Ein neues Paradigma zeichnet sich global und in der europäischen Regulierung ab: die explizite Berücksichtigung von Natur und ihren Leistungen als Grundlage einer holistischen Unternehmensberichterstattung, Steuerung und Finanzierung. Damit verbunden sind ein neues Naturverständnis sowie ein Transformationspotenzial zu einer natur-positiven Lebens- und Wirtschaftsweise.

4.1 Aktueller Stand der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die wirtschaftliche und politische Notwendigkeit, weltweit anerkannte Standards für die Finanzberichterstattung zu schaffen und zu etablieren, hat zu einer beträchtlichen Transparenz hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Unternehmen geführt. Im Gegensatz dazu befindet sich der Prozess der Sichtbarmachung der sozial-ökologischen Beiträge von Unternehmen noch im Anfangsstadium (Laine et al. 2022). Im Unterschied zur Entwicklung etablierter Standards der Finanzberichterstattung wird der Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung maßgeblich von privatwirtschaftlichen Institutionen und Verbänden initiiert und vorangetrieben. Akademische Expertisen aus den Bereichen Soziologie, Ökologie und Ökonomie spielen hierbei eine große Rolle (Bebbington 2021). Erst in den letzten Jahren, ausgelöst durch den zunehmenden gesellschaftlichen Druck und die Verabschiedung international-rechtlicher Rahmenwerke wie dem Pariser Klimaabkommen oder dem Kunming-Montreal Biodiversitätsabkommen, hat die Nachhaltigkeit – und hierin insbesondere die biologische Vielfalt – auf der nationalen und internationalen Politik- und Regulierungsagenda mehr Aufmerksamkeit erlangt.

EU-Perspektive

Im Rahmen ihres europäischen Green Deal und insbesondere seit der Erstanwendung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) im Jahr 2017 hat die Europäische Union eine führende Rolle bei der Standardisierung einer verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen übernommen (Breijer und Orij 2022). Mit der Einführung der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und der EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten (EU-Taxonomie) ab den Jahren 2021 bzw. 2022 hat die EU zudem ausdrücklich auch den Finanzsektor ins Visier genommen und umfangreiche und strenge Offenlegungspflichten auferlegt (Cremasco und Boni 2022). Die bestehende NFRD definiert allerdings keine umfassende und verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung für weite Teile der Wirtschaft. Dies hat zu einer Situation geführt, in der der Finanzsektor Nachhaltigkeitsaspekte seiner Kunden bewerten und offenlegen muss, ohne jedoch Zugang zu einer standardisierten und gesetzlich vorgeschriebenen Datenbasis über seine Kunden zu verfügen. Dieser Mangel an relevanten und verlässlichen Daten führt in einem sehr stark wachsenden Markt für nachhaltige Finanzprodukte zu deutlich erhöhter Intransparenz und somit letztendlich einem zunehmenden Greenwashing-Risiko (Wildner et al. 2022).

Vor diesem Hintergrund gewannen freiwillige, zumeist privatwirtschaftliche Berichterstattungsstandards und Rahmenwerke wie beispielsweise die der Global Reporting Initiative (GRI), des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) oder des International Integrated Reporting Committee (IIRC) verstärkt an Bedeutung. Ebenso gewannen stark regionalisierte Leitlinien wie in Deutschland der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) an Bedeutung. Eine Standardisierung und somit Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen zwischen Unternehmen und Branchen fand allerdings nur bedingt statt (Wildner et al. 2022).

Um dieser Problematik zu begegnen, verpflichtet die EU im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab dem 01.01.2024 schrittweise über 40.000 EU-Unternehmen zur Implementierung eines entsprechend umfassenden und verbindlichen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Betroffenen Unternehmen müssen dabei sowohl über ihre Einflüsse auf als auch ihre Abhängigkeiten und Risiken von Natur und Gesellschaft berichten, und zwar standortspezifisch und über ihre gesamte Wertschöpfungskette hinweg (Europäische Union 2022).

Diese umfassende und detaillierte Betrachtung von Nachhaltigkeitsthemen und deren Auswirkungen sowohl auf das Unternehmen (Outside-In-Perspektive) als auch durch das Unternehmen (Inside-Out-Perspektive) in Verbindung mit der Forderung nach einer kontinuierlichen Abstimmung und Validierung mit den relevanten Stakeholdern unterscheidet die EU CSRD und den ihr zugrunde liegenden Berichtsrahmen, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), von anderen Nachhaltigkeitsberichtsstandards deutlich (Wildner et al. 2022).

