Die wichtigsten Begriffe im Politikfeld „Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung“ werden im Folgenden alphabetisch aufgeführt und erklärt.

FormalPara Biodiversität oder biologische Vielfalt

Gemäß dem Übereinkommen über biologische Vielfalt (CBD) ist sie definiert als „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme“ (CBD 2010). In der deutschen Rechts- und Planungspraxis ist insbesondere der Biotopbegriff maßgeblich (§ 30 BNatSchG „Gesetzlich geschützte Biotope“), teils werden die Begriffe Ökosystem, Biotop und Habitat aber auch synonym verwendet.

Da die Vielfalt an Ökosystemen, Lebensgemeinschaften und Landschaften Teil der Biodiversität ist, werden Ökosystemleistungen und Biodiversität oft in einem Atemzug genannt (z. B. The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB 2009). Die biologische Vielfalt unterstützt das „Funktionieren der Ökosysteme“, kann aber auch als eigenständige ÖSL definiert werden, die zum Wohlbefinden der Menschen beiträgt.

FormalPara Governance

Beinhaltet das Gesamtsystem von Institutionen, öffentlichen wie privaten Akteuren, formellen wie informellen Steuerungsprozessen sowie verbindliche und freiwillige Regelungsinstrumente zum Umgang mit Nachhaltigkeitsproblemen (Pattberg und Widerberg 2015).

Ziel 3 der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 schlägt einen neuen Governance-Rahmen vor, um die Umsetzung der auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen zu steuern. Ein starker Fokus ruht auf dem Engagement der Unternehmen für Biodiversität durch eine Initiative für nachhaltige Corporate-Governance, d. h. der Überprüfung der Berichtspflichten von Unternehmen (EU-Kommission 2020).

FormalPara Greenwashing

Leere Produktversprechen, die das Anliegen untergraben, Produkte und Konsum in reellen Einklang mit Nachhaltigkeit zu bringen. Falsche Umweltaussagen oder irreführende Umweltsiegel sollen durch höhere Anforderungen an Klarheit, Eindeutigkeit, Richtigkeit und Nachprüfbarkeit von Berichten und Regulierungen vermieden werden.

FormalPara Grüne Ökonomie

(Green Economy) Eine Wirtschaft, die zu einem größeren Wohlstand der Menschen eines Landes und zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt und gleichzeitig ökologische Risiken und Ressourcenknappheit verringern beziehungsweise nachhaltig zu bewirtschaften hilft (Lutz et al. 2015). Mit „Grüne Finanzen“ (Green Finance, auch Sustainable Finance) werden Finanzierungsformen umschrieben, die dazu dienen sollen, Nachhaltigkeit zu fördern (GSK Update 2019).

FormalPara Nachhaltigkeitsberichterstattung

Informiert v. a. über ökologische und soziale Aspekte und komplementiert somit die bereits etablierte Finanzberichterstattung zu wirtschaftlichen Aspekten, wobei die Einhaltung sog. „planetarer Grenzen“ zunehmend als grundlegender Handlungsrahmen anerkannt wird. Sie beinhaltet eine externe und interne Kommunikation über Nachhaltigkeitsstrategien. Unternehmen berichten in diesem Kontext sowohl über die wesentlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt als auch über die wesentlichen Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen.

FormalPara Naturkapital

(Natural capital) Metapher für biotische und abiotische Bestandteile der Erde. Im weiteren Sinne werden Ökosysteme, Biodiversität und natürliche Ressourcen darin eingeschlossen. Es soll die Verbindung zwischen Natur und Wirtschaft bzw. die Schaffung von Werten für die menschliche Gesellschaft aufgrund des Zustandes und der Prozesse der Natur zum Ausdruck gebracht werden. Wie das Sachkapital erbringt das Naturkapital als Bestandsgröße Leistungen für Menschen und Wirtschaft (Common und Stagl 2005; Kumar 2010; Lutz et al. 2015). Naturkapital, bspw. die Wasserverfügbarkeit, stellt eine „kritische Infrastruktur“ für die Wirtschaft dar.

Das Statistische Bundesamt verwendet den Begriff „Naturvermögen“ im Kontext der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR). Naturvermögen und ÖSL ermöglichen zumindest die Assoziation an die eigenständigen Kräfte bzw. das Vermögen der Natur, das Netz des Lebens aufrecht zu erhalten.

