Ökosystemleistungen (ÖSL) sind für die Gesellschaft und die Wirtschaft wertvoll. Sie werden jedoch durch traditionelle statistische Berichtssysteme, insbesondere die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, nur teilweise und indirekt erfasst. Die Ökosystemrechnungen des Statistischen Bundesamtes (StBA) werden diese Lücke sukzessive füllen und geben damit den Leistungen der Natur einen Stellenwert. Sie bauen auf Forschungsarbeiten verschiedener Institutionen auf, die ebenfalls Informationen zu Ökosystemen und deren Leistungen einschließlich der Biodiversität bereitstellen. Die Ergebnisse können in die politische und wirtschaftliche Entscheidungsfindung eingebunden werden, sollen die breite Öffentlichkeit ansprechen sowie Grundlage für wissenschaftliche Analysen bieten.

3.1 Initiativen und Meilensteine der Informationsgewinnung

Das Konzept der Ökosystemleistungen (ÖSL) hielt im Laufe der 1990er-Jahre Einzug in die Umweltdiskussion. Neben viel beachteten Publikationen, vor allem de Groot (1992), Daily (1997) und Costanza et al. (1997), waren u. a. das Millennium Ecosystem Assessment (MEA 2005), die TEEB-Studie – The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB 2009) sowie der zur 10. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD 2010) beschlossene Strategische Plan 2011–2020 wichtige Meilensteine zur Verbreitung dieses Konzepts.

Ziel des ÖSL-Konzepts ist es, ökologische Leistungen besser in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen und eine nachhaltige Landnutzung zu gewährleisten, um der Überbeanspruchung und Degradation der natürlichen Lebensbedingungen entgegenzuwirken. Eine Implementierung von ÖSL in Entscheidungsgrundlagen setzt entsprechend geeignete Informationen voraus. Forschungsansätze zu Ökosystemfunktionen und Biodiversität mit dem menschlichen Wohlbefinden zu verknüpfen, bietet die Möglichkeit, Brücken zwischen wissenschaftlichen Fachdisziplinen und politischen Sektoren zu bilden (Grunewald und Bastian 2023).

Im Folgenden werden wichtige Etappen der Informationsgewinnung von Daten zu Biodiversität und Ökosystemleistungen mit Fokus Deutschland umrissen:

  • Das Projekt „Naturkapital Deutschland – TEEB-DE“ (http://www.naturkapital teeb.de) hatte zum Ziel, anhand von Beispielen Leistungen und Werte der Natur für Deutschland aufzuzeigen und Vorschläge zu erarbeiten, wie Naturkapital besser in private und öffentliche Entscheidungsprozesse integriert werden kann. Dazu sind u. a. Berichte zu den Themen: Biologische Vielfalt und Klimapolitik, ÖSL und die Entwicklung ländlicher Räume, Naturleistungen in der Stadt sowie ein Synthesebericht mit Handlungsoptionen erarbeitet worden. Aufbauend darauf zielte das Vorhaben „Mainstreaming Naturkapital Deutschland“ unter Federführung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) darauf ab, den Wert der Natur und die Bedeutung von ÖSL in Deutschland für Entscheidungsträger der Politik und Verwaltung sowie Interessensgruppen sichtbarer zu machen (https://www.natur-ist-unser-kapital.de/).

  • Die EU-Biodiversitätsstrategie 2020 rief in Maßnahme 5 explizit zur Verbesserung der Kenntnisse über Ökosysteme und Ökosystemleistungen auf: Dort heißt es: „Die Mitgliedstaaten werden mit Unterstützung der Kommission den Zustand der Ökosysteme und Ökosystemleistungen in ihrem nationalen Hoheitsgebiet bis 2014 kartieren und bewerten, den wirtschaftlichen Wert derartiger Dienstleistungen prüfen und die Einbeziehung dieser Werte in die Rechnungslegungs- und Berichterstattungssysteme auf EU- und nationaler Ebene bis 2020 fördern“ (Europäische Kommission 2011).

