5.1 Teaching Note

Lernziele, Literatur und Fragestellungen zur Fallbearbeitung.

Diversität erkunden: Die Bedeutung von (Un-)Sichtbarkeit und Intersektionalität begreifen und deren Auswirkungen auf individuelle Erfahrungen und soziale Strukturen erkennen

  • Welche verschiedenen (Un-)Sichtbarkeitserfahrungen hat Amina Kalid während ihrer beruflichen Laufbahn gemacht und welche Herausforderungen sind daraus für sie entstanden?

  • Auf welche Weise spiegeln Amina Kalids Erfahrungen die Überlappung verschiedener Identitätsaspekte (Intersektionalität) wider? Welche weiteren Identitätsaspekte werden in der Literatur im Kontext von Intersektionalität diskutiert (Internetrecherche)?

  • Bhattacharyya, B., & Berdahl, J. L. (2023). Do you see me? An inductive examination of differences between women of color’s experiences of and responses to invisibility at work. Journal of Applied Psychology, 108(7), 1073–1095. https://doi.org/10.1037/apl0001072

  • Strauß, A., & Boncori, I. (2020). Foreign women in academia: Double-strangers between productivity, marginalization and resistance. Gender, Work & Organization, 27(6), 1004–1019. https://doi.org/10.1111/gwao.12432

Institutionelle und mediale Einflüsse reflektieren: Die Rolle und den Einfluss von Institutionen und Medien in der Darstellung von Innovatorinnen hinterfragen

  • Welche Erfahrungen mit Medien hat Amina Kalid in ihrer Karriere schon gemacht und wie möchte sie im vorliegenden Fall wahrgenommen und von den Medien dargestellt werden?

  • Wie können Medienschaffende bei der Darstellung von Diversität unterstützen und dabei Stereotypen vermeiden?

  • Byrne, J., Fattoum, S., & Diaz Garcia, M. C. (2019). Role Models and Women Entrepreneurs: Entrepreneurial Superwoman Has Her Say. Journal of Small Business Management, 57(1), 154–184. https://doi.org/10.1111/jsbm.12426

  • Marks, S. (2021). Performing and unperforming entrepreneurial success: Confessions of a female role model. Journal of Small Business Management, 59(5), 946–975. https://doi.org/10.1080/00472778.2020.1865539

Innovationspotenzial der Wissenschaft erkennen: Den Wissenschaftsbereich als treibende Kraft für Wissenstransfer und Innovation begreifen und ein Verständnis für Innovationsökosysteme entwickeln

  • Was ist unter einem „Innovationsökosystem“ zu verstehen (unter Rückgriff auf Baldwin et al., 2024)? Welche Beziehungen und Wechselwirkungen lassen sich zwischen den Akteuren (Regierung, Industrie, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Umwelt) in einem Innovationsökosystem anhand der vorliegenden Fallstudie und darüber hinaus feststellen?

  • Wie trägt Amina Kalid durch ihre Arbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Industrie zur Weiterentwicklung des Innovationsökosystems bei?

  • Baldwin, C. Y, Bogers, M. L. A. M., Kapoor, R., & West, J. (2024). Focusing the ecosystem lens on innovation studies. Research Policy, 53(3), 104.949. https://doi.org/10.1016/j.respol.2023.104949.

  • Dedehayir, O., Mäkinen, S. J., & Roland Ortt, J. (2018). Roles during innovation ecosystem genesis: A literature review. Technological Forecasting and Social Change, 136, 18–29. https://doi.org/10.1016/j.techfore.2016.11.028

Einsatzfelder und Nutzungshinweise

Die vorliegende Fallstudie bietet einen guten Einstieg für Student:innen und Praktiker:innen, die sich intensiv mit Fragestellungen zu Diversität und Intersektionalität in Organisationen und darüber hinaus auseinandersetzen möchten. Insbesondere für Innovations- und Technologieinteressierte dient diese Fallstudie zudem als Einstieg in das Thema Innovationsökosysteme und die Rolle von Hochschulen als Treiber von Innovationen.

