1 Einleitung

In allen deutschen Städten leistet der Wirtschaftsverkehr einen maßgeblichen und unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren der Stadt. Gleichzeitig verantwortet der Wirtschaftsverkehr, insbesondere der Straßengüterverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen, einen großen Teil der Lärm- und Luftschadstoffbelastungen, verursacht einen hohen Instandhaltungsaufwand im Straßennetz und hat Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Dies verdeutlicht den Handlungsdruck der Städte, hier Lösungen zu diskutieren und zu implementieren. Lastenräder können dabei, gerade in Kombination mit neuen Antriebstechnologien und ressourcensparenden logistischen Prozessen einen Beitrag zur stadtverträglichen Gestaltung des Wirtschaftsverkehrs leisten. Sie bieten ein großes Potenzial für Unternehmen in verschiedensten Bereichen, von der Pflege, im Handwerk, im Bereich der Zustellung/Belieferung bis hin zur Stadtreinigung und der Entsorgung.

Für Städte gilt es heute, auch über die Verkehrsentwicklungsplanung für den Wirtschaftsverkehr Ziele zu definieren, Rahmenbedingungen zu setzen und Maßnahmen zu ergreifen, die einen Beitrag zur Erreichung der verkehrs-, umwelt- und klimaschutzpolitischen Ziele leisten. Die Beachtung und Berücksichtigung von Lastenrädern ist dabei gleichermaßen sinnvoll wie notwendig, um die bestehenden Potenziale des Lastenradeinsatzes in die Realität zu übersetzen. Das Lastenrad besitzt als Verkehrsmittel im Wirtschaftsverkehr noch immer eine relativ geringe öffentliche Wahrnehmung, wobei sich diese Rolle und die entsprechende Wahrnehmung in verschiedenen räumlichen Lagen durchaus unterscheiden kann. Ein Weg, die Bedeutung objektiv zu beurteilen, wären die im Güterverkehr sowohl national als auch europäisch gebräuchlichen Statistiken zu Fahrzeuganzahl, Fahrleistung oder Transportleistung. In den aktuellen amtlichen Verkehrsstatistiken zum Wirtschaftsverkehr sucht man das Lastenrad jedoch erfolglos.

Erhebungen wie die Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland (KiD) 2010 eignen sich aber, um sowohl auf Länder- als auch Bundesebene Potenzialabschätzungen zum Fahrradeinsatz im Wirtschaftsverkehr zu ermöglichen. So zeigen die Auswertungen der KiD 2010 (Wermuth et al. 2012) für das Land Berlin, dass bei den Pkw gewerblicher Haltender die Fahrleistung je Kfz und Werktag lediglich 53,2 km beträgt (davon 64,1 % im Wirtschaftsverkehr), wobei 80 % dieser Fahrten ohne Ladung durchgeführt werden. Hier zeigt sich zumindest ein theoretisches Verlagerungspotenzial, das noch deutlicher wird, betrachtet man die Fahrtweiten. Denn pro Fahrt liegt die durchschnittliche Entfernung (reale Wegstrecke, nicht Luftlinie) zwischen den besuchten Zielen bei lediglich 15,3 km für Pkw gewerblicher Haltender (werktags), 40 % der Fahrtweiten betragen sogar maximal 7 km. Derartige Ausprägungen können zwar nicht direkt in ein Potenzial für das Lastenrad übersetzt werden, allerdings lohnen vertiefende Analysen. Solche vertiefenden Analysen, basierend auf einfachen, strukturellen Annahmen zum Wirtschaftsverkehr, liefert auch das EU-Projekt Cyclelogistics (City Changer Cargobike 2023) (Kap. 20). Hier wurde u. a. ein Verlagerungspotenzial von rund 30 % aller motorisierten Fahrten im Güterverkehr in europäischen Städten auf das Fahrrad ermittelt. Zu vergleichbaren Aussagen kommt auch die Untersuchung zum Einsatz von Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr (Gruber und Rudolph 2016), welche im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durchgeführt wurde. Derartige Aussagen sind insbesondere für die strategische Verkehrsplanung ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, welche Zielgruppen adressiert werden müssen und welche Beiträge zu den lokalen Zielen leistbar erscheinen. Sie ermöglichen eine Diskussion dazu, welche (infra-)strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine entsprechende Zielerreichung zu schaffen sind.

Die physische Beschaffenheit von Lastenrädern bedingt, dass sie nicht in allen Bereichen des Wirtschaftsverkehrs sinnvoll einsetzbar sind. Einschränkungen ergeben sich u. a. aus den Anforderungen der Transporte (z. B. Distanz, Zeitbedarf) in Kombination mit den zu transportierenden Gütern (z. B. Gewicht, Volumen). Dies thematisieren u. a. die Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg und Verband Verkehr und Logistik Berlin und Brandenburg in einem Film (UVB 2019), welcher insbesondere als Stellungnahme zum damaligen Koalitionsvertrag (2016) zu bewerten ist. Derartige Abgrenzungsdiskussionen und Versicherungen, dass ein Lastenrad „nicht alles kann“ umreißen plakativ aus einer verkehrsplanerischen Perspektive das Offensichtliche:

  1. 1.

    Ein Großteil der in Deutschland und anderswo in der Welt stattfindenden Wirtschaftsverkehre kann und wird daher niemals auf das Fahrrad verlagert werden. Gerade im schweren Güterverkehr bestehen keine realistischen Potenziale zur Verlagerung. Hier sind andere, stadtverträgliche und effiziente Fahrzeugsysteme/-lösungen gefragt.

  2. 2.

    Langstreckenverkehre sind kein Bereich, bei denen das Lastenrad eine wirtschaftlich tragfähige Alternative bietet. Auch bieten gerade spurgeführte Systeme, aber eben auch stark gebündelte Lkw-Fahrten deutlich effizientere Lösungen.

  3. 3.

    Auch beim Einsatz von Lastenrädern spielt das Thema Personal/Personaleinsatz (und damit auch der Themenkomplex Fachkräftemangel) eine Rolle.

