen, warum sie die finanzrechtlichen Dinge nicht gerne tut, und meint, sie verstehe die Wichtigkeit dieser Anliegen, doch sie fühle sich nicht nur für das zuständig: «eigentlich ja, mach ich das schon, aber (…) es muss nicht immer sein. Ich denke auch an die Beratung» (Z. 532). Dieses «nicht immer» bezieht sich auf die administrativen Tätigkeiten und es wird erneut spürbar, dass sie ihren Auftrag nicht nur auf diesen Aspekt erkennt.

Es lässt sich bei Frau Schumacher an zwei Stellen ein Vorgehen bezogen auf ihr Tätigsein rekonstruieren, das systematischer und strukturierter umgesetzt wird, als Frau Schumacher dies selbst vorkommt. Frau Schumacher beginnt «meistens», wie sie selbst sagt, mit einer Kontaktaufnahme, indem «sie vorbeigeht», womit sie meint, dass sie vor Ort im Hospiz oder auf der Palliativabteilung den direkten Kontakt mit der Klientel sucht und sich das wohl schon öfters so abgespielt hat. Diese Kontaktaufnahme erfolgt diskret und wirkt – zumindest auf den ersten Blick – nicht planmässig oder systematisiert. Sie stellt Fragen wie «Kann ich mal reinkommen?», «Wie kann ich Sie unterstützen?» (Z. 298) «Gibt’s etwas, was ich machen kann für Sie?» (Z. 312). Sie fügt sodann aber gleich an, dass dies «nur so Einstiegsfragen sind» und es ihr um das «Zuhören gehe» (Z. 313) – und irgendwann würde sie sagen, «okay, ja gut, wir schauen es einmal miteinander an» (Z. 315). Diesen Moment, wann sie sich entscheidet, gewisse Dinge vertiefter anzusehen, kann sie nicht inhaltlich oder zeitlich festmachen. Wie sich zeigt, ist das aber auch nicht nötig; durch die offene Herangehensweise und das einfache, eher lockere Gespräch gelingt es ihr, herauszufinden, «was da noch ganz viel mehr *ume* (vorhanden) ist» (Z. 375), und dann höre sie weiter zu. Es wirkt wie ein innerliches Orientierungsmuster, welches sie auch wiederholt schon länger anwendet. Zudem ist ihr bewusst: ihre Klientel hat ganz viele Themen und Aspekte, die noch nicht oder bisher noch nie angesprochen wurden.

«(…) mir immer wieder überlegen, ja, was, was (ähm), was kann ich jetzt da anbieten, was braucht dieser Klient, was i-ist wichtig, braucht er jetzt nur ein Gespräch oder braucht er noch was mehr, braucht er Unterlagen, geht’s um die Tochter, um die Beerdigung, Testament geht es um so was (…), oder will er über das Sterben sprechen, ja i-ist ein schwieriges Thema“ (Frau Schumacher, Z. 393–398).

Obwohl die Kontaktaufnahme und das Zuhören auf den ersten Blick nicht planmässig und durchdacht erscheinen und auch ohne vorgängige Zielsetzung auskommen, was Frau Schumacher selbst betont, erreicht sie so einen Zugang zu der Klientel und zu gewissen Themen, welche nicht unmittelbar offenkundig sind. Es sind aber Themen, die den Sterbenden seit längerem oder unmittelbar belasten und in der aktuellen Situation oft noch unsichtbar sind. Sie betont, dass dann «viel gesagt wird» (Z. 435), wenn der Klient bzw. die Klientin allein ist, und sie «das schön findet», womit sie eine positive und wertschätzende Haltung einnimmt, welche sich von der Bewertung der Öffentlichkeit, dass der Tod als etwas Unangenehmes angesehen und somit in Gesprächen oft gemieden wird, deutlich abgrenzt.

Etwa in der Mitte des Gesprächs erzählt Frau Schumacher erneut, dass sie sich auch als Suchende versteht. Jeder Mensch hätte andere Bedürfnisse, auch wenn eine ähnliche Diagnose vorläge und meint: «man muss ja dann einmal zuerst schauen, was sind denn da für Ressourcen und Bedürfnisse (…)» (Z. 1433). Erneut zeigt sich, es gibt keine repetitiven Muster. Jeder Klient bzw. jede Klientin bringe ihr eigenes Familiensystem mit, wobei sie einen sehr systemischen Blickwinkel einnimmt und zuerst einmal herausfinden will, wie dieses «System aufgestellt sei» und «was das System für Unterstützung braucht» (Z. 1438). Damit fokussiert sie sich nicht nur auf die Ressourcenfragen, sondern zugleich auf das gesamte System um den betreffenden Klienten bzw. die Klientin. Die Suche sei aber nicht nur problem-, sondern auch lösungsorientiert. Ohne es explizit zu nennen, orientiert sie sich an einem systemischen Blick und legt damit eine professionelle Arbeitsweise vor.

Die Suche können sich in zwei Richtungen entwickeln, dem sei sie sich mittlerweile bewusster als am Anfang. Damit deutet Frau Schumacher einen beruflichen Entwicklungsprozess an, den sie auch dank ihrer Bereitschaft, sich auf den Suchprozess einzulassen, erreicht habe. Ohne es zu merken, spricht Frau Schumacher von einer Fähigkeit, welche sie sich selbst zuschreibt und welche für das weitere professionelle Vorgehen in der Begleitung und Betreuung ihrer Klientel höchst relevant wird. Die eine Richtung, wo sich die Suche hin entwickeln könne, sei jene, «mögliche Lösungen finden [zu] können» (Z. 1445), die andere Richtung sei, «wir können nur anbieten, dass wir einfach da sind und zuhören» (Z. 1446). Diese beiden Richtungen offenbaren, dass es eben nicht immer um die Suche nach einer Lösung oder gar um eine Entwicklung geht bzw. eine solche auch nicht immer angeboten oder umgesetzt werden, sondern dass die Suche sich auch auf den Moment und das simple «Da-Sein» beziehen kann. Professionelles Handeln zeigt sich damit auch nicht immer im aktiven Tun, in einer aktiven Handlung oder einem zu initiierenden Prozess, sondern ebenso in einer Präsenz. Nur schon die Präsenz an sich stellt ein Kontakt dar, welcher nach dem National Council for Hospice and Specialist Palliative (1997) als sozialer Kontakt in Form einer Unterstützungsleistung gesehen werden kann. Was unter diesem Kontakt weiter verstanden werden kann, wird in Abschnitt 7.4 ausführlicher diskutiert.

Mit der Suchbewegung verbindet auch Frau Pereira eine für sie selbst wahrgenommen positive Offenheit, auch wenn damit eine Ungewissheit für die später folgenden Tätigkeiten einhergeht. Am Anfang, insbesondere, wenn man gar «nichts oder wenig» (Z. 1310) über das Klientel wisse, sei es «schwierig, man kann es so schlecht greifen» (Z. 1397), was später zu bearbeiten ist. Dass Frau Pereira «greifen» erwähnt, deutet darauf hin, dass für sie, obwohl etwas nicht direkt im Sinne eines Gegenstandes ergreifbar ist, es sich bei den für sie relevanten Themen um etwas Gegenständliches handelt, das für sie er- bzw. begreifbar gemacht werden kann. Dieses Ergreifen bildet auch die Voraussetzung, damit sie das Thema bearbeiten kann. Frau Pereira betont zudem, dass diese Ungewissheit sie nicht abschrecke, sich auf die Suche nach Unterstützungsbedürfnissen zu machen. Sie führt – im Gegensatz zu Frau Bender und Frau Klein – aus, wie sie vorgeht, wenn sie «diese Dinge», womit sie die Themen und Herausforderungen von Seiten der Klientel meint, eruiert. Ihr expliziertes Vorgehen ist fragend und damit ebenfalls sprachlich doch ihr geht es darum, «in Erinnerung [zu] rufen» (Z. 1404) was sein könnte. Sie fokussiert auf verschiedene Aspekte:

«(…) ähm ja, es geht um, also es sind Perspektiven zu öffnen für etwas anderes. Am Schluss weiss niemand mehr, woher er jetzt die Idee hat, dass man die Perspektive geöffnet hat, aber man hat die Ressource, also die Information. Ich frage deshalb danach» (Frau Pereira, Z. 1408–1411).

Mit dem Vorgehen des In-Erinnerung-Rufens, was wiederholend und mehrmals durchgeführt wird, wie sie später betont, gelingt es ihr, die für sie wichtige «Perspektive zu öffnen» (Z. 1408), womit sie das Freilegen von möglichen Bedürfnissen und Wünschen meint. Interessant ist hier, dass sie dies nicht zwingend als ihre eigene Aufgabe und als ihren Verdienst ansieht. Es spielt für Frau Pereira keine Rolle, wer «die Ressource bzw. die Idee» gefunden hat, die Suche danach, nach den Themen, steht für sie im Zentrum. Frau Pereira scheint das Vorgehen als festen Bestandteil zwar verinnerlicht zu haben, doch ob sie es für sich als professionelles Vorgehen deutet, verbleibt offen.

Die Suchbewegung findet sich auch bei Herr Rölli, wobei er sich an einer eigens entwickelten «inneren Checkliste» (Z. 225) orientiert und diesen Begriff selbst im Gespräch aufbringt. Er, und wie später auch Frau Christen, haben ein eigenes Instrument entwickelt, wie beim Erstkontakt vorzugehen ist. Herr Rölli betont, «ich suche oft nach Gründen» (Z. 218), das Suchen gehört für ihn als ebenso zum Tätigsein. Er bezeichnet sich, bevor er auf diese Checkliste und das Suchen von Gründen zu sprechen kommt, selbst als «extremer Praktiker» (Z. 212). Durch seine praktische Erfahrung, womit er sich an seinem Wissen durch die Praxis im Bereich Migration anlehnt und ausführt, dass er zwar schon «Theorien kenne», ihm es aber «schwerfalle, diese dazu zu ziehen» (Z. 214), erklärt er sein Verständnis von Praxis. Dieses basiert v.a auf der Umsetzung von Tätigkeiten, ein empathischer, motivierender und zeitlassender Zugang und sogenannten «soft skills»Footnote 1, wofür aber Herr Rölli keine weiteren Beschreibung vorlegt. Mit dem Zusatz «extrem» macht er deutlich, dass er in einem höheren Masse bzw. mit einer höheren Intensität sich praxisbezogen einbringt, als es seiner Ansicht nach der Norm entspricht. Die Bewertung nimmt er selbst vor, womit diese subjektiv ist und somit von seiner individuellen Wahrnehmung abhängt. Sie ist nicht negativ konnotiert, denn Herr Rölli zieht eine sachliche Begründung heran. Er orientiert sich an dem durch seine langjährige (Anmerkung: 20 Jahre) praktische Erfahrung erworbenen Vorgehen und transferiert dieses in die bevorstehenden Gespräche in Form einer selbst hergestellten Checkliste. Auf seine Kompetenzen, auch durch die Ausbildung und die ihm dort vermittelten Theorien und Methoden, kommt er erst später im Gespräch zu sprechen und diese werden vorliegend auch unter Abschnitt 7.3 näher ausgeführt. Herr Rölli konkretisiert seine Erzählungen bezogen auf die Checkliste:

«Also, eigentlich gehe ich mit einer inneren Checkliste in ein erstes Treffen. Also innere Checkliste, ich habe diese auch schriftlich. Äh ja, ich habe sie auf einem Blatt Papier, da habe ich mir verschiedene Punkte aufgeschrieben, die ich zum Treffen mitnehme, wenn ich den Eindruck habe, es ist wirklich wichtig, einmal im Gespräch alles zu erfassen (…) und das was so brennt müssen wir zuerst lösen» (Herr Rölli, Z. 225–229).

Herr Rölli hat sich damit zusätzlich zur für ihn prozesshaften Suchbewegung, welche er eigentlich bei jedem Klienten vornimmt, wie er später betont, mit der Checkliste ein Hilfsmittel, ein physisches Instrument erschaffen, woran er sich jeweils orientiert. Diese Checkliste biete ihm aber nicht nur Orientierung, sondern unterstützt auch sein Vorgehen, «alles zu erfassen» und Prioritäten zu setzen «was brennt müssen wir zuerst lösen» (Z. 229). Damit lehnt er sich an die Funktion einer Checkliste im Allgemeinen an. Diese dienen im Allgemeinen dazu, die Kommunikation und die später zu organisierenden Tätigkeiten zwischen der Klientel, deren Angehörigen und der Fachperson zu erleichtern und einen Überblick über mögliche Themen zu erlagen sowie eine gemeinsame Basis für alle Beteiligten herzustellen und Prioritäten zu setzen. Ferner sind Checklisten auch Instrumente, um einen systematischen Ablauf zu gewährleisten bzw. einen solchen einzuhalten, um so nicht Gefahr zu laufen, etwas zu übersehen. Herr Rölli stellt somit eine gemeinsame Basis über seine innerliche Checkliste ebenfalls her, betont aber sodann, dass er dennoch Offenheit zulässt, weil es diese ganz klar benötige, « (…) das ist diese Offenheit, die es zudem braucht» (Z. 233). Die Checkliste diene als Basis und teils halte er diese auch in der Hinterhand, denn er beginne, jeweils beim Erstkontakt, «auf einem weissen Blatt». Für ihn ist das aber kein Widerspruch und er orientiert sich auch nicht an einem widersprüchlichen Vorgehen mit Checkliste und/oder weissem Blatt. Die «Offenheit braucht es, weil jede Situation unterschiedlich ist» (Z. 235) – und hier macht Herr Rölli nochmals deutlich, er sei offen, und begibt sich auf eine Suche, um «alles zu erfassen». Mit diesem «alles» gibt Herr Rölli keine Eingrenzung vor, es sollen bewusste alle Gedanken, Themen oder Sorgen von Seiten der Klientel geäussert werden können. Durch die langjährige Praxis hat Herr Rölli mögliche weitere Themen und Aspekte in der Hinterhand, um reagieren zu können, bzw. umso das Gespräch bei Bedarf lenken zu können.

Herr Rölli benennet in seiner Checkliste zentrale Aspekte, welche er jeweils in den Gesprächen auch versucht zu erfragen, wenn sie nicht von Seiten der Klientel geäussert werden. Diese Aspekte lauten: aktueller medizinischer und pflegerischer Bedarf, Alltag und Begleitung zu Hause oder in der Institution, vorhandenes soziales und familiäres Netz, finanzielle Situation und Ernährung. Letzteres sei besonders wichtig, weil hier auch oft «Kalorienbedarf und Gelüste» sich widersprechen können. Was er zudem immer erfragen würde, sei, ob ein Notfallplan bestehe «denn das ist ganz wichtig, dass man im Notfall weiss, ja wer oder was braucht es». Für ihn sei das zentral, weil man so die Angehörigen auch längerfristig miteinbeziehen und unterstützen könne. Herr Rölli orientiert sich damit nicht nur an einem Verständnis, der aktuellen Versorgung und dem Erbringen von Unterstützungsleistungen, sondern agiert proaktiv und will auf plötzliche und unerwartete Ereignisse vorbereitet sein. Er legt somit eine vorausschauende Haltung an den Tag.

Auch Frau Christen macht deutlich, dass sie sich besonders im Erstgespräch, später aber auch bei unerwarteten Wendungen in einen suchenden Prozess für die Begleitung begibt, wo sie mittels Fragen-Stellen durch «alle Felder hindurch» (Z. 60) geht. Sie hat damit auch eine Art Checkliste, benennt diese aber nicht explizit. Mit der Aussage «alle Felder» verweist sie auf die Ebene von bio (1) psycho (2) soziale (3) und spirituelle (4) Ebene. Hierfür wählt sie aber einen etwas unkonventionelle Einstieg: In ihrer Wahrnehmung eröffnet sie die Fragerunde jeweils mit den Finanzen als Einstiegsfrage, so benennt sie es selbst. Sie würde sodann über diese Einstiegsfrage insbesondere weitere Fragen zu den vier Feldern stellen, wenn sie mehr zur aktuellen Situation der Klientel wissen möchte, «damit ich so weiss, woher er kommt» (Z. 68). Wie Frau Christen dafür vorgeht, beschreibt sie dann aber nicht mehr als Suchprozess oder Suchbewegung, sondern sie orientiert sich klar an einem methodischen und systematischen Vorgehen und benennt Kompetenzen, die sie durch ihre Aus- und Weiterbildungen erlangte. Woran sie sich bei der Umsetzung dieser Kompetenzen und beim Vorgehen orientiert und wieso sie diese heranzieht, wird in Abschnitt 7.3 näher erörtert.

Auch bei Frau Matter findet sich eine Suchbewegung, die allerdings nicht ganz so ausgeprägt und intensiv stattfindet. Frau Matter erzählt, dass sie nach dem «Erstkontakt» ein «Assessment», welches sie «im Kopf» hat, durchführt (Z. 316–317). Den Fachterminus «Assessment» bringt sie von sich aus, allerdings relativiert sie dessen generelle Bedeutung als Beurteilungsbogen bzw. diagnostisches Instrument, indem sie darlegt, dass sie «nicht ein Raster» (Z. 321) dafür hat. Sie orientiert sich damit nicht an dem normalerweise üblichen Vorgehen bei der Anwendung eines Assessments, das auf einer systematischen Bewertung oder einem einheitlichen Vorgehen mittels eines Instruments oder Bewertungsbogens fusst. Sie versucht aber so, «wirklich herauszufinden, wo der Schuh drückt, im Prinzip, ja, so etwa mach ich es» (Z. 390). Das «wirklich» bezieht Frau Matter darauf, dass sie Klientinnen und Klienten zugewiesen bekomme, die zuerst andere Probleme im Erstkontakt äussern würden, die nicht immer zwingend die wirklich realen Probleme seien. Einige Klientinnen und Klienten würden zwar den physischen Schmerz, welchen sie haben, sehr gut erfassen und kommunizieren können, aber «der Rest der *druckt* (schmerzt)» (Z. 402), womit Frau Matter auf psychische und soziale Probleme verweist, könne oft nicht kommuniziert bzw. in Worte gefasst werden. Hier sei es dann wichtig, nicht nur nach dem «Assessment» vorzugehen, sondern zu «überlegen, was stört». Frau Matter zeigt hier indirekt auf, dass sie mit «überlegen» und «im Prinzip» ein sehr offenes, aber zugleich dennoch prinzipiengeleitetes Vorgehen sich angeeignet hat. Sie orientiert sich auch am Prinzip der Offenheit in der Kommunikation. Diese führt sie dann auch an ihr –erst etwas später angedeutetes – Ziel, offenzulegen, welche Probleme wirklich da sind – «so kann ich es dann *aufbrösmeln* (herausarbeiten), was ist» (Z. 412).