Um einen umfassenden thematischen Zugang zu gewährleisten, wird empfohlen, sich zunächst mit den theoretischen und wissenschaftlichen Konzepten (wie einem Innovationsökosystem oder dem Konzept der Intersektionalität) vertraut zu machen. Dies kann durch einen theoretischen Input sowie eine nachgelagerte Erarbeitung und Vertiefung mithilfe der zusätzlichen Literatur und weiterer Recherchen geschehen. Nach dieser Vorbereitung kann die Fallstudie als anschauliches Beispiel dienen. Ein effektiver Ansatz besteht darin, die Fallstudie zunächst individuell zu lesen und sie anschließend im Plenum zu diskutieren, wobei auf die vorbereiteten Fragestellungen, die Literatur und die theoretischen Konzepte zurückgegriffen werden kann, um das Thema möglichst aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Was macht die Innovation und die Innovatorin in dieser Fallstudie aus?

Amina Kalids Innovation liegt vor allem in der praxisorientierten Forschung, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Industrie, Politik und Gesellschaft erfordert und Wissensgenerierung sowie Technologietransfer ermöglicht. Zudem trägt ihre Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Themen zu vereinfachen und in der Lehre verständlich machen zu können, maßgeblich dazu bei, die nächste Generation von Innovator:innen auszubilden und zu inspirieren.

Amina selbst zeichnet sich durch ihre interdisziplinären und internationalen Erfahrungen aus, die ihr eine einzigartige Perspektive geben und innovative Herangehensweisen im Bereich Maschinenbau ermöglichen. Auch ihre Netzwerkfähigkeit trägt zu ihrem Innovationserfolg bei. Ihre Entschlossenheit, Stereotype eines männerdominierten Feldes zu überwinden und sich für Diversität und Inklusion einzusetzen, macht sie zu einer inspirierenden Innovatorin über ihr reines Fachgebiet hinaus.

5.2 Die Fallstudie

[Videokonferenztool, persönlicher Meetingraum von Juna Wolf, Presse – Verbindung wird hergestellt…].

Juna Wolf, Presse: Frau Professorin Dr. Kalid! Schön, das hat ja technisch schon mal gut geklappt. Ich freue mich, Sie nun auch persönlich kennenzulernen. Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit für uns nehmen und bereit für ein Interview mit uns sind. Sie passen wunderbar in unsere neue Kampagne „Exzellenz – Personen, die inspirieren“.

Amina Kalid, Professorin: Liebe Frau Wolf, vielen herzlichen Dank für die Einladung. Ihre Kampagne gefällt mir und ich freue mich sehr, wenn ich hier mit meinen Leistungen einen Beitrag ermöglichen kann.

Wolf: Ich bin mir sicher, Ihre Geschichte ist lang und die Themen, die Sie bewegen innovativ und komplex. Lassen Sie uns daher keine Zeit vergeuden und direkt mit dem Interview beginnen. Ich würde vorschlagen, Sie erzählen mir erstmal von Ihren Stationen und Erlebnissen auf Ihrem Berufsweg und ich werde ab und an einhaken. Einverstanden?

Kalid: Sehr gerne. Mein Name ist Amina Farid Kalid. Ich bin seit nun fünf Jahren als Professorin für Maschinenbau mit dem Fokus auf Konstruktionslehre an der Hochschule Karlsberg tätig und nebenbei in verschiedenen Netzwerken, Verbänden und Gremien aktiv – unter anderem dem VDI, dem Verein Deutscher Ingenieure. Wenn Sie mich nach dem Beginn meines beruflichen Werdegangs fragen, muss ich sehr weit ausholen. Ich wurde 1988 in Israel geboren, mein Vater war Armenier, meine Mutter Kanadierin. Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Forschungsaufenthalt meiner Mutter in Jerewan. Da die beruflichen Perspektiven für meine Mutter in Israel aussichtsreicher waren, sind die beiden relativ früh dorthin ausgewandert. Dort bin ich auch zur Welt gekommen. Mit sieben Jahren hat sich allerdings für meine beiden Eltern eine spannende berufliche Option in Kanada ergeben, sodass wir dorthin umgezogen sind. Naja, wie Sie sehen, lag der wissenschaftliche Weg schon bei uns in der Familie, sodass mein Werdegang zur Professorin keine große Überraschung zu sein scheint. Auch das Thema Anpassung an fremde Kulturen habe ich schon früh als Kind mitbekommen. Die einzige Überraschung – wenn man hier in gängigen Stereotypen denken möchte – ist wohl die Wahl meines Interessengebietes: Maschinenbau.