In Bezug auf die Berichterstattung über die Natur ist der Themenstandard ESRS E4 von zentraler Bedeutung. Unternehmen müssen gemäß diesem Standard sowohl ihren Einfluss auf als auch ihre Abhängigkeit von der Natur, ihren Ökosystemen, Arten und Leistungen bewerten, messen und letztendlich offenlegen (Europäische Union 2023c).

Internationale Perspektive

Auf internationaler Ebene ist das Rahmenwerk der Global Reporting Initiative (GRI), das 1999 eingeführt wurde und von rund 10.000 Unternehmen in mehr als 100 Ländern verwendet wird, für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, insbesondere in Bezug auf die biologische Vielfalt, von wesentlicher Bedeutung (Machado et al. 2020).

Aufgrund ihres Rufs als internationaler Standardsetzer in Bezug auf die Finanzberichterstattung von Unternehmen sind die teils veröffentlichten, teils im Entstehen begriffenen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung des International Sustainability Standards Board (ISSB) der IFRS Foundation ebenfalls bedeutsam (Förster et al. 2023).

Im Gegensatz zu den ESRS der EU konzentriert sich die Berichterstattung nach den GRI-Standards ausschließlich auf die Inside-Out-Perspektive (Global Reporting Initiative 2022), während die aktuellen ISSB-Nachhaltigkeitsstandards lediglich eine Outside-In-Perspektive mit einem ausschließlichen Fokus auf die Klimaberichterstattung bieten (International Financial Reporting Standards Foundation 2023).

Bereits kurze Zeit nach dem In-Kraft-Treten der ESRS-Berichtspflichten wird deutlich, dass diese im Allgemeinen und der ESRS E4 im Besonderen einen starken Einfluss auf internationale Berichtsstandards haben. Dadurch wird auch die Rolle und Bedeutung einer umfassenden Berichterstattung zur Interaktion von Unternehmen mit der Natur, ihren Bestandteilen und Leistungen international stark zunehmen.

4.2 Die Rolle von Biodiversität, Ökosystemen und deren Leistungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Berichterstattung über biologische Vielfalt, Ökosysteme und deren Leistungen spielt innerhalb der EU CSRD und ihrer ESRS eine zentrale Rolle, während sich andere Berichterstattungsstandards und Regularien zumeist auf spezifische Teilaspekte konzentrieren. In Abb. 4.1 ist wiedergegeben, wie Wirtschaft und Gesellschaft sowohl Einflüsse (Impact Driver) auf Ökosysteme und Arten (Assets) ausüben, als auch von ihnen bzw. von entsprechenden Ökosystemleistungen (Flows) abhängig sind. Aus den so entstehenden Auswirkungen auf (Impacts) und Abhängigkeiten (Dependencies) von der Natur entstehen sowohl für das Unternehmen als auch für Wirtschaft und Gesellschaft Risiken (transitorische, physische und/oder systemische) und Chancen (Opportunities), über die im Rahmen eines CSRD-konformen Reportings transparent berichtet werden muss.

Abb. 4.1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Themenspektrum der Biodiversitätsberichterstattung und die spezifischen Rechnungslegungsanforderungen für die Einhaltung der EU CSRD und anderer international relevanter Berichtsstandards.

Der entsprechende Themenstandard der CSRD ist der sogenannte ESRS E4 (Europäische Union 2023b). Er fordert eine holistische Betrachtung der Biodiversität auf Grundlage ihrer einzelnen Bestandteile – Arten, Ökosystem, Ökosystemleistungen und Treiber des Naturverlusts – und ist somit als konsolidierender Standard für alle Umwelthemen verfasst und zu verstehen: So hat z. B. der Einflussfaktor (Impact Driver) „Umweltverschmutzung“ mit dem ESRS E2 (Europäische Union 2023c) einen eigenen thematischen Standard, zentrale Messgrößen und Informationen sind aber auch im ESRS E4 zu berichten oder zumindest entsprechend zu referenzieren. Ziel einer Berichterstattung nach dem ESRS E4 ist somit eine ganzheitliche Darstellung sowohl der Einflüsse eines Unternehmens auf als auch seiner Abhängigkeiten von Ökosystemen, Arten und Ökosystemleistungen (Europäische Union 2023b). Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit wird somit in den ESRS, vor allem aber im ESRS E4, erstmals in einem international verpflichtend anwendbaren Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung umgesetzt (Europäische Union 2023a).