Frau Matter weist somit eine nicht ganz so offenkundige Suchbewegung aus, es geht ihr mehrheitlich um ein schrittweises Annähern. Sie recherchiert und versucht, Herausforderungen und Probleme sukzessive anzugehen. Sie schafft es durch ihre Zurückhaltung, dass ein Suchprozess in Gang gesetzt wird, welchen sie systematischer bearbeitet, als es ihr wohl selbst bewusst ist. Ihre professionelle oder womöglich auch persönlichen Haltung hat hier einen grossen Einfluss auf die weitere Bearbeitung von Problemen oder Krisen, und auch das ist ihr nicht direkt bewusst. Wie sich später zeigt, nimmt sie nach dieser Initialisierung und dem Suchprozess einen Bewertungsprozess sowie verschiedene Abklärungsschritte vor, die auf vier theoriebezogenen Feldern fussen (vgl. Abschnitt 7.3). Der Suchprozess an sich ist für Frau Matter zugleich der erste Schritt, ihr weiteres Vorgehen in Gang zu setzen und die Begleitung aufzugleisen. Sie macht unmittelbar deutlich, dass dieses Vorgehen «noch nicht formalisiert» (Z. 868) ist, stark abhängig von «einzelnen Personen», womit sie ihre Klientel, aber auch weitere Personen im Team meint und wie diese zusammenarbeiten, sowie von den Strukturen der Institution und davon, «sich selbst sehr [zu] bemühen» (Z. 869), abhängig sei. Frau Matter legt auf vier Ebenen Voraussetzungen fest, welche es nach ihr für einen gelingenden Start bezogen auf den Suchprozess und die darauffolgende Begleitung braucht. So sind dies die Ebene (1) der Mensch an sich und sein Menschenbild; Ebene (2) soziales Netzwerk, Ebene (3) krisenhafte Momente und Ebene (4) spirituelle Einstellung. Diese vier Ebenen lassen sich als Gelingensbedingungen lesen, um die mit der Suchbewegung verbundene Prozessbegleitung erfolgreich umzusetzen. Dass sie diese vier Ebenen nennen kann, läge an ihrer langjährigen Erfahrung und den verschiedenen Einblicken, wie sie selbst feststellt. Frau Matter entfaltet hier nicht nur ein reflexives Moment, sondern für jede Ebene auch eine Begründung und orientiert sich hierbei einerseits an der Interprofessionalität und andererseits am Bewusstsein für das eigene berufliche Tun. Die Prozessbegleitung ist für sie eine wichtige Aufgabe, allerdings stellt sie in Frage, «wie stark das im Bewusstsein der Sozialarbeiter dafür ist», sie ist sich unsicher, ob diese «sagen, das ist unsere Profession, da sind wir gut (…)» (Z. 902). Sie geht dann auf die eigene Rolle und die damit zusammenhängenden Bestrebungen von Seiten der Sozialen Arbeit ein. Mit «sich selbst bemühen» nimmt Frau Matter sich und ihre eigenen Berufskolleginnen und -kollegen aus der Sozialen Arbeit in die Pflicht und zeigt auf, dass es von deren Seite grösser Anstrengung und auch Einsatzbereitschaft bedarf. Dies sei aber «nicht immer im Bewusstsein der Sozialarbeiter» (Z. 903). Für Frau Matter ist dieses Bewusstsein eine weitere Gelingensbedingung, sie orientiert sich damit aber am subjektiven Moment und schreibt ihrem eigenen Berufsstand einerseits zu, sich mehr bemühen, und andererseits auch ein Verständnis für mögliche Implikationen oder Vorgehensweisen mitbringen zu müssen. Der Sozialen Arbeit muss gemäss Frau Matter also zuerst etwas auffallen oder sie muss sich etwas vergegenwärtigen, damit sie dann weiter handeln und Massnahmen ergreifen kann. Wie später in Abschnitt 7.8 ersichtlich, hat Frau Matter hier einen differenzierte und auf Erfahrung basierende Ideen, welche sich sodann auch mit Ansichten von Frau Christen und Herrn Rölli verbinden lassen.

7.2.2 Die Suchbewegung im multiprofessionellen Team

Dass die Suchbewegung nicht nur bezogen auf das Eruieren und Bearbeiten von individuellen Bedürfnissen von Seiten der Klientel, sondern auch bezogen auf das Tätigkeitsein im Team wesentlich ist, lässt sich besonders anhand der Gespräche mit Frau Christen und Frau Klein rekonstruieren. Bei Frau Bender und Frau Pereira zeigt sich, dass sich die Suchbewegung für das und mit dem Team in Abhängigkeit zum Bedürfnis von Seiten der Klientel mehr oder weniger realisiert. Zudem wird bei Frau Matter aber auch Klein und Christen ersichtlich, dass die Suchbewegung im interprofessionellen Team oft um Statuts- und Kompetenzfragen kreisen und diese teils die Unterstützungsbedürfnisse gar überschatten können. In Anlehnung an Waser (2011) kann an dieser Stelle bereits ausgeführt werden, dass dies auch daran liegen kann, dass in der Begleitung am Lebensende jede Berufsgruppe für sich proklamiert, die Klientel und die Angehörigen ganzheitlich und zu betreuen – mit all seinen Nöten (S. 652).

Auf die Frage nach ihren Aufgaben im Gegensatz zu den anderen Berufsgruppen betont Frau Christen, dass sie «sehr interdisziplinär» denke und gerade das, bezogen auf den «Zeitpunkt» der Involvierung von anderen Fachdisziplinen, wichtig sei.

«Und ich habe das Gefühl ich kann einschätzen, wann der Zeitpunkt da ist auch andere Fachdisziplinen ins Boot zu holen. (…) das ist was, was ich am Anfang auch sage, dass wir die Situation auslegen, wir machen die Analyse miteinander und wir schauen, was sind Aufgaben, die ich übernehmen und was sind die Aufgaben wo wir andere Personen sicher noch hinzuziehen müssen» (Frau Christen, Z. 168–173).

Frau Christen beschreibt hier ein sehr systematisches Vorgehen und betont auch ihre eigene fachliche Stärke. Sie kommt später selbst nochmals auf diese zu sprechen – deshalb werde ich das unter Abschnitt 7.3 noch näher analysiert. Mit dem Ausdruck «ich habe das Gefühl, ich kann einschätzen», deutet Frau Christen eine innere Resonanz an, welche sie darin bestärkt, sich nicht nur auf ihr Gefühl und die eigenen Aufgaben zu fokussieren, sondern zugleich auch andere Disziplinen zu involvieren. Zudem nimmt sie die Klientel mit auf diesen Weg und zeigt früh auf, dass es Aufgaben geben wird, die sie übernehmen kann, und andere Aufgaben, wo es für sie klar ist, dass «sicher noch» weitere Fachpersonen hinzukommen müssen. Sie lässt dabei aber noch offen, um welche Fachpersonen es sich handelt und für welche Aufgaben sie sowie die anderen Fachpersonen zuständig sind. Sie stellt damit eher unbewusst den Suchprozess und das Vorgehen in den Vordergrund, dass ein aktiver Akt von ihr aus ist.

Auf die Frage, wie sich die Zusammenarbeit mit weiteren Fachpersonenvorstellen ereignet, kommt Frau Matter erneut auf einen Suchprozess zu sprechen, der für sie wichtig und auch wiederkehrend ist.

«Und dann schauen wir wie hat sich / oder bei wem hat sich die medizinische Situation verändert und dann schauen wir, ja was heisst das für die anderen Professionen» (Frau Christen, Z. 245–247).

Insbesondere dann, wenn sich medizinische Situationen bei Klientinnen und Klienten verändern, was teils schnell, teils aber auch erst nach Monaten eintreten kann, sei es wichtig, dass immer wieder «mit dieser Person» (Z. 249) ein Austausch stattfinde und geklärt werde, «wie müssen wir jetzt den Weg umlenken» (Z. 252). Mit «wir» adressiert Frau Matter sich selbst und schliesst auch ihre eigene Profession, also eigentlich ihre anderen Berufskolleginnen und -kollegen von Seiten der Sozialen Arbeit, welche wie sie im Feld der Palliative Care tätig sind, mit ein. Gleichzeitig adressiert sie aber auch andere Berufsgruppen. Sie versteht sich nicht allein verantwortlich für diesen Suchprozess, sondern sie macht diesen damit eher zu einer kollektiven Aufgabe für sich und für andere Berufskolleginnen und -kollegen. Sie sieht sich selbst aber in der Rolle der suchenden und fragenden Person, welche damit einerseits sichtbar machen kann, wo die Klientin oder der Klient steht, und andererseits genau dieses Ergebnis dann auch weitervermittelt. Diese Weitergabe findet in ihren Erzählungen an andere Professionen dann statt, wenn klar sei, wie bzw. worauf sich die Unterstützung neu fokussieren muss. Das gelingt dann besonders gut, wenn sie als Sozialarbeiterin «mit der Situation mitgehen kann» (Z. 253), womit sie darauf anspielt, dass es wichtig sei, dass andere sie über weitere Entwicklungen informieren. Als Beispiel zieht Frau Matter die Ärzteschaft heran, diese haben sie «auch etwas erzogen», dass sie ihr «Entwicklungen in Situationen melde» (Z. 258), mit der Begründung, nur so können sie auch in einer neuen Situation nach Lösungen suchen. Für Frau Matter aber auch Frau Christen ist nicht wichtig, wer die Aufgaben übernimmt, sondern, dass die Aufgaben und die Arbeit für den Klienten bzw. die Klientin so übernommen werden, dass diese für den Klienten stimmen. Sie legten beide damit einen sehr personenzentrierten Ansatz dar.

Frau Klein zeigt deutlich auf, dass sie sehr gefordert ist, wenn die Begleitung für einen Klienten bzw. eine Klientin komplex wird. Sie hatte vor rund einem Jahr einen Fall, in welchem sieben Professionen involviert waren, und sie bezeichnet das später im Gespräch als «recht viele Leute, *wo* (die) so einem Klienten *umeinander* (umher) sind» (Z. 952). Frau Klein führt schon früher im Gespräch etwas zu diesem Fall aus, insbesondere, weil zu Beginn wenig über die private Situation bekannt war und es sich um eine junge Klientin handelte, «dort kam einfach sehr viel zusammen bei der jungen Frau» (Z. 499). Man merkt Frau Klein an, dass dieser Fall sie besonders bewegt hat. Ohne weiter ins Detail zu gehen, zeigt Frau Klein auf, dass sie zwar über ein grosses Netzwerk verfüge und das «ja auch extra aufbaue», aber insbesondere sie dann spürte, dass die anderen wie darauf warten würden, dass jemand jetzt hier ein Fallmanagement übernehme und nach Bedürfnissen suche. Sie sei dann sehr gefordert gewesen, weil sich schon alle anderen darauf verlassen hätten, dass sie «»*ome* (da) sei und Frage stelle», um die Situation der Klientin besser zu unterstützen. Frau Klein betont, das hätte sie auch gemacht, sie hätte sich aber dabei v. a. darauf fokussiert, zuerst alle Informationen zusammenzusuchen, bevor sie direkt auf die Klientin zuging. Sie begründet dieses Vorgehen mit ihrem Studium, in welchem sie so ein Vorgehen insbesondere bei zahlreichen unklaren Informationen «*sochli*» mitgenommen hätte.

«Ich stelle mir das *amigs sochli* (so) vor, wie wir mit denen zusammen, mit den anderen Professionen sind und wir bringen aber ab und an wieder auch einmal *öpper* neues hinein in das ganze Gefüge, wo wir denken, der könnte etwas nützen. (…) oder ja auch Informationen, die ich dann bringe, die auch wichtig sind.» (Frau Klein, Z. 524–529)

Diesen Prozess initiiert sie selbst, bzw. sie sieht sich selbst als Initiatorin dieses Prozesses und gibt sich eine sehr aktive Rolle. Frau Klein orientiert sich auch an einem kollektiven Verständnis mit «wir», es bleibt aber etwas unklar, ob sie hier ihre andere Berufskolleginnen vor Ort oder generell die Profession und somit ihresgleichen meint. Was sich rekonstruieren lässt, ist, dass Frau Klein sich im Stande fühlt, komplexe unklare Situationen mit vielen Fragen zu bearbeiten. Das Hinzufügen einer weiteren Person, aus einer anderen Profession, ist für sie unproblematisch und wird nicht als Bedrohung ihrer Selbstwirksamkeit, sondern in Form von neuen Impulsen als Potenzial angesehen.

Auch bei Frau Bender lässt sich ein Suchprozess bezogen auf ihre Rolle innerhalb des Teams erkennen – und dieser führt auch zu einer für sie positiven Distanziertheit gegenüber ihrer eigenen beruflichen Arbeit. Dass sie oft nicht von Beginn an involviert werde, erschwere ihre eigene Arbeit. Wie sich zeigt, ist sie in einer widersprüchlichen Teamsituation unterwegs, «ich bin dabei und doch nicht dabei» (Z. 173). Diese Widersprüchlichkeit macht sie für sich selbst fest an der Thematik, ab wann sie in einen Fall involviert werde. Sie stelle seit 2 Jahren fest, dass sie «oft erst spät oder wenn es *brönnt* (brennt)» (Z. 181) dazu geholt werde. Es sei auch schon vorgekommen, dass sie «vergessen werde» (Z. 190). Dieses zu späte Involvieren hindert Frau Bender daran, sich kompetent in die Begleitung einzubringen. Auf der anderen Seite hätte es aber auch schon Fälle gegeben, wo sie von Beginn an involviert worden sei. Auf die Frage, welche Gründe sie selbst dafür anführe, meint Frau Bender, «wenn es finanzielle Unterstützung braucht, dann rufen sie mich, sonst habe ich recht gekämpft» (Z. 224). Frau Bender macht diese ambivalente Situation mental etwas zu schaffen, sie führt die Uneindeutigkeit in Bezug auf «mal dabei und mal nicht dabei sein» unmittelbar auf ihre Profession zurück, das sei «halt ein wenig überall das Problem, ähm so von der Sozialarbeit, was sie so kenne» (Z. 230). Zudem wird ersichtlich, dass die anderen Professionen besonders bei den finanziellen Abklärungen den Auftrag klar der Sozialen Arbeit überlassen, währendem andere Fragen oder Unterstützungsleistungen eher ausgehandelt werden.

Für Frau Pereira unterscheidet sich der Suchprozess bezogen auf die Aufgaben im Team je nachdem, mit welchen Herausforderungen oder Bedürfnisse sie von Seiten der Klientel konfrontiert werde. Sie macht hier eine Differenz, basierend auf eigener praxisbezogener Erfahrung, und meint, «bei kleineren Dingen kann es auch bei der Pflege bleiben» (Z. 878) und bei «schwierigeren Dingen», kommt es durchaus auf das «persönliche Engagement an, wie viel möchte man auch übernehmen» (Z. 881). Dass Frau Pereira hier sich selbst einen grossen Handlungsspielraum eröffnet, ist ihr nicht wirklich bewusst. Sie führt ihre Erklärung auf die bisherige Erfahrung in der Institution, ihre eigene Rolle im Hospiz und ihr grösseres Pensum von 50 Stellenprozent zurück. Dies bezeichnet sie als «lukrative Position», währenddessen es bei anderen Institutionen, wie sie es vernommen hat, wenn es «hart auf hart kommt» (Z. 920), die Medizin und die Pflege seien, die unbestritten ihre Tätigkeiten aufnehmen. Wenn es jedoch kleinere Unsicherheiten gibt oder es für sie «glasklar ist, dass es etwas Soziales ist» (Z. 949), dann werde sie von sich aus aktiv. Mit «glasklar» meint sie eindeutig – und diese Eindeutigkeit manifestiert sich für sie am Begriff «Sozial». Sie gehe dann auf andere Professionen zu und bringe sich ein mit «los ich gehe einmal *losen* (zuhören), was da ist» (Z. 951). Das mache sie aber nicht, wenn klar sei, dass es um Themen der Seelsorge oder Schmerzen gehe, das mache sie nur dann, wenn unklar sei, welchen Kernbereich es betreffe.

Frau Pereira zeigt hier auf, dass sie auch nicht in fixen Dimensionen oder Themenfeldern denke, sondern, dass sie einfach offen sich auf die Suche nach Themen mache und danach überlege, wer für die weitere Bearbeitung in Frage komme. Dieser Prozess sei aber nicht ganz einfach, denn es hänge stark davon ab, wie man seine eigenen Kompetenzen einschätze (Z. 1230). Frau Pereira zeigt hier eine hohe Bereitschaft zur Kooperation und Triage an weitere Berufsgruppen. Umgekehrt würde sie das nicht oft erleben, womit sie indirekt andeutet, dass die Suchbewegung sich nicht von Seiten anderer Professionen auf sie zubewegt, sondern sie sich mehrheitlich auf die anderen zuzubewegen hat. Dieser Umstand sei nicht nur zu Beginn so, sondern würde sich auch «überall später ein wenig als Problem» (Z. 1235) darstellen. Sie bezieht sich so dann auf die alltägliche Praxis und zeigt auf, dass die Bemühungen ihrerseits deutlich grösser seien, „ich mache das schon länger“ (Z. 1276). Mittlerweile könne sie es zwar in der Teamsitzung aufzeigen, aber besonders von Seiten der Pflege sei kein Verständnis für ihre suchende Rolle vorhanden. Für Frau Pereira ist aber diese Suchbewegung wichtig, sie meint „ich kann so erst mal überlegen, was ich als nächstes machen muss“ (Z.1299).

Wie angedeutet erfolgt nun die Analyse betreffend die Orientierungsmuster in Bezug auf die eigenen fachlichen Kompetenzen. Dieses Unterkapitel folgt bewusst im Anschluss an die soeben dargelegte Analyse zu Suchbewegungen als professioneller Akt, da diese Suchbewegungen teils eng verbunden sind, mit Äusserungen zu den eigenen fachlichen Kompetenzen, deren Anforderungen und deren Umsetzung.

7.3 Die eigenen professionellen Kompetenzen benennen, betonen und stärken

Berufliches Handeln lässt sich auch aus der Narration deuten. Die Art und Weise, wie über das eigene berufliche Handeln gesprochen und gedacht wird, bietet dafür die Grundlage. Aus den Expertinneninterviews und dem Experteninterview lassen sich einige Begründungen zum beruflichen Handeln im Alltag herausarbeiten, welche sich unter dem Oberbegriff professionelle Kompetenzen subsumieren lassen.

Aus den Gesprächsdaten lässt sich erkennen, dass professionelle Kompetenzen einerseits mittels klarer Benennung von Fachtermini, Handlungsprinzipen bis hin zu Handlungsanleitungen von Seiten der Fachpersonen in der Sozialen Arbeit ersichtlich werden. Auffallend oft wurde der Ausdruck «psychosoziale Begleitung» gefolgt von «umfassende bzw. systemische Beratung» genannt. Mit der eigens gestellten Frage nach dem sog. USP (übersetzt: Unique-Selling-Proposition), welche darauf abzielt, dass die Fachpersonen ihre besonderen Fähigkeiten oder gar einzigartigen Merkmale hervorheben, konnte zudem angeregt werden, über ihre eigenen Stärken nachzudenken und diese zu äussern. Durch die Analyse mittels reflektierender Interpretation liessen sich fruchtbare Kompetenzen und Stärken schärfen, aber auch Orientierungen in Bezug auf das berufliche Handeln klarer herausarbeiten. Wie später ersichtlich, lassen sich diese Ergebnisse als weiterführende Konturierung der professionellen Fachkompetenzen im Feld von Sterben und Tod beurteilen. Vorweg geht es darum, die professionellen Kompetenzen analytisch einzubetten.