Wolf: Frau Kalid, wenn ich hier kurz einhaken darf – wie kam es dazu? Wie sind Sie gerade auf dieses ingenieurwissenschaftliche und – wie ich vermute – immer noch sehr männlich dominierte Fachgebiet aufmerksam geworden?

Kalid: Ich war schon immer ein sehr lösungsorientierter Mensch, der versucht, möglichst effizient ans Ziel zu kommen. Zum Beispiel habe ich mich früher beim Puzzeln immer gefragt, wenn ein Teil nicht gepasst hat: Wieso dann in dem riesigen Berg stundenlang nach dem richtigen Teil suchen und nicht einfach ein neues Teil erschaffen? Und diese Suche nach sozusagen innovativen Puzzle-Teilen, also verbesserten Konstruktionsprinzipien, -methoden und -materialien für den Bau von Maschinen und Anlagen, begleitet mich noch heute und lässt mein Herz höherschlagen. So bin ich auch auf meine Fachrichtung aufmerksam geworden. Aber vielleicht gehen wir nochmal ein paar Schritte zurück: Nach meinem Maschinenbaustudium in Kanada – als eine von nur zwei Frauen in meinem Abschlussjahrgang – stand für mich fest, dass ich noch nicht genug gelernt hatte. Ich war fasziniert von Konstruktionsthemen. Durch meine Mutter hatte ich schon früh gesehen, wie wertvoll internationale Erfahrungen und Kontakte im Wissenschaftssystem sind. So war mir relativ schnell klar, dass ich meinen Doktor im Ausland absolvieren wollte. Auf Anraten eines ehemaligen Professors habe ich mich dann an einer renommierten deutschen Universität als Doktorandin beworben und hatte das Glück, mich gegen fünf weitere männliche Bewerber durchsetzen zu können. Das war auch der Moment, in dem ich mich das erste Mal gefragt habe, ob ich hier aufgrund meiner Noten oder als „Quotenfrau mit Migrationsgeschichte“ angenommen wurde – ein Gefühl, das mich meine ganze Promotionszeit nicht verlassen hat. Wann immer es darum ging, Fotos für die Presse zu machen, wurde ich nach vorne gestellt, um zu zeigen, wie international, weltoffen und divers der Maschinen- und Anlagenbau doch sein kann. Traurigerweise steht das im Kontrast zu einigen Erfahrungen, die ich in der gesamten Zeit gemacht habe. Fast niemand wollte zu Beginn Englisch mit mir sprechen und in meinem damals noch sehr gebrochenen Deutsch ist es mir oft schwergefallen, thematisch mitzukommen. Wenn wir beim Mittagessen waren und über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gesprochen wurde, war ich außen vor. Inhaltlich war ich fit, aber ich konnte viele der deutschen Wörter nicht verstehen. In Meetings wurde ich auf der Suche nach den deutschen Fachwörtern oder der richtigen Ausdrucksweise meiner Gedanken und Ideen schnell unterbrochen und nicht wirklich gehört. Also musste ich einfach kämpfen – bis spät in die Nacht Fachbegriffe auf Deutsch und die richtige Grammatik lernen. Ich meine, wer versteht schon einfach so Wörter wie Elastoplastizität?

Wolf: Da muss ich schmunzeln. Das Wort sagt mir offen gesagt nichts. Fahren Sie doch gerne fort.