Von grundlegender Bedeutung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die biologische Vielfalt ist ein korrektes Verständnis des Begriffs Biodiversität und seines Umfangs aus Sicht der Rechnungslegung: Während der Begriff Biodiversität konsequent der Definition des Internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) folgt und auf die Vielfalt des natürlichen Lebens und die daraus resultierenden Strukturen und Dienstleistungen abzielt (CBD 2023), erfordert die Messung, Quantifizierung und anschließende Berichterstattung dieser „Vielfalt“ individuelle Buchhaltungs- und Berichtssysteme sowie -methoden. Wie Abb. 4.1 zeigt, ist die ESRS E4-konforme Biodiversitätsberichterstattung folglich in vier unterschiedliche Buchhaltungs- und Berichtssysteme unterteilt. Wenn diese Systeme zusammengeführt werden, bieten sie einen vollständigen Überblick über den Umgang des berichtenden Unternehmens mit der Natur sowie seine Abhängigkeit von ihr.

Impact Driver Accounting

Impact Driver Accounting untersucht die aktuellen und potenziellen Einfluss- oder Belastungsfaktoren (Impact Drivers oder Impacts), die wirtschaftliche Aktivitäten auf Ökosysteme, Arten und letztlich Ökosystemleistungen ausüben. Diese Bewertung bildet die Grundlage für eine strukturierte Wesentlichkeitsanalyse, die den ersten Schritt einer an den ESRS ausgerichteten Berichterstattung darstellt (Europäische Union 2023a). Sie konzentriert sich auf die Hauptverursacher des Naturverlusts, wie sie von der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) identifiziert wurden: Klimawandel, Verschmutzung, Landnutzung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Invasive Arten (IPBES 2019).

Impact Driver Accounting zielt darauf ab, Einflussfaktoren, die nachweislich Auswirkungen auf die Umwelt haben und durch ökonomische Aktivitäten verursacht werden, zu identifizieren, zu messen und darüber zu berichten. Beispiele für Messpunkte sind der Wasserverbrauch in Kubikmetern, die Landnutzung einer Produktionsstätte in Hektar oder die CO2-Emissionen in Tonnen. Das Natural Capital Protocol (Capitals Coalition 2020) sowie die Natural Capital Management Accounting Methode (Value Balancing Alliance et al. 2023) bieten einen weithin akzeptierten und praktisch etablierten Rahmen in Bezug auf eine praktische Umsetzung eines solchen Impact Driver Accounting Berichtssystems (Wildner et al. 2023) sowie einer Monetarisierung entsprechender Datenpunkte.

Die Umsetzung dieser Rahmenwerke verlangt von den Unternehmen, dass sie transparente und quantifizierbare Daten über ihre Umweltauswirkungen vorlegen. Diese Informationen sind für Interessengruppen und Investoren, die Nachhaltigkeit zunehmend in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen, unerlässlich. Darüber hinaus sind sie auch für die Unternehmen selbst wichtig, da sie das Risikomanagement, die Leistungsoptimierung sowie den Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen (Wildner et al. 2023).

Insbesondere im Rahmen der EU CSRD, zeigt, dass Rechenschaftspflicht und ein Wandel hin zu nachhaltigeren Praktiken, die das langfristige Wohl der Gesellschaft und des Planeten berücksichtigen, erforderlich sind. Dies verdeutlicht das wachsende Bewusstsein für die Interdependenz von wirtschaftlichen Aktivitäten und ökologischem Wohlergehen sowie die Verantwortung der Unternehmen, innerhalb der ökologischen Grenzen zu arbeiten (Value Balancing Alliance et al. 2023).

Ecosystem Accounting

Im Gegensatz zum Impact Driver Accounting, das die Umweltauswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten untersucht, beschreibt das Ecosystem Accounting die Veränderungen, die in der Natur stattfinden. Das Ecosystem Accounting, das auch die Artenbilanzierung umfasst, zielt darauf ab, das Ausmaß, die Zusammensetzung, den Zustand und die Veränderung der Natur, die von den wirtschaftlichen Bemühungen eines Unternehmens betroffen sind, zu erfassen.