Frau Schumacher wird durch die Frage nach ihrer Tätigkeit im Alltag zur Selbstreflexion angeregt und nennt einerseits die «psychosoziale Beratung» als zentrale Aufgabe. Sie bezeichnet diese zugleich als «(…) eine klare Stärke von uns» (Z. 609). Frau Schumacher erwähnt diese Form der Beratung somit nicht unmittelbar bezogen auf ihr eigenes Tätigsein, sondern sie orientiert sich am Kollektiv, am «uns». Sie macht sich selbst ebenfalls diesem Kollektiv zugehörig und schreibt sich, wie auch allen anderen in ihrem Berufsstand, die Kompetenz zu, diese spezifische Beratungsleistung auszuführen. Zudem betont sie, dass sie darin auch eine «klare Stärke» erkennt, womit eine besondere Eignung, besondere Fähigkeiten, aber auch eine besonders gute Umsetzung diesbezüglich gemeint ist. Sie proklamiert mit diesem «klar» einen gewissen «exklusiv-Charakter» für sich bzw. für ihre Berufskolleginnen -und -kollegen. Sie lässt es an dieser Stelle im Gespräch aber offen, was dies genau sein könnte und kommt zur Umsetzung der psychosozialen Beratung. Diese knüpft sie eng an das Absolvieren von ein «paar Weiterbildungen» (Z. 624), denn «wir sind Leute, *wo* (die) viel Erfahrung bringen». Nur allein die Ausbildung als Sozialarbeiterin in der «Soz» (Z. 625), womit sie die ehemalige so benannte Sozialarbeiterinnenschule meint, reiche nicht aus, um die psychosoziale Beratung anzubieten. Es bedinge mehrerer Weiterbildungen, um die Kompetenzen dafür zu erhalten. Frau Schumacher orientiert sich hier an einer Berufskarriere, welche mit formalisierten Weiterbildungsabschlüssen verbunden ist, und stellt dies auch als Anforderung an die psychosoziale Beratung. Nur über praxisbezogene Erfahrungen und die Grundausbildung kann eine Fachperson der Sozialen Arbeit die Kompetenz der psychosozialen Beratung, welche in der Palliative Care gemäss ihr verlangt wird, nicht erlagen. Das bekräftigt Frau Schumacher auch nochmals mit «nachher, finde ich gehört das zu unseren Ressourcen» (Z. 629–630). Mit dem Begriff «Ressource» und der weiteren Aussage «die wir auch anbieten» (S. 631) legt auf Frau Schumacher implizit dar, dass die psychosoziale Beratung nicht einfach eine beliebige Aufgabe ist, sondern einen Wert für sich und für ihr Berufskollegium hat und sich grundlegendendes Angebot in der Arbeit mit und für Menschen am Lebensende erweist. Eine Ressource kann allgemein gesprochen einen bestimmten Wert aufweisen, welcher entweder quantifizierbar oder beschreibbar ist. Etwas als Ressource zu bezeichnen, impliziert, dass es Potenzial hat, genutzt, verwaltet oder optimiert zu werden, um einen bestimmten Nutzen zu erzielen. Ressourcen können allgemein betrachtet für die Unterstützung oder Verbesserung von Prozessen sowie für das Initiieren von Projekten gebraucht werden. Mittels Ressourcen können Hindernisse überwunden oder Bedürfnisse erfüllt werden. Dass sich Frau Schumacher des Ressourcenbegriffs bedient, deutet darauf hin, dass sie in der psychosozialen Beratung eine Ressource und damit einen Wert erkennt, welche nicht quantifizierbar, aber klar zur Unterstützung, zur Verbesserung, oder gar zur Überwindung möglicher Hindernisse und sozialer Probleme beiträgt. Ob sie sich selbst dieses eigenen Werts bewusst ist, wird hier nicht offensichtlich. Auf die Nachfrage, was sie sich unter «psychosoziale Beratung» vorstelle, antwortet Frau Schumacher Folgendes:

«Kein therapeutisches Angebot, keine Therapie, aber eine Unterstützung im Prozess von kranken Menschen sei, indem ich Gespräche anbiete, wenn Frage da sind, über das Streben, ähm, auch Fragen über die Krankheit, solange es nicht in den medizinischen Bereich geht. (…) Ich denke all diese Fragen, Alltagsbewältigung, Lebensfragen ja so, ja die kann ich mit ihnen anschauen. Ich habe sicher keine Antwort auf alles, aber einfach schauen und sie unterstützen in dem Prozess.» (Frau Schumacher, Z. 633–640).

Die Abgrenzung, dass psychosoziale Beratung keine Therapie ist, macht Frau Schumacher am Begriff «Unterstützung» fest. Für sie stellt ihr Vorgehen eine Ressource zur Unterstützung dar, welche sich klar von der Medizin und der Psychologie abgrenzt, indem es keine Therapie ist, sich aber dennoch personenzentriert mit all den Bedürfnissen und offenen Fragen von Seiten der Klientel befasst. Frau Schumacher orientiert sich hier an einer ihr in der Aus- und Weiterbildung vermittelten Differenz zwischen Therapie und Beratung. Für Sie, aber wie später auch bei Frau Matter und Christen und Pereira ersichtlich legt die psychosoziale Beratung den Fokus auf Wiedererlangen von Handlungsfähigkeit, unterstützen in den Hilfsprozessen und im Entfalten von Kräften zur eigenen Bewältigung von Problemen.Footnote 2

Frau Schumacher stellt damit das zwischenmenschliche Netzwerk und die Unterstützung diesbezüglich in das Zentrum, ohne das klar benennen. Sie deutet aber ihre Vorgehensweise an. Sie hört den Fragen zu, welche von Seiten ihrer Klientel geäussert werden. Dieses Zuhören ist für sie essenziell und sie fühlt sich auch fachkundig, «alle Fragen» mit der Klientel anzuschauen. Das «Anschauen» stellt sie aber nicht gleich mit dem Beantworten oder Lösen von Fragen. Sie macht klar deutlich, «keine Antworten» (Z. 632) auf alles zu haben, aber bezieht sich erneut auf die Kompetenz, Unterstützung anzubieten für den «Prozess». Später führt sie dann etwas präziser aus, dass sie «anders berate als die Fachperson Pflege oder der Arzt» (Z. 683), sie würde mehr auf «die Person an sich, also auf die Fragen (…)» (Z. 684), eingehen und nicht spezifisch «die Krankheit oder die Schmerzen» beachten. Mit dieser Differenzierung orientiert sie sich erneut an einem offenen Vorgehen, einem Prozess, den sie mittels Fragenstellen erwirkt, entweder den Menschen dabei hilft, bestimmte Antworten selbst zu finden, oder sie darin und bei den damit verbundenen Herausforderungen weiter unterstützt. Wie Frau Schumacher grenzt sich auch Frau Bender deutlich davon ab, therapeutisch tätig zu sein. «Das ist nicht meine Aufgabe» (Z. 542), allerdings geht Frau Bender dann nicht weiter auf diesen Aspekt ein. Sie orientiert sich – wie später ersichtlich – am Auftrag der Vernetzung und an ihrer Rolle im Team.

Auch für Frau Pereira ist die psychosoziale Unterstützung nicht nur ein Fachterminus, den sie benennt, sondern sie zählt dieses Leistungsangebot klar zu ihrem Kernauftrag. Diese Aufgabe könne sie ausführen, weil sie auch über die nötigen Techniken der Befragung verfüge, denn ihre Klientel äussere oft nicht von sich aus, was sie bedrücke oder wo sie Hilfe benötige.

«(…) die Anliegen, die sie [das Klientel] haben sind ja häufig erst im Gespräch deutlich und dann sind es eben vielleicht gar nicht konkret Massnahmen, um die es geht, sondern um ein Reflektieren von ihrer Situation, sichtbar machen können, um welche Verluste oder Ängste es denn gehen wird und wie man damit umgeht, Abschied zu nehmen.» (Frau Pereira, Z. 399–405).

Dieses Erfragen-Können oder Fragen-Stellen-Können ist für Frau Pereira eng mit der Umsetzung der psychosozialen Unterstützung verbunden. Sie orientiert sich damit an einer Befragungstechnik, die ihr erst überhaupt die Möglichkeit gibt, weitere «Dinge im Gespräch» (Z. 475) in Erfahrung zu bringen. Sodann hat Frau Pereira ein klares Ziel, woran sie sich in den Gesprächen orientiert. Sie möchte durch das Erfragen primär die Perspektiven öffnen, damit überhaupt weitere Beratungsleistungen oder Unterstützungsangebote, seien diese von ihr oder auch von anderen Professionen, erfolgen können. Frau Pereira orientiert sich, ohne dies zu explizieren, hier am Prinzip des «Eingangstor», wie es bei Frau Bender und ihrer skizzierten Suchbewegung vorkommt (vgl. 7.2.1). Durch das erstmalige Erfragen und das primäre Vermitteln von Offenheit gelingt es ihr, Perspektiven für die Klientel und deren Probleme überhaupt zu öffnen. Frau Pereira beansprucht aber keine Exklusivität für die Übernahme der Aufgabe der psychosozialen Begleitung, wie dies Frau Schumacher oder auch Herr Rölli tun. Sie selbst orientiert sich an den geäusserten Aspekten von Seiten der Klientel und versteht ihre Rolle nach dem Erstkontakt dann im «Mitinvolvieren» (Z. 528) von anderen Professionen. Für sie ist die Begleitung eine Teamaufgabe. Wie stark sie diese Aufgaben selbst übernehmen will, macht sie für sich davon abhängig, «wie stark man die eigenen Kompetenzen diesbezüglich einschätzt» (Z. 1230). Diese Aussage ist hoch selbstreflexiv, bedeutet aber zugleich auch, dass sie sich zurücknehmen kann und ihr Tätigwerden auch von der eigenen Einschätzung der Fachlichkeit abhängig macht.

Wie sich später herausstellt, orientiert sich Frau Pereira nicht an ihren eigenen Qualifikationen bezogen auf die erbringende Begleitungs- und Unterstützungsleistungen, sondern fokussiert sich auf potenzielle Teamkonflikte, welche entstehen können, wenn sie sich für die Übernahme der Begleitung entscheidet. Sie stellt damit nicht ihre Fachlichkeit in das Zentrum, sondern macht den Entscheid für oder gegen eine Begleitung abhängig von einem möglicherweise entstehenden Teamkonflikt. Dass sie sich an diesem potenziellen Teamkonflikt und nicht an ihren eigenen fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten orientiert, führt sie selbst auf den Umstand zurück, dass

« (…) vieles, was die Soziale Arbeit tut, irgendwie anmassend ist, weil sie ist ja eine Generalistin. (…) Es ist halt schon einfacher, sich auf eine Profession zurückzulehnen, die seit Jahrhunderten Theorien haben. gut, wieso man da bei der Sozialen Arbeit so ein Problem daraus macht, dass man nicht eine Basis hat, wo alle sich darin finden, ist auch /- ähh ja Item. Eben also sie ist ja die Generalistin, sprich was ich gesagt habe, alles, was man sagt, hört sich für mich so ein *bitzli* (bisschen) anmassend an, weil die anderen Professionen ganz vieles, zumindest in Ansätzen, auch machen (…).» (Frau Pereira, Z. 1256–1274)

Frau Pereira orientiert sich hier an einem Verständnis von Spezialistin versus Generalistin. Dadurch, dass eine Spezialistin für ein spezifisches Fachgebiet zuständig ist, womöglich hierfür auch schon jahrelange theoretische Fundierung besitzt und sich auf ein Gebiet konzentriert, erscheint es für Frau Pereira einfacher, eine Zuständigkeit zu beanspruchen, als das für eine Generalistin der Fall ist. Ohne selbst den Begriff weiter auszuführen, wird deutlich, dass Frau Pereira ein negatives Bild einer Generalistin, die «vieles in Ansätzen» (Z. 1274) kann, vorlegt. Sie erkennt darin – zumindest vordergründig – keine Stärke, sondern betont – später auch mehrmals –, dass sie das «anmassend» (Z. 1317) und auch «schwierig greifbar» findet (S. 1315). Mit der Bezeichnung «anmassend» bringt auch Frau Pereira eine für sie sich negativ anfühlende Überlegenheit zum Ausdruck, von der sie selbst zwar nicht Gebrauch machen will, aber sie gegenüber den anderen Professionen immer wieder in «Legitimierungs- und Formulierungsschwierigkeiten» (Z. 1318) bringe. Sie möchte gegenüber den anderen Professionen nicht vorschreibend oder überheblich daherkommen und nimmt sich vornehm zurück. Aber dennoch erkennt sie in ihrer alltäglichen Praxis, dass sie durch ihr Wesen als Generalistin auch eine professionelle Stärke hat: «Zu schauen, dass gewisse Dinge nicht vergessen gehen, davon profitieren auch die anderen» und «das alles im Blick haben, auch multidimensional» (Z. 1331–1332).

Frau Pereira verweist hier darauf, dass ihre generalistischen Fähigkeiten ein Zugewinn für die anderen Professionen sind, und verstärkt dies mit dem Ausdruck «multidimensional». Sie bleibt gedanklich in der ambivalenten Situation verhaftet und kann für sich die Aspekte, welche ihr berufliches Tun ausmachen, hier nicht klar fassen. Im Gegenteil – sie merkt noch an, «ja, es ist schwierig, weil jeder sagt, ja, das machen wir ja auch» (Z. 1332). Frau Pereira ortet hier ebenso ein weiteres Problem nicht nur für sich, sondern für die ganze Profession. Gerade weil «am Schluss sich nicht die Soziale Arbeit auf die Fahne schreibt, ha (!), das habe wir gesagt», sei es schwierig, die eingebrachten Kompetenzen sichtbar zu machen. Frau Pereira ist dies aber eigentlich gar nicht so wichtig, sie will diese Exklusivität auch nicht, sie schliesst ihren Ausführungen sodann auch ab mit «eigentlich interessiert es am Schluss keinen mehr, woher es kommt». Damit stellt Frau Pereira einerseits klar, dass sie an einer guten Lösung und Unterstützung mehr interessiert ist als an einer Festlegung, wer für diese Lösung nun massgeblich gewirkt hat. Zudem stellt sie sich andererseits aber auch erneut in den Hintergrund, womit erneut verstärkt wird: die Problemlösung und die Unterstützung für die Klientel stehen im Zentrum, nicht die Frage, wer die Leistung erbringt.

Gegen Ende des Gesprächs komme auch Frau Schumacher, angeregt durch die von mir gestellte Frage nach der USP, auf die Eigenheiten der Sozialen Arbeit zu sprechen. Hier überlegt sie nicht lange und meint, «vernetzt denken» (Z. 1775), «lösungsorientiert sein» (Z. 1780) und «neugierig und offen auf Menschen zugehen, ohne Misstrauen, sich für den Menschen interessieren» (Z. 1789). Frau Schumacher benennt einerseits fachliche Handlungsprinzipen und andererseits eine für sie sehr wichtige Sozialkompetenz, die auch persönlicher Natur sein können. Es ist für sie beides nötig, denn ohne das Interesse für andere Menschen, so ist sie davon überzeugt, «kann man die Arbeit gar nicht machen» (Z. 1798). Sie wird dann dazu sehr konkret:

«Auf den Menschen zugehen, dann realistisch genug, ähm ja, um die Situation einschätzen zu können. Dann transparent sein, ehrlich, im Gegenüber nichts vormachen, sondern halt wirklich auch, mit Fakten belegen können, warum es ist und warum es ja auch / eben, so ja sein wird am Schluss» (Frau Schumacher, Z. 1804–1807).

Frau Schumacher erwähnt weder das Sterben noch den Tod, aber sie orientiert sich implizit an diesem Momentum in der Form der Endlichkeit und führt dafür ein sachliches und objektives Vorgehen aus. Die Objektivität gelingt ihr, indem sie selbst ihr Vorgehen als faktenbasiertes Vorgehen bezeichnet. Obwohl Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen wichtig seien, bedarf es Fakten – und diese müssen belegt werden. Das Vorgehen wird damit auch nicht beliebig, sondern sachkundig. Ferner spricht Frau Schumacher davon, für dieses Vorgehen einen «Rucksack mit ganz viel Theorie drin» (Z. 1809) zu besitzen. Dass Frau Schumacher den Rucksack wählt, deutet darauf hin, dass sie einiges an fachlicher Kompetenz, Vorgehensweisen und weiteren Dingen (Arbeitsinstrumenten) jeweils dabeihat und damit auf verschiedene Ereignisse, welche sie in der täglichen Arbeit im Hospiz erwarten kann, vorbereitet ist. Sie ist somit fachlich gut und vielfältig vorbereitet, ihr scheint das aber weniger bewusst zu sein. Sie skizziert sogleich eine Anwendungsproblematik – «wir haben einfach manchmal Probleme den Rucksack richtig auszupacken und richtig zu sortieren und /(…) ja und, um zu zeigen, was wir können» (Z. 1839–1840). Frau Schumacher setzt hier Fachlichkeit und deren Anwendung mit Sichtbarkeit gleich. Ihre Tätigkeiten seien nicht gleich bestimmbar, wie es die Diagnosen bei den Medizinern sind, die noch nachgelesen werden können. Die Theorie und die Vorgehensweisen, welche sie anwende, seinen für sie «wie bei uns drin» (Z. 1913). Sie verweist damit selbst auf sog. inkorporiertes Wissen und Kompetenzen, kann sich dies aber selbst nicht weiter erklären.

Für Frau Matter eröffnet sich ihr Feld des Tätigseins jeweils mit einer Anfrage. Sie werde «(…) immer dort gerufen, wo es kompliziert ist, das ist klar. (…) wenn auch so dunkle Fragen *ome» (da) sind» (Z. 102–105). Dass «immer» und «etwas kompliziert» sein kann, bildet somit eine Voraussetzung für die Aufnahme ihrer Tätigkeiten, allerdings wirkt dieses Potenzial an Komplexität, dass Frau Matter erwarten kann, nicht negativ auf sie. Obwohl Frau Matter nicht weiss, wie gross der Aufwand sein wird, wie komplex und schwierig es werden könnte, nimmt sie sich des Falls an – und das auch «immer gleich», und zwar basierend auf einem «Assessment-Gespräch» (Z. 156). Damit zeigt Frau Matter auf, dass sie jeweils trotz der Unkenntnis der Themen, die auch «dunkel» sein können, ein standardmässiges Vorgehen wählt, in welchem sie eine strukturierte Herangehensweise vornimmt. Diese expliziert sie auch weiter im Gespräch. Sie orientiert sich erstens an ihren eigenen Rollenverständnis als Beraterin: «das ist ganz wichtig, also, ich bin psychosoziale Beraterin und nicht Therapeutin» (Z. 202). Zweitens orentiert sie sich an der Klientel selbst und stellt «jeden Einzelnen» ins Zentrum. In diesem Vorgehe konkretisiert sie auch die bereits im Abschnitt 7.2.1 bei der Suchbewegung erwähnten «vier Felder». Das Spirituelle, Soziale, Physische und Psychische bilden diese vier Felder. Sie orientiert sich hier nicht an einem Dokument, sondern gemäss eigener Aussage an einem Raster, welches sie «im Kopf» hat (Z. 317) und das für sie eine «Hilfestellung» (Z. 321) bietet. Aus bisheriger Erfahrung weiss sie, dass ihre Klientel Schmerzen sehr gut benennen kann, aber das, was «der Rest sei, was sonst stört (…)» (Z. 403), das aufzudecken, dafür verortet Frau Matter sich selbst auch als zuständig. Sie legt hier eine sehr klare Haltung bezogen auf ihr Zuständigkeit da. Sie versteht sich als «Entdeckerin» von Problemlagen, aber verbindet dieses Entdecken nicht damit, danach auch für die weitere Bearbeitung der Probleme zuständig zu sein. Das Weiterleiten oder, wie sie sagt, «Triage-Machen» versteht sich für sie von selbst. Dabei orientiert sie sich nicht an schriftlichen oder institutsinternen Vorgaben, sondern zeigt auf, dass «psychosoziale Arbeit» (Z. 444) auch bedeutet, sich «abzugrenzen und zu wissen, wie weit mein Kompetenzbereich ist» (Z. 446). Frau Matter verfügt über ein selbstreflexives Denke über ihre eigenen Handlungen und zeigt damit auf, dass sie sich ihres Tätigkeitsfelds sehr bewusst ist und dieses auch für sich definieren kann.