Der Fokus des Lastenradeinsatzes wird für Agierende im Wirtschaftsverkehr in der Regel auf eher kleinen, leichten Gütern (aber durchaus bis zur Größe einer Euro-Palette) bzw. dem Transport der entsprechenden Güter über vergleichsweise kurze Strecken liegen (Abschn. 22.4). Vor diesem Hintergrund sind allerdings die Reduktionspotenziale, bezogen auf den gesamten Wirtschaftsverkehr, sowohl hinsichtlich des Verkehrsaufkommens als auch der -leistung eher gering. Die Reduktionen können aber gerade in den Bereichen auftreten, in denen ein besonders hoher Nutzen erzielt werden kann. Die Entlastung hochverdichteter Wohnquartiere von Lieferverkehren, die „Entschleunigung“ des Wirtschaftsverkehrs auf der letzten Meile, verbunden mit allen positiven Effekten, bezogen auf Lärm- und Schadstoffemissionen, den Flächenverbrauch und die Verkehrssicherheit sind einige wichtige Punkte, welche insbesondere im dichten, städtischen Umfeld zum Tragen kommen.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich in Berlin, der größten deutschen Stadt und Hauptstadt, die strategische Planung des Wirtschaftsverkehrs bereits seit Jahren mit dem verstärkten Einsatz von Lastenrädern im urbanen Wirtschaftsverkehr. Der Stellenwert des Lastenrades nimmt dabei stetig zu. Eine Auswahl der Prozesse und Ansätze wird im weiteren Verlauf dargestellt.

2 Wirtschaftsverkehr als Element strategischer Planwerke

Mobilität und Verkehr müssen strategisch geplant werden, um einen effizienten Einsatz von Ressourcen in Investition und Unterhalt sicherzustellen und gleichzeitig die Einhaltung der gesetzten Ziele auf unterschiedlichen sektoralen und räumlichen Ebenen sicherzustellen. Diese Aufgabe wird u. a. im Rahmen der kommunalen Verkehrsentwicklungsplanung (siehe auch Kap. 14) realisiert, so auch im Land Berlin.

Mittels dieses Instruments werden regionale und lokale Zielsetzungen definiert (bspw. Verbesserung der Erreichbarkeit, Senkung Flächenverbrauch, Reduzierung von Emissionen), Wirkzusammenhänge dargelegt (bspw. zur Luftreinhaltung oder Lärmaktionsplanung) sowie Bedarfe und Ansätze abgeleitet (bspw. Veränderungen im Bereich der Flächeninanspruchnahme). Häufig werden modellbasierte Prognosen unterschiedlicher Einflussgrößen (z. B. der Bevölkerungsentwicklung, der Entwicklung von Mobilität und Verkehr, Finanzbedarf und zur Einnahmenprognose) entwickelt und als Grundlage der Überlegungen für Ansätze genutzt.

Die Erstellung von Verkehrsentwicklungsplänen ist für die zuständigen Behörden auf Kommunal- und Landesebene nicht verpflichtend. Insbesondere auf europäischer Ebene wird aktuell aber massiv dafür geworben, kommunale Verkehrsentwicklungspläne zu erarbeiten, die auf vergleichbaren methodischen und organisatorischen Ansätzen beruhen. Die sogenannten „Sustainable Urban Mobility Plans“ (SUMP) sind dabei: „… ein strategischer Plan, der die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen und Unternehmen in Kommunen und deren Umgebung mit dem Ziel einer besseren Lebensqualität erfüllen soll. Er baut auf bewährten Planungsansätzen auf und berücksichtigt in besonderem Maße Zusammenarbeits-, Beteiligungs- und Evaluationsprinzipien“ (Rupprecht Consult 2019).

Der Wirtschaftsverkehr spielt in SUMP’s eine gewisse Rolle, u. a. durch die geforderte Integration der diversen Agierenden (Stakeholder) der Stadtgesellschaft, zu denen natürlich auch Vertretungen von Industrie, Handel, Gewerbe usw. gehören. Eine vertiefte Auseinandersetzung findet allerdings zumeist nicht statt. Um hier noch spezifischer den Belangen des Wirtschaftsverkehrs Beachtung zu schenken, wurde – als Ergänzung der SUMP’s – das Werkzeug des „Sustainable Urban Logistics Plan“ (SULP) etabliert. In diversen Projekten wurden Arbeitshilfen geschaffen, um die Verkehrsplanung gerade in diesem Feld zu unterstützen. Beispiele finden sich u. a. in Ambrosino (2015) und Aifandopoulou, Xenou (2019). Allerdings ist die Anzahl an Städten, die entsprechende Planwerke mit einem speziellen Fokus auf dem Wirtschaftsverkehr erarbeitet haben, nach wie vor vergleichsweise gering.

Eine derart dem Personenverkehr und seinen Belangen nachgeordnete Rolle wird dem Themenfeld einerseits inhaltlich nicht gerecht, geht man doch nach wie vor davon aus, dass der Wirtschaftsverkehr in deutschen Städten ca. 1/3 des täglichen Verkehrs auf der Straße ausmacht und mit seinen positiven wie negativen Effekten direkt auf das städtische Umfeld und die Gesellschaft wirkt. Andererseits sind die strukturellen Voraussetzungen zur strategischen Planung des Wirtschaftsverkehrs nach wie vor herausfordernd. So stehen grundlegende Strukturdaten – bspw. zu Betriebsstätten in Verbindung mit der Anzahl von Beschäftigten – auf Grund datenschutzrechtlicher Beschränkungen nur eingeschränkt zur Verfügung. Prognosen, wie sie bspw. im Bereich der Bevölkerungsentwicklung etabliert sind, stehen für die kleinräumige Entwicklung von Betriebsstätten inkl. der Beschäftigtenzahlen nicht zur Verfügung. Dies wären aber gerade für die Modellierung zukünftiger Wirtschaftsverkehre wichtige Grundlagen. Vor diesem Hintergrund ist es kaum überraschend, dass verkehrsträgerspezifische Prognosen im Wirtschaftsverkehr auf städtischer Ebene quasi nicht existieren.

Umso entscheidender ist es für die öffentliche Hand auf Kommunal- und Landesebene, Agierende des Wirtschaftsverkehrs in laufende Prozesse der jeweiligen Verkehrsentwicklungsplanung zu integrieren, oder aber ein integriertes Planwerk im Sinne eines SULP’s aufzustellen/zu entwickeln.

Speziell die Entwicklungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie zeigten, wie schnell etablierte globale und lokale Wertschöpfungsprozesse vor Herausforderungen stehen können, wie schnell Veränderungen von Transportketten notwendig werden können und welche Bedeutung der Versorgungssicherheit der Gesellschaft zukommt. Es ist daher keinesfalls damit getan, entsprechende Pläne und Planwerke aufzustellen. Es bedarf einer kontinuierlichen Arbeit am Thema, auch um Entwicklungen aufzunehmen und im Bereich etablierter Maßnahmen bei Bedarf nachsteuern zu können.

