1 Automatisierte Lastenräder

1.1 Einführung

Im Zeitalter der Digitalisierung und des E-Commerce ist die schnelle und effiziente Zustellung von Waren entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg und die Kundenzufriedenheit. Besonders die Lieferung auf der letzten Meile konfrontiert Städte und Logistikdienstleister mit vielfältigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen (vgl. z. B. Witten und Schmidt 2019; Bosona 2020; Boysen et al. 2021; Kraus und Proff 2021).

Insbesondere automatisierte landgebundene LieferfahrzeugeFootnote 1 bieten in diesem Zusammenhang zahlreiche Vorteile, darunter die Erhöhung von Effizienz, Flexibilität, Umweltfreundlichkeit und Verkehrssicherheit. Sie gelten folglich als vielversprechende Lösung lieferverkehrsbedingter Probleme und werden sowohl in der Wissenschaft als auch Praxis zunehmend untersucht. Eine breite Übersicht zu bestehenden Arbeiten bieten beispielsweise Paddeu et al. (2019), Graf und Anner (2021), Sorooshian et al. (2022) und Engesser et al. (2023), anhand derer die wesentlichen Fahrzeugkonzepte nachfolgend kurz dargestellt werden:

  • Im Bereich der automatisierten landgebundenen Lieferfahrzeuge wird primär zwischen größeren, straßengebundenen und kleinen, nicht straßengebundenen Fahrzeugen unterschieden. Straßengebundene Lieferfahrzeuge, wie LKW oder Transporter, sind nach wie vor unerlässlich für die Warenzustellung, stoßen jedoch aufgrund ihrer Größe sowie der Abhängigkeit von überlasteten Straßen insbesondere in Städten auf verkehrsbedingte Herausforderungen. Die reine Automatisierung straßengebundener Lieferfahrzeuge trägt entsprechend nicht zur Lösung verkehrsbedingter Konflikte bei. Sie eignen sich somit ebenfalls nur bedingt für die Sendungsabwicklung auf der letzten Meile, können jedoch vor allem im Güterfernverkehr (Long haul) erhebliche Effizienzvorteile generieren.

  • Demgegenüber stehen automatisierte Mikromobile, die aufgrund ihrer geringen Größe auf Fuß- und Radwegen operieren und somit eine effiziente Nutzung des städtischen Verkehrsraums ermöglichen. In Kombination mit den bereits genannten Vorteilen stellen diese entsprechend eine vielversprechende Lösung für die Bewältigung der Herausforderungen auf der letzten Meile dar.

Das folgende Kapitel präsentiert einen umfassenden Überblick über automatisierte Mikromobile, erläutert verschiedene Fahrzeugtypen und deren jeweilige Einsatzmöglichkeiten, diskutiert Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei der Implementierung und beleuchtet zukünftige Perspektiven für den Einsatz dieser innovativen Technologie in der urbanen Logistik. Dabei wird insbesondere auch auf aktuelle Entwicklungen im Bereich der Radlogistik sowie technologische Komponenten für automatisierte Fahrräder eingegangen.

1.2 Fahrzeugkonzepte

Im Bereich der automatisierten Mikromobile für Logistikanwendungen besteht eine erhebliche Vielfalt an Fahrzeugkonzepten entsprechend der Vielfalt der verschiedenen Anwendungen. Diese gehen weit über klassische Fahrräder hinaus und adressieren alternative Dienstleistungen per Lieferroboter oder die assistierte Zustellung in Kooperation von Lieferfahrzeug und Zusteller:in. So divers wie die verschiedenen Anwendungen sind auch die in ihnen verwendeten Fahrzeuge. Fahrzeuge unterhalb der Pkw-Klasse werden im allgemeinen als Mikro- oder Leichtmobil bezeichnet. Wobei der Begriff des Mikromobils nicht klar definiert ist.

„Im weitesten Sinne umfasst die Begrifflichkeit motorisierte sowie nicht motorisierte Kleinst- und Leichtfahrzeuge, die sich durch ihre kompakte und leichte Bauweise auszeichnen und in erster Linie für den individuellen Personentransport konzipiert sind. Unter diese Definition fallen z. B. Fahrräder, Pedelecs, Tretroller und Mobilitätshilfen“ (Vargas Diaz et al. 2019).

Im weiteren Sinn steht der Begriff des „Light Electric Vehicle“ als Fahrzeug der Zulassungsklasse L als Synonym für Mikromobile (Brost et al. 2019). Entsprechend der Einteilung der Klasse L erfolgt eine Kategorisierung der verschiedenen Fahrzeuge anhand der Anzahl der Räder, des zulässigen Gesamtgewichtes oder der Dauernennleistung. Wobei Fahrzeuge der Klasse L7e mit mehr als 450 kg zulässigem Gesamtgewicht und einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 90 km/h im Rahmen dieses Beitrags nicht mehr zu den Mikromobilen gezählt werden sollen.

Baum et al. (2019) identifizieren 39 Projekte im Kontext der automatisierten Mikromobile. Für lediglich 14 konnten Gesamtgewicht und die zulassungsrelevante Anzahl der Räder identifiziert werden. Dies unterstreicht den Forschungscharakter der meisten Anwendungen. Eine Gegenüberstellung der genannten Parameter zeigt, wie divers das Feld ist (Abb. 24.1). Es dominieren zwar vierrädrige (zweispurige) Fahrzeuge mit einem Gewicht von unter 300 kg, aber auch deutlich kleinere Fahrzeuge oder solche mit mehr oder weniger Rädern werden in den verschiedenen Konzeptstudien betrachtet. Eine ähnliche Gegenüberstellung findet sich in Moolenburgh et al. (2020).