Kalid: Als ich dann mit der Doktorarbeit fertig war, wollte ich eigentlich zurück nach Kanada. Aber von meinem Doktorvater wurde mir eine Stelle als Abteilungsleiterin an einem Forschungsinstitut angeboten, die perfekt zu meinen Qualifikationen passte. Ich als Führungskraft von zwölf Jungs. Die haben mich zu Beginn mit meinem gebrochenen Deutsch und als gerade fertig promovierte Frau überhaupt nicht ernst genommen. Ich habe mich teilweise völlig fehl am Platz gefühlt. Und musste kämpfen und für mich einstehen. Zum Glück hat mich mein ehemaliger Chef – ein Freund meines Doktorvaters – sehr unterstützt und mir wichtige Projekte, unter anderem ein Projekt mit sieben Millionen Euro Budget übertragen, in denen ich dann meine Kompetenz zeigen konnte. Er hat immer gesagt: „Amina, du musst sie begeistern, so wie du mich begeistert hast.“ Und mit seiner Unterstützung konnte ich so in den knapp fünf Jahren, in denen ich am Institut tätig war, einige spannende Themen gemeinsam mit meinem Team aufbauen und voranbringen. Als es mir endlich gelungen war, mein Team von meinen Fähigkeiten zu überzeugen und mitzureißen, begannen wir, stärker mit der Industrie und der Politik zusammenzuarbeiten. Auch hier erlebte ich wieder das gleiche Spiel und musste um die Akzeptanz meiner Kompetenz kämpfen, um nicht nur aus Diversitätsgründen vor der Kamera zu stehen und ansonsten – teilweise versehentlich – als Sekretärin angesprochen zu werden.

Wolf: Kaum zu glauben, dass dies in der heutigen Zeit noch passiert. Wie genau kann man sich denn diese Zusammenarbeit vorstellen?

Kalid: Grundsätzlich muss ich zunächst sagen: Gemeinsam Innovationen schaffen begeistert mich. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Hochschulen es nur in einem wechselseitigen Wissensaustausch mit der Regierung, Industrie, Zivilgesellschaft und Umwelt schaffen können, Innovationen voranzutreiben und eine nachhaltige Entwicklung für uns alle zu sichern. Denn jeder dieser fünf Bereiche hat seine eigene Relevanz und bietet Kapital: ob in Form von Human-, Wirtschafts-, Natur-, Sozial- und Informationskapital oder politischem und Rechtskapital. Daher habe ich mich auch heute an meiner Hochschule stark für das Thema Forschungs- und Innovationsförderung eingesetzt, viele Förderanträge geschrieben – von denen glücklicherweise einige bewilligt wurden – und das Labor mit den Fördergeldern weiter ausgebaut. Und auch das liebe ich. Ich schreibe unglaublich gerne wissenschaftliche Publikationen, oft bis spät in die Nacht. Einfach in dem Gedanken, dass wir so unser Wissen und technologische Neuerungen anderen zugänglich machen können. Aber mindestens genauso gerne bin ich auf Kaminabenden mit politischen Vertreter:innen, um politische Entscheidungen mitzugestalten, oder auf Unternehmer:innen-Treffen, um zu schauen, wie wir Probleme aus Gesellschaft und Wirtschaft mit anwendungsorientierter Forschung lösen können. Eine wichtige Innovation, die so mit verschiedenen Akteur:innen in unserer Region entstehen konnte, ist ein Beitrag zur Entwicklung von individuell angepassten Prothesen und Implantaten mittels additiver Fertigung, sprich 3D-Druck. Unsere Forschungsergebnisse aus der Materialwissenschaft sind entscheidend für Optimierungen der 3D-Drucktechnologien und Materialien für medizinische Anwendungen. Die Unternehmen bringen die Technologie zur Marktreife, indem sie die Geräte und Software entwickeln und kommerzialisieren. Die Regierung wiederum regelt Zulassungen und überwacht die medizinischen Produkte. Außerdem unterstützt sie uns durch staatliche Förderprogramme. Die Anforderungen und das Feedback aus der Gesellschaft waren natürlich entscheidend für eine nutzerfreundliche Entwicklung, und auch der Faktor Umwelt bringt uns kontinuierlich dazu, über alternative, umweltfreundliche Materialien und Verfahren nachzudenken. Aber dazu vielleicht später nochmal mehr.

Wolf: Danke für die Erläuterung. Das hilft mir sehr. Wie ging es dann in Ihrer beruflichen Entwicklung weiter?

Kalid: Während meiner Zeit am Institut kam dann auch die Ausschreibung für die Professur an meiner jetzigen Hochschule. Und Sie können mir glauben, vor der Bewerbung habe ich sehr mit mir gehadert. Wie sollte ich mit meinem teilweise noch nicht perfekten Deutsch an einer Hochschule arbeiten, in der es – im Gegensatz zur Universität – einen hohen Lehranteil gibt? Heute sehe ich genau diese Schwäche – mein damals nicht perfektes Deutsch – als größte Stärke an. Als meine Kernkompetenz. Natürlich habe ich seit damals viel gelernt und mein Deutsch deutlich verbessert. Aber ich versuche, mich an die Zeit meiner unperfekten Sprachkenntnisse zu erinnern. In gebrochenem Deutsch sah ich mich gezwungen, einfache und klare Sätze zu bilden, Komplexität zu reduzieren und einfache Beispiele zu geben, um mich verständlich zu machen. Und genau das versuche ich, in meinen Lehrveranstaltungen beizubehalten, um die Studierenden mitzunehmen und für Innovation und Forschung zu begeistern.