Während eine solche Buchführung und Berichterstattung in erster Linie für die nationale Berichterstattung auf der Grundlage des UN-Rahmenwerks für die umweltökonomische Gesamtrechnung (United Nations et al. 2021) von Bedeutung ist, liegt der Schwerpunkt der Unternehmensberichterstattung überwiegend auf konsolidierten Indikatoren (Finance for Biodiversity Foundation 2022). Beispiele für diese Indikatoren sind die Mean Species Abundance (MSA) oder die Nähe zu sensiblen Naturgebieten oder bedrohten Arten. Diese Form der Berichterstattung stellt eine erhebliche Vereinfachung gegenüber der nationalen Berichterstattung dar, vor allem aufgrund des anderenfalls erheblichen Aufwands, der erforderlich ist, um eine standortspezifische, detaillierte Ökosystembilanzierung über die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens durchzuführen (Wildner et al. 2022).

Zusätzliche Metriken ergeben sich aus der verpflichtenden Einhaltung weiterer Vorschriften, wie etwa der EU Verordnung für entwaldungsfreie Produkte oder lokalen Umweltverträglichkeitsprüfungen. Ein wichtiger Aspekt, insbesondere bei der Einhaltung der EU-Taxonomie und der SFDR, ist abermals die Darstellung der räumlichen Nähe wirtschaftlicher Aktivitäten zu stark geschützten Gebieten und Arten.

Das Ecosystem Accounting ist im Unternehmenskontext vor die Herausforderung gestellt, umfangreiche und für Laien überwiegend schwer zu verstehende ökologische Daten in ein Format zu integrieren, das für Ersteller und Nutzer einer solchen Berichterstattung zugänglich und relevant ist. Gleichzeitig muss es für das berichtende Unternehmen praktikabel umsetzbar sein. Die Unternehmen müssen ihre direkten Auswirkungen bewerten und ihren ökologischen Fußabdruck erfassen, einschließlich der Veränderungen in der natürlichen Umwelt, für die sie verantwortlich sind. Diese Form der Rechnungslegung ist im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen von wachsender Bedeutung, da sie einen umfassenderen Blick auf die Verbindung eines Unternehmens mit der natürlichen Welt ermöglicht und das Verständnis für die potenziellen Gefahren und Abhängigkeiten verbessert, mit denen Unternehmen aufgrund ihres Einflusses auf die Umwelt konfrontiert sind.

Dependency Accounting

Dependency Accounting unterscheidet sich sowohl von Impact Driver Accounting als auch von Ecosystem Accounting, indem es sich auf das berichtende Unternehmen konzentriert und fragt, wie es von der Natur beeinflusst wird. Diese Art der Rechnungslegung zeigt die Abhängigkeit eines Unternehmens von Ökosystemen und deren Leistungen, die häufig unentgeltlich oder sogar unwissentlich bezogen werden. Sie hebt bestimmte Ökosystemleistungen hervor, die für wirtschaftliche Prozesse entscheidend sind und deren Rückgang zu wirtschaftlichen Konsequenzen wie erhöhten Kosten oder Produktionsstopps führen kann (Power et al. 2022). Beispielhaft sind Kraftwerke, die sauberes, kühles Wasser in ausreichender Menge benötigen, eine intakte Vegetation, die vor Umwelteinflüssen schützt, oder Insekten, die für landwirtschaftliche Betriebe und somit die Lebensmittelindustrie wichtige Bestäubungsleistungen erbringen. Neben einem grundsätzlichen Abhängigkeitsprofil je ökonomischer Aktivität erfordert das Dependency Accounting eine standortspezifische Identifizierung, Messung und Berichterstattung der als wesentlich identifizierten Ökosystemleistungen sowie deren Verfügbarkeit (Europäische Union 2023b). Während die Bilanzierung und Berichterstattung für rohstoffartige Ökosystemleistungen wie die Bereitstellung von Wasser, Holz oder Biomasse relativ einfach umzusetzen ist, fehlen für einen Großteil der regulierenden, kulturellen und unterstützenden Ökosystemleistungen sowohl etablierte Indikatoren als auch eine übergeordnete Bilanzierungsmethode, die es Unternehmen ermöglicht, neben der reinen Abhängigkeit auch standortspezifische Erkenntnisse im Hinblick auf die zukünftige Verfügbarkeit aus dem Ecosystem und Impact Accounting einzubeziehen (Taskforce on Nature-related Financial Disclosure 2023). Erste Studien und Methoden wurden auf makroökonomischer Ebene vorgeschlagen, vor allem von der Weltbank (Johnson et al. 2021) und der Europäischen Zentralbank (Boldrini et al. 2023). Zudem ist das Thema im Rahmen des United Nation System of Environmental Economic Accounting – Ecosystem Accounting (UN SEEA-EA) und damit in der nationalen Berichterstattung von Bedeutung (United Nations et al. 2021). Darüber hinaus plant das EU-Horizon-Projekt SELINA einen umfassenden Ansatz zu entwickeln, der sowohl die Ökosystem- als auch die Ökosystemleistungsrechnung umfasst (SELINA 2023).