3 Berliner Planwerke mit Bezug zum Wirtschaftsverkehr und dem Lastenradeinsatz

Im Land Berlin existiert eine Vielzahl strategischer Ansätze mit einem mittelbaren Bezug zum Themenfeld Wirtschaftsverkehr unter spezieller Betrachtung des Lastenradeinsatzes, so zum Beispiel die Luftreinhalteplanung, die Lärmaktionsplanung oder das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm. Der Fokus soll nachfolgend aber auf den Planwerken liegen, die sich unmittelbar mit dem Thema „Lastenradeinsatz im Wirtschaftsverkehr“ auseinandersetzen. Zentrale Elemente im Land Berlin sind hierbei der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP MoVe) (SenUVK 2021a) sowie das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept (IWVK) (SenUVK 2021b). Verknüpfungen zum Wirtschaftsverkehr finden sich aber auch in weiteren Stadtentwicklungsplänen, bspw. in den Stadtentwicklungsplänen Wirtschaft (SenSW 2019) und Städtische Zentren (SenSW 2020).

Stadtentwicklungspläne bilden das zentrale Element der städtebaulichen Planung im Land Berlin. Sie werden – mit einem Blick auf die gesamte Stadt – für unterschiedliche fachliche Themen und unter Federführung unterschiedlicher Fachverwaltungen erarbeitet. Die bestehenden Stadtentwicklungspläne (Wohnen; Wirtschaft; Städtische Zentren; Klima; Mobilität und Verkehr) basieren dabei auf vergleichbaren und abgestimmten Annahmen und Entwicklungsprognosen. Sie werden kooperativ und konsultativ erarbeitet und nach einem Abstimmungsprozess zwischen den betroffenen Verwaltungen durch den Berliner Senat beschlossen sowie dem Berliner Abgeordnetenhaus vorgelegt (SenSW 2023).

In Planungs- und Baugenehmigungsverfahren sind die Stadtentwicklungspläne zu prüfen und zu berücksichtigen.

3.1 Der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr

Der aktuelle Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP MoVe) ist dabei das maßgebliche strategische Planwerk für den Berliner Stadtverkehr der Zukunft, inklusive des Wirtschaftsverkehrs. Dieser bewegt sich auf der Ebene eines SUMP’s (Abschn. 22.2). Der StEP MoVe ist bereits der Dritte seiner Art (2003, 2011, 2021). Das vormals als StEP Verkehr verabschiedete Planwerk stellte in jeder seiner Versionen einen Meilenstein in der Berliner Verkehrspolitik dar und fungiert als eine Art „Kursbuch der verkehrlichen Entwicklungen der nächsten Jahre“. In den StEP’s sind jeweils die Ziele für das Berliner Verkehrssystem dargelegt. Es werden aber gleichzeitig auch Wege und Maßnahmen zu deren Erreichung vorgestellt. Überarbeitungen wurden insbesondere notwendig, da sich Rahmenbedingungen der Mobilität in der Stadt kontinuierlich verändern. Dies bezog sich in der Vergangenheit u. a. auf sich verändernde Anteile der zurückgelegten Wege im Umweltverbund, neuen Mobilitätsformen oder auf Veränderungen der demografischen Rahmenbedingungen sowie auf das starke Bevölkerungswachstum in Berlin und der ganzen Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Gerade der StEP Verkehr des Jahres 2011 war daneben durch die schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen gekennzeichnet, welche eine neue Prioritätensetzungen notwendig machten.

Die Berliner StEP’s sind geprägt durch die produktive und kooperative Zusammenarbeit bei der Erstellung. Der für diesen Prozess eingerichtete „Runde Tisch“ vereint unterschiedlichste Interessengruppen zu einem gemeinsamen Diskurs über Ziele und Maßnahmen, wobei die Vielfältigkeit der Beteiligten (u. a. ADFC, ÖPNV-Verkehrsunternehmen, ADAC, IHK, Handwerkskammer und Unternehmensverbände, verkehrspolitische Sprecher:innen der Abgeordnetenhausfraktionen, Seniorenvertretung, Landeselternsprecher u. v. a. m.) die unterschiedlichen Ansprüche an Mobilität und Verkehr von Anfang an widerspiegeln. Dieser Aufbau sicherte damit auch, dass die StEP’s wechselnde politische Mehrheitsverhältnisse bisher „überlebten“ und damit die fachlich-inhaltliche Arbeit kontinuierlich und stringent erfolgen konnte.

Der Wirtschaftsverkehr spielte und spielt in jedem StEP im Themenfeld Mobilität und Verkehr eine wichtige Rolle. Ein stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr ist sowohl im übergeordneten Leitbild und der Vision für Mobilität und Verkehr im Land Berlin als auch in den konkreten Ansätzen und Maßnahmen als wichtiges Element verankert. Das maßgebliche Thema in allen Versionen des StEP’s war die Flächensicherung für den Wirtschaftsverkehr. Aber auch preis- und ordnungspolitische Maßnahmen finden Berücksichtigung. Der Fokus in Hinsicht auf Verkehrsträger lag aber eher bei den „großen“ Agierenden des Wirtschaftsverkehrs, daher dem Schienengüterverkehr, der Binnenschifffahrt und dem Wirtschaftsverkehr auf der Straße (mit Kfz). Explizit erwähnt werden Lastenräder im StEP seit der letzten Version (2021). Hier heißt es u. a. „Lastenräder werden in der gesamten Stadt an Bedeutung gewinnen, mit klarem Fokus auf die verdichteten lokalen Zentren. Sie schaffen lokal Entlastung und eröffnen Chancen für neue Geschäftsmodelle und Bedienkonzepte.“ Auch bei den konkreten Maßnahmen werden Lastenräder adressiert. So wird im sogenannten Maßnahmenkatalog unter anderem als ordnungsrechtliche und preispolitische Maßnahme auf die Förderung von Lastenrädern (OP6) verwiesen, im Bereich der infrastrukturellen Maßnahmen auf den Ausbau von Abstellanlagen für Lastenfahrräder (I109) (SenUVK 2021a).

Seit dem Jahr 2018 ist der StEP Mobilität und Verkehr auch gesetzlich verankert. Das Berliner Mobilitätsgesetz vom 5. Juli 2018 regelt in § 16 „Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr“ Aufgabe, Rolle und übergreifenden Ziele des Planwerks. Gerade aus Sicht des Wirtschaftsverkehrs ist dabei entscheidend, dass der StEP Mobilität und Verkehr dabei einerseits verkehrsmittelspezifische Handlungsziele konkretisieren soll, andererseits auch Qualitätsziele insbesondere für Erhalt, Modernisierung und Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur entwickelt.

Auf dieser Grundlage sind in separaten verkehrsspezifischen Planwerken Maßnahmen, Anforderungen, Standards und Vorgaben zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln. Für den Wirtschaftsverkehr erfolgt dies im „Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept Berlin“.