Wie Frau Schumacher führt auch Frau Matter die Differenzierung zwischen Therapie und Beratung ein. Wobei sie nicht näher darauf eingeht. Für Frau Matter sind die Koordinationsfunktion und das Koordinieren-Können sehr entscheiden. Wenn bei einem Klienten oder einer Klientin viel koordiniert werden muss, «dann kommt es dann letztlich doch dazu, dass ich zum Teil eine Fallführungsfunktion übernehme» (Z. 336). Das würde sie aber nur dann machen, wenn die «Komplexität stetig steigt und die Pflege nicht mehr kann» (Z. 338). Ohne sich dessen bewusst zu sein, skizziert Frau Matter hier sog. Anforderungen, die an sie gestellt werden bzw. von denen sie profitieren kann. Sie scheint in der Lage zu sein, eine Netzwerkfunktion einzubringen, damit die Unterstützung für den Klienten bzw. die Klientin gut koordiniert wird. Zudem wird kommt sie zum Einsatz, wenn die Pflege an ihre Grenzen stösst. Dadurch wird deutlich, dass Frau Matter zwar eine nachgeordnete Rolle nach der Pflege inne hat, sich aber um grössere Schwierigkeiten kümmert.

Herr Herr Rölli benennt, im Gegensatz zu Frau Matter und Schumacher, bereits zu Beginn einen wichtigen Aspekt in seiner täglichen Arbeit – «jede palliative Situation von einer Klientel ist immer individuell und komplex» (Z. 94) – und genau das mache es auch aus, dass die Arbeit für ihn «immer anspruchsvoll» sei. Herr Rölli zeigt hier auf, dass es für ihn wenig Routine im Alltag gibt und seine Arbeit von ihm viel Flexibilität verlangt um der Komplexität gerecht zu werden. Er findet auch nach 20 Jahren im Berufsfeld, dass es «eine sehr anspruchsvolle, komplexe» Aufgabe ist und «eine breite Anforderung braucht, um tätig sein zu können» (Z. 96–97). Diese breiten Anforderungen an ihn selbst hätten auch nicht abgenommen, sondern sie fordern von ihm, dass er sich «immer auch die ganze Ethik» (Z. 101) vergegenwärtige. Herr Rölli führt hier einen Aspekt in das Feld, welcher in den Begleitungen von Menschen am Lebensende gewichtig ist, allerding so von den anderen sechs Gesprächspartnerinnen nicht aufgegriffen wird. Seine tägliche Arbeit lässt Werte und moralische Prinzipien gewichtiger erscheinen. Das er sogleich stark auf die Ethik fixiert, was darauf hindeutet, dass er sich eines Wertekompasses bewusst und sensibel in Bezug auf moralische Fragestellungen ist, deutet an, dass er mit zahlreichen ethischen Fragen von seiner Klientel am Lebensende konfrontiert wird. In seinem Arbeitsalltag spielen, wie er weiter ausführt, moralische Fragestellungen stets eine grosse Rolle. Sie gelten für ihn als «Merkpunkt» und seien «ziemlich umfangreich» in der Bearbeitung (Z. 106). Hierbei macht Herr Rölli auf eine grössere Herausforderung aufmerksam, die er selbst als «Spannungsfeld» (Z. 119) benennet und so auch erlebt. Auf der einen Seite möchte Herr Rölli eine möglichst offene Haltung an den Tag legen und viel Zeit in Gespräche und Abklärungen investieren, auf der anderen Seite ist genau der zeitliche Aspekt die grösste Herausforderung in seinem Alltag, da die Zeit beschränkt ist und seine Klientel auch darüber oft nicht sprechen möchte. Auf die Frage, wie er denn mit diesem Spannungsfeld umgehe, orientiert sich Herr Rölli stark an seiner Person und an seiner individuellen Haltung. Er führt aus, dass er sich mit der Zeit ein Vorgehen angeeignet hat, «über das Thema Tod offen zu sprechen» (Z. 132), und dabei darauf achtet, «welche Handreichungen» (Z. 138) er von Seiten der Klientel bekommt. Er meint damit kleine Hilfestellungen, die in Form von Äusserungen oder auch Wünschen von Seiten der Klientel an ihn herangetragen werden. Seine Haltung hätte sich insofern auch geändert, dass er sich heute viel offener auf das Thema Tod einlasse und «auch mal weinen muss» (Z. 144). Beides, also die offene und auch emotionalere Haltung sowie das Beachten von Handreichungen, verschaffen ihm heute einen «einfacheren» und auch «befreienden Zugang» zu der Klientel (Z. 148). Interessant ist, wo Herr Rölli insbesondere seinen Einstieg in die Begleitung am Lebensende verortet. Hier wählt er einen fast professionstheoretischen Zugang, indem er ausführt, dass das Sterben sehr prozesshaft sei – und die Soziale Arbeit:

«(…) setzt meistens dort an, wenn es Knicke in der Biografie gibt. Also der Patient gehen und irgendwann kann er es nicht mehr und dann ist die Versorgung nicht mehr gewährleistet, der muss ins Hospiz und dann kommt die Sozialarbeit. Dann geht’s irgendwann weiter, vielleicht besser (…) und dann kommt wieder ein Entscheid. Es kann sein, dass ich von jemanden ein halbes Jahr auch mal nichts höre, bis er wieder kommt» (Herr Rölli, Z. 418–425).

Mit «Knicke» meint Herr Rölli Schwierigkeiten, welche sich im Verlaufe einer Erkrankung bzw. am Lebensende ereignen können. Das Sterben ist etwas prozesshaftes. Sodann bleibt er auch nicht kontinuierlich in der Begleitung drin, sondern es kann Unterbrüche geben, welche gar von einer Zeitdauer von einem halben Jahr sein können. Herr Rölli betont, dass dies auch «normal ist, weil die Krankheiten ja unberechenbar» (Z. 428) sind. Für ihn stellen diese Knicke keine Herausforderungen bezogen auf sein Tätigsein dar, sondern eher bezogen auf sein Pensum, der «Arbeitsaufwand ist gegen das Lebensende in der Regel mehr» (Z. 439). Hier orientiert sich Herr Rölli an einem eigenen Erfahrungswert, er bezieht sich auf den Arbeitsaufwand, der sich üblicherweise verstärkt. Abweichungen schliesst er damit nicht aus, aber er macht deutlich, dass der Aufwand am Lebensende wesentlich mehr als weniger wird. Interessanterweise betrifft dies aber nicht den Kontakt mit der Klientel, dieser «nimmt häufig ab» (Z. 440). Der vermehrte Aufwand bezieht sich auf die Koordination und auf das «Abklären von finanziellen Dingen» (Z. 442).

Herr Rölli kommt im Vergleich mit Frau Matter, Schumacher und Bender sehr später auf die Regelung von finanzrechtlichen Dingen zu sprechen. Er wird aber sehr konkret und meint Folgendes: «Wenn mich also jemand fragt, was machst du von der Krebsliga fürs Hospiz?», dann nenne er jeweils zwei Bereiche: einerseits «dieses Psychoonkologische, bei dem es um die Beratung und Unterstützung geht, nicht therapeutisches Arbeiten aber Beraten, Unterstützung und viel Lebenserfahrung bieten» (Z. 507–508), und andererseits «hard facts, sage ich diesen immer, eben Sozialversicherungen und Finanzen klären» (Z. 509–511). Herr Rölli bedient sich des englischen Wortes «hard facts», was übersetzt «harte Tatsachen» bedeutet. Diese Tatsachen sind meist nachprüfbar und somit höchstwahrscheinlich sehr objektiv. Zudem lassen sie wenig Raum zur Interpretation oder Diskussion. Sie können aber wichtig sein, um einen objektiven Entscheid zu fällen, und vorliegend hat Herr Rölli es offenbar bei Finanzthemen genau damit zu tun. Auf der anderen Seite lässt sich damit aber ebenso feststellen, dass es für Herr Rölli auch so etwas wie «soft facts» gibt. Er nennt diesen Begriff zwar nicht, aber die erwähnte Beratung und das Herstellen einer persönlichen Beziehung «wir beginnen zu reden» (Z. 510) und das Benennen von Lebenserfahrung, stellen solche «soft facts» dar und diese sind meist nicht direkt messbar und somit auch eher auf Meinungen und Interpretation zurückzuführen. Herr Rölli wendet beides in seinem beruflichen Handel an, der Anteil zwischen «hard facts» und «soft facts» könne, aber gemäss seien Erfahrungen variieren und «abhängig von der Beiziehung zum Klienten» (Z. 514) sein. Später führt Herr Rölli auch aus, dass diese Abhängigkeit grösser sei, bei Klientinnen und Klienten mit schweren Diagnosen oder solchen, wo die Lebensdauer stark verkürzt und die Lebensqualität extrem eingeschränkt sei.

Auf die Frage, welche USP Herr Rölli sich für seine Profession und sein Wirken vorstellen könnte, nimmt er zuerst eine Abgrenzung vor. Für ihn sei es nicht «Case-Management, ich tue mich schwer mit dem Ganzen» (Z. 606). Hier grenzt sich Herr Rölli stark von Frau Pereira und Frau Matter ab, welche beide betonen, einerseits möglichst früh in die Begleitung einsteigen zu wollen und diese sowie die Koordination bis zu dem Tod bzw. über die Trauerphase behalten zu wollen. Herr Rölli sieht das anders, für ihn hat es noch zu viele Brüche, welche ihm so eine Begleitung, welcher seiner Meinung nach kontinuierlich und von der gleichen Person gemacht werden muss, verunmöglicht. Durch die Tatsache, dass er von sich aus den Begriff «Case-Management» ausführt, wird deutlich, dass er sich bewusst ist, dass dieser in Fachkreisen proklamiert und oft verwendet wird.

Mit seiner Aussage bezieht sich Herr Rölli nicht auf die «Knicke», die ihm einen Einstieg in die Begleitung ermöglichen, sondern er meint die fehlenden Schnittstellen zu den anderen Professionen im Feld der Palliative Care. Diese Schnittstelle sei extrem wichtig und er führt weiter aus: «die Koordinationsaufgabe finde ich extrem wichtig» (Z. 624). Doch aktuell mache das die Spitex, doch da kommt «jeden Tag jemand anderes» (Z. 626) und so kann auch «(…) keine Kontinuität in dieser Fallbearbeitung, in dem Case gewährleistet werden» (Z. 628). Auf die Nachfrage, ob er sich denn diese Aufgabe vorstellen könnte, meint Herr Rölli: «Ja, absolut, wenn ich die Möglichkeit hätte, dass ich das auch abrechnen könnte (…)» (Z. 633). Auf den ersten Blick orientiert sich Herr Rölli hier nicht an seinen Kompetenzen, sondern an der finanziellen Abgeltung seiner Arbeit. Er relativiert dies jedoch sogleich und sagt, «ich sehe die Versorgung wirklich gut. Ich bin mir bewusst, es ist komplex, Sozialarbeit ist immer komplex und aufwändig, aber ich kann das uns es muss doch zahlbar sein.» (Z. 641). Herr Rölli ist sich seiner Stärken offensichtlich sehr bewusst, die Komplexität schreckt ihn auch nicht ab, im Gegenteil. Doch für ihn ist es unverständlich, dass genau diese Koordination eben nicht finanziell geregelt bzw. abgegolten werden kann.

Für Frau Christen zeigt sich ihre eigene Fachlichkeit an ihrem «grundsätzlichen Verständnis für Situationen». In diesen Situationen, welche nicht nur Gespräche, sondern auch Begegnungen auf den Gängen oder in den Zimmern beinhalten, orientiert sie sich daran, stets «den ganzen Menschen umfassend zu sehen» (Z. 218). Dieser ganzheitliche Blick für die Klientel, für deren Situation und das Erfragen- sowie Vernetzen-Können anerkennt Frau Christen selbst als eigene Stärke. Sie betont das auch und führt aus: «ich kann sehr gut vernetzen, (…) Dinge organisieren, die sie [die Klientel] brauchen» (Z. 226). Hierbei bedient sie sich einer Metapher, um ihre Funktion zu beschreiben. Sie versteht sich als eine «Plattform», welche sie bietet und worauf «die Menschen zusammenkommen» (Z. 231). Eine Plattform kann übersetzt werden mit einem Ort, wo Austausch oder Interaktion stattfindet. Indem Frau Christen sich als Plattform beschreibt, zeigt sie auf, dass sie einerseits einen Ort bietet, wo sie sich mit ihrer Klientel trifft, aber sich zugleich auch verschiedene andere (Fach)Personen ebenfalls treffen können. Interaktion oder Vernetzung ist möglich, nicht nur mit ihr, sondern auch mit anderen Professionen. Andererseits bietet sie auf dieser Plattform ihre Dienstleistungen an und bleibt dort auch präsent. «Sie können immer wieder auf mich zurückgreifen, wenn sie Fragen haben, ihre Anliegen bringen» (Z. 278). Ganz wichtig für Frau Christen ist, dass sie auf dieser Plattform einen Ort bieten kann, welche es erlaubt, dass die Klienten über «ihre Krankheit offen sprechen können» (Z. 292). Sie möchte, dass dieser Ort «tabufrei» (Z. 294) ist. Es soll alles angesprochen werden können. Frau Christen will, dass alles, was ihr Klientel womöglich bedrückt, sichtbar wird. Sie versteht sich aber auch hier nicht als für jede Schwierigkeit oder jedes Bedürfnis kompetent, sondern eher als jemand, der auf dieser Plattform auch die weitere Vernetzung zu anderen Berufsgruppen herstellen kann. Man könnte sagen, sie orientiert sich an einer Funktion einer «Kollaborationsgestalterin», sie schafft das Gerüst und somit das Fundament, damit danach auch kooperiert werden kann. «Es zeige sich immer wieder, dass nicht nur eine Disziplin die Situation lösen kann» (Z. 315). Frau Christen setzt hier Disziplin und Profession gleich, was aber nicht so eine grosse Rolle spielt. Viel wichtiger ist, dass sie sich zwar als Koordinatorin auf der Plattform versteht, allerdings aus Erfahrung weiss, dass sie «nie allein die Situation lösen kann» (Z. 324). Hier orientiert sich Frau Christen nicht mehr nur an ihrer Funktion als Plattform, sondern zugleich an einem kooperativen Moment; sie ist sich bewusst, dass sie auch andere Personen involvieren muss. Diese Haltung bekräftig sie später auch, indem sie aufzeigt, dass sie «das medizinische den Ärzten und das Pflegerische der Pflege überlasse» (Z. 330). Sie stört sich daran auch nicht und sie beansprucht auch keine Exklusivität, gewisse Aufgaben selbst zu übernehmen, sondern sie stellt die Person und all die Bedürfnisse um diese Person herum in das Zentrum: «mir geht es darum, unbedingt die Komplexität zu reduzieren, wo jemand drinsteckt» (Z. 384). Für die Reduktion der Komplexität sieht sie sich zuständig und verstärkt dies, über ihr Vorgehen, «ganzheitlich zu beraten» (Z. 387). Sie könne sicherstellen, dass möglichst viele Bedürfnisse und Herausforderungen sichtbar vorliegen würden, und durch das Koordinieren könne sie «jedem seine Professionalität lassen» (Z. 395). Hier wird deutlich, dass Frau Christen in ihrer Denkweise sehr multiprofessionell, aber nicht hierarchisch agiert. Für sie stehen die Bedürfnisse des Klienten an oberster Stelle – und wer dafür mit wem oder wofür zusammenarbeitet, möchte sie zwar koordinieren, aber nicht vorschreiben. Frau Christen orientiert sich auch hier erneut am Prinzip, einerseits Leitplanken (Z. 89) bzw. Handlungsanleitungen zu liefern, die sie in Kooperation mit der Klientel oder weitere Fachpersonen umsetzt oder sichtbar macht, damit diese umgesetzt werden können. Andererseits nimmt sie für sich nicht in Anspruch gewisse fixe Aufgabe zu übernehmen, sondern sieht sich weiterhin in der Koordinatorin auf der Plattform und bietet ihre Dienstleistungen an.

7.4 Das «Dasein» und die «Präsenz» als fassbares Tätigsein

Berufliches Handeln wird oft mit unmittelbarem, sichtbarem und aktivem Tun verbunden und damit auch gleichgesetzt – der Arzt oder die Ärztin, welcher oder welche aktiv die Medikamente verabreicht, der Pfleger oder die Pflegerin, welcher die Wunde versorgt oder beim Anziehen hilft. Vorliegend lassen sich aus einigen Fachgesprächen das Dasein und die damit verbundene Präsenz als aktives Tun für die Soziale Arbeit rekonstruieren. Das berufliche Handeln von Seiten der Fachpersonen in der Palliative Care bekommt damit eine Komponente zugeschrieben, die sich entgegen einer Aktivität im Sinne einer sicht- und fassbaren Tätigkeit manifestiert. Diese «Nichtaktivität» wird von Seiten der Fachpersonen als Aktivität, ja gar teils als professionelle Aktivität nicht nur gedeutet, sondern selbst so bezeichnet. Dieses zuerst zwar eher schlicht daherkommende, unmittelbare «Dasein» und das Zuhören gehören einerseits für die Fachpersonen selbst zu ihrem Tätigsein und machen zugleich andererseits auch eine gewichtige Komponente in ihrem tagtäglichen Wirken aus. Das «Dasein» wird oftmals initiiert mit einem unspezifischem «reinstolpern» ins soziale Umfeld des Klienten bzw. der Klientin. Rekonstruieren lässt sich dies an nachfolgenden Gesprächen mit Frau Bender, Herrn Rölli, Frau Schumacher, Frau Pereira und Frau Klein.