FormalPara Ökosystem

Begriff zur pragmatischen Betrachtung ökologischer Einheiten (Jax 2016). Ein Ökosystem umfasst das Beziehungsgefüge der Lebewesen untereinander und deren anorganische Umwelt. Im weniger abstrakten Sinn wird ein Ökosystem durch seine Lebensgemeinschaft (Biozönose) und deren Lebensraum (Biotop) gekennzeichnet (Ellenberg et al. 1992). Das Ökosystemkonzept umfasst mehrere hierarchische Ebenen und kann prinzipiell eine breite Palette von Ökosystemen identifiziert und kartiert werden, von kleinmaßstäbigen Biomen und Ökoregionen bis zu großmaßstäbigen Lebensräumen und Biotopen (Grunewald et al. 2020).

FormalPara Ökosystemleistungen

(ÖSL) Güter und Leistungen, die von der Natur erbracht und vom Menschen genutzt werden. Nach dem Millennium Ecosystem Assessment (MEA 2005) sind dies Versorgungsleistungen (z. B. Bereitstellung von Nahrung), Regulationsleistungen (z. B. Erosionsschutz) und kulturelle Leistungen (z. B. für den Tourismus). Außerdem bilden Basisleistungen (wie Bodenbildung) die Grundlage für diese ÖSL-Kategorien. Auf diesen Leistungen basieren lebensnotwendige Wohlfahrtswirkungen für den Menschen wie Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln und sauberem Wasser oder Schutz vor Naturgefahren, d. h., sie erbringen einen direkten oder indirekten wirtschaftlichen, materiellen, gesundheitlichen oder psychischen Nutzen. Innerhalb des Wechselverhältnisses von Angebot und Nachfrage thematisiert das ÖSL-Konzept neben der Angebotsseite (nutzenstiftende Eigenschaften der Natur für das menschliche Wohlbefinden), die auch vom Potenzial- und Funktionsbegriff bedient wird, mehr die Nachfrageseite und differenziert Akteure, Nutznießer von Leistungen sowie Verursacher von Belastungen. Die gesellschaftliche Wertschöpfung soll über das ÖSL-Konzept gewichtet und auch, aber nicht nur, monetär bewertet werden (Kosten-Nutzen-Kalkül), um sich auch aus wirtschaftlichen Gründen für den Erhalt der Natur einzusetzen (Grunewald und Bastian 2023).

FormalPara Ökosystem-Accounting

(Ecosystem Accounting) Ziel ist es, die vielfältigen Leistungen der Natur für die Gesellschaft zu erfassen, zu dokumentieren und öffentlich zugänglich zu machen, damit sie in Entscheidungsprozessen integriert werden können. Aus Sicht der amtlichen Statistik handelt es sich beim Ökosystem-Accounting um ein „objektives buchhalterisches System“, das kohärente Daten zum Ausmaß, dem Zustand und den Leistungen der Ökosysteme des Landes enthält. Das Statistische Bundesamt spricht von „Ökosystemrechnungen“ als deutsches Pendant zum englischen ecosystem accounting. Die Wahl der Indikatoren und Methoden kann sich zwischen „national accounts“ (nationale Berichterstattung) und „corporate accounts“ (Unternehmensbilanzierung) unterscheiden. Die von Menschen genutzten Ökosystemleistungen werden im Accounting als jährliche Flussgrößen („flows“) verstanden und können eventuell monetär bewertet werden.

FormalPara Ressourcen

Im engeren Sinne Rohstoffe und Energieträger, im weiteren Sinne die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, wie Luft, Wasser, Boden, Flora, Fauna und die Wechselwirkungen untereinander. Natürliche Ressourcen werden in erneuerbare und nicht-erneuerbare eingeteilt.

Das Naturvermögen bzw. das Naturkapital umfasst die abiotischen, „klassischen“ Ressourcen wie fossile Rohstoffe, Erze oder Gesteine, aber auch den Umfang und die Qualität von Ökosystemen sowie die Biodiversität. Der „Externalisierung“ von Natur in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und vielen ökonomischen Modellen wurde durch die Berücksichtigung des Ressourcenverbrauchs in den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen teilweise begegnet. Jedoch zeichnet sich erst langsam ein ganzheitlicheres Verständnis ab, welches auch Ökosysteme und deren Leistungen als natürliche Lebensgrundlage und Quelle eines nicht nur materiellen Wohlstands versteht (Jessel et al. 2009; Europäische Kommission 2019; Zieschank et al. 2021).

Somit geht das ÖSL-Konzept über den klassischen Ressourcenbegriff hinaus, insbesondere, wenn es um sozio-kulturelle Leistungen der Natur und um Wertschätzung von Biodiversität als Grundlage von/für ÖSL geht.

FormalPara Taxonomie

Bei der EU-Taxonomie geht es vor allem darum, ökonomische Aktivitäten nach ihrer Nachhaltigkeit zu kategorisieren, um es somit institutionellen aber auch privaten Investoren zu ermöglichen, ihre Finanzmittel im Sinne einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.