3.2 Das Berliner Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept (IWVK)

Planerische Grundlage Berlins für das gesamte Spektrum der Ortsveränderung von Personen oder Gütern, die mit geschäftlicher oder dienstlicher Zielsetzung erfolgen, ist das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept (IWVK) . Als nachgeordnetes Planwerk konkretisiert es den Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP MoVe) (Abschn. 22.3.1) für den kurz- und mittelfristigen Planungshorizont und ist auf der Ebene der SULP`s einzuordnen (Abschn. 22.2). Dieses Konzept soll dazu beitragen, die steigenden Anforderungen an Funktionalität und Flexibilität des Wirtschaftsverkehrs mit den Erfordernissen des Erhalts bzw. der Erhöhung städtischer Umwelt-, Umfeld- und Lebensqualität in Einklang zu bringen. Dabei zielt eine „integrierte Wirtschaftsverkehrsplanung“ nicht nur auf die Bereitstellung der notwendigen Quantitäten und Qualitäten aller Verkehrsträger, ihrer Infrastruktur und deren Zusammenwirken ab. Vielmehr gilt es, die Agierenden zu integrieren (produzierende, verladende, empfangende, transportierende Einheit) und angrenzende politische und planerische Handlungsfelder zu berücksichtigen (zum Beispiel Raumplanung oder Umweltgesetzgebung). Nur im Zusammenspiel der Agierenden und Interessengruppen kann die Verkehrsplanung einerseits die Erreichbarkeit der städtischen Quartiere sichern sowie die Ver- und Entsorgung gewährleisten und andererseits möglichst geringe Belastungen für die Wirtschaft, Umwelt und Bevölkerung erzeugen.

Das IWVK wurde 2006 in seiner ersten Version beschlossen und war bereits damals eng mit dem damaligen StEP Verkehr verknüpft. Die neue Version des Planwerks, welche durch den Senat im Jahr 2021 beschlossen wurde, baut auf dem vorhergehenden IWVK aus dem Jahr 2006 auf, geht aber bezogen auf Prozess, Ausrichtung und Form der Beteiligung neue Wege. Das IWVK dient ergänzend zu den Aussagen des StEP MoVe als Element der vorsorgenden Planung, integriert also beispielsweise Logistikknoten in die Stadtentwicklungsplanung und die Wirtschaftsförderung zur langfristigen Standortsicherung.

Das IWVK ist – vergleichbar zum StEP MoVe – Teil des Berliner Mobilitätsgesetzes (vgl. § 18 Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept). Hier werden formal auch die Beziehungen zum StEP MoVe geregelt, der die Handlungs- und Qualitätsziele der verkehrlichen Entwicklung definiert (Abschn. 22.3.1), die zu einem großen Teil auch den Wirtschaftsverkehr betreffen.

Erarbeitet wurde das IWVK in einem konsultativen Verfahren, ein Großteil der erarbeiteten Maßnahmenbündel des Planwerks resultiert aus der Beteiligung (Hintergründe zum Vorgehen im Kontext der Beteiligung im IWVK, S. 83 ff.). Umso wichtiger war es, sämtliche Belange und Interessengruppen des Wirtschaftsverkehrs in diesem Verfahren zu berücksichtigen, so auch die Nutzende von Lastenrädern. Die Einbeziehung erfolgte in unterschiedlichen Arbeitsgruppen:

  • Kurier-, Express-, Paket- und Postdienste,

  • Wirtschaftsverkehr auf der Straße sowie

  • Binnenschifffahrt, Schiene, Logistikstandorte und -knoten.

Jeder dieser Workshops fand zweimal statt und sollte insbesondere die Perspektive der lokalen, operativen Ebene in den Vordergrund stellen. Dies sollte gewährleisten, dass die real existierenden lokalen Probleme und Herausforderungen für die unterschiedlichen Segmente des Wirtschaftsverkehrs intensiv und zielgerichtet diskutiert und entsprechende Lösungsansätze abgeleitet werden konnten.

Dementsprechend wurden vor allem Unternehmensvertretende aus verschiedenen Themenbereichen eingebunden, um konkrete Einzelinteressen zu diskutieren und ein Gesamtbild für das jeweilige Themenfeld zu erzeugen. Im Bereich des Lastenradeinsatzes waren dies unter anderem die Paketdienste (national, lokal), Transportunternehmen mit Fokus auf dem Lastenradeinsatz oder Unternehmen, welche Umschlagstandorte mit Fokus auf dem Lastenradeinsatz haben.

Im Ergebnis finden sich auf das Lastenrad bezogene Ausführungen in folgenden Punkten wieder:

  • Maßnahmenbündel M2: „Quellen, Senken und Knoten des Wirtschaftsverkehrs erfassen und planerisch sichern; zukunftsfähige Konzepte unterstützen“

    • Ansatz: „Mit dem Projekt „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“ (KoMoDo) existiert bereits ein Mikro-Depot-Pilotprojekt, welches durch die SenUVK begleitet wurde. Hier erarbeitete Grundlagen und Erfahrungen gehen in die weiteren Planungen/Arbeiten für Folgevorhaben ein. Gerade im Paket- und Stückgutbereich können kurzfristig Bereiche/Flächen identifiziert werden, an welchen Standorten weitere Mikro-Depots erfolgversprechend einzurichten wären.“

  • Maßnahmenbündel M3: „Gemeinsame Datennutzung im Wirtschaftsverkehr fördern“

    • Ansatz: Bereitstellung von Daten über geeignete Rad(wege)infrastruktur für den Einsatz von Lastenrädern und Informationen über temporär nutzbare Flächen, z. B. für dezentrale Übergabestellen.

  • Maßnahmenbündel M5: „Liefer- und Ladeverkehrsflächen schaffen und effizient nutzen“

    • Ansatz: Schaffung und Erhöhung der Nutzbarkeit von Liefer- und Ladeverkehrsflächen durch den Wirtschaftsverkehr, auch für Fahrzeuge der Kurier-, Express-, Paket- und Postdienste (daher inkl. Lastenräder)

  • Maßnahmenbündel M8: „Transparente, regelmäßige Kommunikation und Beteiligung etablieren“

    • Ansatz: Diese Maßnahme stellt explizit sicher, dass die Belange der Agierenden im Wirtschaftsverkehr auch langfristig gehört werden, u. a. über die Schaffung einer transparenten, regelmäßigen Kommunikation und Beteiligung in Form der sogenannten Austauschplattform Wirtschaftsverkehr Berlin.