Bei Frau Bender beginnt der Erstkontakt «eigentlich immer» (Z. 318) mit einer mündlichen oder schriftlichen Anfrage, ob sie vorbeikommen kann. Sie möchte so schnell wie möglich «jemanden sehen». Für sie ist Präsenz somit Sichtbarkeit vor Ort und sie betont, dass sie auch ihre eigene Tätigkeit so versteht, dass

« (…) die Leute können mit allem zu mir kommen und dann schauen wir weiter. Das ist sowieso in meiner normalen Tätigkeit so. Ich stelle dann mal eine Frage oder geh nachschauen (…) Das ist so *bitzli* (ein bisschen) meine Haltung. (…). Oft geht es dann einfach um die Bedürfnisse, die die Leute haben. Das man zuhört oder fragt, ja wie geht es denn ihnen mit all dem, also der Situation» (Frau Bender, Z. 319–345).

Frau Bender führt aus, dass das «halt einfach *mol*(mal) zuhören» (Z. 342) sein kann und auch mit einem generellen Fragen – «Wie geht es Ihnen mit dieser Situation?» (Z. 345) – verbunden ist, welche sie zwar beiläufig fallen lässt, aber, wie sich im Nachgang herausstellt, ihr so Zugang zur Person verschafft. Sie tritt zwar erstmals gegenüber der Klientel fragend in Erscheinung, doch dieses Erfragen, «ein bisschen den Raum [zu] geben» (Z. 352), wie sie es selbst bezeichnet, ist für sie Arbeiten. Sie orientiert sich hier daran, dass zuerst ein Raum verbunden mit einer grossen Offenheit hergestellt werden muss, der es ihr zugleich ermöglicht, ein Vertrauen und einen Zugang zum Gegenüber herzustellen. Das Schaffen einer Umgebung, wo die Klientel sich frei äussern kann, bildet für sie die Grundlage und sie setzt darauf, auf Anforderungen an diesen Raum zu verzichten und auch keine Grenzen zu setzen. Im Gegenteil, sie möchte, dass ihr Gegenüber sich angenommen und frei fühlt, womit sie ihrer Klientel die grösstmögliche Selbstbestimmung ermöglichen möchte. Für Frau Bender ist «das Zuhören» (Z. 352) ein wichtiges Momentum. Dies untermauert auch die eingangs von ihr erwähnte Äusserung «können mit allem zu mir kommen» (Z. 319). Auch hier wird deutlich: Sie legt keine Themen vor oder setzt Grenzen für das Gespräch. Sie weiss zwar, dass ihre Rolle bezogen auf das Abklären von Finanzen und Vorsorgeaspekte vorgängig von Seiten der Institution oder auch anderen Fachpersonen so gegenüber der Klientel und Angehörigen kommuniziert wird, doch sie beginnt das Erstgespräch bewusst mit einer Offenheit, welche sie in ihrer Haltung und in ihrem Vorgehen widerspiegelt. Sie betont es zwar nicht, aber sie widersetzt sich hier den ihr zugesprochenen Aufgaben, wenngleich es nicht ein negatives Dagegen-Auflehnen ist. Wie später ausgeführt, ist für Frau Bender das Erkennen, «dass man sie eben auch sieht» (Z. 359), zentral. Mit «sie» meint sie nicht sich selbst oder eine weibliche Person, sondern ihre gesamte Klientel mit all ihren Bedürfnissen.

Bei Frau Schumacher ist mit Präsenz zuerst auch die physische Präsenz – «vor Ort [zu] sein» – verbunden. Sie ist der Meinung, dass sie dadurch, dass sie vor Ort in der Institution verankert ist, einen einfacheren und «viel schnelleren Zugang» (Z. 144) zu ihrer Klientel hat, als wenn sie als «Externe in das andere Haus» (Z. 145), womit sie ein weiteres Hospiz meint, gerufen wird. Präsenz in physischer Form in der Institution auch dann, wenn sie nicht unmittelbar einen Termin mit einem Klienten hat, ist für Frau Schumacher essenziell. Oft «passiert zwischendurch etwas, das es erst auslöst, dass die Bereitschaft da ist, über Sterben zu sprechen» (Z. 434–435). Hier orientiert sich Frau Schumacher auch am Ermöglichen von Gesprächsräumen durch blosse Präsenz. Das Dasein erfährt so auch bei ihr ein Moment, der ihr auch eröffnet, sich um die Klientel kümmern zu können und weitere Unterstützungsleistungen überhaupt zu eruieren.

Bei Frau Pereira ist die Präsenz auch abhängig von der «Zugänglichkeit der Profession im Zimmer». (Z. 536). Man müsse immer damit rechnen, dass Personen gewisse Professionen ablehnen würden, das hätte viel mit «Antipathie und Vorurteilen» (Z. 539) zu tun. So könne es vorkommen, dass jemand nicht mit der Seelsorge sprechen wolle oder «per Definition eine Psychologin ablehne (Z. 541)» – oder wieder andere würden «zuerst ganz klar sagen, sie würden nichts und somit niemanden benötigen» (Z. 543). Hier sei es dann besonders wichtig, die Wünsche der Klientel zu beachten, weil sich diese in einer sehr fragilen und auch besonders verletzlichen Situation befindet. Zeit werde dann zu einer Dimension, die zwar nicht mehr unbeschränkt vorhanden sei, aber als Professionelle müssen man «den Leuten zuerst einmal Zeit geben, um anzukommen» (Z. 560). Dieses Zeit-Geben kann auch bedeuten, auf den Gängen schlicht «umherzugehen» und sich in der Nähe der betreffenden Klientel aufzuhalten. Frau Pereira erzählt, dass sie das öfters mache, weil sie so das Gefühl habe, bereits involviert zu sein (Z. 584). Die Präsenz vor Ort, in der Nähe, aber nicht in unmittelbarem Gesprächskontakt mit der Klientel ist für Frau Pereira essentiell. Später im Gespräch greift Frau Pereira dieses Element der Zeit und der Zugänglichkeit im Raum wieder auf und sagt, es sei besonders wichtig, dass man sich in den Anfangssituationen und bei Eintrittsgesprächen diese Situationen, wo man allenfalls auf Ablehnung stosse, auch vergegenwärtige und gut überlege, ob es jetzt «ganz schnell» gehen müsse, dass jemand in das Zimmer hineinkomme und anfange, Themen abzuarbeiten» (Z. 803) – oder ob man sich Zeit lasse, auch wenn die Patienten diese «logischerweise nicht mehr viel haben» (Z. 808).

Auch Herr Rölli führt einen Moment aus, wo es für ihn ganz klar nicht um eine Tätigkeit, sondern um einen Moment des «Innehaltens» oder darum, «ihm [dem Klienten] in die Augen [zu] schauen und [zu] warten», geht. Diese Momente sind für Herrn Rölli zentral, um sich einen Zugang zu seinem Gegenüber zu schaffen. Hierbei ist er sich bewusst, dass es auch mehrmaliger Anläufe bedarf und er auch nicht unmittelbar «Zugang bekommt» (Z. 205): «vielleicht mag er, vielleicht mag er auch ein anderes Mal lieber darüber sprechen» (Z. 210). Mit dieser Haltung, welche Herr Rölli auch teilweise in der Sozialarbeiterschule gelernt habe, gelinge es ihm «fast immer», Zugang zur Klientel zu erhalten. Er müsse sich dafür aber Zeit nehmen – und genau die, wie er ja aber auch Frau Pereira an anderer Stelle schon ausgeführt haben, fehle oftmals der Klientel. Herr Rölli führt noch eine Präzisierung bezogen auf das Dasein ein. Durch die teilweise führ ihn sich darstellende «stille Präsenz» (Z. 182) schafft Herrn Rölli es, einen kommunikativen Zugang herzustellen. Er beschreibt hier Situationen, wo es einfach sei kann, dass sein Gegenüber nichts sagt und diese «Stille» dann gemeinsam aushalte. Sie sei aber manchmal nötig, um den Moment erfassen zu können, ab wann jemand bereit sei, sich zu öffnen: «er mag vielleicht einfach später erst erzählen» (Z. 202).

Frau Klein schreibt ebenfalls der schlichten Präsenz im Zimmer ihrer Klientel viel Bedeutung zu. Sie erfährt sehr viel, «wenn man [sie] so am Bett sitzt» (Z. 282). Diese Situation passiert sehr ungezwungen und ungeplant. Das Zu-jemandem-ans-Bett-Sitzen kann eine Geste der besonderen Anteilnahme oder Fürsorge bedeuten und Frau Klein versucht dies offenbar auch, ihrem Gegenüber zu vermitteln. Die Handlung des Ans-Bett-Sitzen führt dazu, dass Frau Klein so viele persönliche Geschichten, Schicksalsschläge, aber auch Momente der Freude oder das Mitteilen von Wünschen erfährt. Für sie seien diese Momente sehr wichtig, weil sie so mehr in Erfahrung bringe als n einem Tisch sitzend. Ihre Klientel können das oft auch nicht mehr, «stehen» oder «sitzen». Sie merkt später selbstkritisch an, «ich bin dort schon *chli* (ein wenig) engagierter gewesen, nach Lösungen zu suchen, vielleicht auch, weil ich weiss, dass schon viel Schmerz erlebt wurde» (Z. 449). Sie bezieht sich hier auf die Situationen, wo sie sich am Bett sitzend verschiedene Lebensgeschichten von Klientinnen und Klienten anhörte. Die Geste «am Bett zu stehen» kann mit einer gewissen Emotionalität der Fürsorge und des Mitgefühls einhergehen. Frau Klein ist sich derer bewusst, beschreibt sie aber nicht mit Gefühlen, sondern handlungsorientiert. Die Situationen am Bett löste bei ihr ein aktiveres Tätigsein aus, womöglich weil sie erkennen konnte, dass wenig Zeit bleibt, um gewisse Dinge für ihr Klientel klären oder Unterstützung bieten zu können. So führt sie denn auch später aus, dass sie nicht «nur dasitze» (Z. 270), sondern «zuhöre, wenn eine Patientin, die Krebs hat vor mir im Bett liegt und erzählt, dass sie schon zwei Kinder vor sich verloren hat und das noch niemandem erzählen konnte» (Z. 271–273). Frau Klein macht hier sichtbar, dass sie diejenige ist, welche durch ihre schlichte Präsenz auch an Informationen komme, welche von anderen Berufsgruppen noch nicht entdeckt wurden.

7.5 Die eigene Sinnhaftigkeit in der täglichen Arbeit

Die eigene Tätigkeit als sinnvoll und sinnstiftend zu erleben, sorgt für eine berufliche Erfüllung. Von Seiten der Fachpersonen wird immer wieder selbst ins Feld geführt, dass sie ihre Aufgaben als sehr «sinnnstiftend» (Herr Rölli), «sinnhafte» (Frau Klein) bzw. «sinnvoll» (Frau Christen und Frau Matter) erleben. Diese Sinnhaftigkeit bekommt am Lebensende eine grosse Bedeutung und sie zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: Im Umgang mit den Klientinnen und Klienten, im Umgang mit anderen Professionellen sowie gegenüber Angehörigen oder auch Ehrenamtlichen. Die Sinnhaftigkeit liefert damit nicht nur Begründung, sondern zugleich auch Voraussetzung, um die alltäglichen Tätigkeiten auszuüben. Damit beeinflussen sie ebenso das professionelle Handeln, welches sich im Spannungsfeld zwischen Endlichkeit und Sinnhaftigkeit bewegt.

Herr Rölli führt aus, dass Palliative Care für ihn «noch immer etwas *Gfreuts* (Gefreutes) und sehr sinnvolles» (Z. 85–86) ist. Mit dem «noch» bezieht er sich auf seine über 20-jährige Erfahrung im Bereich der Begleitung von Menschen am Lebensende und zeigt auf, dass seine Freude am Beruf noch immer vorhanden ist. Er orientiert sich aber nicht nur an seiner eigenen beruflichen Entwicklung, sondern ebenso an der Etablierung der palliativen Szene im Allgemeinen, welche sich seiner Meinung nach «sehr breit entwickelt hat und der Begriff Palliative Care ist in der Gesellschaft ziemlich gut bekannt» (Z. 93). Dass dem so ist, erleichtere auch seinen Job in der Aussenwahrnehmung; einige seiner Kollegen, womit er Freunde und nicht Berufskollegen meint, wüssten mittlerweile, dass er Menschen am Lebensende berate, welche nicht unbedingt kurz vor dem Tod stehen (Z. 99). Herr Rölli skizzierte weiter im Gespräch, dass ethische und moralische Fragestellungen in der täglichen Arbeit wichtig seien und er sich als Sozialarbeiter besonders «sinnvoll» hierzu einbringe. Er könne eine «neutrale Person bzw. Ansprechperson sein» (Z. 157), dies im Gegensatz zur Seelsorge. Er orientiert sich hier an deren religiösen Ausrichtung – und nicht an deren Fachlichkeit. Er wertet dabei die Arbeit der Seelsorge auch nicht ab, «im Gegenteil, sie machen das ausgezeichnet» (Z. 158), es sei aber so, dass er einfach den «bessere[n] Zugang» (Z. 159) bekomme, gerade, weil er «neutral sei», womit er religiös unabhängig meint. Es gäbe Klientel, welches Vorurteile gegenüber religiösen Institutionen haben und diese würden lieber mit einer Person aus der Sozialen Arbeit sprechen. Später im Gespräch nimmt Herr Rölli die Tätigkeit der Seelsorge nochmals auf, grenzt sich aber deutlich von dieser Profession ab. Er biete zwar «Beistand und Begleitung», aber nicht in der Form, «(…) wie es der Seelsorger tut, das überhaupt nicht» (Z. 504). Herr Rölli wird hier allerdings nicht weiter konkret in Bezug darauf, welche Unterstützungsform er von der Seelsorge meint, es wird aber deutlich, dass er eine Differenzierung zwischen seiner und der Tätigkeit der Seelsorge vornehmen möchte.

Wie an anderer Stelle bei Frau Schumacher schon ausgeführt, kann sie ihre Stärke in der psychosozialen Beratung gut konturieren, allerdings «stolpert» sie «die ganze Zeit» (Z. 834), wie sie es selbst nennt, über ihre eigene Sinnhaftigkeit als Fachperson in der Palliative Care. Besonders zum Tragen komme dies, wenn sie jetzt überlege, was sie selbst abdecke in der Begleitung. Auf der einen Seiten stellt sie sich und ihr Wirken mit der «Sinnfrage» (Z. 842) selbst in Frage, es seien schon so viele Fachpersonen an «einer Klientin *dranne*(daran)», da sei die Frage berechtigt, wofür es sie brauche. Diese stellt sie sich dann auch selbst – «was mache ich überhaupt noch *lacht*?». Diese Lachen ist dann eher Ausdruck ihrer inneren Zerrissenheit, die im weiteren Verlauf deutlich wird.

« (…) Wir können dann Familiengespräche moderieren. J, das habe ich ab und an gemacht. Aber ja danach, es ist nicht immer viel, das wir anbieten können. Es biete auch Spitaldienst viel an. (…) Eigentlich wird viel abgedeckt und doch ja, finde ich wir gehören dazu, zu all diesen Angeboten» (Frau Schumacher, Z. 848–857).

Frau Schumacher geht zwar sodann von sich aus auf fachbezogenen Tätigkeiten ein, wie Familiengespräche-Moderieren, Einberufen von Rundtischgesprächen mit anderen Fachpersonen oder auch Austritte-Vorbereiten, und zählt diese als zu ihrer eigenen Arbeit dazugehörig auf, ihr ist dabei aber nicht bewusst, dass sie fachliche Aufgaben heranzieht. Für sie selbst fühlt es sich immer noch so an, als ob «das ja nicht viel sei, aber wir können *öppis* anbieten» (Z. 874). Woher diese Unsicherheit kommt, kann nur vermutet werden. Frau Schumacher erkennt in diesen Tätigkeiten, welche sie selbst ausführt, nicht auf den ersten Blick etwas Sinnhaftes für sich. Sie wirken auf sie eher wie eine zufällige, fast etwas unsystematische Ausübung. Obwohl sie an anderer Stelle klar ein methodisches Vorgehen bzw. Kompetenzen für ihr Tätigsein ausführen kann.

Frau Klein hat sich zu Beginn ihrer Tätigkeit gar gesorgt, ob der tägliche Umgang mit dem Sterben sie emotional zu fest fordern würde. Sie führt aus, dass man auch «heftige Wunden am Körper» sehe (Z. 255). Trotz der Sichtbarkeit von physischen Wunden sei bei ihr die emotionale Belastung nicht eingetreten. Sie begründet es damit, dass sie unmittelbar bei Eintritt direkten Kontakt mit den Klientinnen und Klienten hatte und so von Beginn an eine gute und offene Beziehung aufbauen konnte. Diese Beziehung bzw. den Beziehungsaufbau macht für Frau Klein auch die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit aus. Sie würde zwar auch sog «Sachhilfen» (Z. 230), womit sie finanzielle Abklärungen meint, machen, doch die Beziehungsarbeit und das Lösen von Problemen seien das, was ihr helfen würden, die «schweren Momente» (Z. 233) einfacher zu nehmen. Sie hat zudem den Eindruck, dass sie durch die Beziehungsarbeit auch von Seiten der Klientel etwas «zurückbekommen» (Z. 234). Für Frau Klein skizziert sich die eigene Sinnhaftigkeit aber nicht nur in der Begleitung und Betreuung von Menschen am Lebensende, sondern auch in der eigenen Rolle im Team vor Ort im Hospiz. Sie und die später dazugekommene Kollegin sind im Lead für das Austrittsmanagement – und hier haben einerseits «die Fäden zusammengehalten» und sich andererseits «ein breites Netzwerk» (Z. 514) aufgebaut. Beides deutet darauf hin, dass Frau Klein sich an einer sinnstiftenden Rolle orientiert, welche für das Team sehr relevant ist, gleichzeigt aber auch ihre Kompetenzen stärkt.

Für Frau Matter stellt sich die eigene Sinnhaftigkeit der Arbeit jeweils über den Prozess dar, welchen sie mit ihrer Klientel von Beginn an geht bzw. mitbegleitet. Dadurch, dass sie, im Gegensatz zu Frau Klein oder auch Frau Christen, von Beginn an in die Begleitung involviert ist und von den anderen Professionen im Team auch wird, nimmt die «Prozessbegleitung» (Z. 614) für sie einen wichtigen Stellenwert ein und ermöglicht es ihr auch, einen umfassenden Einblick zu erhalten. Es ginge am Lebensende nicht um Lösungen, sondern um das Anstossen von Prozessen, «(…) Menschen machen ihren Weg, sie sind einfach froh, wenn sie mal *öpper* (jemand) unterstützt oder Orientierung gibt» (Z. 628). Frau Matter zeigt hier auf, wofür sie sich zuständig fühlt, und bewertet diese Arbeit als sinnstiftend. Da sie sich vorstellen kann, dass dies, von aussen betrachtet, schwierig fassbar ist, macht sie selbst eine Analogie, um ihre Idee der sinnvollen Tätigkeit verständlicher zu machen.