FormalPara Transformation

IPBES (2019) definiert transformativen Wandel als „eine fundamentale, systemweite Re-Organisation über technologische, ökonomische und soziale Faktoren hinweg, einschließlich der Paradigmen, Ziele und Werte.“ Eine sozial-ökologische, aber auch wirtschaftliche Transformation wird derzeit zunehmend in den Fokus gerückt, um dem Wandlungsprozess mehr Gewicht, mehr Tiefe und Tempo zu verleihen (WBGU 2011; Hölscher et al. 2018; Wunder et al. 2019). Der Begriff ist semantisch deutlich radikaler als jener der nachhaltigen Entwicklung (Brand 2021). Es geht bei der Transformation um eine radikale Veränderung und ein Durchbrechen der vorhandenen Pfadabhängigkeiten. Bestehende Systeme, Institutionen und Praktiken werden infrage gestellt, verändert und/oder ersetzt (UBA 2020).

FormalPara Unternehmensberichterstattung

Der Zweck der Rechnungslegung und Berichterstattung über unternehmerische Aktivitäten, ihre Folgen und Abhängigkeiten besteht darin, relevante Prozesse oder Sachverhalte in einer Weise darzustellen, die für die Nutzer der Informationen transparent und verständlich sind und sie letztendlich dazu befähigt, bessere Entscheidungen zu treffen (Coffie et al. 2018). Während eine fundierte und informative Finanzberichterstattung vor allem für Kapitalgeber und den Staat in seiner Doppelrolle als Fiskal- und Regulierungsbehörde von Interesse ist, befasst sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung in erster Linie mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Abhängigkeiten. Diese Themen haben oft keine unmittelbaren oder kurzfristigen Auswirkungen auf die finanziellen Ergebnisse eines berichtenden Unternehmens und werden daher zum überwiegenden Teil nicht von der traditionellen und weltweit seit Jahrhunderten etablierten Finanzberichterstattung berücksichtigt (Wildner et al. 2022).

FormalPara Werte

Sind im Kantʼschen Sinne das, was man hoch schätzt, was man achtet, was uns teuer ist. Gesellschaften sind stets auch Wertegemeinschaften, d. h. eine Gesellschaft ohne Wertsetzungen ist nicht denkbar. Menschen fühlen sich von Werten und an Werte gebunden. Werte beeinflussen Wünsche, Interessen und Präferenzen. Sie sind stets kulturell und sozial kontextgebunden und werden in pluralistischen Gesellschaften „strittig ausgehandelt“. Neben ökonomischen Werten bestehen ökologische Werte (basierend auf ökologischer Nachhaltigkeit/Tragfähigkeit) und soziokulturelle Werte (basierend auf Gerechtigkeit und Wahrnehmung sowie ethischen Abwägungen). Folglich ist der Wert eines Ökosystems nicht mit einem „Preis“ gleichzusetzen, sondern der Wertbegriff wird weiter gefasst im Sinne von Geltung, Bedeutung oder Wichtigkeit.

FormalPara Wirtschaftsberichterstattung

(national, volkswirtschaftliche Ebene) hat traditionell die Funktion, Marktteilnehmern Informationsgrundlagen für ihre Entscheidungen zu bieten. Der Informationsbedarf der Nutzer variiert einerseits nach den Märkten, an denen sie als Anbieter oder Nachfrager teilnehmen, andererseits nach dem benötigten Auflösungsgrad und der verarbeitbaren Information. Zu den Adressaten der Wirtschaftsberichterstattung gehören Investoren, Unternehmen und Verbraucher (Schröder 2006) sowie auch politisch-administrative Akteure (JWB).

Im Jahreswirtschaftsbericht berichtet die Bundesregierung über ihre aktuellen wirtschaftspolitischen Prioritäten. Dieser enthält ein Kapitel mit Punkten zu einer neuen Wohlfahrtsberichterstattung, die nachhaltiges und inklusives Wachstum – Dimensionen der Wohlfahrt – messbar machen soll (JWB 2024). Denn bisher gilt oft allein das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als zentraler Wirtschaftsindikator. Das BIP pro Kopf ist ein Maß für auf Märkten und in monetären Größen abgewickelte wirtschaftliche Aktivitäten. Güter und Dienstleistungen, die keine Marktpreise besitzen, aber real getauscht werden oder das Wohlergehen von Menschen jenseits eines Marktes fördern, wie die meisten ÖSL, werden im BIP nicht erfasst. Zudem führt ein steigendes BIP ab einem bestimmten Niveau keineswegs automatisch zu einer Steigerung des subjektiven Wohlbefindens (was von Inglehart bereits 2008 konstatiert wurde).