Abb. 24.1:
figure 1

Übersicht Fahrzeugkonzepte

1.3 Klassifizierung von automatisierten Mikromobilen

Die bereits genannte Studie von Baum et al. (2019) teilt die verschiedenen Anwendungen im Bereich der urbanen Logistik in sechs verschiedenen Anwendungsklassen ein (siehe Abb. 24.2). Grundsätzlich erfolgt hier eine Einteilung in Lieferroboter und Lastenräder sowie die Interaktion der Systeme mit dem Menschen.

Abb. 24.2
figure 2

Klassifikation von Mikromobilen. (Quelle: eigene Darstellung nach Baum et al. 2019)

Baum et al. (2019) unterscheiden dabei zwischen:

  1. 1.

    Lieferrobotern, die sich unabhängig vom Menschen auf öffentlichen Straßen bewegen. Meist handelt es sich hierbei um Vehikel in Pkw- oder Kleinbus-Größe, die sich im öffentlichen Mischverkehr bewegen und eigenständig Zustellungen durchführenFootnote 2 oder Mobilitätslösungen anbieten.Footnote 3 Von der technischen Herausforderung sind diese am ehesten mit dem autonomen Pkw vergleichbar und stehen eher nicht im Fokus der Radlogistik.

  2. 2.

    Lieferrobotern, die sich unabhängig vom Menschen, abseits von öffentlichen Straßen auf Rad- und Fußwegen bewegen. Diese Klasse umfasst im Wesentlichen sehr kleine Einheiten, die sich für die Zustellung kleinvolumiger Sendungen im Direktverkehr (z. B. Lieferdienste für Essen und Medikamente) eignen. Der Starship-Roboter (Starship 2023) steht hier exemplarisch für diese Klasse. Für Massenzustellungen auf längeren Strecken scheint diese Anwendung aufgrund des begrenzten Platzangebots und der beschränkten Reichweite eher ungeeignet. Die Frage, wie die Übergabe der Sendung an den/die Empfänger:in erfolgt, falls diese:r nicht vor Ort ist, bleibt final ebenfalls unbeantwortet. Mit 19 von insgesamt 39 Beispielen stellt diese Fahrzeugklasse allerdings die größte Gruppe der untersuchten Anwendungsstudien dar.

  3. 3.

    Lieferrobotern, die Anwendenden/Zustellenden abseits von öffentlichen Straßen auf Fuß- und Radwegen folgen. Es handelt sich dabei meist um etwas größere Einheiten, deren Fokus im Bereich der Post- und Paketzustellung liegt und die einer vorausgehenden Person folgen. Der Vorteil in diesen Anwendungen liegt darin, dass die Anforderungen an die Automatisierung, vergleichsweise niedrig liegen (siehe Abschn. 24.1.4) und das Fahrzeug von der Zustellperson permanent überwacht werden kann.

Lieferroboter haben einige grundlegende Vorteile für die urbane Logistik. Obwohl sie sich in der Regel langsam bewegen, können sie Effizienzvorteile heben, weil sie abseits der Hauptverkehrsstraßen Staus meiden können. Simoni et al. arbeiten heraus, dass diese vor allem für Kunden und Kundinnen im Stadtzentrum Vorteile haben, da sie zu verkehrsarmen Randzeiten arbeiten können (vgl. Simoni et al. 2020) Der wachsende Bedarf an Zustellungen führt allerdings auch zu einer stark wachsenden Zahl von Robotern und damit zu Verkehrs- und Sicherheitsproblemen auf Fußwegen. Lastenräder mit ihrem in der Regel größeren Transportvolumen können hier Abhilfe schaffen. In Anlehnung an Baum et al. (2019) lassen sich diese wie folgt klassifizieren:

  1. 4.

    Hochautomatisierte Lastenräder, die sich unabhängig von Menschen abseits von öffentlichen Straßen bewegen. Ähnlich wie Lieferroboter der Klasse 2 bewegen sich diese Fahrzeuge selbstständig autonom auf Fuß- und Radwegen. Der Vorteil dieser Fahrzeuge, neben dem höheren verfügbaren Transportvolumen, ist, dass diese Fahrzeuge einen Sitzplatz für Fahrende bieten und damit zumindest teilweise auch von Menschen gesteuert werden können. Damit sind sie prädestiniert für Mobilitätsanwendung oder für Bereitstellungsfahrten im Rahmen der Radlogistik. Ein prominentes Beispiel sind die Projekte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg rund um das autonome Lastenrad (vgl. OVGU 2023a), speziell das Projekt AuRa (vgl. Schmidt et al. 2021). Das AuRa Fahrzeug wurde vorrangig für Mobilitätsdienstleistungen entwickelt, allerdings sind prinzipiell auch Warentransporte denkbar.

  2. 5.

    Teilautomatisierte Lastenräder, die Anwendenden/Zustellenden abseits von öffentlichen Straßen auf Fuß und Radwegen folgen. Anwendungen dieser Klasse kombinieren die Vorteile der Klasse 3 hinsichtlich Zustellenden begleitetem automatisierten bzw. teilautomatisiertem Fahren mit den Möglichkeiten der manuellen Bereitstellung durch den/die Fahrende. In dieser Klasse liegt sicherlich erhebliches Potenzial bei der Erschließung von Effizienzgewinnen im Rahmen der Radlogistik. Beispiele sind die Projekte Helios (FZI 2023) oder Eaasy-System (OVGU 2023b).