Nature-related Risks and Opportunities Accounting

Wie in Abb. 4.1 dargestellt, ist die Identifizierung, Quantifizierung und Bewertung der finanziellen Risiken und Chancen, die sich aus der Interaktion eines Unternehmens mit natürlichen Ökosystemen ergeben, ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach EU CSRD und ESRS E4. Die Risiken werden dabei in die Kategorien Übergangs-, physische und systemische Risiken eingeteilt.

  • Übergangsrisiken ergeben sich hauptsächlich aus rechtlichen, regulatorischen und gesellschaftlichen Vorgaben als Reaktion auf negative Auswirkungen, die das Unternehmen auf die Gesellschaft und die Natur hat oder haben könnte. Unternehmen müssen sich an diese anpassen, um Sanktionen, behördliche Strafen oder eine geringere Verbrauchernachfrage zu vermeiden, was Anpassungen der betrieblichen Abläufe oder der strategischen Ausrichtung erfordern kann (Europäische Union 2023b).

  • Physische Risiken entstehen in erster Linie aus unerkannten oder schlecht verwalteten Abhängigkeiten von natürlichen Systemen, die aufgrund veränderter Umweltbedingungen oder fehlender kosteneffizienter Ersatzprodukte plötzlich zu erheblichen Kosten oder Verbindlichkeiten werden können. Wenn beispielsweise eine kritische Komponente einer Lieferkette stark von der Ökosystemleistung Bestäubung abhängt, entsteht ein finanzielles Risiko im Sinne des Nature-related risks and opportunities accounting, wenn diese Leistung bedroht ist und die Kosten für die Anpassung oder Substitution voraussichtlich erheblich sind (Europäische Union 2023b).

  • Systemische Risiken umfassen sowohl Übergangs- als auch physische Risiken, die auf der Ebene einzelner Branchen oder der Makroökonomie aggregiert werden. Es werden typische Abhängigkeits- und Risikoprofile erstellt und die Auswirkungen auf eine Branche, die Volkswirtschaft, die Finanzmärkte oder die Weltwirtschaft häufig durch Risikoszenarioanalysen modelliert. In der Unternehmensberichterstattung liegt der Schwerpunkt auf der Analyse spezifischer Lieferketten, von denen das Geschäftsmodell des Unternehmens stark abhängig ist und die ihrerseits und letztendlich systemisch von einer Interaktion mit der Natur abhängen (Europäische Union 2023b).

Ähnlich wie das Dependency Accounting befindet sich das Nature-related risks and opportunities accounting in einem frühen Stadium eines Standardisierungsprozesses, der es Unternehmen ermöglichen soll, effiziente, wissenschaftlich fundierte und international anerkannte Analysen, Messsysteme und Indikatoren zu veröffentlichen. Während eine Reihe von Zentralbanken bereits an solchen Rahmenwerken auf makroökonomischer Ebene arbeitet (Network on Greening the Financial System 2022), plant die EU, im Rahmen eines mehrjährigen EU-Horizon-Projekts ein solches Rahmenwerk für die Nutzung durch Unternehmen wissenschaftlich zu erstellen (Europäische Kommission 2023). Darüber hinaus befasst sich auch der Finanzsektor zunehmend mit diesem äußerst wichtigen Thema (Förster et al. 2023).

4.3 Aktueller Stand der Naturberichterstattung und relevante Stakeholder

Der Prozess zur Schaffung eines weltweit akzeptierten Standards für die Berichterstattung über Biodiversität, Ökosysteme und Ökosystemleistungen wird von einer kleinen Zahl sehr einflussreicher Interessengruppen geprägt und vorangetrieben. Er weist ähnliche Merkmale und Charakteristika auf wie das bereits etablierte Umfeld für die Berichterstattung über den Klimawandel. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf der Entwicklung wissenschaftlich fundierter, aber zugleich praktikabler Richtlinien für die Naturberichterstattung von Unternehmen, um das Ziel zu erreichen, relevante, genaue und objektive Informationen über die Auswirkungen und Abhängigkeiten eines Unternehmens von der Natur zu liefern.