  • Diese Vorgabe hatte enorme Aktivitäten hinsichtlich eines Ökosystem-Assessments in den EU-Staaten ausgelöst, koordiniert über die MAES-Arbeitsgruppe der EU (The Working Group on Mapping and Assessment on Ecosystems and their Services – MAES) und das ESMERALDA-Projekt (www.esmeralda-project.eu), unterstützt durch die Europäische Umweltagentur (EEA).

  • Die deutschen Umweltbehörden (Bundes-Umweltministerium, Bundesamt für Naturschutz/Umweltbundesamt) hatten in diesem Zusammenhang verschiedene Forschungsvorhaben zur systematischen, flächendeckenden Erfassung, Bewertung und Kartierung von ÖSL (quantitativ, wiederholbar) auf nationaler Ebene auf den Weg gebracht. Neben der europäischen Zielsetzung ist dabei auch an eine Unterstützung der Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie (BMU 2007) bzw. deren Neuausrichtung 2030 (BMUV 2023) gedacht worden.

Das Wissen und das methodische Instrumentarium zu ÖSL konnten folglich erheblich erweitert werden (z. B. Burkhard und Maes 2018; Grunewald und Bastian 2023; Vari et al. 2024). Der nationale MAES-Bericht ist nach langer behördlicher Abstimmung unter dem Titel „Nature under Pressure – Report on the state of ecosystems and their services for society and economy. German MAES Report on Target 2, Action 5 of the EU-Biodiversity Strategy 2020“ erschienen (Schweppe-Kraft et al. 2023).

Inzwischen haben sich auch die methodischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für neue Bilanzierungsverfahren zu Ökosystemen und deren Leistungen wesentlich verbessert: Die Statistik-Kommission der UN hat das konzeptionelle und methodisches Rahmenwerk SEEA-EA (System of Environmental-Economic Accounting-Ecosystem Accounting, United Nations et al. 2021) als internationalen statistischen Standard verabschiedet. Die Arbeiten erfolgten in Zusammenarbeit mit der Initiative „Wealth Accounting and the Valuation of Ecosystem Services“ (WAVES) der Weltbank und dem Natural Capital Accounting and Valuation of Ecosystem Services (NCAVES) der EU. Die EU führt eine entsprechende Anpassung der Verordnung über europäische umweltökonomische Gesamtrechnungen (Nr. 691/2011, Anhang IX) durch und erweitert außerdem EU-Indikatorensysteme vor dem Hintergrund des „Green Deal“ (Europäische Kommission 2019; European Commission 2022).

Initial wurden dazu vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) ab 2017 die Pilotprojekte „Integration von Ökosystemen und Ökosystemleistungen in die Umweltökonomische Gesamtrechnung“ und „Ökosystemleistungen und Umweltökonomische Gesamtrechnung – Digitales Assessment“ beauftragt (https://www.ioer.de/projekte/accounting-ii/). Unterstützung für das deutsche Ecosystem Accounting bot zudem das EU-Horizon-2020-Projekt MAIA (https://maiaportal.eu).

Jüngst gab es einen weiteren Schub für das Ökosystem-Assessment/-Accounting: Auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt im Dezember 2022 haben fast 200 Staaten das Global Biodiversity Framework (GBF) beschlossen (CBD 2022). Mit der bereits 2020 verabschiedeten EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und dem GBF existieren nun wichtige Rahmenwerke, die zum einen die Integration von Biodiversität und ÖSL in Wirtschaftsberichterstattungssysteme vorantreiben (Förster et al. 2023) und zum anderen solche neuen Informationen für Entscheidungsprozesse auf nationaler Ebene relevant machen (Zieschank und Grunewald 2023). Dies wird auch Eingang in die neue Nationale Biodiversitätsstrategie 2030 der Bundesregierung finden (BMUV 2023).

3.2 Ökosystemrechnungen des Statistischen Bundesamtes als neue Datenprodukte

Die Erfassung der Ökosysteme und deren Leistungen ist ein neuer Teil der bereits etablierten Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR), die die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Ökonomie, beispielsweise Umweltbelastungen durch die Wirtschaft, Erträge von Naturressourcen und den Wert von Umweltschutzmaßnahmen, abbilden (Felgendreher und Schürz 2023). Das SEEA-EA-Rahmenwerk definiert die Struktur und die Accounting-Methoden des neuen Berichtssystems, die konkrete Implementierung für den europäischen Kontext definiert die in 3.1 erwähnte Verordnung (EU) Nr. 691/2011 (EC 2022).