  3. 6.

    Automatisierte Lastenräder auf öffentlichen Straßen, die naturgemäß keiner Person folgen können, sodass das automatisierte Fahren im öffentlichen Verkehr erhebliche Anforderungen an die Automatisierung und deren Zuverlässigkeit stellt. Eine direkte Realisierung ist daher aktuell nicht bekannt. Allerdings besteht die Möglichkeit mittels klassischem Lastenrad die Bereitstellung von kleineren Lieferrobotern der Klasse 3 zu ermöglichen. Das konventionelle Lastenrad dient dabei als „Mutterschiff“, während die eigentliche Zustellung von den kleineren Einheiten übernommen wird. Ein Pilotbeispiel ist das Kiwi-Triike (vgl. z. B. Nvidia 2018) des Lieferroboterherstellers Kiwibot (Kiwibot 2023).

Neben den genannten Anwendungsklassen und der jeweiligen Fahrzeugentwicklung gibt es eine Reihe von Projekten, die sich um die Erweiterung der Transportmöglichkeiten von Lastenrädern um automatisierte oder elektrisch unterstützte Anhänger widmen. Ein prominentes Beispiel ist das Projekt Ducktrain (Ducktrain 2023). Hierbei dient ein konventionelles durch eine:n Fahrer:in gesteuertes Lastenrad als Führungsfahrzeug, dem verschiedene separate mobile Einheiten auf kurzem Abstand folgen. Die jeweiligen Systeme sind dabei in der ersten Ausbaustufe (Trailer Duck) mittels elektronischer Deichsel gekoppelt, was den Aufwand für die Automatisierung auf das Beschleunigen/Bremsen und elementare Sicherheitsfunktionen beschränkt. In weiteren, aktuell noch in Entwicklung befindlichen Ausbaustufen sollen die separaten Einheiten dann zunächst dem Führungsfahrzeug automatisiert folgen (Follow-me Duck) sowie anschließend das gesamte System vollständig automatisiert werden (Auto Duck).

Hinsichtlich des Grades der Automatisierung stellt sicherlich das autonome Lastenrad (AuRa) der Otto-von-Guericke-Universität einen guten Kompromiss zwischen einfacher Folgefunktion und hochkomplexem Fahren im öffentlichen Verkehr dar. Daher soll das AuRa-Anwendungsszenario im folgendem kurz beschrieben werden, um dann in den folgenden Kapiteln auf die verwendeten Sensoren und Algorithmen sowie deren spezielle Herausforderungen im Kontext automatisierter Mikromobile und Radlogistik einzugehen.

Das Projekt AuRa adressiert eine automatische Bereitstellung von selbstfahrenden Lastenrädern im urbanen Umfeld. Im Fokus des Projektes steht ein Anwendungsszenario, bei dem Nutzende ihren Beförderungsbedarf, etwa den Transport von Waren oder Personen (Kindern) über eine mobile App anmelden und darauf hin, am gewünschten Übergabeort und -Zeitpunkt ein Fahrzeug bereitgestellt bekommen (Abb. 24.3). Hierzu bewegt sich ein dreirädriges Lastenrad selbstständig auf Rad- und Fußwegen zur Nutzer:in. Während der Bereitstellung bewegt sich das Fahrzeug autonom, d. h. es lokalisiert sich in der Stadt, überwacht seine Umwelt, berücksichtigt Verkehrsregeln, plant kollisionsfrei seine Trajektorie zum Ziel und stabilisiert diese unter externen Störungen. Bei der Nutzer:in angekommen, übernimmt diese:r das Fahrzeug in den manuellen Modus, d. h. diese:r lenkt und steuert das Fahrzeug tretkraftunterstützt zum Ziel. Es erfolgt also eine Entkopplung der Bereitstellungsfahrt, während der sich das Fahrzeug sicherheitsbewusst und defensiv verhalten kann, von der eigentlichen Beförderungsleistung. Am Ziel angekommen, wird das Fahrzeug von der Nutzer:in entlassen und bewegt sich wiederum autonom zur nächsten Anforderung oder ins Depot oder Hub um dort geladen oder gewartet zu werden.

Abb. 24.3
figure 3

Anwendungsszenraio Autonomes Fahrrad OvGU

Im Fokus des Projektes standen einerseits die technische Entwicklung des autonomen Systems, aber auch umweltpsychologische Fragestellungen zu Akzeptanz und Akzeptabilität autonomer Einheiten sowie zu Betriebs- und Geschäftsmodellen. Das Projekt endete im September 2022 mit einer Abschlussdemonstration auf dem Campus der Otto-von-Guericke-Universität.Footnote 4

Das Projekt AuRa adressiert also voranging eine Mobilitätsanwendung und den Lückenschluss der ersten und letzten Meile des ÖPNV. Die Möglichkeit, selbstständig autonome Einheiten in der Stadt zu verteilen, eröffnet allerdings auch vielfältigste Varianten für die automatisierte Radlogistik.

