3.1 Teaching Note

Lernziele, Literatur und Fragestellungen zur Fallbearbeitung

Gemeinsame vs. Einzelgründungen reflektieren: Vor- und Nachteile von Gründungen in Teams im Vergleich zu Solo-Gründungen benennen können

  • Wie ergänzen sich die Fähigkeiten und Kenntnisse von Aylin Kaya und Markus in ihrer gemeinsamen Gründung? Welche Kriterien sollten bei der Wahl eines/einer Mitgründer:in beachtet werden?

  • Was sind generelle Vor- und Nachteile einer Gründung im Team im Vergleich zu einer Solo-Gründung?

  • Bengtsson, M., Raza-Ullah, T., & Srivastava, M. K. (2020). Looking different vs thinking differently: Impact of TMT diversity on coopetition capability. Long Range Planning, 53(1), 101.857. https://doi.org/10.1016/j.lrp.2018.11.001

  • Knight, A. P., Greer, L. L., & Jong, B. de (2020). Start-Up Teams: A Multidimensional Conceptualization, Integrative Review of Past Research, and Future Research Agenda. Academy of Management Annals, 14(1), 231–266. https://doi.org/10.5465/annals.2018.0061

Ein Bewusstsein für soziale Rollenerwartungen und kulturelle Prägungen bilden: Herausforderungen, denen Unternehmer:innen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen gegenüberstehen, verstehen

  • Inwiefern manifestieren sich in der Fallstudie traditionelle Rollenbilder, kulturelle Prägungen und soziale Erwartungen? Wie passen diese zu den Rollen von Aylin Kaya als Gründerin, als Anwältin und als Mutter?

  • Wie balanciert Aylin Kaya die Bewahrung traditioneller Werte mit dem Streben nach modernem Unternehmertum und Innovation, und welche Kompromisse muss sie hierzu eingehen?

  • Bullough, A., Guelich, U., Manolova, T. S., & Schjoedt, L. (2022). Women’s entrepreneurship and culture: Gender role expectations and identities, societal culture, and the entrepreneurial environment. Small Business Economics, 58(2), 985–996. https://doi.org/10.1007/s11187-020-00429-6

  • Essers, C., Pio, E., Verduijn, K., & Bensliman, N. (2021). Navigating belonging as a Muslim Moroccan female entrepreneur. Journal of Small Business Management, 59(6), 1250–1278. https://doi.org/10.1080/00472778.2020.1769989

Diverse unternehmerische Karrierewege sichtbar machen: Ein Verständnis für die Vielfältigkeit von Gründungsmöglichkeiten bis hin zur Mehrfachgründung entwickeln

  • Wie entstand die Idee zur Gründung von Aylin Kayas beiden Unternehmen? Welche Inspirationen oder Erfahrungen führten in ihrem Fall zu diesen Schritten?

  • Welche Chancen und Herausforderungen können sich für Aylin Kaya aus der Entscheidung für ihre Mehrfachgründungen ergeben? Welche Vor- und Nachteile sollten im Allgemeinen bei der Betrachtung von Mehrfachgründungen berücksichtigt werden?

  • Carbonara, E., Tran, H. T., & Santarelli, E. (2020). Determinants of novice, portfolio, and serial entrepreneurship: An occupational choice approach. Small Business Economics, 55(1), 123–151. https://doi.org/10.1007/s11187-019-00138-9

  • José Ibáñez, M., & Guerrero, M. (2022). Women serial high-tech entrepreneurs: a literature review and research agenda. In D. Audretsch, M. Belitski, N. Rejeb, & R. Caiazza (Eds.), Developments in Entrepreneurial Finance and Technology (pp. 39–66). Edward Elgar Publishing. https://doi.org/10.4337/9781800884342.00009

Einsatzfelder und Nutzungshinweise

Der Fall richtet sich insbesondere an Student:innen und Praktiker:innen, die sich mit den Themen Unternehmensgründung, Rollenbilder und kulturelle sowie soziale Einflüsse auseinandersetzen möchten. Darüber hinaus dient die Fallstudie als Beispiel für mehrgleisige Karriereentwicklungen. Die Möglichkeit, parallel an mehreren Unternehmen zu arbeiten, wird als machbares Ziel präsentiert. Es wird gezeigt, wie durch individuelle Fach- und Branchenexpertise sowie eigene Erlebnisse innovative Ideen entstehen und Innovationen auf den Weg gebracht werden können.