Aufbau und Struktur des SEEA Rahmens

Die Ökosystemrechnungen sind in Konten aufgebaut, die Ausmaß (Extent), Zustand (Condition) und Leistungen (Services; physisch und monetär) in Bilanzform darstellen (Abb. 3.1). Der Inhalt dieser Konten wird als Zeitreihe (dreijährlich für Ausmaß und Zustand, jährlich für Leistungen) auf vergleichbaren Aggregationseinheiten (Bund, Länder, Gemeinden) mit Anfangs- und Endbestand sowie Veränderung berichtet. Ausmaß und Zustand bilden als Bestandsgrößen die Grundlage, um die Flussgrößen – die Ökosystemleistungen – abzuleiten.

Abb. 3.1
figure 1

(Eigene Darstellung nach Bellingen et al. 2021; United Nations et al. 2021)

Aufbau der bundesweiten Ökosystemrechnungen.

Der systemische Ansatz der Konten erlaubt zudem, Angebot und Nachfrage an ÖSL über die Zeit zu interpretieren, indem Informationen zum Ausmaß (z. B. zu renaturierten Flächen) und Zustand (z. B. Dürre) zu Rate gezogen werden. Somit soll die Interaktion zwischen Mensch und Natur inklusive Rückkopplungseffekten und Kipppunkten abgebildet werden (Felgendreher und Schürz 2023).

Gespeist werden die Konten der Ökosystemrechnungen durch eine Vielzahl von Datensätzen aus der Fernerkundung, Katastern sowie ökologischen Kartierungen und Monitoringsystemen. Eine Besonderheit und Grundbedingung dabei ist die explizit räumliche Struktur der Daten sowie deren zeitliche Konsistenz. Somit werden bundesweit alle Flächen als Ökosysteme miteinbezogen, und die statistischen Ergebnisse sind nicht nur als Tabellenkonten, sondern auch als Karten darstellbar (Felgendreher und Schürz 2023).

Was steht im Jahre 2024 zur Verfügung?

Die Flächenbilanz der Ökosysteme (Ecosystem Extent Account) wurde vom Statistischen Bundesamt für die Zeitschritte 2015, 2018 und 2021 erstellt und geht nun in eine Dauerproduktion über. Die Basis der Flächenbilanz ist die nationale Ökosystemklassifikation. Die Klassifikation unterteilt Flächen anhand ökologischer und struktureller Eigenschaften und umfasst 74 Klassen, 21 Gruppen, 6 Abteilungen (terrestrisch und marin, Bellingen et al. 2021).

Der Ökosystematlas (https://oekosystematlas-ugr.destatis.de/) zeigt die Vielfalt und Verteilung der in Deutschland vorkommenden Ökosysteme. Sie werden auf Gemeinde-, Kreis- und Bundesländerebene dargestellt. Zusätzlich bietet der Atlas Übersichtskarten im Rasterformat (Auflösung 100 m) sowie eine Downloadfunktion für georeferenzierte Daten.

Die Zustandsbilanz der Ökosysteme (Ecosystem Condition Account) beschreibt den bundesweiten Zustand der Ökosysteme. Sie baut auf der Flächenbilanz der Ökosysteme auf und informiert über Leistungsfähigkeit, Stabilität, Integrität und Resilienz der Ökosysteme. Sie wurde erstmals 2023 veröffentlicht (Tabellen sowie ausgewählte Karten im ÖkosystematlasFootnote 1). Die Zustandstypologie orientiert sich an den Vorgaben des SEEA-EA und ermöglicht so eine internationale Vergleichbarkeit der Zustandsinformationen von Ökosystemen.

Tab. 3.1 zeigt – hier am Beispiel der Ökosystemabteilung „Wälder & Gehölze“ – auf, welche Variablen verwendet wurden. In Steckbriefen werden zudem Informationen zu den einzelnen Ökosystemvariablen sowie zu deren Verarbeitung bereitgestellt.