Abb. 4.2 zeigt die wichtigsten Akteure, ihre Rolle und ihr Ziel bei der Entwicklung eines standardisierten globalen Rahmens für die Berichterstattung über die biologische Vielfalt. Die EU CSRD ist von zentraler Bedeutung und bezieht sich in ihrem Berichterstattungsstandard zur Biodiversität und Ökosystemen (ESRS E4) sowie entsprechenden Anwendungshilfen auf Arbeiten und Leitfäden von jenen Stakeholdern, die sich teilweise noch in der Entwicklung befinden.

Abb. 4.2
figure 2

(Eigene Darstellung)

Wichtige Akteure und deren Rolle bei der Entwicklung eines standardisierten globalen Rahmens für die Berichterstattung über die biologische Vielfalt in Unternehmen.

Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) (Diaz et al. 2015) hat die grundlegende Aufgabe, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse das weltweite Bewusstsein für den aktuellen Zustand der Natur, den Trend des fortschreitenden Naturverlusts und die Rolle der Gesellschaft in diesem Prozess zu stärken. Die globalen Bewertungen von IPBES bieten eine weltweit anerkannte Grundlage und einen Fahrplan zum Schutz der Biodiversität und der Ökosystemleistungen für internationale Politik und Regulierung. Dementsprechend spielt dieses Thema neben den anderen vier Haupttreibern z. B. in den Standards ESRS E4 oder GRI-304 (GRI 2023) sowie in der Arbeit der Taskforce on Nature-related Financial Disclosure (TNFD 2023) eine zunehmend wichtige Rolle.

In Anerkennung der Bedeutung der IPBES-Ergebnisse haben sie die Vereinten Nationen (UN) in ihre Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung aufgenommen, die sich auch in den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) widerspiegelt (Bennich et al. 2020). Viele globale Regelungen und rechtliche Rahmenbedingungen sowie in wachsendem Ausmaß Unternehmenspolitiken und -strategien beziehen sich auf die SDGs der Vereinten Nationen. Während sich die SDGs 14 und 15 ausdrücklich auf den Naturschutz beziehen, wird in jedem SDG die grundlegende Rolle anerkannt und unterstützt, die Ökosysteme und ihre Leistungen für eine gerechte und nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung spielen. Diese Integration unterstreicht die entscheidende Verbindung zwischen dem menschlichen Wohlergehen und dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme, von deren Leistungen die Gesellschaft grundlegend abhängig ist.

Als Reaktion auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die globale Bedeutung von Biodiversität spielt die im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) einberufene UN-Biodiversitätskonferenz eine zentrale Rolle bei der Ausgestaltung internationaler Rahmen- und Regelwerke (Hoban et al. 2020). Im Dezember 2022 einigten sich mehr als 190 Staaten auf das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) der CBD, das rechtsverbindliche Ziele zur Eindämmung und Umkehrung des Biodiversitätsverlusts bis 2030 bzw. 2050 definiert (CBD 2023). Ähnlich wie viele der Ziele und Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommens sind das GBF und seine Zielvorgaben für die Biodiversitätsberichterstattung von Unternehmen von grundlegender Bedeutung, da sie in den meisten Berichtsstandards und -rahmenwerken einen zentralen Bezugspunkt für die Definition der übergeordneten politischen Ziele darstellen, zu denen die Berichterstattung beitragen soll.

Die Global Reporting Initiative (GRI) ist ebenso für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen bedeutsam. Seit 1999 sind die GRI-Berichtsstandards weltweit als führender Rahmen für die transparente Offenlegung der ökologischen, sozialen und Governance-Auswirkungen (ESG) eines Unternehmens anerkannt. Als Reaktion auf das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung von Biodiversität und Ökosystemen hat die GRI diese Themen in einen eigenen Standard, GRI-304, aufgenommen (GRI 2016). Um eine enge Abstimmung mit den allgemeinen Zielen des CBD GBF und dem ESRS E4 der EU CSRD zu erreichen, hat die GRI mit dem GRI-101 eine Aktualisierung und Erweiterung ihres Biodiversitätsstandards Anfang 2024 veröffentlicht (GRI 2024). Während der aktuelle Standard, der ab 01.01.2026 verpflichtend durch den GRI-101 ersetzt wird, nur die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Natur berücksichtigt, fordert der aktualisierte Standard von den Unternehmen auch ihre Abhängigkeit von der Natur und deren Leistungen zu berücksichtigen.