Für die Bearbeitung empfiehlt es sich, nach einem Theorieinput und der zusätzlichen Erarbeitung der Literatur die Fallstudie zunächst individuell zu lesen. Die Teilnehmenden können anschließend in kleinere Teams aufgeteilt werden und sich in diesen intensiv und detailliert mit den spezifischen Aspekten und Fragestellungen der Fallstudie auseinandersetzen. Nach der Erarbeitung können die Teams ihre Ideen durch einen sogenannten "Gallery Walk" präsentieren, indem die Teilnehmenden von Gruppe zu Gruppe gehen und die verschiedenen Perspektiven und Lösungsansätze kennenlernen. Diese interaktive Herangehensweise unterstützt nicht nur den Wissenstransfer, sondern regt auch zur kritischen Reflexion an.

Was macht die Innovation und die Innovatorin in dieser Fallstudie aus?

Aylin Kaya treibt Innovationen voran, indem sie ihr juristisches Wissen mit moderner Technologie verknüpft, um eine spezialisierte Software-as-a-Service-Lösung zur Prozessoptimierung für den öffentlichen Dienst zu entwickeln. Ein weiterer innovativer Aspekt ist die Realisierung einer Win–Win-Win-Situation: Für Aylins Kanzlei ergibt sich die Möglichkeit, Dienstleistungen effizienter anzubieten und sich im Wettbewerb zu differenzieren, für den öffentlichen Dienst eröffnen sich Wege zur Leistungssteigerung und letztlich profitieren auch die Bürger:innen, indem öffentliche Mittel effektiver eingesetzt werden können.

Aylin selbst ist eine Innovatorin, die durch ihre interdisziplinäre Expertise in Recht und Technologie sowie ihre Anpassungsfähigkeit zwischen verschiedenen Kulturen besticht. Sie schafft es dabei, traditionelle Erwartungen und soziale Herausforderungen zu überwinden und sowohl Einzel- als auch Teamgründungen erfolgreich zu managen. Auch ihre Bereitschaft, mehrfach zu gründen und sich in verschiedenen Geschäftsfeldern zu engagieren, betont die Innovativität und Vielseitigkeit ihres unternehmerischen Handelns sowie ihre Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen und dabei kontinuierlich aus früheren Erfahrungen zu lernen.

3.2 Die Fallstudie

„Moin Aylin“, ruft Markus seiner Mitgründerin entgegen, während diese die Tür zum Besprechungszimmer hinter sich schließt und sich in einen der schweren, schwarzen Lederstühle fallen lässt. „Alles okay?“, fragt er mit leicht hochgezogenen Augenbrauen etwas leiser. Aylin Kaya atmet tief aus. Dieser „Techie“ hat einfach schon immer einen verdammt guten Sinn für emotionale Signale gehabt, denkt sie, bevor sie zu einer Erklärung ansetzt: „Ich habe meiner Mutter und meinem Vater gestern von unserer Gründung erzählt und – na ja, was soll ich sagen? Es lief so, dass mein Vater zum Schluss gar nichts mehr gesagt hat und meine Mutter zwischen Schreien und Schluchzen hin- und hergewechselt ist.“ Die 45-Jährige zuckt mit den Schultern und seufzt. „Das hatte ich ja leider schon fast erwartet …“ „Okay, jetzt mal ganz langsam und von vorne bitte“, unterbricht sie Markus, während er an seinem Drei-Tage-Bart zupft. „Warum genau ist es jetzt so ein Problem, dass du als weiteres Projekt in deiner Karriere eine Software mitentwickelst, die dir auch in deinem Anwältinnen-Alltag helfen wird und nebenbei großes Marktpotenzial und Erfolg verspricht?“ Das mochte Aylin an Markus: Er war ein Fan logischer Argumentation. „Ich glaube, so genau haben wir noch nie über meine Familie gesprochen“, murmelt Aylin, bevor sie sich auf die Lippe beißt. „Dann wird es jetzt wohl mal Zeit“, setzt Markus den Satz fort, bevor er sich im Sessel zurücklehnt und die Arme verschränkt. „Wir haben später sowieso das Meeting für die genaue Zeitplanung unseres Launches 2.0. Dann können wir den Familienteil auch vorziehen.“ Aylin nickt langsam. „Aber die Erklärung wird wohl etwas dauern.“ Mit einem kurzen, freundlichen Augenrollen und einer einladenden Handbewegung fordert ihr Mitgründer sie auf, zu beginnen.