Wolf: Wie schön, das nehme ich gerne als Zitat in den Artikel mit auf, wenn es Ihnen recht ist.

Kalid: Natürlich. Sehr gerne. Eine Bitte hätte ich aber: Es handelt sich nicht um mein erstes Pressegespräch – lassen Sie mir das Interview vor der Veröffentlichung bitte zur Freigabe zukommen. Leider habe ich in der Vergangenheit schon einige Patzer und peinliche Fehlinterpretationen meiner Aussagen erlebt. Außerdem bitte ich Sie, den Fokus Ihres Berichts auf meinen Werdegang und meine fachliche Expertise zu legen und weniger auf mein Aussehen oder mein Privatleben – das hat meiner Meinung nach wenig in einer beruflich orientierten Kampagne zu suchen, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Wolf: Selbstverständlich, Frau Kalid. Ich gebe mein Bestes. Natürlich ist es unseren Leser:innen wichtig, zu verstehen, wer Sie sind, aber ich werde versuchen, Sie hauptsächlich aus der professionellen Perspektive heraus darzustellen.

Kalid: Danke. Das schätze ich sehr. Zurück zur Geschichte: Nachdem ich als Professorin an meiner heutigen Hochschule angekommen war, wollte ich meine Berufung auch rechtfertigen, mich dieser würdig erweisen. Also begann ich, bis spät in die Nacht hinein zu arbeiten, um a) meine Deutschkenntnisse zu verbessern und b) meine Publikationen und Anträge voranzubringen. Eine dieser Publikationen habe ich dann auf einer sehr bekannten Fachtagung eingereicht. Wieder war ich die einzige Frau. Als ich nach vorne gerufen wurde, um meine Ergebnisse vorzustellen, schlackerten mir die Knie. Als junge Frau mit kulturell deutlich andersartigem Erscheinungsbild als all die älteren und erfahrenen Herren, die mir mit ihren Blicken gezeigt haben: „Was macht die denn hier?“ Aber nach der Präsentation gab es gutes Feedback und wirklich konstruktive Verbesserungsvorschläge. Das hat mich ermutigt, die Ergebnisse zu überarbeiten und nochmal einzureichen. Es hat mir auch geholfen, ein gewisses Standing in diesem beruflichen Netzwerk zu erhalten. Mit zwei dieser Kollegen arbeite ich inzwischen an gemeinsamen Forschungsprojekten, und ein weiterer hat mir schon viele Kontakte für Kooperationsprojekte in der Industrie vermittelt, sodass wir hier mehrere Patentanmeldungen auf den Weg bringen konnten. Über die Fachgruppe bin ich auch inzwischen Mitglied in einigen Netzwerken, Gremien und Kommissionen geworden und kann so gewisse Entscheidungen mit beeinflussen. Naja, aber hier merke ich noch immer – nehmen Sie es mir nicht übel – dass die Leute von der Presse dann immer ganz scharf darauf sind, mit mir zu sprechen, wenn sie mitbekommen, dass eine Frau dort Mitglied ist, und dann noch eine mit nicht-deutschen Wurzeln. Aber es macht mir heute nicht mehr ganz so viel aus: Auf der einen Seite hilft mir die so erzeugte Sichtbarkeit natürlich auch, beruflich an weitere Kontakte zu kommen und somit Themen anzuschieben. Auf der anderen Seite hoffe ich noch immer, dass ich dazu beitragen kann, manche Stereotype und Strukturen aufzubrechen, die der Bereich Maschinen- und Anlagenbau so mit sich bringt. Frau Wolf, ich merke selbst, ich bin ganz abgedriftet von Ihrer Frage nach meinem Berufsweg: Welche Fachfragen sind für Ihre Kampagne noch relevant …?“