Zusammenfassung
Dieser Beitrag befasst sich tiefer gehend mit den von Nutzenden wahrgenommenen Treibern und Hemmnissen der gewerblichen Lastenradnutzung, ihrer Veränderung im Zeitverlauf und den dahinterliegenden Faktorenstrukturen. Damit können Barrieren für die weitere Verbreitung der Radlogistik identifiziert und Implikationen für Politik und Lastenradhersteller abgeleitet werden.
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1 Einführung
Ein wichtiges Element für die Klimaneutralität Deutschlands ist der Verkehrssektor, auf den rund 20 % der Treibhausgasemissionen entfallen (BMDV 2021). Erste Entwicklungen hin zu alternativen Verkehrsmitteln sind anhand der steigenden Verkaufszahlen von Lastenrädern in den letzten Jahren (ZIV Zweirad-Industrie-Verband 2022), auch mit elektrischem Antrieb, zu beobachten. Dem gegenüber steht nach wie vor viel ungenutztes Potenzial, wie schon 2016 errechnet wurde (Gruber und Rudolph 2016). Im Umkehrschluss bedeuten diese nicht ausgeschöpften Potenziale, dass viele förderliche Faktoren (Treiber) noch nicht bestmöglich ihre Wirkkraft entfalten, während hinderliche Faktoren (Hemmnisse) weiterhin starken Einfluss haben. Der öffentliche Diskurs zur Nutzung von Lastenrädern hingegen wird häufig auf die Nennung von Vor- und Nachteilen dieser Fahrzeuge reduziert. Zu den unstrittigen Vorteilen gehören eine geringere Umweltbelastung, niedrigere Betriebskosten im Falle einer Fahrzeugsubstitution, der führerschein- und zulassungsfreie Betrieb, eine verbesserte Erreichbarkeit von Orten mit Zugangsbeschränkungen, oder die geringere Stauanfälligkeit. Zu den offensichtlichen Nachteilen im Vergleich zu konventionellen Lieferfahrzeugen wiederum gehören die begrenzte Transportkapazität, eingeschränkte Reichweite, Herausforderungen durch vielerorts noch inadäquate Fahrradinfrastruktur oder die Wahrnehmung von Lastenfahrrädern als für bestimmte Transportaufgaben oder die eigenen Komfortbedürfnisse ungeeignete Alternativen. Viele dieser Vor- und Nachteile wurden bereits in der Literatur besprochen (Abschn. 21.1.1) und bieten eine Grundlage für eine umfassende Untersuchung von Treibern und Hemmnissen. Im Rahmen des Projekts „Ich entlaste Städte“ (Abschn. 21.1.2) wurden die Wirkstärken diverser Treiber und Hemmnisse untersucht (Abschn. 21.2) und deren Implikationen für unterschiedliche Stakeholder-Gruppen (Abschn. 21.3) diskutiert. Der Beitrag bezieht sich dabei auf die Breite der Anwendungsfelder im Wirtschaftsverkehr (Kap. 5), nicht allein auf transportlogistische Nutzungen.
1.1 Aktueller Forschungsstand
In den letzten 10–15 Jahren gingen einige Autor:innen auf Treiber und Hemmnisse gewerblicher Lastenradnutzung ein. Tab. 21.1 bietet eine Überblicksdarstellung.
Die Zusammenstellung zeigt ein recht umfangreiches und vielschichtiges Bild an Determinanten, die die Verbreitung des Lastenrads im Wirtschaftsverkehr beeinflussen. Die Perspektive auf förderliche wie hemmende Faktoren ist dabei unterschiedlich. So betrachteten z. B. Menge und Horn (2014), Assmann et al. (2021) und Transport for London (2009) die Fahrradnutzung aus stadtplanerischer Perspektive. Bogdanski (2017) und Ninnemann et al. (2017) sowie Fontaine et al. (2021) bezogen sich spezifisch auf die Nutzung in der KEP-Branche, andere leiteten Faktoren empirisch aus Experimenten und Feldversuchen (Leonardi et al. 2012; Fischhaber 2016) oder aber aus Modellen und Simulationen ab (Anderluh et al. 2019). Limitationen zeigten sich u. a. durch die starke Heterogenität der Methodik, eine fehlende Kontextualisierung der verschiedenen Aspekte sowie der mitunter nicht nachvollziehbaren Genese der Vor- und Nachteile. Aus dieser Konsequenz bedarf es einer übergeordneten Kategorisierung der gefundenen Faktoren.
Einen Ansatz hierzu lieferten Gruber et al. (2015), in dem sie nach klassischer Adoptionstheorie qualitativ drei Einflusssphären explorierten. Dieses vorläufige Schema unterscheidet zwischen umfeldspezifischen, unternehmensspezifischen und produktspezifischen Einflussfaktoren. Die drei Sphären sind wie folgt gegliedert:
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Umfeldspezifische Einflussfaktoren (Akzeptanzkontext), z. B. regulative Rahmenbedingungen wie Zufahrtsbeschränkungen oder Diesel-Fahrverbote
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Unternehmensspezifische Einflussfaktoren (Akzeptanzsubjekt), z. B. die Entscheidungsstrukturen bei der Fahrzeuganschaffung,
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Fahrzeugspezifische Einflussfaktoren (Akzeptanzobjekt), z. B. die von Rogers (2003) im Rahmen der Innovationsdiffusion genannte „Kompatibilität“, hier für Transportaufgaben, d. h. die Eignung von Nutzlast, Ladevolumen, elektrischer Reichweite etc. für die angedachte Nutzungszwecke.
Allerdings bringt auch jene Einordnung Limitationen mit sich, wie die nicht immer eindeutige Zuordnung von Aspekten zu einer Einflusssphäre, die fehlende Quantifizierung oder die weiterhin hohe Kontextabhängigkeit einzelner Determinanten. Mit Kontextabhängigkeit ist gemeint, dass die Wirkungsrichtung einiger Einflussfaktoren ambivalent und je nach Betrachtung (stärker) als Treiber oder als Hemmnis wirken kann. Als Beispiel können räumliche oder zeitliche Zufahrtbeschränkungen für Pkw aufgeführt werden, etwa im Umfeld von für Fahrräder (d. h. auch den Lastenradverkehr) freigegebenen Fußgängerzonen. Dies wäre ein punktuell sehr hoher Treiber für die Radlogistik, gleichzeitig ist die weiterhin großflächige Erreichbarkeit der meisten anderen innerstädtischen Gebiete für konventionelle Fahrzeuge – und damit die fehlende Push-Wirkung „weg vom Pkw“ – insgesamt ein viel stärkeres Hemmnis für das Wachstum der Radlogistik.
Um die Wahrnehmung und Wirkung von Treibern und Hemmnissen der Lastenradnutzung näher zu ergründen, wurde auf diese Aspekte im Rahmen des Testprogramms „Ich entlaste Städte“ verstärkt Wert gelegt. Der Projekthintergrund wird im Folgenden dargestellt.
1.2 Projekthintergrund und Methodik
Das Projekt „Ich entlaste Städte“ wurde von 2017–2020 vom DLR – Institut für Verkehrsforschung im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative durchgeführt und ermöglichte 750 Betrieben einen jeweils 3-monatigen Lastenradtest. Insgesamt bewarben sich über 1900 Betriebe. Eine ausführliche Charakterisierung der beteiligten Unternehmen wird in Kap. 5 beleuchtet.
Zur Analyse der Wahrnehmung von Treibern und Hemmnissen der gewerblichen Lastenradnutzung wurden mehrere Erhebungen durchgeführt. Die Teilnehmenden bewerteten der Wirkstärke von 23 literaturbasierten Treiber- bzw. Hemmnis-Items auf einer Likert-Skala von 1 bis 5. Diese Bewertung fand zum Zeitpunkt der Bewerbung, also ohne eigene Testerfahrung (T0), dann am Ende des Testzeitraums (T1) und schließlich mindestens drei Monate nach dem Testende (T2) statt, siehe Abb. 21.1). Daraus ließen sich Hinweise auf den Effekt der eigenen Testerfahrung auf eine mögliche Wahrnehmungsveränderung ableiten. Die bewerteten Items wurden des Weiteren anhand von Dimensionsreduktionsverfahren übergeordneten Faktoren zugeordnet.
In den anschließenden zwei Hauptkapiteln wird die Längsschnittbetrachtung der Wirkungen von Treibern und Hemmnissen aus der Sicht von lastenradnutzenden Betrieben vorgestellt (Abschn. 21.2) und die daraus abzuleitenden Implikationen aufgeführt (Abschn. 21.3).
2 Wahrnehmung von Treibern und Hemmnissen durch gewerbliche Lastenradnutzer
Die Unterkapitel sind entlang der wachsenden Nutzungserfahrung der Lastenradtestenden sortiert, beginnend mit der ursprünglichen Nutzungsmotivation (Abschn. 21.2.1) und endend mit den Determinanten der Kaufentscheidung (Abschn. 21.2.4). Ferner wird die Strukturierung der Items in eine handhabbare Anzahl Faktoren (Abschn. 21.2.2) und die Effekte der Nutzungserfahrung auf die Bewertung von Treibern und Barrieren (Abschn. 21.2.3) vorgestellt.
2.1 Auslöser von Interesse am Lastenrad und initiale Nutzungsmotivation
Das Ergebnis der T0-Befragung von über 1900 am Lastenradtest interessierten Organisationen zu unternehmerischem Handeln hinsichtlich Umweltschutz, Technologie und gewerblicher Fahrzeugnutzung mit anschließender Faktorenanalyse war eine Aufteilung der Betriebe in zwei Kategorien: Solche mit hohem Interesse für die Nachhaltigkeitstransformation in ihrer Branche und solche mit einem hohen Technologie- und Innovationsinteresse. Insofern können die Orientierungsdimensionen Nachhaltigkeit und Technologie als zwei wesentliche Basis-Treiber für die unternehmerische Entscheidung, Lastenräder zu nutzen, gesehen werden.
Der hohe Stellenwert von Umwelt- und Klimaschutz im Kontext von gewerblichen Entscheidungen wurde auch bei der konkreten Frage nach der Motivation am Lastenrad-Testprogramm teilzunehmen deutlich (Abb. 21.2). Hier überwog das Interesse am Umweltschutz durch die Nutzung eines emissionsfreien Fahrzeugs sowie das Einnehmen einer Vorbildrolle für andere Betriebe bzw. Einrichtungen in der jeweiligen Branche. Ökonomische Vorteile erwarteten nur ungefähr die Hälfte der Testteilnehmenden. Lediglich jeder vierte Betrieb stimmte der Aussage zu, Lastenräder als Alternative bei drohenden Diesel-Fahrverboten zu testen. Einige dieser Aspekte sind auch in den 23 Treiber- bzw. Hemmnis-Items wiederzufinden, die in den folgenden Abschnitten strukturiert werden.
2.2 Strukturierung von Treibern und Hemmnissen
2.2.1 Faktorstruktur vor der Testphase
Zur Strukturierung der 23 abgefragten Items zur Ex-ante-Wahrnehmung von Treibern und Hemmnissen (also der Wahrnehmung vor dem eigenen Lastenradtest) wurde eine Dimensionsreduktion mithilfe des Verfahrens der Hauptkomponentenanalyse durchgeführt. Dieses Verfahren ordnete die Vielzahl einzelner Aspekte einer darüberliegenden Faktorenstruktur zu. Damit konnten elf positive und zwölf negative Aspekte der Lastenradnutzung auf drei Treiberfaktoren und vier Hemmnisfaktoren reduziert werden (Abb. 21.3, links).
Die drei Treiber-Faktoren sind unterteilt in: 1. weiche Vorteile, 2. Kostenvorteile und 3. urbane Vorteile.
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Weiche Vorteile im Kontext der gewerblichen Lastenradnutzung beziehen sich auf nicht-monetäre, immaterielle Vorteile. Sie umfassen dabei vor allem qualitative, Image-förderliche Aspekte oder tragen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen und Wahrnehmung der ökologischen Nachhaltigkeit bei.
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Im Gegensatz dazu stehen die Kostenvorteile, die sich auf die finanziellen Vorzüge, insbesondere gegenüber einem klassischen Kraftfahrzeug beschränken.
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Urbane Vorteile beschreibt Aspekte, die vor allem in städtischen Kernräumen eine hohe Bedeutung aufweisen.
In der Bewertung der Wichtigkeit der Treiber existierten nur geringe Unterschiede zwischen den drei Faktoren. Der Faktor mit der stärksten Bedeutung war der Kostenvorteil (F4) mit einem mittleren Item-Score von 4,4 auf der Likert-Skala von 1–5, den weichen Vorteilen (F2) wurde jedoch fast die gleiche Bedeutung beigemessen, sodass deutlich wird, dass neben wirtschaftlichen Überlegungen auch andere Nutzen mit diesem Fahrzeugtyp in Verbindung gebracht wurden. Der Faktor mit den geringsten Zustimmungswerten unter den Fahrenden waren die urbanen Vorteile (F5), was unter anderem daran liegen könnte, dass nicht alle Befragten das Lastenrad in verdichteten urbanen Räumen anwendeten.
Auf Seiten der Hemmnisse ließen sich vier Faktoren identifizieren: 1. unmittelbare fahrzeugseitige Limitierungen (wie Reichweite, Ladekapazität und Witterungsabhängigkeit), 2. stärker subjektive Bewertungen der Entscheider:innen (Sorgen und Bedenken), 3. die (ggf. auch nur antizipierten) Akzeptanzdefizite auf Seiten der potenziell Nutzenden und 4. Aspekte der verkehrlichen und technischen Infrastruktur (also z. B. Radwege). Hinsichtlich der Bewertung dieser Faktoren gab es größere Unterschiede:
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Die Infrastruktur (F7) stellte mit einem Item-Score von 3,0 das größte Hemmnis dar. Das erscheint plausibel, da weiterhin die Fahrradinfrastruktur in deutschen Städten in Bezug auf Oberflächenqualität und Breite vielerorts nicht den Minimalanforderungen bzw. Vorgaben entsprechen. In engem Zusammenhang zur Wahrnehmung infrastruktureller Mängel steht die Einschätzung einer Sicherheitsgefährdung für Lastenradnutzende im (gemischten) Straßenverkehr. Mit Blick auf die Service-Infrastruktur kommt hinzu, dass bislang nur wenige Dienstleister professionelle und wettbewerbsfähige Wartungsdienste anbieten.
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Der Faktor Sorgen und Bedenken der Entscheidenden (F3) erreichten die zweithöchsten Zustimmungswerte unter den Hemmnisfaktoren. Es ist zu beachten, dass die meisten Befragten keine Vorerfahrung mit Lastenrädern hatten. Daher ist es denkbar, dass potenzielle Probleme mit der Einführung von Lastenrädern in die organisatorischen Abläufe von besonderer Relevanz waren. Darüber hinaus sind Ängste und Vorbehalte vor der eigentlichen Testerfahrung meist vordergründig, sodass die Bedenken, welche einen möglichen Diebstahl oder eine mögliche Beschädigung betreffen, besonders relevant erscheinen.
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An dritter Stelle standen die Fahrzeugbeschränkungen (F1), die für die Befragten von geringerer Bedeutung zu sein schienen. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Stichprobe aus interessierten Nutzer:innen bestand, die das Lastenrad bereits als geeignete Transportmöglichkeit in Betracht zogen und die gegebenen Einschränkungen beim Umstieg für sich evaluiert hatten. Dabei fasst F1 die wesentlichen und unmittelbaren fahrzeugspezifischen Nachteile zusammen: Reichweite, Ladekapazität und Witterungsabhängigkeit von Lastenrädern. Diese Aspekte sind leicht sachlich zu erfassen, da Unternehmen in der Regel ihre Transportaufgaben nach Menge und Distanz gut einschätzen können und Informationen zu Reichweite und Stauraum der Fahrzeuge leicht verfügbar sind. Ebenso ist es eine offensichtliche Eigenschaft von Fahrrädern, exponiert gegenüber Wettereinflüssen zu sein.
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Der kleinste Einfluss waren die (auf Ebene der Entscheidenden antizipierten) Bedenken der Fahrenden (F6), die unter anderem die Akzeptanz der Mitarbeitenden, die allgemeine Handhabung des Lastenrads sowie den (fehlenden) Spaßfaktor umfassen. Dieses Ergebnis könnte ebenso dahingehend interpretiert werden, dass die Befragten im Allgemeinen eine Stichprobe von interessierten Lastenradfahrenden darstellten, die davon ausgingen, dass das Fahren mit dem Lastenrad eine eher unterhaltsame Aktivität ist. Außerdem handelte es sich bei den Befragten größtenteils um Fuhrparkmanager:innen und um eher kleine Unternehmen, die sich offenbar weniger Sorgen um die Akzeptanz durch ihre Mitarbeitenden machten – oder vorhatten, das Lastenrad auch selbst zu fahren.
2.2.2 Faktorstruktur nach der Testphase
Nach der dreimonatigen Lastenrad-Nutzungserfahrung bewerteten die Testteilnehmenden erneut die Stärke der 23 Treiber und Hemmnisse (siehe Abb. 21.3, rechts). Diese Items wurden von Narayanan et al. (2022) erneut einer Faktoranalyse zugeführt und damit die vor der Testphase gefundene Faktorenstruktur im Wesentlichen bestätigt, insbesondere was die Treiber betrifft.
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Der Treiberfaktor weiche Vorteile blieb bestehen, ergänzt um betriebliche Umweltziele und den Spaßfaktor bei der Benutzung des Lastenrades. Der Spaßfaktor stellt dabei ein perfektes Beispiel für die gleichzeitige Funktion einzelner Aspekte als Treiber und Hemmnis dar. Vor der Testung noch als fahrerseitige Barriere wahrgenommen, ordnet sich der Spaß als weicher Vorteil nach der Testphase ein. Bei einer rein qualitativen Betrachtung einzelner Gesichtspunkte wie in Abschn. 21.1.1 wäre der Spaß entweder Treiber oder Hemmnis.
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Der Faktor Kostenvorteile blieb ebenfalls bestehen, beschränkt sich aber auf die reinen Anschaffungs- und Wartungskosten des Fahrzeugs.
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Im Gegensatz dazu verschwand der Faktor, der ex ante „urbanen Vorteile“ genannt wurde, vielmehr wurden nach der Testphase insbesondere operative Vorteile als Treiber gesehen. Der Faktor vereint verschiedene Nutzen, die aus der besser planbaren Fahrtzeit oder der Erreichbarkeit aller Zielorte resultieren und den betrieblichen Ablauf fördern. Repliziert wurden die Erkenntnisse zu den Zustimmungswerten der einzelnen Treiber-Faktoren.
Eine größere Veränderung der Faktorstruktur ließ sich bei den Hemmnissen beobachten. Dies hat zum Teil auch methodische Gründe. So wurden aufgrund eines anderen Hauptziels der Analysen in Narayanan et al. (2022), nämlich der Quantifizierung der Einflussfaktoren auf die Lastenrad-Kaufentscheidung, nur Items mit einer Faktorladung größer als 0,4 innerhalb eines Treiber- oder Hemmnisfaktors subsummiert. Die Items mit geringeren Faktorladungen werden in der Abbildung als „nicht berücksichtigt“ aufgeführt.
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Ein verbleibender Hemmnisfaktor umfasst Risiken und operative Bedenken. Hierunter finden sich Aspekte wie eine schwierige Handhabung, Verkehrssicherheitsbedenken, Diebstahlgefahr, eine potenzielle Beschädigung der Ladung, unzureichende Radinfrastruktur oder das mangelnde Servicenetzwerk. Der Faktor vereint somit vor allem die ex-ante-Faktoren „Sorgen und Bedenken“ (F3) sowie „infrastrukturelle Einschränkungen“ (F7 vor dem Test) komplett, ergänzt um den Aspekt der Handhabung.
Welche Implikationen die Faktorenstruktur vor allem für Forschende hat, wird in Abschn. 21.3 betrachtet. Doch soll, neben der Analyse der Veränderungen der Faktorenstruktur von Treibern und Hemmnissen, im folgenden Abschnitt auch auf die Veränderungen der einzelnen Aspekte über den Testverlauf hinweg eingegangen werden.
2.3 Veränderung der Wahrnehmung durch eigene Lastenrad-Testerfahrung
Dieser Abschnitt erörtert, wie sich die Bewertung von förderlichen oder hemmenden Aspekten durch die Testenden vor und nach der eigenen Nutzungserfahrung unterscheiden.
Abb. 21.4 listet die 23 abgefragten Items (11 Treiber und 12 Hemmnisse), sortiert nach der wahrgenommenen Stärke vor dem Lastenradtest (T0) auf. Je grüner der Hintergrund, desto stärker wurde ein Treiber oder desto schwächer wurde ein Hemmnis wahrgenommen. Umgekehrt zeigt ein rotes Spektrum starke Hemmnisse oder schwache Treiber an. Gelbliche Farbtöne stehen für mittlere Abstufungen. In der letzten Spalte wird auf die Veränderung bei der Bewertung nach dem Test eingegangen. Die Veränderung bei der Einschätzung wird mit „o“ gekennzeichnet, wenn die jeweiligen Mittelwerte sich weniger als 0,25 Punkte unterscheiden, mit „+“ bzw. „−“ bei Veränderungen zwischen 0,25 und 0,5 Punkten und mit „++“ bzw. „− −“ bei Veränderungen über 0,5 Punkten.
Bei den Treibern waren mit Ausnahme der ausreichenden elektrischen Reichweite keine signifikanten Wahrnehmungsveränderungen durch den Test beobachtbar. Insofern verschlechterte sich insgesamt die Wahrnehmung der positiven Merkmale im Durchschnitt nur geringfügig (um knapp 0,1 Punkte). Das betraf alle Treiber bis auf die Erreichbarkeit zu zugangsbeschränkten Bereichen und die (geringen) Wartungskosten, deren Wahrnehmung sich leicht verbessert hatte. Es lässt sich zusammenfassen, dass Treiber vor und nach dem Test als stark wahrgenommen werden und sich damit aus Sicht der Testenden gewissermaßen als gültig erwiesen haben. Bei der Betrachtung der am positivsten bewerteten Einflussgrößen nehmen operative und weiche Vorteile des Lastenrads die obersten Plätze ein, wenngleich nur eine geringe Abweichung zwischen den Aspekten vorliegt.
Bei allen Items der Hemmnisse zeigten sich vor und nach dem Test deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung. Hemmnisse wurden vor dem Test als mäßig stark und nach dem Test signifikant stärker wahrgenommen. Im Durchschnitt verschlechterten sie sich um 0,4 Punkte auf der Likert-Skala. Der Aspekt mit der stärksten Verschlechterung als Folge des Tests (0,7 Punkten) stellte die Wahrnehmung der Qualität der Fahrradinfrastruktur dar. Dies bedeutet, dass die Nutzenden vor dem Test eine deutliche bessere Wahrnehmung der Radwege hatten bzw. sie jedenfalls nicht als hinderlich für Lastenräder einschätzten. Andere Größen mit deutlich schlechterer Bewertung nach dem Test war die (fehlende) Eignung von Lastenrädern, das gesamte räumliche Geschäftsgebiet abzudecken, das Sicherheitsempfinden, die Witterungsabhängigkeit und die Ladekapazität. Bei diesen Punkten handelt es sich hauptsächlich um fahrzeugbezogene Aspekte. Als größte Barrieren für die Nutzung von Lastenrädern wurden nach Testende die Fahrzeughandhabung, die Implementierungskosten und die bereits erwähnten Aspekte Fahrradinfrastruktur und Witterungsabhängigkeit wahrgenommen.
Im Durchschnitt über alle Treiber- und Hemmnis-Items verschlechterte sich die Wahrnehmung um 0,27 Punkte. Zusammenfassend wurden die positiven Merkmale leicht überschätzt, während die negativen Merkmale in einem größeren Ausmaß von bis zu 0,7 Wertungspunkten unterschätzt wurden. Folgende Erklärungsansätze sind denkbar: Zum einen könnte es einen Selektionsbias der Testgruppe geben. Da alle Befragten motiviert zur Projektteilnahme waren, kann vermutet werden, dass die Mehrheit von ihnen eine stark positive Einstellung zu Lastenrädern vor Testbeginn hatte. Demnach wäre es nicht verwunderlich, wenn sich die Bewertung der Eigenschaften von Lastenrädern verschlechtert hätte. Eine andere Interpretation könnte die unzureichende Entwicklung des Lastenrads für kommerzielle Anwendungen sein. Erfahrungen mit verschiedenen Arten von Lastenfahrrädern zeigten, dass die Robustheit, Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie der Fahrräder noch nicht in zufriedenstellender Qualität gegeben sind. Im Projekt wurde ein sehr hoher Optimierungsbedarf an den Lastenrad-Modellen evident: Fast 80 % der Befragten gaben dies an (vgl. Gruber und Rudolph 2021). Die Transportbox kritisierten die meisten Nutzenden: Über 62 % sahen hier Verbesserungsbedarf. Zudem wurde mehr Fahrkomfort gewünscht (43 %). Mit Blick auf die bewerteten Modelljahre 2017/2018 kann also festgestellt werden, dass die Technik in Abgrenzung zur Erwartungshaltung der Nutzenden noch nicht reif oder innovativ genug war, um einen eindeutigen Mehrwert (ohne substanzielle Hemmnisse) für die Nutzenden zu generieren.
Unabhängig von diesen beiden übergreifenden Interpretationen kann es sinnvoll sein, die Einzelaspekte auch im Hinblick auf die Kaufentscheidung zu analysieren, denn dies liefert im folgenden Kapitel einen ersten Eindruck, wie sich verschiedene Treiber und Hemmnisse auf das Verhalten von Nutzenden und Entscheider:innen auswirken.
2.4 Lastenrad-Kaufentscheidung
Ein Ziel der meisten Unternehmen, die sich am Lastenradtest beteiligten, war es, herauszufinden, ob Lastenräder auch langfristig gewinnbringend in den eigenen Fuhrpark integriert werden können. Die Kaufquote, d. h. der Anteil an Teilnehmenden, die im Anschluss an den Lastenradtest ein eigenes Lastenrad angeschafften, lag bei 32 %. Ein direkter Kauf bzw. eine Weiternutzung der Testfahrzeuge wurde im Projekt bewusst nicht angeboten, da dies zu einer Verzerrung bei der Bewertung der Kaufabsicht geführt hätte.
Grundsätzlich dürften sich die im Test gemachten Erfahrungen (die sich auch in den hier dargestellten Wahrnehmungsveränderungen manifestierten) auf die Lastenrad-Kaufentscheidung ausgewirkt haben. Im Rahmen des Projekts wurde dies auf zweierlei Arten untersucht: einerseits bewerteten die Testteilnehmenden direkt den Einfluss der ihnen drei Monate nach Testende erneut vorgelegten Items auf ihre Kaufentscheidung, andererseits wurden mithilfe von statistischen Schätzverfahren auch andere und latente Einflussfaktoren ermittelt.
Im Folgenden wird auf die direkt bewerteten Gründe für oder wider einen eigenen Lastenrad-Kauf eingegangen (siehe Abb. 21.5).
Für Kaufende von Lastenrädern, also rund einem Drittel der Befragten, waren weiche Vorteile, wie der Spaßfaktor und die Rolle als Vorbild, entscheidend, aber auch operative Vorteile, wie Flexibilität beim Parken, wurden häufig genannt. Für Personen, die sich gegen einen Kauf entschieden, waren die Implementierungskosten der mit großem Abstand am häufigsten genannte Aspekt, die darauffolgenden fünf Aspekte (in hellorange), wie etwa schlechte Fahrradinfrastruktur oder die Witterungsabhängigkeit, liegen auf einem ähnlichen Niveau und sind jeweils bei rund einem Fünftel der Befragten von entscheidender Bedeutung für den Nicht-Kauf.
Die ermittelten weitergehenden Einflüsse auf die Kaufentscheidungen werden in Tab. 21.2 aufgeführt und z. T. diskutiert. Eine ausführliche Erläuterung bietet der Artikel Narayanan et al. (2022).
3 Implikationen und Schlussfolgerungen
Aus der Betrachtung der mannigfaltigen Treiber und Hemmnisse heraus, können nachfolgende Schlussfolgerungen für Forschende, Politik und Planung sowie für Lastenradhersteller gezogen werden.
3.1 Implikationen für Forschende
Die in Abschn. 21.2.2 gefundene Faktorenstruktur kann Forschende bei zukünftigen Analysen der Lastenradnutzung die Erhebung von Einflussfaktoren erleichtern. Forschende können sich bei der Untersuchung von Treibern und deren Auswirkungen auf Akzeptanz und anschließendem Kauf insbesondere auf operative und weiche Vorteile fokussieren und müssen nicht explorativ eine Testbatterie an Items erheben. Bei den Hemmnissen lohnt sich ein verstärkter Blick auf die operativen Bedenken, die konträr zu den operativen Vorteilen stehen.
Eine Weiterentwicklung der Strukturierung mithilfe von noch nicht berücksichtigten Aspekten ist ebenfalls denkbar. Als Beispiel könnten betriebliche Umweltziele detaillierter durch mehrere Items, die ein eigenes betriebliches Umweltbewusstsein abbilden, ergänzt werden (siehe dazu z. B. Geiger und Holzhauer 2020).
3.2 Implikationen für Politik und Planung
Die ermittelte Faktorenstruktur sowie das Wissen um (Fehl-)Einschätzungen kann von großem Nutzen sein, um Treiber zu stärken und Hemmnisse abzubauen und somit systematisch die Lastenrad-Akzeptanz bei Gewerbetreibenden zu erhöhen.
Zum Abbau der Vorbehalte sollten Testprogramme wie „Ich entlaste Städte“ oder Lastenrad-Leihsysteme ebenso wie Aufklärungs- und Informationskampagnen weiterhin politisch gefördert und evaluiert werden. Die Erprobung von Lastenfahrrädern hilft Unternehmen dabei, die Eignung für ihren spezifischen Anwendungsfall konkret zu ermitteln.
Da das Hemmnis der Fahrradinfrastruktur in der Testung die stärkste negative Entwicklung hinsichtlich der Wahrnehmung hatte und als zweithäufigster Grund für einen Nicht-Kauf eines Lastenrad bewertete wurde, ergibt sich daraus die Relevanz des Ausbaus bzw. der Ertüchtigung der Fahrradinfrastruktur, entsprechend den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (FGSV 2010). Bei der Diskussion, ob große Lastenfahrräder für einen sicheren Betrieb auch eine Infrastruktur mit größere Fahrbahnbreiten und veränderten Abbiegewinkeln benötigen (vgl. Taefi et al. 2016) müssen allerdings auch Untersuchungen wie diejenige von Assmann et al. (2021) herangezogen werden. Diese zeigen, dass nicht alle Gebiete gleich gut für eine Durchdringung des Lastenrads im Wirtschaftsverkehr geeignet sind. Entsprechende Potenzialanalysen für einzelne Bezirke und unterschiedliche Szenarien am Beispiel der Stadt Hamburg wurden dort untersucht.
Das größte wahrgenommene Hemmnis der hohen Anschaffungskosten (vgl. Tab. 21.2), wurden bereits von der Bundesregierung mit der Richtlinie zur finanziellen Förderung der Anschaffung von E-Lastenfahrrädern (BAFA 2023) angegangen. Auch als Ergebnis des Projekts „Ich entlaste Städte“, trat das Programm 2021 in Kraft und läuft bis mindestens 2024. Übernommen werden beim Kauf von Lastenrädern 25 % der Anschaffungskosten bis zu 2500 €. Doch ist zu beachten, dass nach Narayanan et al. (2022) niedrigere Fahrzeuganschaffungskosten kein alleiniger signifikanter Treiber für den Kauf von Lastenrädern darstellen, die Gesamtbetriebskosten der Flotte gesehen werden müssen.
Die Vorteile des Lastenrads sollten auch durch einen regulatorischen Rahmen, der die Nutzungsvorteile für konventionelle Fahrzeuge verringert, weiter gestärkt werden. Beispiele für solche Maßnahmen sind z. B. verkehrsberuhigte oder geschwindigkeitsreduzierte Zonen oder zeitliche Zufahrtsbeschränkungen (Yannis et al. 2006; Holguín-Veras et al. 2020).
3.3 Implikationen für Lastenradhersteller
Um die Wartungskosten der Lastenräder gering zu halten, muss die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Komponenten weiter verbessert werden. Zusätzlich könnten Lastenradhersteller Schulungen für Fahrradwerkstätten anbieten und vermarkten, um das Service-Netzwerk auszubauen und Expertise bei Händler:innen zu schaffen. Diese dürften damit auch verstärkt Lastenräder in ihr Sortiment aufnehmen und somit ihre Sichtbarkeit und Erprobbarkeit erhöhen. Hinsichtlich des Fahrzeugdesigns sollte am Hemmnis Witterungsabhängigkeit gearbeitet werden, welches einen bedeutenden Einfluss auf den Nicht-Kauf eines Lastenrads hatte. Im Speziellen bei drei- und vierrädrigen Schwerlastenfahrrädern könnte bspw. eine Dachkonstruktion Abhilfe schaffen. Eine Fokussierung auf die Verbesserung von Schwerlastfahrrädern stützen auch die Ergebnisse von Narayanan et al. (2022).
Angesichts der Bedeutung der weichen Vorteile (z. B. besseres Unternehmensimage, höherer Spaßfaktor, verbesserte Gesundheit der Mitarbeitenden und die Möglichkeit, Umweltziele des Unternehmens zu erreichen) sollten die Hersteller auch daran arbeiten, ebenjene verstärkt zu kommunizieren. In diesem Zusammenhang könnten an Pkw-Nutzende gerichtete Werbekampagnen in verschiedenen Medien hilfreich sein.
4 Fazit
Der Diskurs um die Chancen der gewerblichen Lastenradnutzung verbleibt mitunter auf einer deskriptiven Aufzählung von Vor- und Nachteilen des Fahrzeugkonzepts. Dieser Beitrag zeigt, dass das tiefer gehende Wissen um die Treiber und Hemmnisse der Radlogistik von Relevanz ist, wenn es um die Förderung der weiteren Marktdurchdringung von Lastenrädern geht. Deutlich wird, dass Nutzende ihre Wahrnehmung von förderlichen oder hemmenden Aspekten im Kontext eigener Nutzungserfahrung verändern. Dies bietet Rückschlüsse für den weiteren Abbau von Akzeptanzbarrieren für Politik und Fahrradbranche. Durch die Stärkung und Kommunikation der wichtigsten Treiber (etwa Flexibilität und Erreichbarkeit in Kombination mit weichen Faktoren wie dem Firmen-Image) und dem Abbau von Hemmnissen wie mangelnde Erprobungsmöglichkeiten, schlechter Fahrradinfrastruktur und hohen Anschaffungskosten können wichtige Anreize zur weiteren Verbreitung der Radlogistik gesetzt werden.
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Gruber, J., Bachmann, R. (2024). Treiber und Hemmnisse der Radlogistik. In: Assmann, T., Bürklen, A., Gruber, J., Knese, D., Mayregger, P., Rudolph, C. (eds) Radlogistik. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-44449-5_21
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