„Du weißt ja, dass ich mit drei Jahren aus der Türkei hierher nach Deutschland gekommen bin. Grund dafür war, dass Baba – also mein Vater – hier einen Job als Gastarbeiter in einer Produktionsfirma bekommen hatte. Er war vorher Professor für Journalismus an der Universität Istanbul gewesen. Als sich 1980 allerdings durch den Militärputsch die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Türkei veränderten, war Baba mit seinem Fokus auf Journalismus, Presse- und Meinungsfreiheit der Regierung plötzlich ein Dorn im Auge. Somit haben sich meine Eltern entschieden, nach Deutschland zu kommen. Ein Teil meiner Familie war schon vor uns ausgereist und hatte Baba den Job in der Produktion vermittelt. Ein ganz schön harter Schritt für jemanden, der vorher als Professor tätig war. Aber was sollte er mit seinen geringen Deutschkenntnissen hier im Journalismus-Bereich machen? Seine Professur wurde hier nicht anerkannt.

Natürlich sind wir zu Beginn in die Nähe unserer Verwandten nach Altenessen-Nord gezogen. Das war erstmal das Einfachste, um hier in Deutschland anzukommen. Schwierig wurde es für mich erst so richtig in der Schule. Da wir zu Hause weiter Türkisch gesprochen haben, ich in der Schule aber schnell Deutsch lernen musste, war ich lerntechnisch oft erstmal etwas abgehängt. Ohne Nachhilfe-Unterricht hätte ich hier sicher nicht so schnell die Sprache lernen können. Zum Glück war Baba immer sehr engagiert. Er wollte, dass ich schnell lerne, mich integriere und „dass aus mir etwas wird“. Unter uns gesagt – ich hatte immer das Gefühl, dass er es nie überwunden hat, dass er seine eigene Karriere damals aufgeben musste, und nun wollte er, dass ich es als einziges Kind der Familie in seinen Augen „zu etwas bringe“. Er hat mich ständig zur Nachhilfe, zu den Pfadfindern und zum Schwimmunterricht gefahren und mich in allem – fast schon zu sehr – gefördert und gepusht. Gute Leistungen waren ihm immer wichtig. Meine Mutter sah das ganz anders. In ihrer Vorstellung sollte ich später die Familie repräsentieren. Für sie war von größter Bedeutung, dass ich in der Zukunft die Rolle einer guten Ehefrau übernehme. Eine Frau, die sich hauptsächlich um den Haushalt und die Kinder kümmert, aber auch ihrem Mann mit klugen Ratschlägen zur Seite stehen kann – so, wie sie es selbst durchlebt hat.

Durch den engen Draht zu meinem Vater, durch seine Vorstellungen und den Einfluss meiner Freundinnen und Freunde hier in Deutschland habe ich mich schon zu Schulzeiten mehr und mehr von den traditionellen Zukunftsvorstellungen meiner Mutter distanziert. Als meine beiden Elternteile merkten, dass ich auf der weiterführenden Schule sehr gute Noten hatte, waren sie zufrieden – zumindest so lange, bis ich mich auch immer stärker vom muslimischen Glauben und unseren Traditionen distanzierte und mich einer frühen Hochzeit verweigerte. Das hat vor allem meiner Mutter das Herz gebrochen. Beruhigen konnte ich sie – mit der Rückendeckung meines Vaters – damit, dass ich versprach, Jura zu studieren. Hier konnte ich argumentieren, dass ich viel Konzentration für den langen Weg des Studiums der Rechtswissenschaften aufbringen und mir wenig Zeit für Ablenkungen, zum Beispiel durch einen Partner, erlauben dürfte. Dies konnte meine Mutter zähneknirschend verstehen und es war auch eine akzeptable Begründung, die meine Eltern anderen Freund:innen und Verwandten präsentieren konnten. Als ich dann mein juristisches Staatsexamen schließlich mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, ist mein Vater fast vor Stolz geplatzt. Es folgten Referendariat, Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die ersten Jahre in der Kanzlei und meine Spezialisierung auf Arbeitsrecht. Bei Familientreffen, bei denen ich nur spärlich erschien, hieß es immer seitens der Verwandten: „Die Aylin, die verdient bald richtig gutes Geld. Aber die Familie bekommt sie ja gar nicht mehr zu Gesicht.“ Latenter Druck also, von vielen Seiten.

