Schlüsselwörter

1 Einleitung

Die Digitalisierung von Arbeit gehört seit Jahren zu den Megathemen der soziologischen Forschung (Brynjolfsson und McAfee 2016; Hirsch-Kreinsen 2020; Pfeiffer 2021). Zwei Forschungsstränge sind dabei besonders prominent: Zum einen finden sich zahlreiche quantitative Prognosen über Beschäftigungseffekte der Digitalisierung (Frey und Osborne 2017; Autor und Dorn 2013). Primär geht es dabei um die zukünftig zu erwartenden Substitutionseffekte durch Automatisierung und künstliche Intelligenz, die – so alle Prognosen – Branchen und Berufe höchst ungleich treffen werden. Zum anderen beschäftigen sich vorwiegend qualitative Studien mit der pilothaften Erprobung neuer Technologien, um deren Auswirkungen auf die Arbeitsqualität – Arbeitsinhalte, Arbeitsbedingungen und Mensch-Technik-Interaktionen – zu untersuchen (Herrmann und Pfeiffer 2022; Krzywdzinski et al. 2022; Schultz-Schaefer et al. 2020; Holst et al. 2020; Butollo et al. 2018). So wichtig diese Analysen für eine arbeitsgesellschaftliche Technikfolgenabschätzung auch sind, aufgrund ihres eher kleinräumigen Zuschnitts sperren sich die meisten Pilotprojekte gegen eine systematische Vermessung von Ungleichheiten in der Digitalisierung von Arbeit.

An diesem Punkt setzt das im Rahmen des SPP 2267 „Digitalisierung der Arbeitswelten“ geförderte Vorhaben DigiCLASSFootnote 1 an, das die Forschung zur Digitalisierung von Arbeit mit der seit einigen Jahren wieder intensiv geführten Diskussion über die gesellschaftliche Relevanz sozialer Klasse verbindet und nach Ungleichheiten in den Digitalisierungserfahrungen fragt: Wie erleben Beschäftigte aus verschiedenen Berufsgruppen die Digitalisierung ihrer eigenen Arbeit? Im Folgenden wird das Forschungsprogramm des Projekts vorgestellt und auf die digitale Arbeitsform Homeoffice angewendet. Was oberflächlich als rein räumliche Verlagerung des Arbeitsplatzes – vom stationären Arbeitsplatz im Betrieb in das Homeoffice in der eigenen Wohnung – erscheint, setzt faktisch eine weitreichende kommunikations- und informationstechnische Durchdringung voraus. Ohne ein Mindestmaß an Digitalisierung der Kommunikation, der Arbeitsinhalte und des Arbeitsprozesses ist es nicht möglich, den Arbeitsort in die eigene Wohnung zu verlagern. Zugleich ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik nicht neutral: Die Digitalisierung der Kommunikation durch Videotelefonie oder E-Mails verändert die Interaktionen mit Kolleg*innen, Vorgesetzten und Kund*innen, genauso wie die Digitalisierung von Prozessen auf Arbeitsinhalte und Tätigkeiten zurückwirkt.

Für eine ungleichheitssensible Digitalisierungsforschung im Allgemeinen und die Analyse der digitalen Durchdringung von Arbeit im Speziellen stellt das digital gestützte, pandemiebedingte Homeoffice einen besonders interessanten Fall dar. Zum einen ermöglicht es die weite Verbreitung des Homeoffice in der Corona-Pandemie, systematisch die Klassenungleichheiten im Digitalisierungserleben zu vermessen. Im Frühjahr 2020 wurde innerhalb weniger Wochen die Arbeit von Millionen von Beschäftigten in die eigene Wohnung verlagert. Ein gutes Drittel der Erwerbstätigen arbeitete in der Corona-Pandemie mehr von zu Hause als in Vor-Corona-Zeiten (Ahlers et al. 2021; Alipour et al. 2020; Holst et al. 2022; Niehoff und Holst 2023; Schröder et al. 2020). Auch wenn die Verbreitung des hybriden Arbeitens mit dem Übergang in die endemische Phase von Sars-CoV2 etwas zurückgegangen ist und nicht alle Berufe gleichen Zugang zum Homeoffice haben: Keine andere digitale Arbeitsform weist gegenwärtig eine ähnliche Verbreitung auf.

Zum anderen zeigen sich zwar durchaus Unterschiede in der technischen Ausstattung des Homeoffice, in unseren Interviews beispielsweise berichten Beschäftigte wiederholt von Ausstattungsdefiziten. Dennoch besitzt die informations- und kommunikationstechnische Durchdringung des Arbeitens von zu Hause im Vergleich zu vielen anderen digitalen Systemen einen relativ engen funktionalen Kern. Der Einsatz eines IoT-Systems beispielsweise wirkt sich unterschiedlich auf Produktionsarbeiter*innen, Betriebsingenieur*innen und Produktionsplaner*innen aus: über die Arbeit der einen werden Daten erhoben, andere arbeiten mit den Daten und wiederum andere richten die digitalen Systeme ein. Die digitalen Basisfunktionen im Homeoffice sind dagegen für verschiedene Berufsgruppen vergleichsweise homogen. Unabhängig von der beruflichen Position geht die Einführung oder Ausweitung des Homeoffice in der Regel mit dem Einsatz eines oder mehrerer Kommunikations-, Informationsverarbeitungs- oder Kollaborationstools einher.