Die Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) etabliert sich als das führende und weltweit akzeptierte Rahmenwerk für die Naturberichterstattung in der Praxis (Wildner et al. 2022) – parallel zur Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Dabei stimmt die TNFD grundsätzlich mit den Zielen der EU CSRD überein, Umweltbelange in die finanzielle Entscheidungsfindung zu integrieren, indem von Unternehmen verlangt wird, sowohl über ihre Auswirkungen auf als auch über ihre Abhängigkeit von Biodiversität, Ökosystemen und deren Leistungen zu berichten. Als Non-Profit-Organisation konzentriert sich die TNFD vor allem auf die finanziellen Risiken des anhaltenden Naturverlusts, jedoch innerhalb des allgemeinen Rahmens und der Rahmenbedingungen des Impact and Dependency Accounting innerhalb der von IPBES definierten wissenschaftlichen Grenzen (Wildner et al. 2022). Nach einer etwa zweijährigen öffentlichen Konsultation veröffentlichte das TNFD im September 2023 sein endgültiges Rahmenwerk (TNFD 2023) und wird auch in Zukunft weitere Leitlinien zu Themen wie Szenarioanalysen oder der Bewertung von Natur und ihren Leistungen aktualisieren und ergänzen. (Wildner et al. 2022).

Vergleichbar der Science-based Target Initiative (SBTi) in Bezug auf klimabezogene Ziele und Metriken spielt das Science Based Targets Network (SBTN) eine grundlegende Rolle für die Definition von wissenschaftsbasierten Zielen und Metriken, um sie in der Naturberichterstattung von Unternehmen zu verwenden (Wildner et al. 2022). Erste Leitlinien zu wissenschaftsbasierten Zielen und Metriken für Süßwasser- und Landökosysteme wurden bereits veröffentlicht (SBTN 2023). Bis Mitte 2025 will das SBTN sein erstes vollständiges Rahmenwerk für alle relevanten Bereiche des Impact and Ecosystem Accounting veröffentlichen (Gambetta 2023).

Während sich die Arbeiten von TNFD und SBTN auf praktische Umsetzungshilfen für die Naturberichterstattung und -bilanzierung konzentrieren, bieten die Arbeiten des United Nations Research Institute for Social Development (UNRISD) sowie der World Benchmark Alliance (World Benchmark Alliance 2024) wissenschaftlich fundierte und praktikable Anleitungen zur Definition und Festlegung sinnvoller Schwellenwerte und Benchmarks für einzelne Indikatoren und Ziele. Die Unternehmensberichterstattung und letztlich auch die Unternehmenspraxis soll sich folglich an dem übergeordneten Ziel auszurichten, lokale, regionale und globale ökologische Kipp-Punkte zu respektieren, um die Wahrscheinlichkeit systemischer Veränderungen der natürlichen und letztlich auch der sozialen Umwelt zu vermeiden oder zumindest zu minimieren (UNRISD 2022).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die direkte oder indirekte Zusammenarbeit zwischen IPBES, UN, CBD, EFRAG, GRI, TNFD, SBTN und UNRISD die Interdependenz von sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren verdeutlicht. Sie zeigt auch die Ähnlichkeiten zwischen der Naturberichterstattung und den etablierten Best Practices der Klimaberichterstattung in Bezug auf Stakeholder, Prozess und Struktur. Gemeinsam pflegen diese Organisationen ein umfassendes, wissenschaftlich fundiertes und dennoch pragmatisches Verständnis der grundlegenden Rolle der Natur in der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und der Frage, wie eine solche Berichterstattung sinnvoll umgesetzt werden kann, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen. Die allgemeine Perspektive ist, dass Mensch und Umwelt in Harmonie koexistieren können. Dies beinhaltet die Erkenntnis, dass menschliches Wohlergehen, wirtschaftlicher Wohlstand und soziale Gerechtigkeit eng mit der Erhaltung und dem Schutz der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt unseres Planeten verbunden sind.