Tab. 3.1 Typologie und Variablen der Zustandsbilanzierung der Ökosysteme, dargestellt am Beispiel der Ökosystemabteilung „Wälder & Gehölze“ (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/UGR/oekosystemgesamtrechnungen/Publikationen/Downloads/methode-zustandsbilanzierung-5853202239004.pdf?__blob=publicationFile)

Die Bilanzen ausgewählter Ökosystemleistungen (Ecosystem Services Account) befinden sich im Aufbau und werden – zunächst physisch, perspektivisch auch monetär – voraussichtlich im Jahr 2025 sukzessive veröffentlicht. Die Erfassung von sieben ÖSL werden durch die UGR-Verordnung EU-weit verpflichtend eingeführt (EC 2022): Bereitstellung von Holz und Kulturpflanzen, lokale und globale Klimaregulierung, Luftfilterung, Bestäubung und naturnaher Tourismus.

3.3 Informationsangebote weiterer Institutionen

Neben den Arbeiten des Statistischen Bundesamtes gibt es weitere Institutionen, die an Fragestellungen des Biodiversitäts- und Ökosystemleistungs-Accounting und den zugrunde liegenden Daten arbeiten. Forschungseinrichtungen, wie bspw. das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) oder das Johann Heinrich von Thünen-Institut (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei), spielen in dem Prozess der Informationsgenerierung eine wichtige Rolle, vor allem hinsichtlich der methodischen Entwicklung von Indikatoren zum Zustand und den Leistungen der Ökosysteme.

Überblick zur Datenlage auf nationaler Ebene

Bundesweit stehen in zunehmendem Maße frei zugängliche Daten zur Landnutzung bzw. Bodenbedeckung zur Verfügung. Sie sind teilweise in guter zeitlicher und räumlicher Auflösung erstellt und können eine wichtige Grundlage für anschließende Erhebungen zu ÖSL bilden (Grunewald et al. 2022b). CORINE Land Cover Daten (CLC) und das Programm „Land Use and Coverage Area frame Survey“ (LUCAS) seien hier stellvertretend genannt.

Genauere Daten für die Auswertungen zu ÖSL bestehen zudem auf Ebene der Bundesländer, z. B. mit den Biotopkartierungen. Jedoch sind diese aufgrund unterschiedlicher Kartierschlüssel und -zeitpunkte oft nicht bundesweit vergleichbar. Zur Flächennutzung stellen das Digitale Basis-Landschaftsmodell (Basis-DLM) aus dem Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystem (ATKIS) und das Digitale Landbedeckungsmodell für Deutschland (LBM-DE) positive Ausnahmen dar.

Eine Reihe europa- oder bundesweiter Indikatorsysteme stellen regelmäßig Fachdaten zur Landschaftsentwicklung bereit, die zeitlich und räumlich vergleichbar im Rahmen von Monitoringaktivitäten erhoben werden und ebenfalls zur Quantifizierung von ÖSL-Teilaspekten auf nationaler Ebene nutzbar sind. Dazu gehören:

  • Nachhaltigkeitsindikatoren der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die vom Bundesamt für Statistik (DESTATIS 2020) geführt und veröffentlicht werden.

  • Länderinitiative Kernindikatoren (LiKi) der Arbeitsgemeinschaft von Umweltfachbehörden des Bundes und der Länder (LiKi 2020).

  • Die Deutsche Anpassungsstrategie zum Klimawandel (DAS): (UBA 2019a).

  • Die etwa 50 Umweltindikatoren des UBA mit Daten über Trends zum Umweltschutz (UBA 2020a).

  • Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS): (BMU 2007).

  • Das „SEBI“-Indikatorenset der Europäischen Umweltagentur (EEA) zur EU-Biodiversitätsstrategie. Es listet insgesamt 34 Indikatoren auf, die von den Mitgliedsstaaten nach einheitlichen Verfahren erhoben werden (EEA 2020).

Ökosysteme Deutschlands

Die Ökosystemklassifizierung, -kartierung und -bilanzierung (Monitoring der Änderung der Fläche der Ökosysteme), die im Auftrag des BfN durch das IÖR erarbeitet wurde, stellt die Grundlage für die Bewertung der Ökosystemzustände und -leistungen dar (Grunewald et al. 2020). Sie basiert auf bundesweiten digitalen topographischen Daten, vor allem dem Landbedeckungsmodell (LBM-DE), das in 3-jährigem Rhythmus (2012–2015–2018–2021 etc.) aktualisiert wird, sowie auf europäischen Landnutzungs- bzw. Ökosystem-Klassifikationen (https://ioer-fdz.de/oekosysteme-deutschland).