Der nächste Schock für meine Familie kam dann, als ich den Weg zur Gründung meiner eigenen Kanzlei gehen wollte. Auch das passte – gerade in den Augen meiner Mutter – wieder so gar nicht in das Bild, das sie sich für mich gewünscht hätte. In ihren Augen sei ich doch nun endlich – damals war ich 34 – fest angekommen als Juristin und hätte zumindest noch eine kleine Chance, einen Partner zu finden und eine Familie zu gründen. Naja, abgehalten hat sie mich von der Gründung nicht. Je mehr ich gemerkt habe, wie viel Spaß mir auch das Management der Kanzlei bereitet, umso weniger war für mich an Familienplanung zu denken. Damals bestand meine Familie wohl eher aus langjährigen Mandant:innen, Unternehmer:innen und meinen drei besten Freundinnen, die ich ab und an mittags zum Lunch traf. Tja, und das änderte sich dann schlagartig, als ich Lutz kennenlernte. Die Geschichte kennst du ja. Mit ihm ging plötzlich alles ganz schnell – verlieben, zusammenziehen und dann nach nur 1,5 Jahren die Geburt von Maya. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich meine Eltern waren. Und dann kam gestern der größte Streit auf, an den ich mich seit Langem erinnern kann“.

Markus hatte geschwiegen und nur ab und an verständnisvoll genickt. „Das heißt, wenn ich dich richtig verstehe, wussten deine Eltern bis gestern nicht, dass du neu gegründet hast?“, fragt er vorsichtig. Aylin seufzt. „Richtig, denn ich wusste, es würde Streit geben. Mir war klar, dass wir erst die Gründung vollenden und unser Produkt ein ganzes Stück voranbringen müssten, damit es für mich kein Zurück mehr gibt und ich mich nicht doch noch umstimmen lasse“, antwortet Aylin bedrückt. „Okay, verstehe“, nickt Markus ihr langsam zu. „Aber du hast doch schon mal gegründet – also die Kanzlei? Wo ist das Problem? Gerade dein Vater müsste doch eher größte Hochachtung vor dir haben, dass du deinen Weg so gehst, wie du ihn gehst?“ Aylin blickt kurz vom Tisch auf und lächelt bedrückt. „Für ihn ist Technologie Humbug. Er ist ein Mann, der an Wissenschaft und Bücher glaubt und daran, dass Erfolg durch harte Arbeit und Wissen entsteht – nicht dadurch, dass man einfach mal Dinge ausprobiert und damit – in seinen Worten – eine Menge Geld verbrennen kann.“ Wieder hakt Markus ein: „Aylin – ich meine, ich kenne deine Eltern nicht – aber Punkt 1: Du bist eine erwachsene Frau, die sich normalerweise von nichts und niemandem etwas sagen lässt. Punkt 2: Hast du ihnen erklärt, wie du auf die Idee gekommen bist? Gerade dein Vater als rational denkender Mann und Wissenschaftler müsste diese Möglichkeit mit einer entsprechenden Erklärung doch glasklar vor sich sehen? Und Punkt 3: Du bist ja nicht allein. Mich gibt es ja auch noch, und ich halte dich schon davon ab, Geld zu verbrennen.“ Markus grinst.