«Es geht um verschiedene Funktionen, wie auf einem Schiff. Der Heizer ist etwa ganz wichtig, ich könnte das nie, einen Ofen einheizen, aber ich kann vielleicht das ganze Schiff steuern. Dort bin ich gut. *öpper* muss ja den Prozess steuern. Und es heisst dann nicht, der eine ist besser als der andere. Ich bin einfach für den Prozess da.» (Frau Matter, Z. 641–646).

Frau Matter schreibt sich selbst die Rolle der Kapitänin zu. Sie orientiert sich aber nicht an der klassischen Führungsfunktion eines Kapitäns oder eine Kapitänin. Sie will nicht aufzeigen, dass sie für die gesamte Führung eines Schiffes und das dort anwesende Team verantwortlich sei und hier eine Führungsfunktion übernehme. Für sie sind das Steuern bzw. Navigieren sowie das Überwachen von Prozessen die wesentliche Funktion, welche sie übernehmen kann und auch will. Sie grenzt sich von der Führungsfunktion ab – und genau das wird auch nochmals deutlich, als sie nach den Stärken der Sozialen Arbeit in der Palliative Care gefragt wird. Ohne grosses Zögern sagt sie, «wir sind stark auf der Metaebene. (…) das ist sicher eine Kernqualität von der Sozialarbeit» (Z. 1144–1147). Diese Metaebene manifestiert sich für Frau Matter im Überblicken des gesamten Prozesses, der damit einhergehenden einzelnen Teilschritte. Dass sie hier von sich aus dies als «Kernqualität» ansieht, bedeutet, dass sie für sich schon ein ganz spezifisches Aufgabenfeld als ihr eigenes ansieht. Die Sinnhaftigkeit entfaltet sich für Frau Matter aber nicht im Lead der Prozessgestaltung, sondern in der Haltung gegenüber der Klientel. Sie versteht sich als «Dienstleisterin für den Betroffenen» (Z. 1213) – und dabei stehen nicht einzelne, ausdifferenzierte Themen, sondern eben «alle Themen, alles, was beschäftigt» (Z. 1220), im Vordergrund.

Frau Matter orientiert sich an der Funktion einer «Generalistin» (Z. 1223) und führt den Ausdruck auch später ein. Es bedürfe einer Person, welche über alle Prozesse und Vorgehensweisen informiert sei und auch diese Prozesse managen könne. Mit der Funktion einer Generalistin zeigt Frau Matter auf, dass sie eben nicht eine spezifische Leistung erbringt, sondern sie orientiert sich daran, dass ihre Dienstleistungen ein Produkt aus verschiedenen Komponenten sein können: «wir bringen verschiedene Perspektiven auf etwas ein» (Z. 668). Auf der anderen Seite beschreibt sie hier aber auch gleich ihr eigene Vorstellung von sich selbst, in dem Sie aufzeigt «wir können ja auch Werkzeug sein, für andere» (Z. 673). Diese Aussage mutet zuerst etwas speziell an, doch was Frau Matter hier macht, ist, sie orientiert sich an einer in der Sozialen Arbeit verbreiteten Haltung das berufliche Handeln durch einen reflexiven Einsatz der eigenen Rolle als Werkzeug.Footnote 3

Sie entwirft hier kein negatives Bild von sich, in dem sie denkt, sie werde von anderen als Werkzeug benutzt. Im Gegenteil sie versteht sich in dem Sinne als Werkzeug, dass sie kriteriengeleitet vorgehen kann und dabei verschiedene Perspektiven berücksichtig. Sie entwirf dieses Bild auch als Gegenpol zur Generalistin. Genau dieser Umstand stört Frau Matter und sie meint, «Generalistin ist nicht wertschätzend» (Z. 1241). Dadurch, dass, ihre sozialen Leistungen nicht direkt ihr zuzuordnen sind, merken die anderen Professionen oft nicht, welche Arbeiten sie übernehmen. Hier zeigt sich, dass genau dieser Aspekt des Benennen-Könnens für Frau Matter auch einen direkten Bezug zur Sinnhaftigkeit ihrer täglichen Arbeit hat. Für sie ist diese sinnstiftend, für die anderen Professionen nicht, bzw. sie merkt, dass diese ihre Sinnhaftigkeit teilweise nicht anerkennen.

7.6 Die Unbestimmbarkeit im Alltag als beruflicher Standard

Die Begleitungen am Lebensende können nicht nur vielfältig sein, sondern sich, zeitlich gesehen, sehr schnell ändern. Dass jeder Tag oder gar jede Stunde den Beratungs- oder Unterstützungsbedarf verändern kann, sind sich die Fachpersonen in der Palliative Care zwar bewusst, doch die Unbestimmbarkeit löst, bezogen auf das Tätigsein, nebst den oben ausgeführten Suchbewegungen auch Unsicherheiten aus. Diese Unsicherheiten können zu Unbestimmbarkeiten werden, welche das eigene berufliche Tun und die Fachpersonen in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Aus den Gesprächen mit Frau Pereira und Frau Klein lässt sich aufzeigen, dass beide sich dieser Unbestimmtheit sehr bewusst sind, beide sodann auch einen fachlich sehr kompetenten Umgang darlegen und mit der Unbestimmbarkeit nicht beliebig umgehen. Bei Herrn Rölli sowie Frau Christen und Frau Bender scheint die Unbestimmbarkeit ebenfalls nicht problematisch zu sein, doch dadurch das sie alle nicht unmittelbar vor Ort in den Hospizen tätig sind, ergeben sich gewisse Herausforderungen.

Frau Pereira zeigt deutlich auf, dass sie diese Unbestimmbarkeit schon inkorporiert hat und für sie Spontanität zum Alltag gehört, «natürlich ja, jeder Tag ist unterschiedlich» (Z. 269). Dies führt dazu, dass sie verschiedene Aufgaben übernehme, sei es das Abklären von Finanzen und Vorsorgeregelungen für die Klientel oder das Übernehmen von psychosozialem Begleiten bis hin zu Angeboten für das interprofessionelle Team, wozu sie Vernetzungsarbeit zählt. Damit sie das alles erfüllen können, sei nicht nur Spontanität, sondern ebenso viel Zeit in Form von «Tür und Angel Gesprächen mit der Pflege und den anderen vor Ort» (Z. 286) wichtig. In diesen Gesprächen erlange sie Orientierung und eine «Ahnung, in welche Richtung es [mit der Klientel oder im Team] gehen könnte» (Z. 294). Besonders Corona hätte jetzt zu Tage gebracht, dass diese Gespräche wichtig seien, da «gewisse Dinge nicht unbedingt in einem Dokumentationssystem niedergeschrieben werden können» (Z. 301). Frau Pereira begründet nicht nur ihre Art der Gesprächsführung, sondern zeigt zugleich auch eine Begründung auf, welche sie durch die aktuelle Situation in ihrem Vorgehen bestärkt. Tür- und Angelgesprächen haftet eigentlich etwas Informelles, Spontanes, gar Unverbindliches an – auch bzw. gerade deswegen, weil sie spontan, nicht geplant und beiläufig sein können. Für Frau Pereira gehören diese Tür- und Angelgespräche zu ihrer beruflichen Praxis. Sie ermöglichen ihr, zu den für sie relevanten Informationen zu gelangen, die sie für ihr weiteres Wirken braucht. Zudem komme sie so auch näher an Teamkolleginnen und -kollegen aus anderen Berufen heran. Auch sie hätten mit einer gewissen Unplanbarkeit im Alltag zu rechnen – und das führe ebenso zu Unsicherheiten. Diese Unbestimmbarkeit im Team sieht Frau Pereira auch als ihren Auftrag an, «die psychosoziale Arbeit wird im Team einfach schlecht gesehen» (Z. 588). Sie bezieht sich hier aber nicht auf eine fehlende Wertschätzung von Seiten des Teams, sondern darauf, dass diese Aufgabe von aussen betrachtet, nicht als Aufgabe angesehen wird. Die Erklärung dafür findet sich in der fehlenden Zielerkennung. Dadurch, dass kein spezifisches Ziel ausgemacht werden kann, erkennt das Team nicht, welche Leistung Frau Pereira erbringen kann, will oder schon erbracht hat. Für sie ist jedoch das Ziel eben nicht entscheiden, sondern die Wege dahin. Ferner führt genau dieses «nicht sehen können» dazu, dass auch ihr Arbeitspensum im Hospiz nicht erhöht wird.

Frau Klein zeigt eindrücklich auf, dass sich in den letzten Jahren ihre Klientel im Hospiz bezogen auf die sozialen Probleme und die Altersstufen ausgeweitet hat und dieses mit immer grösseren «sozialen Koffer», wie sie es nennt, in das Hospiz eintritt. Dieser «Koffer» ist gefüllt mit angestammter Lebenserfahrung und Lebenseigenheiten, mit Problemen, Ängsten sowie weiteren krankheitsbedingten und sozialen Herausforderungen. Der Koffer kann schwer gefüllt und bei Eintritt überhaupt bezogen auf seinen Inhalt überhaupt nicht bekannt sein – und sich sodann im Verlauf des Aufenthalts, der ja bezogen auf die Zeit sehr unbestimmt sein kann, breit entwickeln. Bei der Bearbeitung dieses sozialen Koffers orientiert sich Frau Klein an einer kombinierten Herangehensweise, welche sich zwischen der Bearbeitung von sachlich-technischen Themen und emotional-beziehungsmässigen Themen bewegt. Mit der Äusserung, dass sie als Fachperson dann diejenige sei, «die das einfach regelt für oder mit dem Klienten. Und ja, das mache ich dann auch *lacht*» (Z. 1570), zeigt sie auf, dass diese Unbestimmbarkeit der Themen und die Themenvielfalt zwar eine Herausforderung ist, sie dies aber «regeln» bzw. bearbeiten kann. Frau Klein stellt hier klar, dass sie die Fähigkeit und die Kompetenz besitzt, die Angelegenheiten, auch wenn diese zu Beginn unklar sind, zu bearbeiten und auf eine bestimmte Weise anzugehen. Sie fühlt sich in der Lage dazu und übernimmt auch die Verantwortung dafür. Infolgedessen, dass sie dann später auch noch aufzeigt, dass genau dieser Aspekt von Seiten des Facharztes vor Ort anerkannt wird, bestärkt sie ihre Position und ihre Handlungsfähigkeit. Sie zeigt aber ebenfalls auf, dass die Vielfalt und die Unbestimmtheit der Themen kein Hindernis darstellen (Z. 1601). Dies zeigt eine sehr selbstbewusste Fachlichkeit auf.

Frau Klein kommt an anderer Stelle nochmals auf die Unbestimmbarkeit im Alltag zu sprechen, dieses Mal aber bezogen auf die Leistungen, welche die Soziale Arbeit erbringt. Sie stellt immer wieder fest, «(…) dass die Soziale Arbeit *nüd* wert sei, weil man den wirtschaftlichen Aspekt (…) nicht so belegen kann, wie bei anderen Berufen» (Z. 1413). Die Unbestimmbarkeit liegt hier somit im Aufzeigen oder Benennen von Aufgaben und auch einer gewissen Nachweisbarkeit. Frau Klein führt aus, dass sie nicht «jemandem sagen kann, die und die Handlung hat das und das bei dem bewirkt und kostet so viel oder ist so viel Geld wert» (Z. 1448). Sie bringt hier eine nachvollziehbare Verkettung zum Vorschein. Dadurch, dass die Effekte der Begleitung und Betreuung nicht unmittelbar sichtbar sind, kann sie auch deren Wirkung nicht nachweisen. Diese fehlende Wirkungsmessung führt gemäss Frau Klein dazu, dass ihre Arbeit und ihre Leistungen dahinter zu wenig bekannt sind und auch zu wenig Anerkennung bekommen. Die fehlende Anerkennung führt sie sodann auch auf sich selbst zurück, sie würde zu wenig über ihren Beruf reden. Zudem sagt sie, wir «regeln halt einfach viel für unsere Klienten» (Z. 1570), was eben nicht oder erst später, teils auch nur noch für die Hinterbliebenen sichtbar wird. Auch Herr Rölli zeigt auf, dass er fast täglich mit neuen oder anderen Situationen beschäftigt ist. Diese neuen Situationen stellen seiner Meinung nach auch immer grosse Anforderungen an ihn selbst, welche er als komplex und sehr breit erlebt. Daran hätte sich auch in den letzten 20 Jahren seiner beruflichen Tätigkeit nicht viel geändert. Er empfindet das tägliche Arbeiten «noch immer als anspruchsvoll» (Z. 96). Herr Rölli orientiert sich hierbei – wie in Abschnitt 7.3 ausgeführt – aber an dem von ihm selbst entwickelten Leitfaden, um dieser Komplexität zu begegnen und sie auch zu reduzieren.

Frau Christen führt aus, dass sie eine sehr umfassende Begleitung leiste, sie «habe jetzt Klientensituationen zum Teil von der Diagnose bis zum Tod und noch darüber hinaus» (Z. 38). Hier zeigt sich, dass Frau Christen heute in eine längere Zeitspanne der Begleitung involviert ist. Diese Ausweitung hat mit ihrer heutigen Anstellung zu tun, früher war sie in der Spitalsozialarbeit – und da sei es eher «um partielle Begleitung gegangen» (Z. 41). Frau Christen betont mehrmals im Gespräch, dass ihr Arbeitsalltag deshalb «sehr stark variiere» (Z. 31), «sehr unterschiedlich ist» (Z. 35) und sich «extrem von einer anderen Situation» (Z. 49) unterscheiden kann. Sie macht hier eine Differenzierung zu einem «früheren Alltag», ohne diesen näher auszuführen. Das Mehr bzw. die höhere Intensität verbindet Frau Christen mit dem erkrankten Menschen an sich, der ja nicht «nur den Krebs mitbringt», sondern «alle Facetten von seiner Persönlichkeit und vom sozialen Leben». Frau Christen orientiert sich hier an einem sehr umfassenden Bild eines kranken Menschen und stellt einerseits die Krankheit sowie andererseits das ganze soziale Umfeld der Person in das Zentrum. Für sie gilt es, beides zu beachten, was sie dann auch in ihren weiteren Vorgehensweisen der Beratung skizziert. Dass dabei sehr viele Themen und Herausforderung von Seiten der Klientel auftauchen können, ist sich Frau Christen bewusst. Sie lässt sich davon aber auch nicht abschrecken, im Gegenteil, sie betont, «es ist sehr, sehr wichtig, strukturiert das anzusehen» (Z. 88). Indem sie einen «Schritt-für Schritt-Ansatz» wählt, zeigt sie auf, dass sie all die Probleme und Herausforderungen, die auftreten können, in kleinere Einheiten unterteilt und so versucht, einerseits zu systematisieren und andererseits auch bearbeitbar zu machen (vgl. Abschnitt 7.3).

Dieses Vorgehen ermöglicht Frau Christen auch, effektiv vorzugehen, den Überblick zu behalten und «wie ein Bild für jemanden zu kreieren, damit er weiss, in diesem Feld bewegen wir uns» (Z. 91). Frau Christen hat ebenfalls ein sehr systematisches und methodisches Vorgehen entwickelt, um mit den Unsicherheiten umgehen zu können. Sie erfragt zu Beginn jeweils vollumfänglich alle Informationen ihres Gegenübers – mit der Intention, dass es nebst offensichtlichen wie auch bereits geäusserten Ansprüchen «ganz viele Ansprüche gibt, die den Menschen nicht bewusst sind, weil sie wirklich keine Ahnung haben, was auf sie zukommt» (Z. 110). Diese unsichtbaren Ansprüche zu sichtbaren Ansprüchen zu machen, erkennt auf Frau Christen als ihren Auftrag an. Sie orientiert sich dabei daran, «immer einen Schritt vorauszudenken und ihr Klientel auf das vorzubereiten, was als Nächstes kommt» (Z. 115–116). Dieses prospektive Vorausdenken und das damit verbundene Antizipieren von Bedürfnissen von Seiten der Klientel setzt Frau Christen nicht nur systematisch um, sondern sie anerkennt dies auch als wichtige Aufgabe, welche es ihr ermöglicht, Probleme frühzeitig zu erkennen oder auch präventiv Massnahmen zu ergreifen. Dass sie diesen Auftrag sich nicht nur selbst gibt, sondern dieser auch bei ihrer Klientel ankommt, zeigt folgendes Zitat:

«Viele sagen, wenn sie zu mir in die Beratung kommen, dass es das erste Mal ist, dass sie einfach weinen konnten. Also mhm, und auch das erste Mal alles loswerden können, nicht nur das Medizinische, so Blutwerte oder so Bilder, sondern dass der ganze Mensch eben Platz hat. Sie können dann vieles sagen» (Frau Christen, Z. 119–122).

Dieser Umstand der Unsicherheit ist für Frau Christen nicht belastend, im Gegenteil, sie macht deutlich, dass sie sich dafür zuständig fühlt und es auch ist. Diese Kongruenz ist wichtig für Frau Christen.

Frau Matter wird, wie in Abschnitt 7.3 erwähnt, jeweils gleich zu Beginn in die Begleitung involviert – und besonders schnell, wenn eine Situation eines Klienten bzw. einer Klientin besonders kompliziert und unklar ist. Die Ungewissheit, was sie zu bearbeiten hat oder wie hoch der Aufwand sein könnte, hat auf Frau Matter und ihr Vorgehen keinen Einfluss. Im Gegenteil, sie nimmt die Unbestimmbarkeit an – diese motiviert sie gerade zu, sich intensiver mit ihrem Gegenüber auseinanderzusetzen. Dabei orientiert sie sich an einem systematischen Vorgehen. Frau Matter verfügt über die längste berufliche Erfahrung und sie hat sich im Verlauf diese Zeit nicht nur ein systematisches Vorgehen in Bezug auf das Erfragen und Erfassen von Bedürfnissen ihrer Klientel angeeignet, sondern ebenso bezogen auf das Dokumentieren von Begleitungen. Im Gegensatz zu den anderen Professionen gibt es für sie keine Vorschriften, wie sie aktuelle, triagierte oder abgeschossene Fälle zu dokumentieren hat. Im Hospiz werde vieles in das « interne System» (Z. 1046) eingegeben und dort auch nach einzelnen Leistungen aufgeschlüsseltFootnote 4. Frau Matter führt aus, dass dies für die Begleitungen und die Leistungen ihrerseits nicht in dem Detaillierungsgrad möglich ist zu erfassen; sie bekommt eine Pauschale. Im Gegensatz zu den anderen Professionen kann Frau Matter so nur schwer ihre einzeln erbrachten Leistungen als Ergebnisse oder gar in Form von Geldwerten aufzeigen, was ihr berufliches Handeln insofern sehr unbestimmbar macht. Es sind aber nicht nur die Leistungen, sondern diese Unbestimmbarkeit bezieht sich ebenso darauf, dass sie auch nach einem Arbeitstag oder eine längere Begleitung «keine Rechenschaft ablegen kann» über die erbrachten Leistungen (Z. 1052). Sie selbst löst diese Unbestimmbarkeit so auf, dass sie einen eigenen Rapport bzw. eine «Aktennotiz» (Z. 1057) über ihre Massnahmen und Interventionen sowie über die offenen Themen verfasst. Hierbei orientiert sich Frau Matter nicht nur an einem fachlichen Vokabular, sondern ihre erbrachten Leistungen teilt sie in Kategorien ein und stellt diese sowie ihr Vorgehen nachvollziehbar dar. Sie schafft sich so nicht nur eine Übersicht und eine Struktur für das weitere Vorgehen, sondern erleichtert sich auch die Kommunikation über ihre zu erbringenden oder erbrachten Leistungen. Dies hilft ihr dabei, sich gegenüber den anderen Personen im Team besser zu präsentieren und die Leistungen zu beschreiben. Die Dokumentation nutzt Frau Matter zudem, um bei Bedarf Rechenschaft ablegen zu können und ihre Vorgehensweisen nachvollziehbar darzustellen – einerseits für sich selbst, damit sie auch eigene Entwicklungen und Vorgehensweise einordnen kann. Sie stellt hier die Wissensbewahrung für sich selbst und die Zukunft in das Zentrum und leitet damit auch über in den zweiten Grund. Es gibt nebst ihr keine weitere Sozialarbeiterin im Hospiz – somit gehen ihre Erfahrung, ihr Fachwissen, aber auch ihr Vorgehen, welches sich auch mit den Jahren zu Best Practices entfalten konnte, mit der Dokumentation nicht verloren, falls sie mal «in den Ferien» (Z. 1069) ist oder jemand neues, womit sie eine neue Fachperson der Sozialen Arbeit meint, ihre Stelle übernimmt. Hier stellt Frau Matter., ohne es bewusst auszusprechen, auch den Wissenstransfer in das Zentrum.