Indikatoren des Ökosystemzustands

Zustände von Ökosystemen und die Ökosystemleistungen sind miteinander verknüpft, aber die Beziehung variiert zwischen verschiedenen Leistungen und ist oft nicht linear. Für viele Leistungen können Ökosysteme in besserem Zustand eine größere Quantität und Qualität der relevanten ÖSL unterstützen (für eine Meta-Analyse siehe Smith et al. 2017), was ein Argument für ein nachhaltiges Ökosystemmanagement darstellt. Die Beziehung zwischen dem Zustand von Ökosystemen und der Bereitstellung von Leistungen ist zentral für das Konzept der Ökosystemkapazität (United Nations et al. 2021).

Viele Daten und Zustandsindikatoren werden im Rahmen der sektoralen Umweltbeobachtung von Institutionen wie UBA, BfN, BfG, BGR oder den Thünen-Instituten erhoben. Der UFZ-Dürremonitor liefert bspw. täglich flächendeckende Informationen zum Zustand der Bodenfeuchte in Deutschland. (https://gdz.bkg.bund.de/index.php/default/duerreatlas.html). Der IÖR-Monitor (www.ioer-monitor.de) stellt aufbereitete Informationen zur Flächennutzung und deren Entwicklung sowie zur Landschaftsqualität für die Bundesrepublik Deutschland bereit. Im neuen Forschungsdatenzentrum (FDZ) des IÖR werden u. a. Daten zum Erhaltungszustand, der ökologischen Verbundenheit und Nutzung der sechs national dominierenden Landschaftstypen zur Verfügung gestellt (https://ioer-fdz.de/oekosysteme-deutschland).

Einige Indikatoren, die zur Charakterisierung des Ökosystemzustands genutzt werden können, sind im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (SDG-Indikatoren, Bundesregierung 2021) bzw. der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS-Indikatoren, BMU 2015) in bundesweiten Indikatorsystemen bereits politisch etabliert und legitimiert. Sie müssen zumeist jedoch zusätzlich im Sinne der Flächen der Ökosystemtypen sowie der Bereitstellung von Ökosystemleistungen aufbereitet und interpretiert werden. Zudem ist – bei Bedarf – eine spezifische Kartierung („Verräumlichung“) notwendig (Grunewald et al. 2022b).

Biodiversität

Ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Messung des Zustands von Ökosystemen. Insbesondere Biodiversitätsmetriken wie Artenabundanz, Artenreichtum oder artenbasierte Indizes werden häufig zur Messung von Aspekten des Ökosystemzustands verwendet (Rendon et al. 2019). Verwiesen sei bspw. auf die aktualisierte Rote Liste der Säugetiere Deutschlands (Meinig et al. 2020) sowie die Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen (https://www.bmuv.de/download/rote-liste-der-gefaehrdeten-biotoptypen-deutschlands).

Eine große Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und Lebensräumen trägt zu einem leistungsfähigen Naturhaushalt bei und bildet eine wichtige Lebensgrundlage für uns Menschen. Das übergeordnete Ziel der Nationalen Strategie besteht folglich darin, einen guten Zustand der biologischen Vielfalt über die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland zu erreichen: in den Agrarlandschaften, in Wäldern, Siedlungen, in Binnengewässern, Auen und Mooren sowie an Küsten und in Meeren“ (BMUV 2023). Die Zielerreichung soll v. a. über den sog. Hauptindikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ (JWB 2024, auch etablierter NBS- und SDG-Indikator) gemessen werden. Der Berechnung des Indikators liegt die Entwicklung der Bestände von 51 Vogelarten zugrunde, die die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren. Die Größe der Bestände (nach Anzahl der Reviere beziehungsweise Brutpaare) spiegelt die Eignung der Landschaft als Lebensraum für die ausgewählten Vogelarten wider. Neben Vögeln sind auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte Landschaft mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden, daher bildet der Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der Landschaft und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab. Das heißt, es ist ein ‚High-End Indikator‛, denn es geht nicht um Vogelarten, sondern darum, dass ihre Populationsveränderungen stoffliche und physische Eingriffe in die Umwelt widerspiegeln. Mithin handelt es sich um Bioindikatoren, welche die Qualität von Landschaften/Hauptökosystemen in Deutschland anzeigen sollen. Indikandum sind somit Ökosysteme, nicht die Vogelarten.