  • Maßnahmenbündel M10: „Emissionen reduzieren, Flottenerneuerung und -veränderung fördern“

    • Ansatz: Unterstützung bei der Beschaffung von Lastenrädern für den gewerblichen Einsatz durch Realisierung eines entsprechenden Förderprogramms.

Mit dem Beschluss des IWVK durch den Berliner Senat im August 2021 wurde die Umsetzung des Konzepts formal beauftragt. Dem Senat sowie dem Berliner Abgeordnetenhaus ist über die Umsetzung regelmäßig (zweijähriger Rhythmus) zu berichten, was erstmals Anfang 2022 erfolgte (Land Berlin 2022). Die einzelnen praktischen Umsetzungsprozesse als Ergebnis des IWVK-Beschlusses werden nachfolgend dargelegt.

4 Praktisches Handeln als Ableitung strategischer Ansätze

Im Wirtschaftsverkehr Berlins und der gesamten Hauptstadtregion können nahezu kontinuierlich Veränderungsprozesse beobachtet werden. Der anhaltende strukturelle Wandel der Wirtschaft, neue Handels- und Organisationsformen, veränderte logistische Konzepte sowie nicht zuletzt auch Veränderungen in den Nachfragestrukturen und -mustern auf Seiten der Konsumierenden führen zu Veränderungen des urbanen Wirtschaftsverkehrs. Dies betrifft auch alle Verkehrsträger und Verkehrsmittel, weshalb gerade Arbeiten und Prozesse der öffentlichen Hand auch wiederum alle Verkehrsträger und Verkehrsmittel integrieren müssen. Das Handeln fokussiert daher nicht auf einzelne Verkehrsmittel (wie bspw. das Lastenrad), sondern begreift diese als Element eines größeren Systems, innerhalb dessen jedes Verkehrsmittel spezifische Vor- und Nachteile besitzt.

So kann es bspw. selbst bei Lastenrädern, welche durch emissionsfreies und vergleichsweise flächensparsames agieren gekennzeichnet sind, durch räumliche Ballung zu Behinderungen des Fußverkehrs kommen. Entsprechende Herausforderungen sind in Berlin und anderen europäischen Großstädten, gerade im Kontext von Lebensmittellieferdiensten, deutlich geworden. Wie bei allen Verkehrsmitteln gilt es daher auch im Bereich des Lastenradeinsatzes gemeinsam schlüssige Konzepte zu entwickeln, welche die Stärken der Verkehrsmittel nutzen und diese sinnvoll und verträglich zur Anwendung bringen.

Ausgewählte Berliner Beispiele werden, nach Handlungsfeldern differenziert, nachfolgend dargestellt.

4.1 Stärkung von Kommunikation und Kooperation

Mit dem IWVK wurde die zuständige Senatsverwaltung damit beauftragt, die „Austauschplattform Wirtschaftsverkehr“ ins Leben zu rufen (vgl. M8 im IWVK). Zielsetzung der Austauschplattform ist die Etablierung eines regelmäßigen Informationsflusses zwischen der Verwaltung und den Agierenden, aber auch der Austausch zwischen den Agierenden selbst. So sollen zeitnahe Diskussion aktueller Herausforderungen im und für den Berliner Wirtschaftsverkehr erfolgen, Positionen (auch mit und gegenüber dem Land Brandenburg oder dem Bund) abgestimmt werden sowie einzelne inhaltliche Schwerpunktthemen gemeinsam diskutiert werden. Als informelles, beratendes Gremium (analog zu anderen derartigen Formaten des Landes, u. a. FahrRat, Gremium Fußverkehr) erfolgte im Jahr 2022 die Gründungssitzung. Seitdem tagt das Gremium, in welchem alle für den Wirtschaftsverkehr relevanten Sichtweisen vertreten sind, regelmäßig zweimal jährlich. Teil dieses Gremiums sind unter anderem auch die lokale Vertretung des Radlogistikverbands Deutschland (RLVD), der Bundesverband Paket & Expresslogistik e. V. sowie der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V. Vertreten ist darüber hinaus die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH, welche im Projekt „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“ (KoMoDo 2023) das Mikro-Depot errichtet und betrieben hatte und den Nachfolgestandort auch heute noch betreibt. Damit sind unterschiedlichste Sichtweisen und Anforderungen des Lastenradeinsatzes abgedeckt und berücksichtigt, können aktuelle Anforderungen schnell und unkompliziert eingebracht und mit unterschiedlichen Agierenden (inkl. der Landespolitik) diskutiert und abgestimmt werden.

Das Gremium hat sich bereits heute als erfolgreiche Austauschplattform im Wortsinn etabliert, gelingen hier doch neben formalen Abstimmungen auch Prozesse der Vertrauensbildung und der Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses von Rahmenbedingungen und „Leitplanken“ des Handelns. Das Lastenrad ist als Lösungsoption und -baustein dabei immer wieder in der Diskussion, bspw. im Kontext der Themenfelder Liefern und Laden oder in Verknüpfung mit Anforderungen an die infrastrukturelle Ausgestaltung von Quartieren (insb. bzgl. Mikro-Depot-Standorte) oder logistischen Knoten (Umschlagpunkte).

Das Berliner Engagement für einen starken Austausch zum Themenfeld Lastenrad und mit den Agierenden reicht weiter zurück. So fand bspw. die erste Nationale Radlogistik-Konferenz am 24. und 25. Oktober 2019 in Berlin statt. Die Veranstaltung bestand aus einem Exkursionstag, an welchem mehr als 100 Personen teilnahmen, und der im Dienstgebäude der zuständigen Senatsverwaltung unter politischer Beteiligung begann. Am Konferenztag, u. a. mit Beiträgen der damaligen Berliner Verkehrssenatorin und dem Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, nahmen rund 200 Teilnehmende teil, konnten Lastenräder und Anhänger besichtigt und getestet sowie Konzepte diskutiert werden. Einen maßgeblichen Beitrag zur Finanzierung leistete das Land Berlin, um hier den lokalen und bundesweiten Austauschprozess zu stärken. Ansatz und Ergebnis waren ein voller Erfolg, was nicht zuletzt das positive Feedback der Teilnehmenden/Ausstellenden sowie die mittlerweile vierte entsprechende Konferenz unterstreicht.

4.2 Berücksichtigung des Lastenradeinsatzes im Themenfeld „Liefern und Laden“

Damit der Wirtschaftsverkehr auf der Straße den notwendigen und unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren der Stadt und der Region erbringen kann, dabei aber gerade im Bereich des Lieferns und Ladens flächensparsam, effizient und sicher erfolgen kann, sind angemessene Flächen notwendig (siehe M5 im IWVK). Derzeit reicht das Angebot entsprechender Liefer- und Ladeverkehrsflächen nicht aus, bei vorhandenen Flächen kommt es regelmäßig zu Fehlnutzungen. Vor diesem Hintergrund beauftragte der Berliner Senat mit dem Beschluss zum IWVK die für Verkehr zuständige Berliner Senatsverwaltung, einen Prozess zur Erarbeitung von Planungsvorgaben für Liefer- und Ladeverkehrsflächen aufzuzeigen. Die Planungsvorgaben selbst sollen im Ergebnis als Leitfaden Aussagen zur Bedarfsermittlung für Liefer- und Ladeverkehrsflächen sowie Vorgaben zur Gestaltung und Anordnung machen. Auch das Thema Verkehrsüberwachung und Regeleinhaltung wird adressiert. Im Kontext der Untersuchung soll explizit auch geprüft werden, ob sich für Lastenräder oder Elektrokleinstfahrzeuge (EKF) abweichende Regelungen hinsichtlich Gestaltung oder Dimensionierung ergeben. Hintergrund ist die Annahme, dass Lieferverkehre mit diesen Fahrzeugen in den kommenden Jahren gerade im dichten städtischen Umfeld weiter zunehmen werden und damit auch die Anzahl entsprechender Liefervorgänge und -stopps weiter steigen wird. Dabei ist davon auszugehen, dass bei diesen baulich kleiner dimensionierten Fahrzeugen der lokale Flächenbedarf für Liefer- und Ladeverkehrsflächen sinken könnte. Entsprechende Annahmen macht auch eine Studie zur Lastenradinfrastruktur, welche in Hamburg realisiert wurde (Freie und Hansestadt Hamburg 2021). Aber auch wenn Lastenräder das deutlich stadtverträglichere Verkehrsmittel im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen sind, ist davon auszugehen, dass durch eine massive Steigerung der eingesetzten Lastenräder das Konfliktpotenzial mit anderen Verkehrsteilnehmenden steigt. Die aktuell häufig gängige Praxis des Haltens auf dem Gehweg wird voraussichtlich an seine Grenzen stoßen. Auch die Behinderung von Radfahrenden durch das Halten auf der Radverkehrsinfrastruktur wird wachsen, sodass auch Lastenräder Haltealternativen im Straßenraum benötigen. In Berlin bestehen heute bereits Regelpläne zum Thema Lastenradparken, sodass ein solcher Ansatz planerisch machbar erscheint. Die Sinnhaftigkeit ist allerdings kritisch zu prüfen, da eine weitere Erhöhung der Flächenkonkurrenz zwischen unterschiedlichen Liefer- und Ladeverkehrsflächen aus aktueller Perspektive fraglich erscheint. Eine Bewertung dieser Frage soll und wird im Prozess der Erarbeitung des Leitfadens zu Lieferzonen in Berlin erfolgen.

Allerdings könnte sich diese Einschätzung in Zukunft auch ändern, sollte sich das Lastenrad weiterhin und noch stärker am Markt etablieren. Und die Chancen dafür bestehen durchaus: In einer Studie der Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK) in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, dem Bundesverband Paket- und Expresslogistik e. V. sowie der Fuhrgewerbe-Innung wurde im Berliner Straßenzug „Grunewaldstraße“ der durch Unternehmen avisierte Bedarf an Lieferzonen untersucht (IHK 2023). Im Rahmen einer empirischen Untersuchung wurden die dort ansässigen Gewerbetreibenden befragt (ca. 900 Unternehmen im Untersuchungsgebiet aufgefordert, in etwa 800 Unternehmen erreicht, 80 Antworten erhalten), Vorort-Begehungen durchgeführt und Lieferdaten eines Paketdienstleistungsunternehmens ausgewertet. Daraus wurden Empfehlungen für die Einrichtung von Lieferzonen abgeleitet. Rund 1/3 der 80 Unternehmen im Untersuchungsraum, die die Befragung beantwortet hatten, können sich vorstellen, mit Lastenrädern zu liefern oder beliefert zu werden.

Auf diese Bereitschaft kann aufgebaut werden, indem gute Rahmenbedingungen für die Lastenradbelieferung im untersuchten Straßenabschnitt geschaffen werden. Die Umfrage zeigt insgesamt, dass die Unternehmen im Straßenzug häufiger kleinere Ladevorgänge als große Warenlieferungen haben. Das tatsächliche Potenzial für Lieferungen mit dem Lastenrad ist daher ggf. noch höher als durch die Unternehmen angegeben und könnte durch eine erhöhte Sichtbarkeit des Lastenradeinsatzes als Option oder auch durch die Anlage zielortnaher Umschlagpunkte auf das Lastenrad gesteigert werden.

4.3 Mikro-Depots als Ansatzpunkt der Logistik mit Lastenrädern

Das Land Berlin ist nicht erst seit der Realisierung des Projekts KoMoDo (mehr Infos unter https://www.komodo.berlin/) im Themenfeld Mikro-DepotsFootnote 1 unterwegs. Zahlreiche in Berlin realisierte Konzepte und Studien beschäftigten sich mit unterschiedlichen Konzepten von Konsolidierungszentren und der Kombination von Verkehrsmitteln. Doch erst mit diesem Projekt erschien das Thema nachhaltig auf der politischen und planerischen Agenda. Heute finden sich Verweise auf Mikro-Depots im Koalitionsvertrag 2021, dem Berliner Mobilitätsgesetz und dem IWVK (siehe M3) welches die Bedeutung von Mikro-Depots für Berlin im Beschluss explizit herausstellt.

Mikro-Depots (siehe auch Kap. 8) eröffnen die Möglichkeit, die letzte bzw. erste Meile mit Lastenrädern oder anderen lokal emissionsfreien Fahrzeugen zu bedienen und damit klimafreundliche sowie stadtverträgliche Logistik-Lösungen bereitzustellen. In Berlin gehen derzeit auch immer mehr privat betriebene Mikro-Depots in Betrieb. Funktionell sind Mikro-Depots stationäre, temporär oder dauerhaft lokalisierte Elemente hierarchischer Logistik-Netzwerke. Sie bilden in urbanen Räumen den letzten bzw. ersten Umschlagpunkt für Sendungen. Als Umschlagpunkte verkürzen sie die räumliche Distanz zu privaten und gewerblichen Empfangenden/Versendenden und ermöglichen damit den effizienten Einsatz lokal emissionsfreier, umwelt- und umfeldfreundlicher Fahrzeuge und Transportlösungen – so auch von Lastenrädern.

Bisher zeigt sich, dass die verschiedenen Mikro-Depots in Berlin (aber auch in anderen Städten) weitestgehend Einzellösungen sind. Jedes dieser Mikro-Depots leistet einen Beitrag zu einem stadtverträglicheren Wirtschaftsverkehr, jedoch bedarf es einer deutlichen Skalierung dieses Ansatzes, um eine flächendeckende und wahrnehmbare Wirkung entfalten zu können.

Um diese Skalierung zu unterstützen, hat Berlin eine Untersuchung zu Potenzialen und Wirkungen von Mikro-Depots erstellen lassen. In dieser wurden erstmalig Mikro-Depots auf einer gesamtstädtischen Ebene analysiert. Untersuchungen zu Mikro-Depots bezogen sich davor stets auf einzelne Standorte, häufig Modellprojekte. Informationen dazu, inwieweit ein positiver gesamtgesellschaftlicher Nutzen den einzelbetrieblichen Herausforderungen von Mikro-Depots in der Bilanz gegenübersteht, lagen lange nicht vor. Neben der Bestätigung, dass Mikro-Depots positiv in Städten wirken, konnten Standortpotenziale auf Ebene der Berliner Planungsräume dargestellt werden. Diese zeigen u. a., dass insbesondere in verdichteten Räumen hohe Potenziale für Mikro-Depots bestehen. In einer polyzentrisch aufgebauten Stadt wie Berlin bedeutet dies, dass nicht nur in der Innenstadt hohe Potenziale bestehen, sondern auch in den vielen verdichteten Gebieten der äußeren Stadt.

Auch zu diesem Thema beauftrage der Berliner Senat mit dem Beschluss zum IWVK die für Verkehr zuständige Berliner Senatsverwaltung, einen Leitfaden zu erstellen. In diesem sollen die durch die Untersuchung zu Potenzialen und Wirkungen erlangten Erkenntnisse in alltagstaugliches und anwendungsfreundliches Wissen überführt werden. Damit sollen Unternehmen bestärkt werden, trotz der bekannten Herausforderungen (u. a. anfangs höhere Prozesskosten, schwierige Flächensuche), den Ansatz der Mikro-Depots voranzutreiben sowie den Berliner Bezirken eine Handreichung gegeben werden, wie sie unterstützend tätig werden können.

4.4 Finanzielle Förderung des Lastenradeinsatzes

Lastenräder eignen sich gut für den innerstädtischen Transport. Dies wurde bereits in den hier vorab beschriebenen Maßnahmen und Hintergründen aufgezeigt. Sie können ihre Stärken gerade in dicht besiedelten Gebieten mit relativ kurzen Strecken zwischen den Quellen, Stopps und Zielen ausspielen. Durch die unterschiedlichen Ausführungen und Aufbauten eignen sie sich für viele Einsatzzwecke. Sie sind nicht nur für den Lieferverkehr, sondern auch für verschiedene Dienstleistungen und für gemeinnützige Zwecke eine Alternative zum konventionellen (motorisierten) Fahrzeug. Lastenräder fahren (lokal) emissionsfrei und haben einen deutlich geringeren Flächenverbrauch als konventionelle (motorisierte) Fahrzeuge. Diese Vorteile können Lastenräder insbesondere dann zur Wirkung bringen, wenn sie umfangreich zur Verfügung stehen und intensiv zum Einsatz kommen. Die steigende Sichtbarkeit als Alternative zum konventionellen Einsatz von Kfz verstärkt diesen Effekt. Es zeigt sich auch, dass Unternehmen sich den Einsatz von Lastenrädern für unterschiedliche Zwecke vorstellen können (Abschn. 22.4.2). Ein Lastenradförderprogramm kann den entscheidenden Impuls für die Umsetzung setzen. Aus den genannten Gründen förderte Berlin in Vergangenheit (2018, 2021) den Erwerb und den Einsatz von Lastenrädern. Des Weiteren fand die Lastenradförderung auch im Koalitionsvertrag von 2021 (Land Berlin 2021a) sowie im aktuellen Koalitionsvertrag von 2023 (Land Berlin 2023) ihren Platz. Neben dem für Verkehr zuständigen Bundesministerium fördern bzw. förderten auch viele andere Kommunen (z. B. Mannheim, München und Frankfurt) und Bundesländer (z. B. Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Thüringen) die Anschaffung von Lastenrädern in verschiedenen Formen und unter verschiedenen Bedingungen.

Die Förderprogramme können sich im Detail unterscheiden, aber im Kern ist der Markthochlauf entsprechender Fahrzeuge und die damit einhergehende Anpassung von betrieblichen Prozessen bei den Nutzenden das wesentliche Förderziel. Eine Förderung kann weiterhin zur Bewusstseinsbildung für den Klimaschutz bei Wirtschaftsakteurinnen und -akteuren beitragen. Sie trägt zur Sichtbarkeit der Nutzung von Lastenrädern im gewerblichen Bereich und im Allgemeinen zur Wahrnehmung von Lastenrädern als Alternative zum Kfz-Verkehr bei. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass Unternehmen in Folge der Förderung die Nutzung von Lastenrädern für ihre Zwecke verstetigen.

Mit den konkreten Förderbedingungen kann der Einsatz der Fördermittel gut gesteuert werden, um den Markthochlauf in bestimmten Bereichen zusätzlich zu unterstützen und die Fördermittel zweckmäßig und zielgerichtet einzusetzen.

Bei der Gestaltung der Förderung sind für einen zweckmäßigen und zielgerichteten Einsatz der Fördermittel die folgenden Rahmenbedingungen zu beachten und in Einklang zu bringen:

  • Wünsche und Ansprüche der Zielgruppe sowie die Gegebenheiten auf dem (Fahrrad-)Markt.

  • Die verkehrsplanerische und –politische Zielstellung und gewünschte Wirkung.

  • Die Einhaltung von Zuwendungsrecht sowie der lokal gültigen Haushaltsordnung.

  • Eine möglichst pragmatische und effiziente Umsetzung des Förderprogramms, von Antragsstellung über Bewilligung bis zur Auszahlung und Kontrolle.

Die konkrete Ausgestaltung einer Förderrichtlinie bietet unter den zuvor genannten Rahmenbedingungen relativ viele Freiheitsgrade. Ausgewählte Aspekte zur Steuerung des Mitteleinsatzes in den Förderbedingungen sind:

  • Kreis der potenziellen Empfänger*innen (z. B. Gewerbe, Privatpersonen, Vereine, sozialer Bereich, gewerbliche Anbietende von Lastenrädern – ggf. auch zur privaten Nutzung)

  • Fördergegenstände (z. B. elektrische/konventionelle Lastenräder, Anhänger, Aufbauten) sowie förderfähige Leistungen (z. B. Reparatur, Beratung)

  • Geografisches Einsatzgebiet (z. B. Zentrumsbereiche oder Stadtrandlagen, ausgewählte Kommunen oder flächendeckend)

  • Betriebliches Einsatzgebiet/Branche (z. B. Logistik, Handwerk, sozialer Einsatz, Transport von Gütern und/oder Personen, Sharing etc.)

  • Beschränkung auf Unternehmensgröße und/oder Unternehmensform (Solo-Selbstständig, KMU, GbR, e. V., keine Einschränkung)

  • Höhe der (zumeist) anteiligen Förderung bei der Anschaffung von Fördergegenständen sowie Formen der Anschaffung (Kauf, Leasing, Mietkauf, Finanzierung)

Das letzte Förderprogramm für Lastenräder im Land Berlin aus dem Jahre 2021 (Land Berlin 2021b) beschränkte sich auf den gewerblichen Einsatz (inkl. Vereine) in ganz Berlin und umfasste die anteilige Förderung von elektrisch angetriebenen Lastenrädern (2000 €), konventionellen Lastenrädern (1000 €) und zum Lastentransport vorgesehene Anhängern (500 €). Das Interesse war sehr hoch. Die verfügbaren Fördermittel in Höhe von ca. 415.000 € waren innerhalb weniger Stunden in Förderanträgen gebunden.

Bis zum Ende der Förderperiode wurden insgesamt 202 Fördergegenstände gefördert. Die jeweils geförderten Einheiten verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet, wobei die innenstadtnahen Bezirke dominieren. Die geforderten Branchen sind sehr breit verteilt und unterstreichen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Lastenrädern. Vom Handwerk und verarbeitenden Gewerbe, über Handel, Logistik, Gastgewerbe, dem Dienstleistungssektor sowie künstlerischen Gewerbe bis hin zu Erziehung, Bildung und Vereinen waren viele Branchen unter den geförderten Einheiten vertreten. Unter den geförderten Gegenständen dominiert das elektrisch angetriebene Lastenrad. Es besteht aber auch ein signifikantes Interesse an konventionell angetriebenen Lastenrädern und zum Lastentransport vorgesehenen Anhängern.

Die Erfahrung zeigt, dass es sich für ein erfolgreiches Programm lohnt, das Förderprogramm recht breit aufzustellen sowie in einen intensiven Austausch mit der Zielgruppe zutreten und das Programm zu evaluieren.

4.5 Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln

Wirtschaftsverkehr findet in Berlin auf allen Verkehrsträgern statt – auch auf dem Wasser. Aktuell gibt es ein Pilotprojekt zur Beförderung von Paketen auf dem Wasser, die landseitig auf Lastenfahrräder umgeschlagen werden (DHL 2022). Insbesondere der Umschlag von Wasser auf Land bringt hier neue Herausforderungen mit sich, die ggf. im Kontext laufender Prozesse zum Neubau der Uferbefestigungen angegangen werden können.

Welche Möglichkeiten und Herausforderung dadurch entstehen, wird aktuell in Berlin diskutiert. Auch an dieser Stelle erweist sich die Austauschplattform Wirtschaftsverkehr (Abschn. 22.4.1) als guter „Resonanzboden“ für neue konzeptionelle Ansätze, kommen doch hier die Agierenden der entsprechenden Verkehrsträger (Binnenschifffahrt; Straße, insbesondere Lastenrad) und erfahrene Betreibende von Logistikanlagen und Umschlagknoten zusammen.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Der Wirtschaftsverkehr ist notwendig für alle Städte und entwickelt passende Lösungen für Gesellschaft und Wirtschaft. Lastenräder können und müssen dabei einen Beitrag dazu leisten, den bestehenden Handlungsdruck in urbanen Räumen in stadtverträgliche, ökonomisch und ökologisch tragfähige Lösungen zu übersetzen. Aus planerischer Perspektive finden sie heute bereits Eingang in strategische Planwerke und Konzepte, allerdings nicht immer explizit. Bei Arbeiten auf Ebene der SUMP`s sollten Lastenräder konsequenter mit ihren Stärken und Schwächen wie alle anderen Verkehrsmittel benannt und berücksichtigt werden. Existieren SULP’s, ist es unerlässlich, Lastenräder mit ihren Bedarfen an konzeptionellen oder infrastrukturellen Bedarfen im Wirtschaftsverkehr mitzudenken. Grundsätzlich gilt dabei, dass es keine explizite Planung für das Lastenrad geben muss, sondern vielmehr eine Planung für einen effizienten, flächensparsamen Wirtschaftsverkehr. Dies fördert derzeit insbesondere das Lastenrad als Lösung, steht aber notwendigerweise auch anderen entsprechenden Lösungen offen.

Lastenräder sind in Berlin fest verankert in der Planung und Verkehrspolitik, nicht zuletzt aber auch in Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Generelle Fortschritte im Radverkehr, vor allem bei der Radverkehrsinfrastruktur, wirken auch positiv auf Unternehmen, die Lastenräder einsetzen. Dabei sind Lastenräder am Standort Berlin heute ein echter Wirtschaftszweig mit einer Vielfalt an herstellenden, vermarktenden und Lastenrad einsetzenden Unternehmen. Die daraus resultierend vielfältigen Ansprüche und Wünsche zu konsolidieren braucht Erfahrung und Austausch, auch zwischen den Agierenden des Wirtschaftsverkehrs insgesamt. In Berlin wird das formal in der Austauschplattform Wirtschaftsverkehr realisiert, aber auch darüber hinaus im Rahmen vielfältiger Veranstaltungen und Austauschformate. So werden Verständnis und Akzeptanz im und für den Wirtschaftsverkehr gestärkt und das Lastenrad als dauerhafte Lösung stärker verankert.

Berliner Unternehmen können sich in diversen Kontexten den (noch stärkeren) Einsatz von Lastenrädern vorstellen. Hier gilt es anzusetzen und Wandel weiter zu unterstützen. Lastenradförderprogramme reduzieren hier die initialen Investitionen und damit auch die betrieblichen Risiken z. T. deutlich. Doch auch diverse planerische Maßnahmen – wie die Errichtung entsprechend dimensionierter Liefer- und Ladezonen sowie Mikro-Depots – können hier ein wichtiger Impuls sein. Hier gilt es nun vor allem funktionierende, umsetz- und finanzierbare Maßnahmenbündel zu strukturieren, um möglichst schnell aus den diversen Pilotvorhaben in eine Phase der Skalierung zu starten. Denn nur so können die notwendigen Beiträge für einen auch zukünftig stadtverträglichen Wirtschaftsverkehr geleistet werden.