1.4 Komponenten für automatisierte Fahrräder

Um die im Abschn. 24.1.3 beschriebenen Fahr- und Automatisierungsfunktionen der verschiedenen Anwendungsklassen zu realisieren, sind je nach Ausprägung der Automatisierung verschiedene Hard- und Softwarekomponenten notwendig. Zu nennen sind hier zunächst Sensoren für die Umgebungserfassung, Rechentechnik zur Ausführung von Algorithmen für Lokalisierung, Navigation und Planung sowie Aktorik insb. für Antrieb, Bremse und Lenkung. Im Folgenden sollen die benannten Komponenten kurz beschrieben werden.

1.4.1 Sensoren

Die Grundvoraussetzung für die Realisierung einer komplexen Fahrfunktion ist geeignete Sensorik. Diese wird sowohl für die Erfassung des internen Fahrzustandes des Fahrzeuges (Raddrehzahlen, Beschleunigungen) als auch der Pose (Position und Orientierung) von externen Objekten verwendet. Die verwendeten Sensoren sind dabei im Grunde die gleichen, die auch bei der Entwicklung von autonomen Pkw verwendet werden. Tab. 24.1 gibt einen kurzen Überblick über mögliche Messprinzipen sowie deren Verwendung.

Tab. 24.1 Übersicht verschiedener Sensorprinzipien

Die potenziellen Messprinzipen haben dabei je nach Einsatzgebiet verschiedene Vor- und Nachteile (Tab. 24.2).

Tab. 24.2 Vor- und Nachteile der verschiedenen Messprinzipien, nach Hajinia (2023)

Wie aus Tab. 24.2 ersichtlich ist, haben Kameras mit den Möglichkeiten der Bildverarbeitung gegenüber den klassischen Abstandssensoren jeweils komplementär Vor- und Nachteile. Daher wird bei der Anwendung in der Regel eine Kombination von verschiedenen Sensoren favorisiert. Gängige Kombinationen sind beispielsweise Kameras und Lidar oder Kameras und Radarsensoren. Die verschiedenen Informationen werden im Rahmen der Sensordatenverarbeitung (Rashinkar und Krushnasamy 2017) in der Regel auf Basis von Kalman-Filtern fusioniert. Zielstellungen sind hierbei die Qualität der Messung zu steigern, die Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen zu verbessern oder nicht messbare Zustandsgrößen zu schätzen (Velasco-Hernandez et al. 2020). Die Multi-Sensor-Datenverarbeitung ist weiterhin Gegenstand aktueller Forschungen.

1.4.2 Algorithmen für automatisierte Funktionen

Im Rahmen der Automatisierung sind durch die Algorithmik im Wesentlichen drei Fragen zu beantworten:

  • Wo bin ich als automatisiertes Fahrzeug und wie verorte ich mich in der Welt?

  • Wo sind die anderen und was machen die anderen?

  • Wie komme ich kollisionsfrei ans Ziel?

Die Frage „Wo bin ich?“ wird mittels Lokalisierungsalgorithmen beantwortet. Diese verorten das Fahrzeug in seiner lokalen Umgebung und referenzieren ggf. auf eine globale Karte. Ob eine lokale Positionierung, beispielsweise relativ zum Fahrstreifen oder relativ zu einem oder einer Zustellenden ausreichend oder ob eine globale Position notwendig ist, hängt zu aller erst vom Anwendungsszenario (siehe Abschn. 24.1.3) ab. Für die globale Positionierung erscheint GPS als relativ preiswerte und zuverlässige Informationsquelle das Mittel der Wahl. Da GPS aber vor allem in urbanen Umgebungen mit hohen Häuserschluchten hohe Ungenauigkeiten aufweist, ist in der Regel eine Ergänzung durch zusätzliche Informationen notwendig. Eine Stützung der GPS-Position mittels Beschleunigungs- und Odometrie am Fahrzeug ist ebenso möglich, wie die Einbindung von Laser oder Kameradaten mittels SLAM oder landmarkenbasierter Lokalisierung (Aulinas et al. 2008).

Zur Implementierung der automatisierten Funktion sind in der Regel zusätzliche Karteninformationen notwendig. Die Routenplanung benötigt Informationen über das Wegenetz, Reisezeiten zwischen den Kanten und deren Verfügbarkeiten. Weiterhin sind zur Realisierung von Selbstfahrfunktionen Informationen zur Straßen- und Radwegsbreite, deren Zustand und eventuellen Blockierungen notwendig. Die für die Verortung notwendigen SLAM oder Landmarkenkarten kommen hinzu. Basis ist hierbei oft Open-Steet-Map (OSM), deren Basiskarte mit Zusatzinformation in verschiedenen zusätzlichen Layer angereichert werden kann (Mooney und Minghini 2017).

Die Frage, „Wo sind die anderen“, bezieht sich auf statische und dynamische Objekte im und entlang des geplanten Fahrstreifens. Hierzu werden verschiedene umfelderfassende Sensoren (siehe Abschn. 24.1.4.1) verwendet, die Objekte detektieren und klassifizieren. Nach der Fusion der Objektinformationen wird daraus ein konsistentes Abbild des umgebenden Raums. Obwohl einzelne Algorithmen, etwa zur Klassifizierung von Objekten mittels Bildverarbeitung durchaus etabliert und gut getestet sind, bleibt die Fusion der Information und insbesondere die Robustheit der Umgebungswahrnehmung bei verschiedenen Witterungs- und Lichtverhältnissen ein spannendes Gebiet aktueller Forschung (Gruyer et al. 2017). Die im Kontext der Radlogistik, im Vergleich zum Pkw, kleineren Geschwindigkeiten wirken sich positiv aus, da Fehler in der Detektion weniger häufig zu kritischen Situationen führen, andererseits erhöht das unstrukturierte Verkehrsverhalten auf Fuß- und Radwegen die Komplexität und damit die Anforderungen an die Umgebungswahrnehmung.