Die aktuellen Daten für den Gesamtindikator zeigen, dass sich die Bestände in den letzten zehn Jahren verschlechtert haben (2010: 79,5 %; 2019: 75,3 %). Vor allem der flächenmäßig bedeutendste Teilindikator Agrarland ist in den letzten Jahren sogar deutlich gefallen, von 83,0 % im Jahr 2010 auf 69,9 % im Jahr 2019 (JWB 2024).

In Entwicklung befindet sich ein flächendeckender, bundesweit einsetzbarer Indikator „Biotopwert der Ökosysteme Deutschlands“, welcher eine monetäre Inwertsetzung ermöglicht. Der Indikator, der die „Leistungen der Ökosysteme zur Erhaltung der biologischen Vielfalt“ ausdrückt, nutzt kardinale Biotopwertpunkte der Bundeskompensationsverordnung. Für den Zeitschnitt 2018 liegen dazu die Ergebnisse vor (Schweppe-Kraft et al. 2020; Grunewald et al. 2023). Der Indikatoransatz ist nicht nur konsistent zu anderen akzeptierten Erfassungs- und Bewertungsverfahren (FFH- und WRRL-Berichterstattung, HNV-Kartierung, Bundeswaldinventur) und ermöglicht die Aggregation zu einem Gesamtwert für die biologische Vielfalt basierend auf einem rechtlich anerkannten Verfahren (Bundeskompensationsverordnung), sondern ist zudem gut geeignet für das Monitoring von Maßnahmen (z. B. Restoration Law), denn die Biotopumwandlung und -aufwertung spiegelt sich direkt im Indikator wider.

Daten zu „Naturbetonten Flächen und Naturschutzgebieten in Deutschland“ stellen relativ einfache Größen zur groben räumlichen Abschätzung naturnaher bzw. naturschutzfachlich wertvoller Lebensräume in Deutschland dar. Im IÖR-Monitor ist der Indikator „Anteil Gebiete Natur- und Artenschutz an Gebietsfläche“ sowohl auf Bundesland-, Raumordnungs-, Kreis- und Gemeindeebene als auch in Rasterform zwischen 10 km und 100 m aktuell für die Zeitschnitte 2006 sowie 2008 bis 2018 verfügbar. Die Daten sind unter https://monitor.ioer.de/ nachzuvollziehen und frei zugänglich. Dieser Indikator ist bspw. geeignet Auskunft darüber zu geben, in welchem Maße Schutzgebiete zur ÖSL „Erhaltung der biologischen Vielfalt“ sowie „Ästhetische Werte“, „Gelegenheiten für Erholung und Tourismus“, etc. beitragen.

ÖSL-Indikatoren

Im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben wurden eine Reihe nationaler ÖSL-Indikatoren entwickelt, abgestimmt und publiziert. Die Forschungsarbeiten wurden auf prioritäre ÖSL-Klassen fokussiert und Grundsätze der Beschreibung von Indikandum (ÖSL) und Indikatoren entwickelt (Grunewald und Bastian 2023; Schweppe-Kraft et al. 2023). Tab. 3.2 gibt einen Überblick über verfügbare nationale ÖSL-Indikatoren.

Tab. 3.2 Ausgewählte bundesweite Indikatoren zu Ökosystemleistungen (ÖSL)

Die Entwicklung, Abstimmung und Implementierung der Indikatoren ist ein weiter gehender Prozess, der künftig auch ÖSL der Meeres- und Küstenbereiche Deutschlands mit einschließen wird. Die Indikatoren „Erreichbarkeit städtischer Grünflächen“, „Habitatpotenzial für Wildbienen“ sowie „Biotop-Flächenindikator“ werden derzeit am IÖR aktualisiert. Eine Sicherung dieser Daten über Forschungsprojekte hinaus und die Nutzer-orientierte Bereitstellung der Indikatoren wird über das FDZ des IÖR gewährleistet (https://ioer-fdz.de/).