Ein weiterer Grund für das Erstellen der Dokumentationen sei ihre Weiterbildung im Bereich Case-Management. Hier bezieht sie sich erneut auf ihre Qualitäten als «Prozessmanagerin» (Z. 1057). Damit einhergehend stellt für sie das berufliche Handeln ein Tätigsein in Bezug auf Prozessgestaltung, Analysieren von Bedürfnissen, Umsetzen oder Verbessern dieser Bedürfnisse sowie Triage an weitere Fachpersonen dar. Die Dokumentationen solle diese Vorgehensweisen sichern, dass sie damit auch eine gewisse Qualität oder Konsistenz in ihren Arbeitsabläufen und somit in der Begleitung am Lebensende umsetzt. Das ist Frau Matter sehr bewusst, wie sich später in ihren Ausführungen zur Frage, welche USP die Soziale Arbeit am Lebensende habe, zeigt (vgl. Abschnitt 7.3).

Für Frau Bender ist die Unbestimmbarkeit im Alltag im Umgang mit der Klientel nicht problematisch, aber der Umstand, dass sie sie nicht vor Ort im Hospiz ist, erschwert ihr eigenes berufliches Handeln. Dieses Nicht-vor-Ort-Sein und Nur-auf-Abruf-involviert-Werden ist für sie ein berufliches Hindernis. Es führt dazu, dass sie sich auch «nicht so richtig verankert» (Z. 1097) fühlt. Sie kennt weder alle Mitarbeitenden im Team noch erlangt sie Zugang zu weiteren Informationen betreffend ihre Klientel – doch genau aus diesen, teils auch «Tür- und Angel-Gesprächen» schöpft auch sie nötige und zusätzliche Informationen, um die Situationen ihrer Klientinnen und Klienten besser einschätzen zu können. Ihre Informationsguthaben beziehen sich aktuell jedoch auf die in den Rapporten oder in der schriftlichen Anfrage an sie gerichteten Inhalte. Frau Bender kann daher oft nur diese Themen bearbeiten, sie würde aber gerne mehr tun, was über ihren «0815-Auftrag» hinausgeht (Z. 1112). Mit der Taxierung «0815» orientiert sich Frau Bender daran, dass ihr Auftrag, welcher hauptsächlich die Abklärungen von finanzrechtlichen Schwierigkeiten und das Koordinieren von Angehörigenarbeit beinhaltet, als etwas Durchschnittliches und Gewöhnliches daherkommt. Es stellt für sie keine besondere Herausforderung an ihr berufliches Handeln, sondern eher ein routinemässiges Übernehmen dar. Sie hat aber noch Kapazität für mehr, was zeigt, dass ihr Potenzial in Bezug auf ihr sozialen Dienstleistungen nicht ausgeschöpft ist. Sie verzichtet sodann darauf, konkrete Aufgaben zu benennen, und verweist auf ihre berufliche Kompetenz des Erfragens und Systematisierens sowie auf die angestammte Erfahrung.

Obwohl Frau Bender mehr als vier Jahre in dem Feld tätig ist, gibt es für sie noch immer Fälle, wo sie denke, «wow, also mit dem habe ich jetzt nicht oder gar nicht gerechnet, das weiss ich jetzt auf Anhieb auch nicht» (Z. 1359). Hier merke sie, dass ihr Auftrag eben dann noch «mehr ist und ich halt schauen muss» (Z. 1366). Die ab und an auftretende Unbestimmbarkeit des eigenen beruflichen Auftrags löst bei Frau Bender zwar eine Unsicherheit aus, aber sie ist sich dieser sehr bewusst und zeigt nicht nur eine hohe Selbstreflexion, sondern formuliert ebenso Voraussetzungen in Form von persönlichen Fähigkeiten und professionellen Kompetenzen, derer es für sie bedarf, damit sie ebenso professionell die Unbestimmbarkeit angehen kann. Belastbarkeit, Aufmerksamkeit, das Kennen der eigenen Grenzen, Interessensvertretung und hohe kommunikative Fähigkeiten bilden für sie unverzichtbare Elemente, um die Unbestimmbarkeit im Alltag auszuhalten, anzugehen und eine gute Begleitung zu eruieren bzw. sicherzustellen. Frau Bender orientiert sich hier einerseits an einem professionellen Auftrag und zugleich andererseits an persönlichen Fähigkeiten. Belastbarkeit, Aufmerksamkeit und das Kennen eigener Grenzen bilden für sie ein sog «Must-have», also unverzichtbare Elemente. Mit der Thematik «seine Grenzen kennen» und «Interessensvertreterin sein» (Z. 1445) orientiert sich Frau Bender stark an sozialpädagogischen Kompetenzen, die sie für ein professionelles Betreuungssetting braucht. Sie orientiert sich damit einerseits an einem theoriegeleiteten und zugleich durch die Praxis erworbenen Begleitungssetting. Dies ist ihr aber selbst erst im Verlauf des Gespräches bewusst:

« (…) und ich merke jetzt im Gespräch mit Ihnen, für mich ist so Vieles selbstverständlich, dass ich manchmal das Gefühl habe, so viel mache ich gar nicht oder so viele Kompetenzen habe ich gar nicht, und auf einmal merke ich dann, aha, doch eigentlich ist es ja viel breiter *lacht* also durchaus gut, wenn man sich dies Mal wieder überlegt.» (Frau Bender, Z. 1411–1417).

Vieles für selbstverständlich zu nehmen, muss nicht zwingend negativ sein. Es kann aber bedeutet, dass Frau Bender entweder wenig über ihre Arbeit spricht, sie also auch nicht gefordert wird, eine Selbsteinschätzung abzugeben, oder generell auch keine Sparringspartnerin oder keinen Sparringspartner hat, mit der oder dem sie ihre Dienstleistungen und Aufgaben vergleichen oder spiegeln kann. So kann es auch schwer sein, seine eigene Leistungsfähigkeit bzw. seine eigenen Kompetenzen einzuschätzen. Frau Bender ist im Hospiz die einzige Sozialarbeiterin – in dem Sinn kann sie sich, wenn, dann nur extern austauschen und vergleichen. Zudem hat Frau Bender gewisse Aspekte ihrer Tätigkeit auch schon sehr verinnerlicht und führt als Beispiel die finanziellen Abklärungen auf, die für sie aktuell immer nach dem «gleichen Vorgehen» ablaufen. Sie fokussiert sich jedoch darauf, es seien noch mehr «Aufträge» (Z. 1434) zu übernehmen. Teilweise kann sie sich diese selbst geben, was sie dann auch bezeichnet mit «das kann passieren» (Z. 1437), und teilweise werden diese ihr auch zugewiesen. Die Zuweisungen haben einen Einfluss auf das sich einbringen können, wollen und müssen, weshalb dieser Aspekt als nächstes analysiert wird.

7.7 Zugewiesenes oder Fremdes als produktives Potenzial für das eigene Tätigsein

Zuweisungen von Aufträgen können bevormunden wirken, insbesondere dann, wenn dies auch mit Vorgaben betreffend die Art, wie die Aufträge ausgeführt werden müssen, einhergehen. Zuweisungen von Aufträgen können aber auch dafür sorgen, dass Personen ihr Potenzial im Tätigsein entfalten können. Vorliegend zeigen sich beide Tendenzen.

Frau Schumacher betont, dass es bei ihr zu «99 Prozent» jeweils so beginnt, dass sie von Seiten der Institution für diverse Abklärungen bezogen auf die Finanzen und mögliche «finanzielle Engpässe» (Z. 286) gerufen wird. Mit den «99 Prozent» verweist Frau Schumacher darauf, dass sich dieses Vorgehen mit einer sehr grossen Wahrscheinlichkeit ereignet, es nahezu sicher ist und nur eine ganz kleine Möglichkeit vorhanden ist, dass sie für etwas anderes angefragt wird. Dass sie damit einen Auftrag zugewiesen bekommt, stört sie nicht. Im Gegenteil, wie sie später im Gespräch ausführt, sei ihr das wichtig und es ermögliche ihr, «die Schnittstelle zwischen spitalinternen Sozialdienst, der ja nicht mehr drin ist nachher und keinen Auftrag mehr hat» (Z. 979) zu übernehmen. Die Zuweisung wird für sie essenziell, denn so «komme ich schnellstmöglich in das Familiensystem hinein, und da muss ich auch drinbleiben» (Z. 984). Hier wird deutlich, dass ihre eigene Rolle nicht in Frage gestellt wird – im Gegenteil, die Zuweisung unterstützt ihr Wirken und Frau Schumacher nimmt diese Zuweisung als Potenzial an, damit sie ihr Wirken entfalten kann, was sie auch mit «schnellstmöglich» bekräftigt. Dass hierbei ihr Wirken zuerst auf die Abklärungen zu den finanziellen Belangen beschränkt ist, erwähnt Frau Schumacher nicht mehr. Für sie ist es wichtig, die Zuweisung zu erhalten, damit sie in das Familiensystem eintreten kann. Diese Zuweisung bildet das Eingangstor, denn ohne das darf sie nicht eintreten, wie sie selbst später erzählt.

Diese Zuweisung verbindet sie damit, dass sie dadurch auch eine «exotische Rolle» (Z. 1164) habe. Sie führt aus, «A nicht vom Spital zu sein und B, ähm, ich glaube, weil ich Sozialarbeiterin bin, weil es ja, ich komm ja nur ins Spiel, wenn es um die Finanzen geht» (Z. 1170–1173). Hier zeigt sich, dass Frau Schumacher sich selbst nicht als jemand anerkennt, der sich an einer Norm orientiert. Damit geht aber nicht ein Stauts einher, der «besonderes» ist, sondern eher «andersartig» als die anderen, welche im Hospiz arbeiten. Die anderen können gemäss Frau Schumacher in ihre Aufgaben mit der Klientel oder ihre Leistungen gegenüber der Klientel besser beschreiben. Sie «müsse ja zuerst mal den Zugang bekommen und dann mal fragen» (Z. 1186). Damit verstärkt sie die Bedeutung der Zuweisung nochmals und zudem gibt sie sich – unbewusst – den Stauts der Exotin, ohne diesen aber zu stark negativ zu konnotieren.

Sich selbst als «Exotin oder Exot» zu benennen, kann Ausdruck davon sein, Aufmerksamkeit zu verlangen, sich hervorzuheben, indem etwas Unkonventionelles, etwas, das nicht der Norm entspricht, ausgeübt wird. Es kann auch darauf hindeuten, sich generell einfach andersartig zu fühlen. Frau Schumacher möchte nicht sich selbst hervortun, aber sie versucht, sich und ihr Wirken von anderen so gegenständlicher zu beschreiben und damit wohl auch aufzuzeigen, dass sie anders sei, dass sie aber das keineswegs negativ bewertet. Sie zeigt auf, dass es von ihr einfach verlangt werde, «sich immer wieder einbringen zu müssen, man muss Präsenz zeigen (…) halt fast ein wenig penetrant sein *lacht* und sagen, ‹hey, ich bin auch da›» (Z. 1290–1293). Präsenz war an anderer Stelle schon eine Orientierung als «Anwesend-Sein» für die Klientel. Vorliegend konturiert sich Präsenz nochmals in einer anderen Dimension, nämlich jener der Sichtbarkeit für andere Berufsgruppen.

Frau Schumacher empfindet die Zuweisung nicht als Begrenzung ihres beruflichen Handelns, aber sie merkt, dass sie sich diese Zuweisung erkämpfen muss und sie gleichzeitig Voraussetzung ist. Sie zeigt hier deutlich auf, dass sie ihr berufliches und damit auch fachliches Potenzial dann produktiv entfalten und ausschöpfen kann, wenn sie wahrgenommen wird. An dieser Wahrnehmung arbeitet sie stetig, und wie sich zeigt, orientiert sie sich dabei auch stark an der Darlegung, dass sie «für psychosoziale Beratung» zuständig sei. Diese Leistung als Begriff und als Angebot mehrmals zu betonen, hätte ihr in den Teamsitzungen geholfen. Sie hätte sich dort zwar von Seiten des Seelsorgers und des Psychoonkologen anhören müssen, «das kannst du ja gar nicht, du bist doch Sozialarbeiterin» (Z. 1350), aber sie hätte es «immer wieder ausdiskutiert» (Z. 1354). Und hierfür sei der Zeitpunkt entscheidend – sie hätte immer wieder aufgezeigt, «die Spitalsozialarbeit macht das [die psychosoziale Beratung] nicht mehr, jetzt bin ich hier, jetzt ist der Zeitpunkt, wo, ähm, wo wir den Einstieg bekommen» (Z. 1356). Mit der Benennung eines Zeitpunkts zeigt Frau Schumacher auf, dass die gegenwärtige Situation einen Moment beinhaltet, welcher ihr Eintreten und damit auch das Eintreten von ihr als Professionelle in die Situation für die Klientel als wichtig erscheinen lässt. Sie wertet damit anderen nicht ab, aber um eine bestimmte Handlung vornehmen zu können, was hier die psychosoziale Beratung ist, sei der Zeitpunkt wichtig. Sie bekräftigt das sodann noch mit «ich kann dann meine Arbeit auch gut aufnehmen» (Z. 1358), womit sie aufzeigt, dass der Zeitpunkt auch dafür sorgt, dass sie mit der Arbeit gewisse Ergebnisse erzielen kann.

Mit dem Wachstum an Betten hätten sich im Hospiz, wo Frau Pereira arbeitet, ebenso der Aufwand an Koordination und der Bedarf an Eintrittsgesprächen erhöht. Früher seien die Gespräche von der Leitung des Hospizes gemeinsam mit der Pflege durchgeführt worden. Heute würde sie selbst auch einen Teil dieser Gespräche führen, insbesondere dann, wenn der Fall einen sehr hohen Koordinationsaufwand bedürfe. Sie merke das dann daran, dass «keine enge und gute Begleitung bis zum Eintritt in das Hospiz» (Z. 732) stattgefunden habe und der Klient oder die Klientin meist eine grössere Leidensgeschichte mitbringe. Ihr würde dann im Vorfeld «gemeldet», dass jemand mit einer grösseren Geschichte eintreten werde. Obwohl sie dann diesen Fall «zugewiesen bekommt, erhält sie «die Fallführung in dem Sinn nicht als offizielles Mandat» (Z. 751), was sie sehr bedauert. Diese fehlende Zuweisung mache sich später auch in der Anerkennung ihrer Tätigkeiten im Team bemerkbar – und Frau Pereira betont, es wäre «ganz praktisch, wenn ich einen Lead hätte» (Z. 756). Praktisch bezieht sich hier auf die Praxis der Anerkennung durch die anderen Professionen, nicht auf die Praxis im Sinne ihres beruflichen Handels. Letzteres steht für sie ausser Frage, denn obwohl die Situation der Klientschaft so «volatil ist», kann sie einiges in den Gesprächen in Erfahrung bringen, was sie exemplarisch aufführt:

«Wo steht der Mensch, wo sind vielleicht vorher schon erkennbare Probleme, Themen, und – ähm – gerade im Hinblick darauf, dass der Schritt ins Hospiz gemacht wird, ist es wichtig, alles zu wissen und Raum zu geben, um anzukommen und so komme ich dann zum Zug» (Frau Pereira, Z. 793–797).

Dadurch, dass Frau Pereira keinen Lead und somit keine offizielle Fallführung innehat, erlebt sie die Eintrittsgespräche aus ihrer eigenen beruflichen Perspektive zwar als fachlich gut machbar, zugleich aber auch als belastend für ihre Rolle im Team. Sie betont zwar, dass die anderen Professionen froh seien, wenn sie diese Aufgabe übernehme und alle wichtigen Informationen zum Fall in den ersten Gesprächen sammle, sodann sei es aber auch «keine Frage für die anderen», dass sie die weitere Begleitung wieder abgebe. Womit sie meint, dass die anderen Professionen unausgesprochen erwarten, zuständig zu werden.

Herr Rölli skizziert von sich aus einen interessanten Wandel in der Zuweisung von Seiten der Medizin und der Pflege, welche er insbesondere als Stärkung für die Soziale Arbeit, generell aber auch in Bezug auf seine Position im Hospiz und im Spital, so erlebt. In seinen Anfangsjahren hätte er im Spital regelmässig von Seiten der Ärztinnen und Ärzte eine «hierarchische Haltung» (Z. 372) erlebt – und die wurde ihm gegenüber auch sprachlich geäussert, «was will mir jetzt ein Sozialarbeiter sagen, was ich zu tun habe (…)» (Z. 374). Teilweise sei es weiter gegangen mit «ich bin der Arzt und du kleiner *Piepser* kannst das [die Begleitung] sicher nicht für mich übernehmen» (Z. 380). Herr Rölli sagt rückblickend, er hätte sich damals einerseits wenig in seiner Position gefestigt gefühlt und auch sein «Knowhow» nicht einbringen können, womit er andeutet, dass er sein Potenzial nicht ausschöpfen konnte. Heute könnte er dies viel besser, auch dank einer verbesserten Akzeptanz, es sei «in den Köpfen etwas passiert» (Z. 377). Hier verweist Herr Rölli einerseits auf die stärkere Etablierung eines Verständnisses für das Multiprofessionelle. Diese Etablierung hätte jedoch nicht wegen ihm, sondern aufgrund der Pflege stattgefunden, weil sie vermehrt Aufgaben abgegeben haben und sich «grundsätzlich die Zusammenarbeit verbessert» hätte, auch mit dem Fokus auf mehr «Miteinander und schnellere Absprachen» (Z. 381). Er selbst hätte sich durch dieses Vorgehen von Seiten der Pflege stärker in den Teamsitzungen eingebracht und auch von sich aus zum Telefon gegriffen und den zuständigen Arzt angerufen. Für Herrn Rölli waren es aber nicht nur die Gespräche oder die besseren Absprachen, sondern es hätte sich auch die Ansicht über das Sterben verändert, womit er eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung anspricht. In der Medizin gehe es darum, Erfolge vorzuweisen, «die machen die Patienten dann häufig etwas besser als sie sind» (Z. 390) oder «der Professor stellt sie [die Klientin] so gut dar, dass man sagen muss, ja, aber der schreibt ja jetzt nicht tatsächlich das hin, was ist» (Z. 398). Dies hätte sich verändert, nicht nur, aber auch, weil er den Fokus stark auf den Klienten oder die Klientin lege und solche Dinge merke und direkt dem Arzt auch mitteile. Herr Rölli zeigt hier ein sehr aktives Vorgehen und man spürt, dass er auch eine gewisse Selbstsicherheit in diesem Vorgehen beherrscht. Beispielsweise führt er an, dass, «wenn der Patient dann immer schläft» (Z. 406), dann leite er das weiter und rede mit dem zuständigen Arzt. Möglich sei das geworden, weil ihm mittlerweile die Aufgaben nicht mehr zugewiesen werden, sondern er von sich aus sich melde und «wesentlich besser akzeptiert werde als noch vor zehn Jahren» (Z. 410).

Bei Frau Pereira findet sich im Zusammenhang mit dem von ihr in Abschnitt 7.2 skizzierten Vorgehen zum Suchprozess eine gleichzeitige Benennung einer Zuweisung für eine Aufgabe, welche unmittelbar mit dem Suchprozess zusammenhängt (vgl. 7.2.1). Auch wenn sie selbst proaktiv und, wie sich zeigt, systematisch vorgeht, um die prozesshafte Begleitung zu übernehmen, so stellt die Zuweisung, welche sich «immer» (Z. 919) durch die Medizin ereignet, eine Voraussetzung und Herausforderung zugleich dar. Sie stellt fest, dass sie von Seiten der Ärzteschaft jeweils nicht eine Zuweisung auf Augenhöhe, sondern eine «hierarchisch sehr direkte» (Z. 924) Zuweisung von Aufgaben erlebt. Dass sie von Seiten der «Primär-Funktionen», womit Frau Pereira die Medizin und die Pflege meint, Aufträge bekommt, ist für sie nicht störend, aber einengend. Dieser «interne Chef» verlangt von ihr eine hohe Bereitschaft zur Akzeptanz. Wenn die Zuweisung mit einer Hierarchie und damit auch einer Rangfolge bezogen auf die für sie anstehenden Tätigkeiten und Aufgaben einhergeht, übernimmt Frau Pereira zwar die Aufgaben, aber es fällt ihr deutlich schwerer, eine «Prioritätenliste» (Z. 1007) bezogen auf die «aktuellen Themen bzw. diejenige, die sich zuspitzen», zu erarbeiten. Vielfach seien dann Themen wie «Sedierung oder Schmerzmedikation viel wichtiger, (…) als ob jetzt eine Ehefrau noch durchschlafen kann» (Z. 1013–1015). In dieser Passage zeigt sich, dass Frau Pereira ihr professionelles Potenzial und damit ihre personenzentrierte Begleitung dann besonders gut und zielführend aufnehmen sowie umsetzen kann, wenn sie auch selbst eine gewisse Entscheidungsfreiheit bezogen auf das Eruieren von Problemen und Bedürfnissen hat. Die Zuweisung wirkt bezogen auf das professionelle Potenzial einschränkend anstatt ermächtigend und ermöglichend. Dies steht auch diametral zum Berufsverständnis von Frau Pereira. Sie betont an mehreren Stellen im Gespräch, dass sie für das Eruieren von Problemen und Ansprüchen da sei und nicht nur für die Bearbeitung von zugewiesenen oder vermeintlich zugewiesenen Aufgaben. Frau Pereira nimmt dieses Beispiel auf, um damit auch einen eigenen Gegenhorizont zu schildern. Dass man auf sie «zukommt» und sagt, «kannst du mal dich kümmern und schauen» (Z. 1012), wirkt nicht beschränkend, sondern so könne sie «die Prioritätenliste» (Z. 1013) viel bedürfnisgerechter ausgestalten und damit ihre Arbeit produktiver entfalten.

7.8 Realität und Wunsch als Differenz- und Abgrenzungserfahrung

Alle Gesprächspartnerinnen sowie der Gesprächspartner kamen im Verlauf des Interviews auf Wünsche bezogen auf ihre eigenen Tätigkeiten zu sprechen. Diese Wünsche waren teils auch eng verbunden mit aktuellen oder zukünftigen professionsbezogenen Ansprüchen an oder für die Sozialen Arbeit in der Palliative Care. Die Äusserungen sind verschiedentlich auch von einer gewissen «Zerrissenheit» in positiven und negativen Sinnen geprägt. Was meint, dass sich die Gesprächspartnerinnen und der -partner einerseits an Potenzialen gedanklich abarbeiten, die sie nicht erfüllen können, es aber gerne würden und andererseits Aufgabenbereiche skizzieren, die sie gerne erfüllen möchten und auch in der aktuellen Anstellung könnten, es aber nicht dürfen. Beides hat einen Einfluss auf das jeweilige Begründen bezüglich der eigenen Praxis und des eigenen Tätigkeitswerdens und eröffnet Potenzial für das weitere professionsbezogene Wachsen. Deshalb wird der Differenz zwischen Realität und Wunsch eine vertiefte Analyse gewidmet.

Frau Matter bringt die längste berufliche Erfahrung in der Begleitung von Menschen am Lebensende mit – und aufgrund dieser betont sie deutlich, dass sie der Sozialen Arbeit und damit der «psychosozialen Profession» den «gesamten Lead für die Fallführungen» (Z. 557) zukünftig zuweisen würde, denn so könne genau das «Case-Management» (Z. 561) umgesetzt werden, welches von Seite der Leitung aber auch aus der Fachcommunity gefordert werde. Sie orientiert sich hier an einer Forderung, die im Berufsprofil vom DGP so nicht direkt aufgeführt ist, allerdings Wasner (2021) und auch Student et al. (2021) unter dem Stichwort „Koordinatoren“ verhandeln. Bei Frau Matter deutet sich bezogen auf ihre Anerkennung im Team und im Hinblick auf ihr berufliches Handeln eine gewisse Zerrissenheit an. Sie selbst sieht ihre Rolle klar darin, für das sog «Mehr» (Z. 493), was es nebst der Medizin und der Pflege braucht, zuständig zu sein. Dieses «Mehr ist für mich psychosoziale Begleitung und der Lead, also für die Fallführungen» (Z. 555) expliziert sie im Gespräch. Ersteres und die dazugehörigen Aufgaben hätte sie sich in den letzten Jahren stark erkämpft – und das «Verständnis» von den anderen Professionen für ihr Wirken sei nun da. Damit bezieht sie sich auf ihren Stellenwert im Team, der sich über die Jahre steigerte. Sie macht zudem erneut deutlich, dass es ihr nicht um eine Vormachtstellung geht, vielmehr orientiert sie sich an der Multiprofessionalität sowie dem gemeinsamen und effektiven Hinwirken auf die bestmögliche Begleitung und Unterstützung für die Klientel. Sie stellt sich mit dem Lead nicht in das Zentrum. Wie an anderer Stelle ausgeführt ist sie es, welche ihre Rolle mit jener einer Kapitänin auf einem Schiff vergleicht. Die Steuerung bzw. Koordination von Aufgaben sowie die Fallführung gehören zählen für sie zu essenziellen Aufgaben.

Frau Pereira hat sich insbesondere, als es um die Benennung und das Einbringen ihrer eigenen fachlichen Stärken ging, in der Praxis zu Beginn sehr zurückgenommen und gleichzeitig das persönliche Engagement erwähnt. Darauf kommt sie am Schluss nochmals zu sprechen und zeigt auf, dass «mit persönlichem Engagement für die Profession» (Z. 1518) sich dennoch einiges erreichen lässt – und «es lohnt sich wirklich (…) es ist so ein Aufruf zum Durchhalten» (Z. 1521). Mit diesem fasst appellartigen Vorgehen zeigt Frau Pereira auf, dass es sich in ihrem alltäglichen Feld noch immer auch um ein Durchbeissen handelt, wobei sich dieses insbesondere in der Anerkennung von Seiten der anderen Professionen positiv niederschlägt. Sie wünscht sich, dass dieses Durchhalten auch andere Fachpersonen an den Tag legen, womit sie ihre Kolleginnen und Kollegen im Team adressiert. Dass von der Sozialen Arbeit noch immer mehr Anstrengung bezogen auf das Tätigsein-Können erwartet wird, als von anderen Professionen sei zwar «nicht immer einfach und mache müde» (Z. 1533) aber es lohne sich durchzuhalten.

Herr Rölli bringt einen Aspekt im Gespräch auf, welcher in der Theorie oftmals als Ausgangspunkt beschrieben wird, wenn es um den Start einer Begleitung am Lebensende geht. Es geht um die sogenannte «Unterversorgung» (Wasner, 2021, S. 54) bzw. den «bedarfsgerechten Zugang zu Palliative Care» (palliative ch, 2022). Er ist jedoch der Meinung, dass die Schnittstellen zwischen Sozialer Arbeit und Pflege sowie Medizin noch nicht ausreichend geklärt sind und es deshalb auch im Prozess der Begleitung zu dieser Herausforderung kommen kann. Er stellte immer wieder fest, dass «Löcher entstehen – und so auch Unterversorgung» (Z. 543). Diese Löcher beziehen sich auf die finanziellen, aber auch psychosozialen Unterstützungsleistungen. Er wünscht sich deshalb klar eine stärkere Kooperation und ein viel früheres Zusammensetzen mit der Pflege und der Medizin, um auch eine «sozio-ökonomische Anamnese» (Z. 553) durchzuführen. Der Grund für diese Fachterminus sei ein aktuelles Pilotprojekt, welches sich mit Berechnungen von finanziellen Risiken von Patientinnen und Patienten am Lebensende befasse. Herr Rölli ist der Meinung, dass dieses Instrument auch ihm die Arbeit erleichtern könnte, weil er so frühzeitiger von Schwierigkeiten erfahre und selbst «affin werde für gewisse Themen oder Abklärungen» (Z. 567). Weiterführend zeigt er aber auch auf, dass er sich und seiner eigenen Profession zutraut, genau für diese «Löcher in der Versorgung» professionelle Unterstützung bieten zu können. Es gelte aber genau dies auch sichtbarer zu kommunizieren.

Bei Frau Christen wurde bereits deutlich, dass sie sich frühzeitig und sehr kompetent in die Beratung einbringen kann, insbesondere dann, wenn sie ausreichend Zeit dafür hat. Für sie ist es aber nicht nur essenziell, ausreichend Zeit zu haben, sondern frühzeitig in die Beratung und die Begleitung involviert wird. Je frühzeitiger das passiere, desto qualitativer könne sie ihre Beratungsleistungen anbieten und nach Lösungen suchen. Diesen Wunsch adressiert sie gegenüber der Medizin sehr deutlich, sie möchte das « (…) mehr Edukation auch von der Medizin kommt» (Z. 487). Hier würde noch viel Potenzial nicht ausgeschöpft und besonders die Zusammenarbeit mit den Hausärztinnen und -ärzten soll intensiviert werden.

«Mein Wunsch wäre, dass man das Feld öffnet. Weil man nichts verliert, man gewinnt nur dazu, wenn man gut interdisziplinär zusammenarbeitet. (Frau Christen, Z. 536–538).

Auch Frau Klein äussert, dass es wichtig sei, «viel früher» mit dem Angebot der Beratung im Team anzusetzen, z. B. schon bei Übertritt in ein Hospiz. Sie führt sodann aus – «mit der Sozialen Arbeit und nicht mit irgendeinem anderen Beruf» (Z. 553) soll der Beginn gemacht werden. Für sie hat hier die Soziale Arbeit eine gewisse hegemoniale Stellung und für sie kommt auch kein anderer Beruf in Frage. Sie führt dafür eine sehr fachliche Begründung an, nämlich die vielseitige Beratungskompetenz und das Erarbeiten von Lösungen – und nicht das «Vorgeben von Lösungen» (Z. 557). Frau Klein verweist hier auf die Art und Weise, wie Beratung umgesetzt werden kann und zeigt auf, dass die systemische Beratung genau an dieser Anfangsstelle das grösste Potenzial entfaltet. Sie setzt die gemeinschaftliche Lösungsfindung mit allen Involvierten in das Zentrum – denn das Klientel sei genauso als Ressource für die eigene Arbeit zu betrachten, wie sie selbst es für das Klientel sei. Und diese Perspektive bringe die Soziale Arbeit bewusster ein.

Für Frau Bender haben ihr eigenes Wirken und die Akzeptanz ihres eigenen beruflichen Handels viel mit der Präsenz vor Ort im Hospiz zu tun. Diese Präsenz deutet Frau Bender bezogen auf konkrete Aufgaben, aber am Schluss des Gesprächs (Z. 1614) auch generell bezogen auf die Präsenz im Hospiz an. Diese Präsenz und damit auch ihr Pensum möchte sie weiterausbauen, weil das auch dabei helfen könnte, ihre Aufgabenbereiche sichtbarer und genauer auszudifferenzieren. Aktuell ist sie nur zu rund 5 % wirklich vor Ort und stellt sich vor, dass sie insbesondere, wenn sie öfters vor Ort ist, gewisse «Themenbereiche» besser einschätzen kann (Z. 415). Insbesondere die Angehörigenbegleitung geht «erfahrungsgemäss oft auch ein bisschen unter» (Z. 420). Diese sei im Zusammenhang mit der psychosozialen Beratung jedoch zu ihrem Kernbereich zu zählen, auch wenn «es schwierig ist, da von Mensch zu Mensch unterschiedliche Bedürfnisse da sind. (…) doch die abholen zu können, um das geht es» (Z. 426–428). Frau Bender erweitert hier einerseits ihren Tätigkeitsbereich und ihre Zielgruppe und zeigt auf, dass sie sich für die Angehörigenbegleitung genauso zuständig fühlt wie andererseits für die Beratungstätigkeiten mit der Person am Lebesende selbst. Sie fühlt sich nicht nur zuständig, sondern macht die Angehörigenbegleitung zu einem weiteren Teil ihrer Aufgaben und signalisiert mit dem Ausdruck «Kernbereich», dass sie diese Aufgabe nicht zufällig für sich entdeckt oder erschliesst, sondern diesen Bereich als weitere Hauptaufgabe ansieht und von anderen, weniger wichtigeren Bereichen trennt. Es sei zwar «gut, wenn die Steuern einer Person gemacht sind» (Z. 518) aber sie hätte Kapazitäten für die Arbeit mit Angehörigen. Bei der Kapazität lassen sich zwei Aspekte erkennen. Einmal geht es Frau Bender um Kapazität im Sinne von «leisten» könnte (Z. 873), womit sie auf das Pensum anspricht. Und andererseits zeigt Frau Bender hier auf, dass sie sich fachlich in der Lage sieht und kompetent fühlt, Angehörigenbegleitung auszuführen. Hier zeigt sie ein selbstsicheres Verständnis in Bezug auf den Auftrag der Angehörigenbegleitung. Diese Selbstsicherheit schöpft sich auch aus ihrem angestammten beruflichen Können. Sie orientiert sich damit an ihrer eigenen Fachlichkeit und der Praxiserfahrung. Später führt Frau Bender aus, dass sie ebenso für die Öffentlichkeitsarbeit «offen ist» (Z. 659). Damit signalisiert sie, dass sie sich diesbezügliche Aufgaben vorstellen kann, aber sie spezifiziert diese nicht weiter. Ein Blick in das Berufsprofil der DGP zeigt, dass Öffentlichkeitsarbeit eine Aufgabe er Sozialen Arbeit im Feld der Palliative Care sein kann, doch bei Frau Bender bleibt eher unklar, wie sie diesen Auftrag für sich selbst herleitet und sie bezieht sich nicht auf spezifische Tätigkeiten, welche zur Öffentlichkeitsarbeit zählen könne.Frau Schumacher hingegen benennt einen solchen Aspekt. Sie sieht sich auch in der Rolle, Schulungen zu geben und öffentlich mehr über die Soziale Arbeit in der Palliative Care zu sprechen. Sie hätte am letzten nationalen Palliative Care Kongress in der Schweiz gemerkt, dass die Soziale Arbeit noch immer untervertreten sein. «ich hätte da noch ein paar Sachen sagen sollen», doch sie hatte das Gefühl im Plenum, womit sie die Vollversammlung am Kongress meint, sei noch immer wenig Bewusstsein für die Soziale Arbeit vorhanden gewesen. Sie kritisiert sich selbst und meint «ich muss mich noch mehr melden» (Z. 2221) und appelliert damit auch an sich, öffentlich sich mehr zu äussern.

Was sich zu Realität und Wunsch aber auch in den vorangegangenen Kapiteln in Bezug auf Begründungen und Orientierungsmustern von Seiten der Fachpersonen zeigt, kann vorsichtig wie folgt zusammengefasst werden:

Persönliche und emotionale Komponenten spielen eine grössere Rolle in der Begleitung am Lebensende und der bewusste Umgang damit kann für das professionelle Handeln konstitutiv sein. Die Aufgaben, welche zu bearbeiten und damit auch zu bewältigen sind, bedürfen einer Suchbewegung, welche von Seiten der Professionellen selbst aber auch von Seiten anderer Professioneller initiiert wird. Es kann dabei zu Differenzerfahrungen zwischen «zuständig sein» und «zuständig sein-wollen» kommen. Ebenso realisiert es sich, dass die Professionellen der Sozialen Arbeit Aufgaben ausführen müssen, die sie eigentlich selbst nicht wollen bzw. sich selbst dafür nicht zwingend als kompetent ansehen. Diese Aufgaben dann aber dennoch sehr strukturiert und mit grosser Kompetenz ausführen. Ebenso zeigt sich, dass gewisse standardisierte Prozesse ausgeführt und Methoden werden, diese aber nicht als standardisierte Prozesse für die Fachpersonen selbst wahrnehmbar sind. Zudem hat die eigene Sinnhaftigkeit in den Tätigkeiten für die Fachpersonen einen hohen Stellenwert. Es geht dabei nicht nur um Sinnfragen von Seiten der Klientel, die auch zu bearbeite sind, sondern auch darum, den eigenen Sinn in der eigenen Tätigkeit zu erkennen, insbesondere wenn sich die eigene Tätigkeit noch in der Schwebe befindet bzw. für andere Professionen im Team unklar ist oder noch stark von der Zuweisung, durch andere abhängig ist. Was lässt sich nun aus den empirischen Ergebnissen für das berufliche bzw. professionelle Handeln im Feld der Palliative Care für die Soziale Arbeit ableiten? Die Beantwortung dieser Frage bildet nicht nur Gegenstand des nachfolgenden Kapitels, sondern damit wird versucht, die noch vorhandene Forschungslücke zu minieren. Denn noch immer sind wenige empirische Nachweise zu den Fähig- und Fertigkeiten von Fachpersonen der Sozialen Arbeit in der Palliative Care vorhanden.