Ohne an dieser Stelle zu viel vorwegzunehmen: Die quantitativen und qualitativen Befunde von DigiCLASS zeigen, dass die mit dem pandemiebedingten Homeoffice verbundenen Digitalisierungserfahrungen erhebliche Ungleichheiten aufweisen – und dass hierbei die berufliche Position eine wichtige Rolle spielt. Darüber hinaus ist die Ebene der Arbeitsorganisation ausschlaggebend für das Entstehen von Klassenungleichheiten im Homeoffice. Nicht alle Berufe haben die gleichen Chancen auf eine gesundheitsförderliche und mit autonomieerweiternden Digitalisierungserfahrungen einhergehende Gestaltung des Homeoffice. Insbesondere die nicht-akademischen Berufe der unteren Klassen und die interpersonellen Berufe müssen deutlich häufiger Ausstattungs- und Ergonomiedefizite, eine auf Misstrauen oder Kontrolle basierende Steuerung oder Probleme in der Einbindung in die betrieblichen Abläufe hinnehmen. Drei Faktoren – darauf deuten unsere Interviews hin – liegen dem Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse zugrunde: Der Kern der Tätigkeit, der Digitalisierungsstand vor der Pandemie und die (kollektive) Arbeitsregulierung strukturieren den Möglichkeitsraum für die Gestaltung des Homeoffice.

Folgendermaßen ist der Beitrag aufgebaut: Zunächst werden das Forschungsprogramm von DigiCLASS vorgestellt (2) sowie die empirische Basis und die verwendeten Methoden dargestellt (3). Anschließend werden die Ergebnisse zu den Ungleichheiten im pandemiebedingten Homeoffice erläutert: Anhand einer Clusteranalyse werden im ersten Schritt die Unterschiede in der Arbeitsorganisation beleuchtet und deren Bedeutung für die Digitalisierungserfahrungen untersucht (4). Im zweiten Schritt wird anhand qualitativer Interviews der Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse exploriert (5).

2 Das Forschungsprogramm von DigiCLASS

Das Forschungsprogramm von DigiCLASS verbindet die Forschung zur Digitalisierung von Arbeit mit der Debatte über die gesellschaftliche Relevanz sozialer Klasse. Damit trägt DigiCLASS zu einer ungleichheitssensiblen Digitalisierungsforschung bei. Es wird danach gefragt, wie Beschäftigte aus verschiedenen Berufsgruppen die Digitalisierung ihrer Arbeit erleben. Welche Gemeinsamkeiten zeigen sich in den Erfahrungen von Angehörigen einer Klasse? Und welche Differenzen lassen sich im Digitalisierungserleben unterschiedlicher Klassen beobachten? Ausgangspunkt des Forschungsprogramms ist die Erkenntnis, dass sich die Digitalisierung – die technologische Durchdringung von Arbeit, ihre datengetriebene Verfügbarmachung und die Verselbstständigung von Technik – nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum vollzieht, sondern in einem von vielfältigen Ungleichheiten geprägten sozialen Raum. Je nach Arbeitsfeld werden unterschiedliche digitale Artefakte, Applikationen und Systeme eingesetzt, viele Systeme wirken sich unterschiedlich auf verschiedene Berufsgruppen aus. Genauso kann ein und dieselbe Technologie auf unterschiedliche Art und Weise in die Arbeitsorganisation eingebunden sein und deswegen in verschiedenen Betrieben unterschiedliche Implikationen haben. Insbesondere der letzte Punkt spielt beim Homeoffice eine zentrale Rolle: Aufgrund des relativ engen funktionalen Kerns der eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnik treten die Differenzen auf der Ebene der Arbeitsorganisation besonders deutlich zutage. Anders als bei anderen digitalen Systemen sind die Klassenungleichheiten beim Homeoffice – das ist ein wichtiges Ergebnis unserer Forschung – weniger in den funktionalen Eigenschaften der Technik verankert als in Differenzen in der Arbeitsorganisation.

Um Ungleichheiten in der Digitalisierung von Arbeit zu untersuchen, wird in dem Beitrag auf den Erwerbsklassenansatz von Daniel Oesch (2006) zurückgegriffen. Dieser erweitert die in der soziologischen Ungleichheitsforschung fest verankerte vertikale Stratifizierung in obere und untere Klassen um die horizontale Differenzierung nach Tätigkeitsinhalten. So ergeben sich für den Bereich der abhängigen Beschäftigung sechs Erwerbsklassen. In der Tab. 1 sind diese mit häufig vorkommenden Berufen dargestellt (für eine ausführliche Beschreibung des Oesch-Ansatzes und der empirischen Umsetzung siehe Holst et al. 2022). Die vertikale Klassenlage definiert sich über die Qualifikationsanforderungen des Berufs. Die Skala reicht von akademischen und halb-akademischen Berufen in den oberen Erwerbsklassen bis hin zu berufsfachlich qualifizierten Berufen und Anlerntätigkeiten in den unteren Klassen. Hingegen bezieht sich die horizontale Klassenlage auf die Arbeitslogik. Für abhängig Beschäftigte werden drei Logiken unterschieden: In der interpersonellen Arbeitslogik besteht der Kern des Arbeitsprozesses aus direkter menschlicher Interaktion, in der administrativen bestimmen bürokratische Regeln den Arbeitsprozess und in der technischen spielen technische Artefakte und Maschinen eine zentrale Rolle.