3.4 Herausforderungen und Möglichkeiten

Auf Ökosysteminformationen basierende neue Berichtssysteme befinden sich in Deutschland wie in vielen anderen Ländern im Aufbau und stellen nicht nur Statistikerinnen und Statistiker, sondern alle Beteiligten aus Wissenschaft und Praxis vor Herausforderungen.

Datenverfügbarkeit

„Die Ökosystemrechnungen werden im Idealfall durch eine Vielzahl qualitätsgeprüfter Datensätze gespeist, die zeitlich und räumlich möglichst hochauflösend, in sich homogen, sowie über die Zeit konsistent und dauerhaft verfügbar sind. Der bundesweite Ansatz der Ökosystemrechnungen bedeutet, dass das Berichtssystem von einer gut funktionierenden Datenbereitstellung im föderalen System profitieren würde. Derzeit sind aber z. B. Daten zu Oberflächengewässern und Biotopkartierungen nicht bundesweit einheitlich und in hoher Detailtiefe verfügbar. Die rapide Entwicklung im Bereich Fernerkundung ist eine große Chance für die Ökosystemrechnungen. Dabei wäre es wünschenswert, wenn von internationalen und nationalen Institutionen qualitätsgeprüfte, nutzungsbereite und teils maßgeschneiderte Datenprodukte in noch höherem Maße bereitgestellt und deren Fortschreibung langfristig gewährleistet werden.“

Der letzte Aspekt betrifft auch einen der großen funktionalen Vorteile des Kontensystems der Ökosystemrechnungen. Die einheitlichen räumlichen Analyseeinheiten und die Accounting-Struktur ermöglicht es, einen Großteil der Konten automatisiert zu erstellen. Dadurch können neue oder aktualisierte Eingangsdaten schnell integriert sowie der Ressourcenaufwand bei der Berechnung weiterer Zeitschritte geringgehalten werden.

Die in sich geschlossenen, aber miteinander verbundenen Konten erlauben es zudem, im Sinne einer Datenautobahn verschiedene „Produktausfahrten“ zu nehmen. So können Ergebnisse der einzelnen Konten, thematische Auswertungen, Berechnungen von Nachhaltigkeitsindikatoren und Visualisierungen in Kartenform als „Beiprodukte“ nebst der Erfassung von ÖSL erstellt werden.“ (Felgendreher und Schürz 2023).

Monetäre Bewertung

Eine weitere Herausforderung stellt die monetäre Bewertung der SL dar, zu der konzeptionell und methodisch noch kein breiter Konsens erreicht wurde. Folglich sind die Kapitel des SEEA-EA, welche die monetäre Bewertung behandeln, nur als Leitfaden, nicht aber als statistischer Standard anerkannt. Jedoch bietet die monetäre Bewertung von Gütern und Dienstleistungen eine gemeinsame Metrik, welche die Aggregation und den Vergleich möglich macht, so auch Vergleiche von Ökosystemen und ÖSL mit anderen Kapitalgrößen und Leistungen, die in die VGR eingehen. Während das System des Accountings im Grundsatz auf nominalen Marktpreisen aufbaut, basiert der ökonomische (Wohlfahrts-)Wert auf der Zahlungsbereitschaft einer Person für ein Gut. Eine Datenbank der für Deutschland verfügbaren Bewertungsstudien sowie den darin ermittelten monetären Werten für ÖSL ist im Anhang zu Förster et al. (2019) zusammengestellt.

„Ökonomische Werte entstammen der Knappheit von Leistungen. Das heißt, dort wo die Natur besonders viel physische Leistung erbringt, ist der Wert möglicherweise am niedrigsten. Zudem ist die Bewertung zu Marktpreisen empfindlich gegenüber Marktstrukturen, externen Preisschwankungen und politischen Interventionen. Hierdurch mögliche Fehlinterpretationen monetärer Werte gilt es durch eine transparente und im ökologischen und ökonomischen Kontext eingebettete Kommunikation der Daten zu vermeiden. Zudem stellt die Wissenschaft mitunter mehrere Bewertungsmethoden für dieselben Leistungen zur Verfügung. Hier wird eine Priorisierung beziehungsweise eine wissenschaftlich basierte „Best Practice“ benötigt.“ (Felgendreher und Schürz 2023).