Die Frage, „Wie komme ich kollisionsfrei ans Ziel?“ wird von der Bahn- bzw. Trajektorienplanung beantwortet. Hierzu stehen eine Vielzahl von heuristischen, stochastischen oder physikalisch motivierten Verfahren zur Verfügung, welche unter Berücksichtigung der aktuellen Umgebungsinformation einen Pfad bzw. mit zusätzlicher zeitlicher Information, eine Trajektorie vom Start zum Zielpunkt generieren (Zhang et al. 2018). Die Wahl des konkreten Verfahrens ist dabei hochgradig von der Anwendung, den Anforderungen an die Fahrbarkeit des Pfades und der zur Verfügung stehenden Rechenleistung abhängig. Einen wesentlichen Unterschied für die Komplexität macht dabei, ob eine Planung im Fahrzeugkoordinatensystem relativ zu einem von der Navigation vorgegebenen Fahrstreifen oder global im einen Weltkoordinatensystem erfolgen soll. Der von der Bahn- und Trajektorienplanung generierte Pfad wird dann abschließend in Sollwerte für Lenkung, Bremse und Antrieb umgesetzt und von diesen Aktoren realisiert.

Abschließend lässt sich festhalten, dass eine detaillierte Daten- und Kartenbasis eine wesentliche Voraussetzung zur Entwicklung automatisierter Funktionen ist. Diese für die Radlogistik zugänglich zu machen, ist Gegenstand verschiedener laufender Forschungsvorhaben (z. B. BMDV 2022, 2023a, b).Footnote 5

1.5 Fazit

Ein weltweit wachsendes Sendungsvolumen und der Trend zu immer kleinteiligeren Sendungen werden dazu führen, dass die Radlogistik vor allem im urbanen Umfeld eine immer größere Rolle spielen wird. Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel führen dabei fast zwangsläufig zur Automatisierung der Logistikbranche. Mit dem Autonomen Pkw wird auch das Autonome Zustellfahrzeug Einzug in die bestehenden Prozesse halten. Die flächendeckende Umsetzung des autonomen Fahrens ist jedoch noch in weiter Ferne. Aktuelle Angaben in der Literatur schwanken dabei zwischen 10–15 und 30–40 Jahren (vgl. Kaspi et al. 2022), d. h. dass autonome Zustellvarianten die Zustellenden auf absehbare Zeit nicht flächendeckend ersetzen werden (können). Ein großes Potenzial liegt allerdings schon heute in der Teilautomatisierung und der damit verbundenen Entlastung der Zustellenden. Die hierfür notwendigen Technologien stehen prinzipiell bereit. Eine große Herausforderung für Fahrzeug- und Systemanbieter bleibt allerdings die Integration in bestehende Systeme und Prozesse sowie die Skalierung der Kosten.

Für die Umsetzung sind standardisierte Kommunikations- und Informationstechnologien notwendig, die auch Interoperabilität zwischen den Automatisierungs-Ökosystemen und der bestehenden Infrastruktur ermöglichen. Rechtliche Rahmenbedingungen und Vorschriften erweisen sich leider noch viel zu häufig als Hemmnis bei der Entwicklung von nachhaltigen und vor allem tragfähigen Geschäftsmodellen (siehe hierzu Paddeu et al. 2019). In diesem Kontext ist die von Engesser et al. (2023) vorgeschlagene Forschungsagenda von entscheidender Bedeutung. Diese geht auf Schlüsselfaktoren wie Energiebedarf, Gesetzgebung, Implementierungsstrategie, Ausbildung sowie Risiken und Sicherheit ein und bietet somit eine wichtige Orientierungshilfe für Forscher, Hersteller, Unternehmen und Regierungsstellen, um sich auf die Ankunft und Implementierung autonomer Lieferdienste vorzubereiten (vgl. Engesser et al. 2023).

2 Brennstoffzellen für Lastenräder

2.1 Einführung

Im Bereich des Antriebes kann die Elektrifizierung des Lastenrades als weitestgehend abgeschlossen betrachtet werden. Der elektrische Antrieb hat sich in Form des Mittel- oder Radnabenmotors etabliert. Technisch gesehen handelt es sich dabei um einen Parallelhybrid, bei dem der Pedalantrieb des Menschen sowie die elektrische Unterstützung parallel, d. h. gemeinsam zum Vortrieb des Fahrzeuges beitragen. Dabei ist eine elektrische Unterstützung von bis zu 250W Dauernennleistung rechtlich zulässig und üblich. Eine alternative Bauform bildet der Serielle Hybrid. Hierbei wirkt der/die Fahrende auf einen an die Tretkurbel angebundenen Generator, der wiederum über eine zwischengeschaltete Pufferbatterie den Antrieb, üblicherweise im Hinterrad antreibt. In dieser Ausführung wird es möglich, den Fahrkomfort zu steigern, indem eine konstante Generatorlast unabhängig vom eigentlichen Fahrprofil angefordert wird. Das Fahren fühlt sich angenehmer und gleichmäßiger an. Mit der neusten Revision der Pedelec-Richtlinie hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Realisierung von Fahrzeugen mit Seriellen Hybrid geschaffen (Feddersen und Schmitt 2022). Einige Prototypen befinden sich bereits in der Realisierung (IAI 2023).