In diesem Moment erfüllt Aylin große Dankbarkeit, diesen bärtigen, schmalen Mann getroffen zu haben – über eine Plattform, die Unternehmer:innen und die, die es werden wollen, zusammenbringt. „Mein Perfect Match, fast wie bei Tinder, nur ohne Date“ – so hatte sie Markus schon öfter spaßhaft bei Bekannten vorgestellt. Auf der Plattform hatte Aylin damals ihre Idee für die zweite Gründung geteilt und nach einem Co-Gründer gesucht, der die technische Seite und Entwicklung der Software übernehmen wollte. Ihre Stärken lagen eher im juristischen und Management-Bereich und sie wollte jemanden, der mit ihr gemeinsam an die Sache glaubt und daran arbeitet, nicht nur einen Dienstleister. Als sie Markus in ihrem allerersten Gespräch traf, stimmte die Chemie sofort. Es hatte einfach auf allen Ebenen gepasst: Beide wollten das Vorhaben zunächst mit eigenen finanziellen Mitteln starten, bevor sie nach Investor:innen suchten. Auch Markus hatte schon mehrfach erfolgreich gegründet – jedoch im Nebenerwerb – und brachte somit einiges an Wissen, Know-how und wichtigen Netzwerken mit. Ähnlich wie Aylin, die neben ihrer Arbeit in der Kanzlei und der Familie nach einem neuen Projekt suchte, fühlte sich Markus in seiner sicheren Position als Entwickler in einem Konzern unterfordert und suchte nach einer neuen Herausforderung außerhalb seiner eigenen Komfortzone.

„Natürlich habe ich versucht, ihnen alles genau zu erklären. Ich habe versucht zu erklären, dass ich gemerkt habe, wie viele Ressourcen im öffentlichen Dienst für Verwaltungsvorgänge im Arbeitsrechtbereich gebunden werden, die durch eine Digitalisierung der Vorgänge wieder frei werden könnten. Natürlich habe ich auch versucht ihnen zu erklären, dass ich über die Jahre viele Themen zu Tarifverträgen oder Beamtenrecht auf dem Tisch hatte und sich so in meinem Kopf die Idee geformt hat, meine juristischen Erfahrungen mit einer technologischen Plattform zu koppeln, um auf der Seite meiner Kanzlei und auf Seiten des öffentlichen Dienstes Ressourcen freizuschaufeln, sodass diese für andere Themen genutzt werden können und – im Falle des öffentlichen Dienstes – diese freien Kapazitäten uns Bürgerinnen und Bürgern wieder zu Gute kommen. Eine Win–Win-Win Situation sozusagen. Ich habe auch versucht zu erklären, dass wir ja nicht das erste Unternehmen im Legal-Tech Bereich sind, sondern uns von anderen Start-Ups schon ein paar Tipps und Tricks abgeschaut haben, in einem Accelerator-Programm waren und unsere Idee schon mehrfach vor Business Angels vorgestellt haben. Spätestens ab dem Moment ist meine Mutter in Tränen ausgebrochen und mein Vater hat nur mit hohler Stimme gesagt: „Wir haben dich so sehr gefördert und immer Verständnis aufgebracht. Aber jetzt wirfst du deinen guten Job als Juristin und alles, was du erreicht hast, weg, um wieder bei Null anzufangen und von anderen Leuten Geld anzunehmen – für eine fixe Idee?“ Sie können sich diese Welt einfach nicht vorstellen. Juristin, das sagt ihnen noch etwas, aber eine Software-as-a-Service-Lösung? Da gehen die Schotten bei ihnen schneller runter als du „Geschäftsmodell“ sagen kannst. Sie verstehen nicht, dass die Gründung auch in meiner Kanzlei helfen kann, einige Vorgänge schneller zu bearbeiten.

Auch das Prinzip Mehrfachgründung ist ihnen völlig fremd. Für sie gründet man – wenn überhaupt – maximal einmal und bleibt dann den Rest des Lebens in dieser einen Gründung verhaftet. Natürlich bin ich Juristin und nun gemeinsam mit dir in die Tech-Branche eingestiegen. Klar sieht das Unternehmenswachstum hier ganz anders aus als in einer Kanzlei und selbstverständlich wird auch anderes Wissen benötigt. Einige Learnings aus meiner Gründung der Kanzlei nehme ich natürlich trotzdem mit. Gründen macht mir einfach so viel Spaß – Lösungen finden für Probleme. Ich würde auch nicht ausschließen, nochmal zu gründen …“

Markus lacht. „Wenn ich nochmal wählen könnte, würde ich mich wieder für eine gemeinsame Gründung mit dir entscheiden. So viel Leidenschaft, wie du für deine Themen mitbringst – und von deinem Know-how ganz zu schweigen. Lass deinen Eltern Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Wenn du magst, können wir uns auch mal gemeinsam mit deinen Eltern zusammensetzen und das ganze Geschäftsmodell vorstellen. Vielleicht bin ich ja auch ein ganz gutes Beispiel – ich habe schließlich schon dreimal gegründet …“