Tab. 1 Das Klassenschema nach Daniel Oesch (nur abhängig Beschäftigte)

3 Sample und Methoden

Die Analysen der Ungleichheiten im digital durchdrungenen Homeoffice stützen sich auf standardisierte Erwerbstätigenbefragungen und qualitative Interviews. Das quantitative Material umfasst zwei Erhebungsrunden, die als Online-Survey für Erwerbstätige im Rahmen des Arbeitswelt-Monitors 2021 und 2022 erhoben wurden. Von den 10.720 befragten Erwerbstätigen arbeiteten knapp 5000 abhängig Beschäftigte in der Pandemie mehr von zu Hause als in Vor-Corona-Zeiten. Das Gesamtsample weist eine zufriedenstellende soziostrukturelle Passung mit der Grundgesamtheit (deutsche Erwerbsbevölkerung) auf. Aufgrund des ungleichen Zugangs zeigen sich im Homeoffice-Subsample auf Ebene der Klasse mehrere Abweichungen: Akademische Berufe sind deutlich überrepräsentiert, von den nicht-akademischen Tätigkeiten können fast nur Bürokräfte von zu Hause arbeiten und die Anteile der interpersonellen Berufe sind deutlich geringer (siehe auch Niehoff und Holst 2023). Das qualitative Sample besteht aus insgesamt 95 qualitativen Interviews mit Beschäftigten im Homeoffice, die zwischen 2020 und 2022 geführt wurden. Rekrutiert wurden die Interviewpartner*innen über die Surveys des Arbeitswelt-Monitors und über Kontakte im Rahmen von DigiCLASS.

In den Analysen sind die qualitativen Interviews und die quantitativen Erhebungen eng miteinander verzahnt. Im ersten Schritt wurden aus den qualitativen Interviews aus der Frühphase der Pandemie inhaltsanalytisch sieben Aspekte der Arbeitsorganisation identifiziert, die aus Sicht der Beschäftigten für die eigenen Arbeitserfahrungen im pandemiebedingten Homeoffice besonders relevant sind. Im zweiten Schritt wurden diese Aspekte für die Erhebungsrunden 2021 und 2022 in sieben Items umgesetzt und auf dieser Grundlage eine Clusteranalyse durchgeführt. Für die Clusteranalyse haben wir ein zweistufiges Verfahren gewählt: eine hierarchische Clusteranalyse mit Ward als varianzbasierter Methode zur Fusionierung von Fällen und eine Optimierung der Zuordnung der Fälle zu den Clustern mithilfe des k-Means-Verfahrens. Die finale Lösung mit sechs Clustern wurde über ein Dendrogramm und anhand inhaltlicher Überlegungen ausgewählt. Im dritten Schritt wurden die Interviews in einem sequenzanalytischen, rekonstruktiven Verfahren ausgewertet, um den Zusammenhang zwischen Klasse und Arbeitsorganisation zu untersuchen.

4 Arbeitsorganisatorische Varianten des Homeoffice und ungleiche Digitalisierungserfahrungen

Die soziologische Forschung zum pandemiebedingten Homeoffice ist umfangreich. Grundlage des Beitrags ist ein weiter Begriff des Homeoffice, der sich an international gebräuchlichen Definitionen des „working from home“ (WFH) (Barrero et al. 2021) orientiert und sich auf die Praxis des Arbeitens von zu Hause bezieht. Intensiv beschäftigt sich die Forschung unter anderem mit den (Neben-)Folgen des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnik, insbesondere für Kommunikationsmuster und soziale Beziehungen, Arbeitsinhalte und -belastungen, Geschlechterverhältnisse und das Verhältnis von Arbeit und Leben (Kleemann und Leontaris 2023; Schreyer et al. 2022; Carstensen et al. 2022). Die Bedeutung arbeitsorganisatorischer Bedingungen wird zwar in vielen Beiträgen angesprochen, aber nicht systematisch untersucht (für die umfangreichste Auseinandersetzung damit siehe Ahlers et al. 2021). Bislang fehlt es zudem an einer Kartographierung unterschiedlicher arbeitsorganisatorischer Homeoffice-Varianten und deren (Neben-)Folgen für die Beschäftigten.

Diese Leerstelle wird von der hier präsentierten Clusteranalyse adressiert. Basis der Clusteranalyse ist ein Instrument mit sieben Items. Diese bilden selbstverständlich nicht alle Aspekte der Arbeitsorganisation im Homeoffice ab, stellen jedoch die aus Sicht der von uns zu Beginn der Pandemie interviewten Beschäftigten besonders relevanten Aspekte dar. Die Items lassen sich analytisch drei Dimensionen zuordnen: der Beschaffenheit des Heimarbeitsplatzes (mit den drei Einzelaspekten Vollständigkeit der technischen Ausstattung, ergonomische Gestaltung, Trennung vom Rest der Wohnung), der Steuerung der hybriden Arbeit (Vertrauen der Vorgesetzten, Kontrolle durch den Arbeitgeber, Autonomie bei der Wahl des Arbeitsortes) und der Schnittstelle zum Betrieb (Einbindung in betriebliche Abläufe).

Die Clusteranalyse identifiziert sechs Varianten des pandemiebedingten Homeoffice (siehe Tab. 2). Besonders auffällig sind die beiden Extrempole der Typologie, das humanzentrierte Homeoffice und das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. Das humanzentrierte Homeoffice (n = 1.319) ist durch einen technisch und ergonomisch voll ausgestatteten Arbeitsplatz, eine vertrauensbasierte Steuerung und eine vollständige Einbindung in die betrieblichen Abläufe gekennzeichnet. Das kontrollzentrierte mobile Arbeiten (n = 389) weist hingegen starke Ausstattungsdefizite, eine kontrollzentrierte Steuerung und Einbindungsdefizite auf. Die vier Varianten, die zwischen den Extrempolen liegen, zeigen in den drei untersuchten Dimensionen jeweils spezifische Merkmalskombinationen. Das vertrauensbasierte mobile Arbeiten (n = 1.181) unterscheidet sich vom humanzentrierten Homeoffice vor allem durch die fehlende ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes in der eigenen Wohnung, beim heteronomen mobilen Arbeiten (n = 721) verfügen die Beschäftigten praktisch über keine Mitsprache bei der Wahl des Arbeitsortes, das misstrauensbasierte Homeoffice (n = 472) ist zwar technisch und ergonomisch gut ausgestattet, jedoch fehlt das Vertrauen der Vorgesetzten und beim entgrenzenden mobilen Arbeiten (n = 670) ist der Heimarbeitsplatz nicht von der Wohnung getrennt.

Tab. 2 Arbeitsorganisatorische Varianten des pandemiebedingten Homeoffice (Clusterzentren)

Für die Beschäftigten sind diese Unterschiede in der Arbeitsorganisation äußerst relevant. Die Arbeits- und Digitalisierungserfahrungen unterscheiden sich deutlich zwischen den sechs Varianten des pandemiebedingten Homeoffice. Zugleich haben nicht alle Berufe die gleichen Zugangschancen zum humanzentrierten Homeoffice, das als einzige Variante in den hier untersuchten arbeitsorganisatorischen Aspekten keine Defizite aufweist und damit langfristig höhere Chancen für ein gesundheitsförderliches hybrides Arbeiten beinhalten dürfte. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf eine kontrastierende Darstellung der beiden arbeitsorganisatorischen Extrempole, dem humanzentrierten Homeoffice und dem kontrollzentrierten mobilen Arbeiten, in denen die Klassenunterschiede in der Betroffenheit und beim Erleben der digital durchdrungenen Arbeitsform besonders prononciert sind.

4.1 Humanzentriertes Homeoffice: Digitalisierung als Autonomiegewinn

Das humanzentrierte Homeoffice wird von einem vollständig ausgestatteten und ergonomisch gestalteten Heimarbeitsplatz, der ein ungestörtes Arbeiten in der eigenen Wohnung ermöglicht, einer vertrauensbasierten Führung mit weitreichenden Autonomiespielräumen sowie einer umfassenden Einbindung in die betrieblichen Abläufe gekennzeichnet. In dieser Variante werden also Ergonomie und Autonomie kombiniert: Der Heimarbeitsplatz ist nicht nur ergonomisch gestaltet, die Beschäftigten verfügen auch über erheblichen Einfluss auf die eigene Arbeit und können aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades eigene Vereinbarkeits- und Flexibilitätsinteressen realisieren. Die positiven Aspekte in der Arbeitsorganisation spiegeln sich auch in den Arbeits- und Digitalisierungserfahrungen. Viele Beschäftigte erleben die Einführung oder Ausweitung des humanzentrierten Homeoffice als Autonomiegewinn. Vor allem die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben verbessert sich in dieser Variante deutlich. Hinsichtlich der soziostrukturellen Verteilung zeigen sich im humanzentrierten Homeoffice einige Auffälligkeiten. Zwar findet sich die humanzentrierte Variante grundsätzlich in allen Berufen, trotzdem sind deutliche Schwerpunkte zu erkennen: Technische Expert*innen sind am stärksten in dieser Variante vertreten, während soziokulturelle Professionen sowie Beschäftigte aus den unteren Klassen unterrepräsentiert sind (siehe Tab. 3).

Tab. 3 Soziostrukturelle und organisationale Merkmale nach Varianten des pandemiebedingten Homeoffice (Angaben in Prozent)

4.2 Kontrollzentriertes mobiles Arbeiten: Belastungssteigernde Digitalisierung

Den arbeitsorganisatorischen Gegenpol zum humanzentrierten Homeoffice bildet das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. In allen drei Untersuchungsdimensionen weist diese Variante die größten Defizite auf. Der Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung hat nicht nur ergonomische, sondern auch technische Ausstattungsdefizite. Oftmals fehlen periphere Hardwaregeräte oder für die jeweilige Tätigkeit erforderliche Applikationen. Zugleich basiert die Steuerung der hybriden Arbeit auf Kontrolle und die organisatorische Einbindung in die betrieblichen Abläufe ist unvollständig. Diese Eckpunkte des kontrollzentrierten mobilen Arbeitens zeigen sich auch in den Digitalisierungserfahrungen der Beschäftigten: Viele berichten von Belastungssteigerungen und einer intensivierten Kontrolle. Dem kontrollzentrierten mobilen Arbeiten liegt ein vernutzender Umgang mit menschlicher Arbeit zugrunde, der die Interessen der Unternehmen und Organisationen über die Gesundheit und die Interessen der Beschäftigten stellt. Das kontrollzentrierte mobile Arbeiten ist ebenfalls in allen Bereichen der Arbeitswelt zu finden, weist aber einige markante berufliche Schwerpunkte auf: Die nicht-akademischen Berufe der unteren Klassen sind in dieser Variante häufiger vertreten, ebenso die interpersonellen Dienstleistungsberufe (auffällig vor allem die Erziehungs- und Unterrichtsberufe).

5 Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse

Die Ergebnisse der Clusteranalyse zeigen erstens, dass es im pandemiebedingten Homeoffice deutliche Unterschiede in der Arbeitsorganisation gibt und dass diese Differenzen zweitens erhebliche Auswirkungen auf die Digitalisierungserfahrungen der Beschäftigten haben. Indirekt verweisen diese Ergebnisse damit auf die Relevanz der Arbeitsgestaltung: Arbeitgeber, Vorgesetzte, die Beschäftigten selbst und – wie an der entgrenzenden Form des mobilen Arbeitens besonders deutlich zu Tage tritt wird – die Haushaltsmitglieder handeln letztlich die Organisation des pandemiebedingten Homeoffice aus.

Zugleich deutet die soziostrukturelle Zusammensetzung der Cluster auf einen Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klassenlage hin (siehe Tab. 3). Nicht alle Berufe haben den gleichen Zugang zum humanzentrierten Homeoffice. Erstens sind generell vertikale Ungleichheiten zu sehen. Beschäftigte in nicht-akademischen Berufen der unteren Erwerbsklassen arbeiten seltener im humanzentrierten Homeoffice als die der oberen Klassen. Zweitens finden sich die technischen Expert*innen deutlich häufiger in der humanzentrierten Variante als alle anderen Klassen. Und drittens sind die Berufe der beiden interpersonellen Klassen, die Dienstleistenden und die soziokulturellen Professionen, im kontrollzentrierten mobilen Arbeiten am anderen Ende des arbeitspolitischen Kontinuums überrepräsentiert. Darüber hinaus zeigen sich auch entlang der Betriebsgröße und vor allem der Mitbestimmung Unterschiede in der Zusammensetzung der Cluster. In Betrieben mit durchsetzungsstarkem Betriebs- oder Personalrat tritt das humanzentrierte Homeoffice wesentlich häufiger auf. Diesen Punkt werden wir an späterer Stelle noch einmal aufgreifen.

Obwohl der Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse an den beiden Extrempolen der Typologie sehr deutlich ist, sagen die quantitativen Daten nichts über die zugrunde liegenden Mechanismen aus. Warum arbeiten die technischen Expert*innen öfter im humanzentrierten Homeoffice? Woran liegt es, dass sich Berufe mit geringeren Qualifikationsanforderungen und/oder mit interpersonellem Tätigkeitscharakter eher im kontrollzentrierten mobilen Arbeiten wiederfinden? Um den Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse genauer auszuleuchten, wird in diesem Abschnitt ein explorativer Blick in die qualitative Empirie von DigiCLASS geworfen. Anhand eines doppelten Vergleichs von jeweils zwei Fällen des humanzentrierten Homeoffice und des kontrollzentrierten mobilen Arbeitens – einem typischen und einem eher überraschenden Fall – werden drei Faktoren veranschaulicht, die sich in der Analyse des qualitativen Materials bei dieser Frage als wesentlich erwiesen haben: der Tätigkeitskern, der Digitalisierungsstand und die (kollektive) Arbeitsregulierung.

5.1 Zwei Fälle des humanzentrierten Homeoffice: IT-Entwicklerin und Unterabteilungsleiterin

Unsere qualitativen Analysen legen den Schluss nahe, dass die Überrepräsentation von technischen Expert*innen im humanzentrierten Homeoffice zumindest teilweise auf einen Pfad zurückgeht, bei dem sich eine in ihrem Kern kognitive, technisch-problemlösende Arbeitstätigkeit (Tätigkeitskern), eine bereits vor der Pandemie umfassende kommunikations- und informationstechnische Durchdringung der Arbeitsprozesse (Digitalisierungsstand) und eine die Interessen der Arbeitnehmer*innen berücksichtigende betriebliche Regulierung der Arbeitsbeziehungen (Arbeitsregulierung) wechselseitig verstärken. Als Beispiel dient uns hier der Fall einer IT-Entwicklerin, die als Senior Product Engineer in einem Software-Unternehmen tätig ist. Zusammen mit ihrem Team entwickelt sie eine Software-Applikation zum Veröffentlichen und Bearbeiten von Webseiten. Schon lange vor Pandemiebeginn war ihre Tätigkeit von digitalen Technologien durchdrungen, sodass sie den Wechsel ins pandemiebedingte Homeoffice nicht als Bruch erlebte. Ihre Arbeitsinhalte änderten sich dadurch faktisch nicht. Die Content-Management-Software bildet nach wie vor das zentrale Arbeitsmittel. Als hochqualifizierte Angestellte, die für ihre Arbeit vor allem kognitive, technische Kompetenzen anwenden muss, ist es für die Interviewte – überspitzt formuliert – unwichtig, wo ihr Schreibtisch steht. Auch die im Rahmen der Teamarbeit erforderlichen Absprachen mit Kundschaft, Vorgesetzten und Kolleg*innen verändern sich durch die Verlagerung ihres Arbeitsortes nicht. Da die Teammitglieder schon lange an verschiedenen Standorten des Unternehmens tätig sind, kann auf entwickelte Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und auf etablierte Routinen digital vermittelter Kommunikation zurückgegriffen werden. Unterstützend kommt hinzu, dass das Unternehmen, auch auf Initiative des aktiven Betriebsrats, direkt nach dem Ausbruch der Pandemie mobiles Arbeiten durch eine Betriebsvereinbarung regulierte. Dies stellt sicher, dass die Heimarbeitsplätze nicht nur mit einem mobilen Endgerät, sondern auch mit Monitoren und Bürostuhl technisch und ergonomisch voll ausgestattet sind. Entsprechend erlebt die Beschäftigte die digitale Durchdringung ihrer Arbeit positiv als Effizienzgewinn und Autonomieerweiterung bzw. in ihren eigenen Worten: „weniger Transaktionskosten und mehr Selbstbestimmung“.

Das humanzentrierte Homeoffice ist aber nicht nur dort zu finden, wo Tätigkeitskern, Digitalisierungsstand und Arbeitsregulierung gewissermaßen fast automatisch zu dieser arbeitsorganisatorischen Variante führen. Der folgende Fall macht deutlich, dass das humanzentrierte Homeoffice auch dort etabliert werden kann, wo sich der Tätigkeitskern als sperrig gegenüber der digitalen Durchdringung erweist und die Digitalisierung vor Pandemiebeginn weniger weit fortgeschritten war. Die Unterabteilungsleiterin eines Automobilkonzerns ist organisatorisch-problemlösend tätig, ihre Arbeit ist von einem großen kommunikativen Anteil (Tätigkeitskern) und einem vergleichsweise geringen Grad der kommunikations- sowie informationstechnischen Durchdringung der Arbeitsprozesse (Digitalisierungsstand) geprägt. Die Befragte leitet ein Team, das verschiedene mobile Onlinedienste rund ums Auto betreut und sich an der Schnittstelle zwischen App-Entwicklung, Call-Centern und Endkund*innen befindet. Auffällig an diesem Fall sind vor allem zwei Dinge. Zum einen führt der Pandemiebeginn zu einem unregulierten Übergang ins Homeoffice, der in eine massive zeitliche Entgrenzung und Verdichtung der Arbeit mündet. Da sowohl Wegzeiten zur und während der Arbeit als auch feste Bürozeiten wegfallen, reihen sich Meetings jetzt ohne Pause aneinander und werden zudem in sehr frühe und späte Randzeiten gelegt. Zum anderen bereitet der Unterabteilungsleiterin die vollständige Digitalisierung der eigenen Arbeit Probleme. Insbesondere die Kommunikation mit den Entwickler*innen und anderen Funktionsbereichen, die viel „Fingerspitzengefühl“ und „Diplomatie“ erfordert, wird deutlich erschwert. Im Unterschied zur IT-Entwicklerin lässt sich der Tätigkeitskern der Unterabteilungsleiterin somit nicht friktionslos digitalisieren. Den Wechsel ins Homeoffice erlebt sie daher zunächst nicht als Erweiterung ihrer Autonomiespielräume, sondern primär als Belastungssteigerung. Allerdings – und deswegen ist dies am Ende doch ein Beispiel für das humanzentrierte Homeoffice – gelingt es der Befragten zusammen mit dem Betriebsrat und einigen anderen Führungskräften, die zu Pandemiebeginn bestehenden Normierungslücken im Bereich des mobilen Arbeitens zu schließen. Im Unternehmen wird eine Betriebsvereinbarung beschlossen, die Ruhe- und Pausenzeiten verbindlich festlegt und die ergonomische Ausstattung der Heimarbeitsplätze vorschreibt. Diese Regularien sorgen dafür, dass sich für die Unterabteilungsleiterin die Arbeitsorganisation verbessert hat und sie das hybride Arbeiten inzwischen – trotz der anhaltenden Probleme bei der digitalen Kommunikation – als Effizienz- und Autonomiegewinn erlebt.

5.2 Zwei Fälle des kontrollzentrierten mobilen Arbeitens: Labelerin und Bibliothekarin

Der Faktor Arbeitsregulierung kann die Arbeitsorganisation im Homeoffice allerdings nicht nur positiv beeinflussen. Unsere Analysen legen nahe, dass die Regulierung auch dazu beiträgt, dass sich die nicht-akademischen Berufe der unteren Klassen häufiger in der kontrollzentrierten Variante des mobilen Arbeitens wiederfinden – und zwar selbst dann, wenn sich die Arbeit aufgrund ihres Tätigkeitskerns problemlos ins Homeoffice verlagern lässt und die Arbeitsprozesse seit längerer Zeit hochgradig digital durchdrungen sind. Ein Beispiel hierfür ist eine „Labelerin“, die als formal Selbstständige für die Video-Plattform eines internationalen Technologieunternehmens arbeitet. Mithilfe einer speziellen Software erstellt sie Untertitel für kurze Online-Video-Clips, um den selbstlernenden Algorithmus der Plattform für die automatische Erstellung von deutschsprachigen Untertiteln zu trainieren. Nach Pandemiebeginn änderte sich für die Befragte in ihrer Tätigkeit faktisch nichts. Zentrales Arbeitsmittel ist weiterhin eine vom Mutterkonzern entwickelte Software, mit der die Videos automatisiert auf ihren Laptop gespielt werden und mit der sie die Untertitel erstellt. Der Informationsaustausch und die sehr spärliche Kommunikation mit den Vorgesetzten erfolgt längst über digitale Systeme. Ähnlich der IT-Entwicklerin sperrt sich der Tätigkeitskern der Labelerin nicht gegen die digitale Durchdringung und ihr Arbeitsplatz ist schon vor Pandemiebeginn umfassend digitalisiert. Trotz dieser Bedingungen landet die Befragte im kontrollzentrierten mobilen Arbeiten. Verantwortlich hierfür ist die Arbeitsregulierung, die einseitig den Interessen des Unternehmens dient. Als Gig-Arbeiterin verfügt sie weder über individuelle noch kollektive Machtressourcen, um ihre Interessen in die Arbeitsgestaltung einzubringen. Besonders negativ erlebt sie die für sie intransparente algorithmische Leistungskontrolle und das Fehlen von Ansprechpartner*innen bei Problemen. Die Software des Konzerns ist nämlich nicht nur ein Arbeitsmittel zur Produktion der Untertitel, sondern auch ein Tracking-System, das über die Mausbewegungen und Arbeitsergebnisse die Arbeitsleistung kontrolliert und über einen undurchsichtigen Quotienten die Entlohnung bestimmt: „Mit einem Algorithmus kannst du nicht verhandeln.“ Diese Verbindung aus intransparenter technischer Kontrolle und fehlenden Artikulationsmöglichkeiten erlebt sie als extrem stresserzeugend und entfremdend.

Das kontrollzentrierte mobile Arbeiten ist jedoch nicht nur ein Phänomen der unteren Klassen. Auch die akademischen Berufe der soziokulturellen Professionen sind in dieser Variante überrepräsentiert. Das Beispiel einer diplomierten Bibliothekarin zeigt, wie ein Tätigkeitskern, der sich gegen eine vollständige Virtualisierung und kommunikationstechnische Durchdringung sperrt, ein geringer Digitalisierungsstand der Einrichtung und eine auf Kontrolle und Hierarchie setzende Leitung zusammen bewirken, dass die privilegierte Position des akademischen Berufs in keine positive Organisation des Homeoffice mündet. Wie bei den technischen Expert*innen verstärken sich hier Tätigkeitskern, Digitalisierungsstand und Arbeitsregulierung gegenseitig, in diesem Fall allerdings zum Nachteil der Befragten. Die Bibliothekarin erlebt die Gestaltung des pandemiebedingten Homeoffice als ungerecht, kontrollierend und einschränkend. Im Unterschied zu den anderen Fällen arbeitete sie auch zu Hochzeiten der Pandemie nur zwei Tage wöchentlich im Homeoffice. Sie betont, dass in ihrer Arbeit die Präsenz vor Ort nicht gänzlich ersetzt werden kann: Bücher bekleben, stempeln, im Magazin einstellen, „gucken, muss ich es reparieren lassen?“, „das kann man halt nicht so einfach von zu Hause aus bearbeiten“. Zudem blockieren die kontrollzentrierte Führung durch die Leitung der Organisation und die ausgeprägte Misstrauenskultur den Wechsel ins Homeoffice. „Eine versteckte Sorge im Archiv ist, dass die Leute, die zu Hause sind, ja nicht arbeiten. Die sitzen nur rum und machen nichts. Also da muss man ganz genau aufschreiben, was man gemacht hat.“ Das Misstrauen des Arbeitgebers steht somit nicht nur hinter dem restriktiven Zugang zum Homeoffice, sondern führt auch zu einer strikten Kontrolle der Arbeit im Homeoffice. Hinzu kommt schließlich der eher geringe Digitalisierungsstand in der Einrichtung. Am Arbeitsplatz der Bibliothekarin existieren keine digitalen Formate für einen niedrigschwelligen informellen Austausch. Hierzu fehlt – neben dem Willen der Führungsebene – auch das technische und organisatorische Erfahrungswissen.

6 Fazit

Dieser Beitrag beschäftigt sich im Kontext einer ungleichheitssensiblen Digitalisierungsforschung mit dem digital durchdrungenen pandemiebedingten Homeoffice. Trotz des relativ engen funktionalen Kerns des pandemiebedingten Arbeitens von zu Hause wurden deutliche Ungleichheiten in den Arbeits- und Digitalisierungserfahrungen sichtbar. Während der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik für die einen die Arbeitsqualität verbessert, allen voran hinsichtlich Autonomie und Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, bedeutet die digitale Durchdringung für andere eine zunehmende Kontrolle, Entgrenzung oder Intensivierung von Arbeit. Die Analysen von DigiCLASS zeigen, dass die Arbeitsorganisation eine besondere Rolle für das Entstehen dieser Ungleichheiten spielt. Mithilfe einer Clusteranalyse identifizierten wir sechs arbeitsorganisatorische Varianten des pandemiebedingten Homeoffice, die sich in der Ausstattung des Heimarbeitsplatzes, der Steuerung der hybriden Arbeit und der Einbindung in den Betrieb erheblich voneinander unterscheiden. Im Beitrag wurden die beiden Extrempole der Clusteranalyse näher beleuchtet: das humanzentrierte Homeoffice und das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. Für die Beschäftigten sind die Differenzen in der Arbeitsorganisation äußerst relevant. Während die digitale Durchdringung im humanzentrierten Homeoffice in der Regel als Vereinbarkeits- und Autonomiegewinn erlebt wird, berichten die Beschäftigten im kontrollzentrierten mobilen Arbeiten von Belastungssteigerungen, Autonomieverlusten und verstärkter Kontrolle.

Diese Differenzen gelten relativ unabhängig von der beruflichen Position. Das humanzentrierte Homeoffice wird in allen Klassen überaus positiv wahrgenommen, die Erfahrung von Autonomie- und Vereinbarkeitsgewinnen ist weit verbreitet. Trotzdem gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse: Offensichtlich haben nicht alle Berufe die gleichen Chancen, sich in der humanzentrierten Variante des pandemiebedingten Homeoffice wiederzufinden, die mit einem ausgesprochen positiven Erleben der informations- und kommunikationstechnischen Durchdringung der eigenen Arbeit einhergeht. Der doppelte Vergleich der qualitativen Fälle verweist auf die zugrunde liegenden Mechanismen. Nach unserer explorativen Analyse spielen hier drei Faktoren eine wichtige Rolle: der Tätigkeitskern, der Digitalisierungsstand und die (kollektive) Arbeitsregulierung. Von den technischen Expert*innen arbeitet ein vergleichsweise großer Teil im humanzentrierten Homeoffice, weil sich die drei Faktoren wechselseitig positiv verstärken. Der technisch-problemlösende Tätigkeitskern ist kompatibel mit der digitalen Durchdringung, ihre Arbeit war auch schon vor der Pandemie hochgradig digitalisiert und sie arbeiten – das zeigt sich auch in der soziostrukturellen Zusammensetzung der Cluster – häufig in Betrieben, in denen durchsetzungsstarke Interessenvertretungen das Arbeiten von zu Hause arbeitnehmer*innenorientiert regulieren. Unter den soziokulturellen Professionen finden wir hingegen eine entgegengesetzte Konstellation: Der kommunikative Tätigkeitskern sperrt sich gegen eine einfache digitale Durchdringung, in vielen Feldern war die Digitalisierung vor der Pandemie wenig fortgeschritten und die kollektiven Interessenvertretungen sind durchsetzungsschwach. Dass der Tätigkeitskern mit der horizontalen Dimension des von DigiCLASS verwendeten Klassenschemas korrespondiert, liegt auf der Hand. Zugleich zeigt sich gerade bei der Arbeitsregulierung auch eine vertikale Komponente: Selbst bei digitalisierungsaffinem Tätigkeitskern sind die Chancen von nicht-akademischen Berufen auf eine positive Arbeitsorganisation deutlich geringer.

Was folgt aus all dem? Letztlich lassen sich die Ergebnisse auch als Beleg für die große Bedeutung der Arbeitsgestaltung für die Auswirkungen der informations- und kommunikationstechnischen Durchdringung im Zuge des pandemiebedingten Homeoffice lesen. Entscheidend für die Ungleichheiten in den Digitalisierungs- und Arbeitserfahrungen sind die Unterschiede in der Arbeitsorganisation. Die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes, die konkrete Steuerung der hybriden Arbeit und die Einbindung des Homeoffice in die betrieblichen Abläufe sind nicht in die digitalen Systeme eingeschrieben. Diese Faktoren sind vielmehr das Ergebnis konkreter Entscheidungen des Managements, der Vorgesetzten, der Beschäftigten selbst und in gewisser Weise auch der Haushaltsmitglieder. Zugleich sollte der Verweis auf die Arbeitsgestaltung als zentrale Stellschraube nicht voluntaristisch missverstanden werden. Der vertiefende Blick in die qualitativen Fälle hat nämlich gezeigt, dass die Arbeitsgestaltung nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern von dem Kern der Tätigkeit, dem Stand der Digitalisierung und der (über)-betrieblichen Arbeitsregulierung abhängt. Besondere Herausforderungen zeigen sich bei Tätigkeiten mit kommunikativen oder interaktiven Aufgaben, bei Arbeitsplätzen, die zu Pandemiebeginn kaum digitalisiert waren, und in Bereichen, in denen die Interessen der Arbeitenden weder kollektiv noch individuell Eingang in die Regulierung von Arbeit finden und die Interessenvertretungen nicht durchsetzungsstark sind. Zu den konkreten Bedingungen der Arbeitsgestaltung, zu den Promotoren und den Hürden einer arbeitnehmer*innenorientierten Gestaltung digitaler Arbeit, ist jedoch weitere Forschung notwendig. Ziel des Beitrags war es, auf die besondere Rolle der Arbeitsorganisation für die Ungleichheiten im pandemiebedingten Homeoffice hinzuweisen und für die Spielräume der Arbeitsgestaltung in der digitalen Transformation zu sensibilisieren.