Zur Energiebereitstellung hat sich ebenfalls der elektrische Akkumulator als Standard etabliert. Es gibt Varianten mit integriertem Akku, mit Wechselakku, der extern geladen werden kann oder auch Systeme mit standardisiertem Akku und Wechselstation.

Durch die Anforderung, eine hohe Energiedichte bei geringem Gewicht und kleinem Bauraum zu integrieren, wird auch Wasserstoff als Energieträger zunehmend diskutiert. Der Wasserstoff kann hierbei in einem Drucktank-System oder, wie aktuell im Forschungsprojekt PowerPaste (Fraunhofer ZESS 2023) untersucht, als Gel bereitgestellt werden.

Eine Herausforderung bleibt der „fahrradgerechte“ Aufbau einer Kleinbrennstoffzelle zur Bereitstellung der elektrischen Energie für den Antrieb. Diese soll im Folgenden diskutiert werden.

2.2 Funktionsweise von Brennstoffzellen

Die Brennstoffzelle (vgl. Kurzweil 2013, S. 2–6) ist ein System, in dem ein Brennstoff mit einem Oxidationsmittel unter Stromabgabe elektrochemisch oxidiert wird. Typischerweise wird Wasserstoff als Brennstoff verwendet, der mit dem Sauerstoff aus der Umgebungsluft ohne einen Verbrennungsprozess elektrochemisch reagiert. In der häufig für Fahrzeuge verwendeten Polymerelektromembranbrennstoffzelle (PEMFC, Polymer Electrolyte Membrane Fuel Cell) wird an der Anode das Wasserstoffmolekül zu 2 H+-Ionen und 2 Elektronen aufgespalten. Die H+-Ionen treten durch die protonenleitende Polymermembran und reagieren an der Kathode mit einem Sauerstoffatom, wobei die Elektronen über einen äußeren Stromkreis mit dem elektrischen Verbraucher von der Anode an die Kathode geleitet werden.

Anodenreaktion:

H2 → 2 H+ + 2 e-

Kathodenreaktion:

½ O2 + 2 H+ + 2 e- → H2O

Um in der Brennstoffzelle diese Reaktionen zu ermöglichen, müssen die Elektroden mit den Reaktanten versorgt werden, d. h. sowohl die Anode als auch die Kathode muss gasdurchlässig sein und auch den Transport von Wasser erlauben. Die Polymermembran, die den Anodenraum vom Kathodenraum trennt, muss hingegen gasundurchlässig sein aber den Transport von den H+ Ionen erlauben. Die Anodenseite einer kompletten Zelle besteht deshalb aus einer stromleitenden, gasdichten Platte, die den Anodenraum begrenzt, einer porösen, elektrisch leitfähigen Schicht die die Gasverteilung unterstützt sowie einer Katalysatorschicht an der die Reaktion abläuft und die in Kontakt mit der Polymerelektrolytmembran steht. Die Kathodenseite ist analog aufgebaut. In einem Brennstoffzellenstack werden diese Zellen in Serie geschaltet, wobei dann die elektrisch leitenden, gasdichten Platten, die einen Anodenraum vom Kathodenraum der benachbarten Zelle trennen, durch eine Platte („Bipolarplatte“) realisiert werden.

2.3 Brennstoffzellensysteme für Lastenräder

Brennstoffzellen sind eine interessante Alternative oder Ergänzung zu den aktuell eingesetzten Akkumulatoren. Bei einem Brennstoffzellensystem kann die Leistung getrennt von der Kapazität gewählt werden, weil die Leistung durch die Dimensionierung des Brennstoffzellen-Stacks und die Kapazität durch die Größe des Tanks bestimmt werden. Neben diesem Vorteil ist auch das Nachfüllen des Wasserstofftanks mit wenigen Minuten deutlich schneller zu bewerkstelligen als das Laden des Akkus in den Rädern, selbst im Schnelllademodus.

Die Trennung der Leistung von der Kapazität bietet ebenfalls die Möglichkeit, schnell Lösungen für potenziell neue Klassen von Lastenrädern zu realisieren z. B. mit höherer Leistung oder von Lastenrädern mit weiteren Anforderungen, z. B. Lastenräder für Handwerker:innen oder mobile Caterer mit einer integrierten Stromversorgung für Elektrowerkzeuge und andere Elektrogeräte.

Die Integration der Brennstoffzellen kann in zwei unterschiedlichen Weisen erfolgen: Erstens indem der Akku durch ein Brennstoffzellensystem mit einem kleineren Akku ersetzt wird. Dabei wird dieser Akku für den Start des Brennstoffzellensystems und zum Abfedern von Leistungsspitzen und/oder eine mögliche Rekuperierung verwendet. Hierzu muss das Brennstoffzellensystem komplett in das Fahrrad integriert werden, was bei schon existierenden Rädern eine komplett neu CE-Zertifizierung notwendig macht.

Die zweite Möglichkeit ist ein Brennstoffzellensystem als Range Extender zu dem vorhandenen Akku hinzuzufügen. Bei dieser Möglichkeit kann man das Brennstoffzellensystem mit geringem Aufwand an verschiedene Lastenräder anpassen, ohne dass für jeden Lastenradtyp eine neue CE-Zertifizierung erforderlich wird. Dies stellt speziell in der Einführungsphase von Brennstoffzellen-Lastenrädern einen sehr großen Vorteil dar, da die Nutzenden einerseits ihre Lastenräder weiter nutzen können, und andererseits auch höhere Stückzahlen für die Brennstoffzellensysteme erreicht werden können.

Ein Brennstoffzellensystem als Range Extender besteht aus den Komponenten Wasserstofftank (H2-Tank), Brennstoffzellenstack (BZ-Stack), Steuerung und optional einem Vorheizer, der einen Start bei Temperaturen unter null Grad erlaubt. Dieses System wird über den Akku des Lastenrades mit dem Antrieb verbunden (vgl. Abb. 24.4).

Abb. 24.4
figure 4

Hauptkomponenten des Brennstoffzellensystems und deren Verschaltung

2.4 Anforderungen an Lastenrad-Brennstoffzellensysteme

Im Rahmen des Forschungsprojekts Fuel Cell Cargo Pedelecs (FCCP, Förderkennzeichen interreg NWE596) wurde ein Range Extender für Lastenräder entwickelt und ausgebaut (vgl. Unicorn Engineering 2021; Interreg NWE 2023). Dieser ist in Abb. 24.5 dargestellt. Die wichtigsten Anforderungen für das Design des Systems sind aufgelistet Tab. 24.3).

Abb. 24.5
figure 5

(a) DLR-Brennstoffzellensystem im FCCP Projekt, (b) Tank für die Brennstoffzellenlastenräder, (c) DLR Brennstoffzellenstack

Tab. 24.3 Grundanforderungen aus dem FCCP-Projekt

Aus den in Tab. 24.3 dargestellten Grundanforderungen lassen sich dann Anforderungen an die einzelnen Systemkomponenten ableiten. Beispiele, wie man zu immer detaillierteren Anforderungen kommt, sind nachfolgend aufgeführt:

  1. 1.

    Aufgrund der geplanten Temperatur und der Notwendigkeit das System häufig An- und Abzuschalten kommen als Brennstoffzellentyp nur Niedertemperatur-Brennstoffzellentypen wie die Polymermembranbrennstoffzelle (PEMFC), die Direktmethanol-Brennstoffzelle (DMFC) und alkalischen Brennstoffzellen (AFC) in Frage. Bei der AFC wird eine flüssige Kalilauge als Elektrolyt verwendet und bei den Zellen treten häufiger kleine Undichtigkeiten auf, durch die die Kalilauge austreten kann. Zusätzlich muss ein erhöhter Aufwand für die Luftaufbereitung betrieben werden, um CO2 aus der Luft zu filtern, dass sich in der Kalilauge kein Karbonat bildet. Bei der DMFC ist die Leistungsdichte deutlich kleiner als bei der PEMFC, und der Treibstoff Methanol ist umwelttechnisch nicht unbedenklich. Deshalb ist die PEMFC für die Anforderung im Lastenrad die bevorzugte Technik.

  2. 2.

    Weiterhin ist aufgrund der Temperatur eine Kühlung und ein Vorheizer für den Brennstoffzellenstack als temperaturkritische Komponente erforderlich. Die Kühlung kann sowohl mit Luft als auch durch eine Kühlflüssigkeit erfolgen. Für das Vorheizen des Brennstoffzellenstacks kommen verschiedene Methoden, z. B. elektrische Heizen oder Verbrennen von Wasserstoff in Frage, die alle Strom oder Wasserstoff verbrauchen. Eine Alternative hierzu ist es, einen Metallhydridspeicher mit Wasserstoff zu befüllen, der sich beim Befüllen stark erwärmt und die Wärme anschließend in den Brennstoffzellenstack einzukoppeln. Der Metallhydridspeicher wird, wenn die Brennstoffzelle ihre Betriebstemperatur erreicht hat, entleert, indem die Wärme aus der Brennstoffzelle zurück in den Metallhydridspeicher geführt wird, um den Wasserstoff dort wieder freizusetzen.

  3. 3.

    Die Ausgangsspannung erfordert in dem Brennstoffzellensystem einen DC/DC Wandler, der je nach Rad eine regelbare Spannung zwischen 36 V und 56 V (Lade-Spannung bei den 48 V Akkus) liefern kann. Aufgrund der Eigenschaften der meisten DC/DC Wandler ist dabei eine Mindestspannung des Brennstoffzellenstacks von 12 V erforderlich. Dies bedeutet bei einer minimalen Zellspannung von 0,6 V je Zelle, dass der Stack mindestens 20 Zellen haben muss.

  4. 4.

    Um die Ausgangsleistung von 300 bis 500 W aus dem Brennstoffzellensystem zu erreichen muss der Stack neben dieser Leistung auch den Verbrauch der peripheren Komponenten (Pumpen, Ventile, DC/DC-Wandlerverluste, …) abdecken, sodass der Stack zwischen 400 und 650 W leisten sollte.

  5. 5.

    Die Forderung nach der mechanischen Robustheit kann am leichtesten bei einem Brennstoffzellenstack mit metallischen Bipolarplatten realisiert werden, die auch die Vorteile eine besseren Eignung für die Massenproduktion, einer geringen Dicke und eines geringeren Gewichtes gegenüber Bipolarplatten aus Kompositmaterialien bieten.

  6. 6.

    Zur Gewährleistung der Sicherheit müssen das System und alle Komponente dicht gegenüber einem Wasserstoffaustritt bzw. einer Durchmischung des Wasserstoffs mit Luft sein. Die Steuerung muss daher zu hohe Druckunterschiede zwischen der Anode und Kathode in dem Brennstoffzellenstack vermeiden, Fehler erkennen und das System abschalten können.

  7. 7.

    Aus Kostengründen sollte das System so einfach wie möglich gehalten werden und das System möglichst nahe am Umgebungsdruck arbeiten, da so keine Kompressoren benötigt werden, sondern auf der Luftseite mit Lüftern gearbeitet werden kann. Der Vorheizer wird als ein Modul im System integriert, das weggelassen werden kann, wenn aufgrund des Einsatzes sichergestellt ist, dass ein Starten bei Temperaturen unter null Grad nicht erforderlich ist. Ein weiterer Punkt zur Kostenreduktion pro System ist eine möglichst hohe Stückzahl eines Systems zu erreichen statt viele verschiedene Systeme zu realisieren. Auch aus diesem Grund wurde im FCCP Projekt das Brennstoffzellensystem als Range Extender ausgelegt.

  8. 8.

    Die Auslegung des Tanks erfolgt nach der voraussichtlich zur erwartenden Kapazität, also nach der erforderlichen Reichweite und der Topografie des Geländes auf dem das Rad eingesetzt werden soll. Ein weiterer wichtiger Parameter für die Größe des Tanks ist das Druckniveau auf dem der Tank befüllt werden soll, also je nachdem ob die Füllung aus Druckgasflaschen mit oder ohne nachgeschalteten Kompressor oder an einer H2-Tankstelle erfolgen soll. In Deutschland ist die Nutzung der H2-Tankstellen derzeit (Stand 2023) rechtlich nicht zulässig und würde aus technischen Gründen zur Einhaltung des Tankprotokolls einen größeren Tank erfordern. In Aberdeen sind die Brennstoffzellenlastenräder daher mit einem 26 l Tank ausgestattet, damit sie dort an den H2-Tankstellen befüllt werden können.

  9. 9.

    Da die Stacks bei der geringen Stückzahl, die man in Lastenrädern einsetzt, meistens noch von Hand zusammengebaut werden müssen, spielen auch die Kosten für diese Arbeit eine Rolle, sodass Stacks mit wenigen Zellen kostengünstiger sind als mit vielen Zellen (schneller Zusammenbau und geringere Fehlerwahrscheinlichkeit); daher wurde im FCCP-Projekt ein Stack mit 20 Zellen realisiert.

Im FCCP Projekt wurden verschieden Lastenräder mit Brennstoffzellen ausgestattet, von denen hier einige als Beispiel gezeigt werden (Abb. 24.6).

Abb. 24.6
figure 6

Lastenräder im FCCP-Projekt, von links nach rechts: Bring S von Bayk, UM CargoBike von Urban Mobility, Amadillo von Velove

2.5 Fazit

Die Integration von Brennstoffzellentechnologie in Lastenräder markiert einen entscheidenden Schritt in Richtung einer umweltfreundlicheren und effizienteren urbanen Logistik. Während Elektrobatterien bereits weit verbreitet sind, bieten Brennstoffzellen durch ihre höhere Energiedichte und schnellere Aufladung deutliche Vorteile. Herausforderungen bei der Implementierung umfassen die Entwicklung kompakter, fahrradgerechter Brennstoffzellensysteme, die Sicherstellung der Betriebssicherheit und die Etablierung einer geeigneten Infrastruktur für Wasserstoff, wobei die Brennstoffzellen-Lastenräder eine weitere Anwendung sind, die die Nutzung einer lokalen Wasserstoffinfrastruktur in der Aufbauphase erhöhen kann und so auch die Schaffung der H2-Infrastruktur unterstützt . Trotz dieser Hürden zeigen Projekte wie das FCCP (Fuel Cell Cargo Pedelecs) das erhebliche Potenzial dieser Technologie auf. Zukünftige Forschung und Entwicklung sollten sich auf die Optimierung von Leistung, Kosten und Sicherheit konzentrieren, um Brennstoffzellen als tragfähige Lösung für die Radlogistik zu etablieren.

3 Zusammenfassung und Ausblick

Die Radlogistik steht an der Schwelle bedeutender technologischer Fortschritte. Einerseits wird die Automatisierung von Lastenrädern zu einer effizienteren, sichereren und umweltfreundlicheren städtischen Lieferkette beitragen. Andererseits bieten Brennstoffzellen neue Möglichkeiten zur Steigerung der Reichweite und Effizienz von Lastenrädern. Beide Technologien stehen jedoch vor Herausforderungen, wie der Integration in bestehende Systeme, Kostenmanagement und der Entwicklung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen.

Zusätzlich zu diesen technischen Entwicklungen zeichnen sich weitere Trends ab, wie die zunehmende Digitalisierung der Lieferketten und die stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeit. Diese Entwicklungen bieten Chancen, aber auch Hürden: Einerseits ermöglichen sie effizientere, kundenorientiertere Liefermodelle, andererseits erfordern sie umfangreiche Investitionen in Technologie und Infrastruktur.

Die Zukunft der Radlogistik wird auch stark von politischen und gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst. Initiativen zur Förderung der Radlogistik und zur Schaffung einer fahrradfreundlichen Infrastruktur sind entscheidend, um diese innovativen Lösungen zu unterstützen. Insgesamt steht die Radlogistik vor einer spannenden Zukunft, in der sie eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung urbaner Logistikanforderungen spielen kann.