ÖSL-Indikatorik

Bezüglich der Entwicklung der ÖSL-Indikatorik zeigt sich, dass es eine beachtliche Herausforderung darstellt, komplexe Anforderungen aus unterschiedlicher Sicht gleichzeitig zu erfüllen:

  • umweltpolitisch: ÖSL-Indikatoren sollen eingängig und verständlich, kohärent, medienübergreifend, verursacherscharf, anpassungsfähig, langfristperspektivisch sein und Relevanz für die Naturschutzpolitik und weitere sektorale Politiken aufweisen;

  • wirtschaftspolitisch: sie sollen insbesondere Gestaltungs-/Handlungsspielräume ermöglichen, Lösungskorridore aufzeigen;

  • fachwissenschaftlich: sie sollen analytisch sauber, abgesichert entsprechend dem aktuellen wissenschaftlich-technischen Wissen und internationalen Standards, aber auch einfach, messbar (zudem periodisch), praktikabel, leicht zu interpretieren sowie flächenscharf für Deutschland sein und Trends über die Zeit anzeigen.

Entsprechend ist die Aushandlung von Kompromissen notwendig. Es ist stets zu hinterfragen, was die Indikatoren für wen „indizieren“ und welche gesellschaftlichen Zielstellungen mit einem Indikator verbunden sind. Das eigentliche Interesse gilt nicht dem Indikator, sondern dem Indikandum, d. h. dem angezeigten, nicht direkt messbaren und oftmals komplexen Sachverhalt bzw. Zustand/Leistung und dessen Änderung (Grunewald und Bastian 2023).

Potenzielle Anwendungen

Ökosystem-basierte Informationen und Accounts sind die potenzielle Quelle einer Vielzahl von Datenprodukten, die dementsprechend auch vielschichtig einsetzbar sind. Zunehmend entwickelt sich eine Nachfrage nach derartigen Informationen.

International können die Ökosystemkonten länderübergreifend vergleichbare Informationen liefern, die beispielsweise einer gemeinsamen Umweltpolitik der EU zugutekommen. Zusätzliche Indikatoren aus dem Ökosystem-Accounting können in internationale und nationale Nachhaltigkeits- und Biodiversitätsstrategien integriert werden.

Ähnlich der VGR kann das Kontensystem auf der Makroebene als Werkzeug im Sinne einer Input–Output-Analyse verwendet werden, also den ökologischen Gegenpart zur Darstellung wirtschaftlicher Produktionszusammenhänge darstellen. Ein Open-Data-Angebot zu räumlichen Zeitreihendaten zu Ökosystemen positioniert die Ökosystemrechnungen als Input für die Wissenschaft (Maßnahmenevaluierung, Modellierung von Zukunftsszenarien). Die Visualisierung in Kartenform ermöglicht zudem eine leicht verständliche Kommunikation der Ergebnisse an die breite Öffentlichkeit (Felgendreher und Schürz 2023).

Nationale ÖSL-Indikatoren können umweltpolitisch genutzt werden. Teils sind aber noch „Übersetzungsleistungen“ durch die Wissenschaft für Politik und Praxis notwendig.

Wir postulieren, dass ÖSL-Daten und -indikatoren wirtschaftspolitisch relevant sind, weil sie Gestaltungs-/Handlungsspielräume ermöglichen und Lösungskorridore aufzeigen. Sie können Behörden und Institutionen des Bundes, aber auch den Bundesländern und Kommunen helfen, bei der Planung naturschutzrelevanter Räume potenzielle Interessenkonflikte besser zu identifizieren, Entscheidungen zum Erhalt von Naturkapital und ÖSL zu begründen und gegenüber der Öffentlichkeit wie auch Interessenvertretern zu kommunizieren. Als „flow“-Größen signalisieren ÖSL-Informationen einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen.