1 Gesetzlicher Stand – Lastenrad

Lastenräder und -anhänger werfen in der öffentlichen Debatte wie im Fachdiskurs immer wieder Fragen zur rechtlichen Einordnung sowie zu den geltenden Gesetzen und Regeln auf. Dieser Abschnitt gibt dazu einen Überblick.

1.1 Rechtliche Einordnung von Lastenrädern

Für Lastenfahrräder gibt es aktuell, rechtlich betrachtet, keine eigenständige Fahrrad- oder Fahrzeugklasse. Lastenräder sind rechtlich als ein Fahrrad zu betrachten, solang sie innerhalb der Grenzen eines Fahrrads entsprechend der Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung (StVZO) bleiben.

Ein Fahrrad ist ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern, welches mit Muskelkraft über eine Pedale (oder Handkurbel) angetrieben wird. Es ist zulässig, den Antrieb, um einen elektronischen Hilfsmotor zu ergänzen, der mit seiner größten Nenndauerleistung 0,25 kW nicht überschreitet, bei zunehmender Fahrtgeschwindigkeit die Unterstützung progressiv vermindert und bei dem Erreichen von 25 km/h bzw. dem Einhalten des Muskelkraftantriebs die Unterstützung einstellt (§ 63a StVZO). Diese Regelung ist auch als Pedelec bekannt. Es ist zudem zulässig, dass der Antrieb im Rahmen einer Schiebehilfe bis 6 km/h das Fahrzeug ohne Betätigen der Kurbel antreibt. Diese Funktion, in der Regel als Anfahrtshilfe bezeichnet, ist bei einigen Lastenrädern vorzufinden und ermöglicht z. B. ein besseres Rangieren in der angetriebenen Rückwärtsfahrt oder ein vereinfachtes Losfahren des Fahrzeugs.

Die maximalen Abmessungen eines Fahrrades ergeben sich ebenso aus der StVZO. In der Dimension der Breite wird eine Unterscheidung im Gesetz nach dem Fahrradtyp (Kap. 1) vorgenommen. Einspurige Modelle dürfen maximal 1 m breit sein. Bei mehrspurigen Modellen sind Dimensionen mit einer Breite von 2 m, Länge von 4 m und einer Höhe von 2,5 m zulässig (§ 63 & § 32 StZVO). Ein Fahrrad, welches innerhalb dieser Abmaße bleibt und die Regelungen zum Antrieb entsprechend des vorherigen Absatzes einhält, ist, rechtlich betrachtet, ein Fahrrad. In der StVZO und anderen Gesetzen sind keine Vorgaben und Einschränkungen zum Gewicht, weder in Form eines zusätzlich zu transportierenden Gewichts, Nutzlast, wie auch zu einem zulässigen Gesamtgewicht zu finden. Angaben zum zulässigen Gesamtgewicht sind in technischen Normen zu finden (siehe Abschn. 2.2). Diese haben jedoch keine direkte Rechtskraft.

Auf den Straßen sind jedoch auch Fahrräder mit Nummernschild zu finden. Sie verfügen dann über Motoren, die mehr Leistung als für Pedelecs zulässig ermöglichen. Fahrräder und Lastenräder mit einer elektrischen Unterstützung, die entweder größer 0,25 kW Nenndauerleistung zur Verfügung stellt oder >6 km/h ohne Treten das Fahrzeug antreibt oder bei Geschwindigkeiten >25 km/h weiterhin unterstützt, gelten als Kraftfahrzeug. Sie sind i. d. R. als L-Klasse-Fahrzeug entsprechend der EU- Verordnung 168/2013 eingestuft. Darunter fallen auch die am Markt erhältlichen S-Pedelecs, die Geschwindigkeitsniveaus bis 45 km/h mit elektrischer Unterstützung erlauben. Weiterhin ist es möglich, Lastenräder mit > 0,25 kW Nenndauerleistung und Unterbrechung der Unterstützung bei 25 km/h zu gestalten (Klasse L1e-a). Nachteilig ist jedoch, dass in beiden Fällen in Deutschland und Europa diese Fahrzeuge als Kraftfahrzeuge gelten und entsprechende Regelungen greifen. Dies sind konkret die Helmpflicht, Versicherungspflicht und der Wegfall der Nutzungsmöglichkeit von Radwegen innerorts. Erkennbar sind S-Pedelecs und L1e-a Fahrräder am Versicherungskennzeichen, dass am Fahrrad sichtbar angebracht ist (Abb. 2.1).

Abb. 2.1
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S-Pedelec mit Versicherungskennzeichen. (Quelle: Dirk Schmidt, QIMBY)

Eine kleine Besonderheit stellen Fahrräder und Lastenräder mit seriellem Hybridantrieb dar. Bei diesem Fahrzeugkonzept wird die Kraft an der Kurbel nicht mehr mechanisch per Kette an das Rad übertragen. Die Muskelkraft wird stattdessen per „elektronischer Kette“ übertragen. An der Pedale wird über das Pedalieren und einen Generator Energie erzeugt und in eine Batterie gespeist. Am Hilfsmotor wird entsprechend des Pedalierens die Energie dann zum Vortrieb des Rads bereitgestellt. Diese Antriebsform ist durch geringen Wartungsaufwand und flexiblere Designs bei Lastenrädern vermehrt zu finden. Sie sind in Deutschland einem Pedelec gleichgestellt. Wichtig für die Beibehaltung des Fahrradstatus ist, dass das Rad nur fährt, wenn pedaliert wird und die Unterstützung progressiv abnimmt und bei 25 km/h unterbrochen wird.

Im Straßenraum, häufig in touristischen Gegenden, sind hin und wieder Lastenräder für den Personentransport zu sehen. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem Kinder- und Personentransport. Ersterer war schon immer mit jedem Fahrrad möglich. Für den Transport von Kindern bis 7 Jahre müssen dafür gesonderte Sitzmöglichkeiten vorhanden sein und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt werden, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können (§ 21 (3) StVO). Seit April 2020 ist es zudem laut Straßenverkehrsordnung (StVO) möglich, Personen mit dem Lastenrad zu transportieren, wenn das Lastenrad speziell für den Transport von Personen gebaut und eingerichtet ist. Die fahrende Person muss in beiden Fällen mindestens 16 Jahre alt sein (§ 21 (3) StVO).

Lastenräder, die Fahrräder sind, müssen sich an die Beleuchtungs- und Signalregelungen für Fahrräder halten. Als Fahrrad muss ein Lastenrad entsprechend § 64a StVZO mit einer helltönenden Glocke ausgestattet sein. Des Weiteren gelten die Anforderungen aus § 67a zur Beleuchtung bei Fahrrädern. Bei Lastenrädern mit einer Breite über 1 m ist zu beachten, dass diese nach vorn und hinten paarweise angeordnete Rückstrahler, nach vorn zwei weiße Scheinwerfer und nach hinten zwei rote Schlussleuchten aufweisen müssen. Bei einer Breite über 1,8 m, die äußerst selten vorkommt, gelten weitere Regeln entsprechend § 67 StVZO.

1.2 Lastenräder und Radverkehrsinfrastruktur

Lastenräder dürfen als Fahrrad die Radverkehrsinfrastruktur nutzen und innerorts wie außerorts auf Radwegen fahren. Sind Radverkehrsinfrastrukturen benutzungspflichtig und mit dem entsprechenden Schild (z. B. Zeichen 237 StVO) gekennzeichnet, dann müssen Lastenräder diese Infrastruktur auch nutzen (Abb. 2.2). Die Ausnahme besteht dann, wenn der Radweg nicht sicher genutzt werden kann. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn das Lastenrad breiter als der Radweg ist. Dann ist die Nutzung der Fahrbahn zulässig und sollte nicht beanstandet werden (VwV-STVO).

Abb. 2.2
figure 2

Verkehrszeichen 237 Radweg

Im Jahr 2020 erfolgte mit der Novelle der StVO die Einführung des Zusatzschilds 1010-69 – Fahrrad zum Transport von Güter und Personen – Lastenrad. Damit können Verkehrszeichen näher definiert werden. Es kann z. B. unter dem Zeichen 314 – Parken angebracht werden um anzuzeigen, dass diese Parkplätze für die Nutzung durch Lastenräder vorgesehen sind (Abb. 2.3) und andere Fahrzeuge dort widerrechtlich abgestellt werden. Entsprechende Parkplätze können baulich mit ausreichend weiten Abstellbügel ausgeführt sein und können mit Piktogrammen auf den Boden in der Signalisierung verstärkt werden.

Abb. 2.3
figure 3

Zusatzzeichen Lastenrad frei

Im Straßenraum ist es möglich Liefer- und Ladezonen auszuweisen. Dies erfolgt durch die Ausweisung eines Halte- oder Parkverbots mit dem Zusatzschild 1012 – Ladezone.Footnote 1 Diese Zonen dürfen durch Lastenräder ebenso für das Liefern und Laden genutzt werden. Im öffentlichen Straßenraum ist es zudem möglich Lastenräder, wie auch konventionelle Fahrräder, am rechten Fahrbahnrand oder auf öffentlichen, zur Straße gehörenden Parkplätzen, abzustellen und dort zu parken. § 12 (4) StVO gilt hier für Fahrräder entsprechend.

Lastenräder dürfen zudem auf Gehwegen geparkt werden. Das Fahrradparken gehört zum sogenannten Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen. Relevant ist, dass zu Fuß gehenden oder Personen im Rollstuhl der Weg nicht versperrt wird. Spezielle Parkverbote für Fahrräder sieht die StVO nicht vor.

Vertiefte Darstellungen zur Gestaltung von Radverkehrsinfrastrukturen für die Radlogistik sind in Kap. 16 und 17 zu finden.

1.3 Die Nutzung von Anhängern

Lastenfahrräder lassen sich, wie auch konventionelle Fahrräder, mit Anhängern zu einem Gespann kombinieren. Dabei sind jedoch rechtlich weitere Punkte zu beachten. Wird ein angetriebener Anhänger mit einem Lastenrad mit e-Unterstützung (Pedelec) kombiniert, so darf die Nenndauerleistung des Gespanns nicht mehr als 0,25 kW betragen. Bei der Auswahl eines Anhängers ist deswegen genau darauf zu achten, ein Modell zu wählen, was diese Vorgabe durch die entsprechende Motorregelung einhält. Ein Gespann mit zwei Motoren kann trotz der gleichbleibenden Nenndauerleistung sinnvoll sein, um bei hügeligem Terrain und/oder hohen Nutzlasten ein besseres Anfahrverhalten abzubilden. Entsprechend der Entwürfe zur Norm DIN EN 17860 Carrier Cycles dürfen Gespanne ein zulässiges Gesamtgewicht von 600 kg aufweisen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrags, wurde dies jedoch noch nicht abschließend veröffentlicht.

Weitere Besonderheiten bestehen beim Transport von Personen. Hier dürfen in einem Anhänger max. zwei Kinder bis sieben Jahre transportiert werden (§ 21 (3) StVO). Davon ausgenommen sind Kinder mit Behinderung. Der Transport von Erwachsenen ist nicht zulässig. Weiterhin sind die Beleuchtungsregeln nach § 67a StVZO zu beachten.

2 Normung zu Radlogistik und Lastenrädern

Neben dem verbindlichen Gesetzesrahmen bestehen weitere Normen und Standards, welche Einfluss auf die Gestaltung und den Einsatz von Lastenrädern bzw. -anhängern haben. Die Radlogistik basiert dabei durch die Herkunft vom Fahrrad auf technischen Normen zum Fahrrad, zeigt jedoch starke Prozesse der Adaption von Standards und Normen in weiterführenden Sektoren wie der Logistik auf. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick zu relevanten Normen und Standards.

2.1 Fahrzeugtechnik und Zulassung

Rund um Fahrräder existieren eine Vielzahl von technischen Normen, welche Anforderungen an die Gestaltung und Sicherheit der Fahrzeuge bzw. einzelne Komponenten beschreiben. Diese gelten grundsätzlich auch für Lastenräder. Die DIN EN ISO Reihe 4210 beschreibt die grundlegenden technischen Anforderungen und Prüfverfahren für konventionelle Fahrräder.

Im Jahr 2020 wurde mit der DIN 79010 „Transport- und Lastenfahrrad – Anforderungen und Prüfverfahren für ein- und mehrspurige Fahrräder“ die erste spezifische Norm für Lastenräder veröffentlicht, die besonders den neuen technischen Herausforderungen dieser Fahrzeuge durch mehr Gewicht und andere Fahrzeugdesigns als bei konventionellen Rädern Rechnung trägt. Die DIN 79010 beschreibt allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren für einspurige Lastenräder bis zu einer Breite von 1 m und einem zulässigen Gesamtgewicht von 250 kg sowie für mehrspurige Lastenräder mit einer Breite von bis zu 2 m und einem Gesamtgewicht von 300 kg. Ein- und mehrspurige Lastenräder können entsprechend der Norm mit und ohne E-Unterstützung bis 0,25 kW Nenndauerleistung ausgeführt sein.

Die Arbeit an der Norm DIN 79010 wurde Mitte der 2010er-Jahre aufgenommen, als noch nicht absehbar war, dass sich bei Lastenräder im Logistik- und Wirtschaftsverkehrsbereich die Anforderungen zu höheren Nutzlasten und einem Gesamtgewicht deutlich über 300 kg ausprägen werden. Zur öffentlichen Konsultation Ende der 2010er war dies bekannt. Die Norm begrüßt deswegen ausdrücklich, dass Lastenräder mit höherem zulässigen Gesamtgewicht entwickelt und betrieben werden. Diese sind nur nicht auf Basis dieser Norm prüfbar.

2.1.1 Europäischer Normprozess zum Lastenrad

Mit der in Erstellung befindlichen Normreihe DIN EN 17860 Carrier Cycles erfolgt auf Basis der deutschen und französischen Lastenradnorm die Normierung auf europäischer Ebene. In dieser Normreihe werden neben leichten einspurigen und leichten mehrspurigen Lastenrädern ebenso schwere mehrspurige Lastenräder, Anhänger, elektrische Komponenten von Lastenrädern und Personenbeförderung hinsichtlich allgemeiner Anforderungen und Prüfverfahren beschrieben. Mit der Einführung der Klasse der schweren, mehrspurigen Lastenrädern wird der Entwicklung Rechnung getragen, dass Lastenräder für den Logistik- und Gewerbeeinsatz ein zulässiges Gesamtgewicht deutlich über 300 kg aufweisen. Das Problem der DIN-Norm, dass schwere Lastenräder nicht prüffähig sind, wird damit behoben. Entsprechend der Norm gelten Lastenräder bis zu einem zGG. von 300 kg als leichte Lastenräder. Lastenräder mit einem höheren Gesamtgewicht sind schwere Lastenräder. Im aktuellen Normentwurf ist ein zGG. von 600kg vorgesehen. 

Ein herauszustellender Mehrwert der DIN EN 17860 ist die Darstellung des Zusammenhangs zwischen gewichtsbezogenen Definitionen (Tab. 2.1). Damit wird in der Fahrrad- und Lastenradbranche eine eindeutige Terminologie festgehalten.

Tab. 2.1 Gewichtsbezogene Definitionen am Fahrrad/Lastenrad

2.1.2 Normungen zu elektronischen Bauteilen und weiteren Komponenten

Lastenräder sind vermehrt mit elektronischen Komponenten ausgestattet. Diese werden konkret für Lastenräder und -anhänger in der DIN EN 17860 spezifiziert. Werden dort keine Spezifikationen vorgenommen, gelten die Anforderungen der DIN EN 15194 – Elektromotorisch unterstützte Räder – EPAC für Pedelecs zur privaten und gewerblichen Nutzung (Verleih an unbesetzten Stationen nicht eingeschlossen). Die Norm behandelt alle üblichen signifikanten Gefährdungen, Gefährdungssituationen und Gefährdungsereignisse von elektromotorisch unterstützten Rädern. Sie legt Anforderungen und Prüfverfahren für Motorleistungs-Managementsysteme, für elektrische Stromkreise, einschließlich des Ladesystems für die Konstruktion und den Zusammenbau von elektromotorisch unterstützen Rädern und deren Baugruppen für Systeme mit einer Nennspannung bis einschließlich 48 V Gleichstrom oder mit einem eingebauten Batterieladegerät mit einem Nennspannungseingang von 230 V Wechselstrom fest. Weiterhin enthält sie Leitlinien für Nutzung und Pflege von Pedelecs.

Von nachrangiger Bedeutung für Lastenräder ist die Norm DIN EN ISO 11243 – Gepäckträger für Fahrräder. Hier wird die maximale Lastaufnahme für Gepäckträger, die nicht spezifisch für ein konkretes Fahrrad konstruiert sind, auf maximal 27 kg beschränkt. Das umfasst nahezu alle Gepäckträger, die als Zukaufteil an Fahrräder montiert werden. Die Norm bietet sich damit mehr als eine untere technische Abgrenzungsmöglichkeit von Lastenrädern zu konventionellen Fahrrädern an. Tourenräder ermöglichen es häufig, dass auch schwere Lasten über Seitentaschen mit dem Lastenrad transportiert werden. In Fachkreisen wird als untere Grenze für das Lastenrad ein Bereich um 50 kg Nutzlast diskutiert.

Analog kann die Norm DIN EN 15918 – Fahrradanhänger – Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren – als untere Abgrenzung von Lastenanhängern zu konventionellen Fahrradanhängern gesehen werden. Letztere werden in der Norm begrenzt für den Transport von maximal zwei Kindern und ein zulässiges Gesamtgewicht von 60 kg.

Durch den Status von Lastenrädern als Fahrrad fallen sie nicht unter die Notwendigkeit der Erlangung einer Typgenehmigung, um im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden zu können. Die Typgenehmigung ist die Bestätigung, dass ein serienmäßig in größeren Stückzahlen hergestellter Typ gleichartiger Fahrzeuge (oder Fahrzeugteile) den Vorschriften entspricht. Unter die Pflicht der Typgenehmigung fallen Serienfahrzeuge im Kraftfahrzeugbereich. Alle handelsüblichen Pkw oder Motorräder müssen z. B. diesen aufwendigen Prozess unterlaufen.

Für Lastenräder ist damit aber nicht zu sagen, dass keine Sicherheitsanforderungen gelten. Pedelec dürfen in der EU und im europäischen Wirtschaftsraum nur mit CE-Kennzeichnung verkauft werden. Dies wird sowohl in der Norm DIN 15194 sowie der Maschinenrichtlinie der EU (2006/42/EG) festgeschrieben. Die CE-Kennzeichnung ist die Erklärung eines Herstellers, dass das jeweilige Produkt den gesetzlichen Anforderungen der EU genügt und Sicherheit und Gesundheit von Personen bei vorhersehbarer Verwendung nicht gefährdet. Lastenräder und -anhänger mit E-Motor müssen damit immer das CE-Kennzeichen haben und entsprechend der Anforderungen geprüft und getestet sein.

Problematisch stellt sich dabei aktuell dar, dass die entstehende europäische Lastenradnorm DIN EN 17860 nicht mit der Maschinenrichtlinie harmonisiert ist. Bei harmonisierten Normen können Hersteller diese befolgen und sind sicher, dass ihr Produkt der Maschinenrichtlinie entspricht. Bei Lastenrädern ist es für Hersteller aktuell nötig die Maschinenrichtline für die CE-Kennzeichnung zu befolgen und parallel die rechtlich nicht bindende DIN 17860 zu beachten, was zu Mehraufwand in der Entwicklung und Konstruktion führt.

2.2 Standardisierung in der Logistik

Die effiziente Organisation von (weltweiten) Logistikketten ist ohne physische, organisatorische und digitale Standards nahezu nicht möglich. Einige dieser Standards sind, auch wenn Lastenräder fast ausschließlich lokal eingesetzt werden, für die Radlogistik von hoher Relevanz und werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Standardisierte Ladungsträger sichern in der Logistik, dass Güter einfach und schnell zwischen verschiedenen Transportmitteln umgeschlagen werden können. Durch vereinheitlichte, bekannte Maße können zudem Transportmittel und ihre Ladeflächen konstruktiv darauf ausgelegt werden, um die maßgebliche Passung sicherzustellen. Prominente Beispiele sind hier Postkisten, Rollcontainer und Europaletten mit jeweils eigenständigen Maßsystemen.

Weit verbreitet in der Logistik ist die Modulordnung in der Transportkette (DIN 30783, und ebenso DIN 55510). Sie beschreiben eine Systematik von Modulen, deren Maße es ermöglichen das Teiler auf Vielfachen gestapelt werden können und sich außen bündig zueinander verhalten. Bekanntes Maß davon ist die Europalette (1,2 m lang, 0,8 m breit) auf der Eurobehälter (z. B. 0,6 m × 0,4 m; 0,8 m × 0,6 m etc.), Umverpackungen, Getränkekisten u. a. gestapelt werden können, ohne dass etwas übersteht. Je nach System sind diese selbstsichernd oder müssen extern gesichert werden. Diese Standards und Standardgrößen sind auch für die Radlogistik relevant, um eine einfache Integration in etablierte Logistikketten zu ermöglichen. Für den Paketbereich besteht kein einheitlicher Standard zu Paketgrößen.

2.3 Standardisierung von Aufbauten und Containern

Lastenräder differenzieren sich durch ihre höhere Nutzlast, die das Maximalgewicht bei konventionellen Fahrradgepäckträgern überschreiten. Bei größeren Lastenrädern haben sich verschiedene Typen und Formen an Aufbauten herausgebildet. Zum Stand 2022 führte dies dazu, dass für jedes Lastenradmodell Aufbauten gesondert entworfen und konstruiert werden mussten.

Von dem Radlogistik Verband Deutschland e.V. wurde im Jahr 2023 die Anwenderempfehlung RLVD-001 veröffentlicht (RLVD & BdKEP 2023). Diese empfiehlt besonders für Lastenräder mit Aufbauten hinter der fahrenden Person einheitliche Montagepunkte. Damit wird angestrebt, dass Aufbauten keine Sonderanfertigungen je Lastenradtyp mehr sind, sondern auf verschiedenen Modellen montiert und eingesetzt werden können. Weitere Empfehlungen, z. B. zu Wechselcontainern für Lastenräder, sind zum aktuellen Stand im Arbeitsprozess.

In dem Standard RLVD-001 werden zwei Grundtypen von Aufbauten unterschieden. Beide orientieren sich an den Grundmaßen der Europalette, die in vielen Logistikprozessen und -systemen den Standard stellt. Unterschieden wird in EPA (Europalette Außenmaß) und EPI (Europalette-Innenmaß). In Ersterem orientiert sich die Breite des Aufbaus daran, dass eine Europalette mit Spiel in dem Aufbau Platz findet. Bei dem EPI-Standard folgen die Außenmaße der Breite einer Europalette von 80 cm (Beispiel Abb. 2.4). Beide Grundtypen lassen sich auf den gleichen Montagepunkten am Lastenrad befestigen.

Abb. 2.4
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Beispieldarstellung einer Standardausprägung für Aufbauten bei Lastenrädern

3 Nachhaltigkeitsstandards in der Radlogistik

In der Radlogistik und urbanen Logistik bestehen einige Zertifikate, Anforderungen und Normen, welche darauf abzielen, die ökologischen und sozialen Wirkungen zu verbessern. Diese werden folgend im Überblick vorgestellt.

3.1 Ökologisch orientierte Regelungen

Im Juli 2022 wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Umweltbundesamt der Blaue Engel für Lieferdienstleistungen der letzten Meile (DE-UZ 226) eingeführt. Das von der RAL gGmbH vergebene Zertifikat zeichnet Lieferdienstleistungen aus, die auf der letzten Meile möglichst emissionsarm unterwegs sind und durch alternative Abholpunkte oder Auslieferungskonzepte Mehrfachzustellungen vermeiden. In städtisch verdichteten Gebieten (> 2000 Einw./km2) werden als Transportmittel Fahrräder, Lastenräder oder Gespanne mit Lastenanhängern gefordert. Weiterhin ist die Zustellung mit Elektroleichtfahrzeugen (L-Klasse) oder zu Fuß mit Transporthilfsmittel möglich. In weniger dichten Räumen können auch Fahrzeuge mit regenerativen Energiequellen (BEV, Wasserstoff-Fahrzeuge) eingesetzt werden.

Der Blaue Engel für Lieferdienstleistungen ist durch Logistikdienstleister als Zeichennehmer zu erlangen und bei Händlern im Verkaufsprozess als Zustelloption auszuweisen. Konkret bedeutet dies, dass die Zustelloption im Webshop beim Check-out einzubinden ist. (RAL 2022)

Als einer der ersten Blauen Engel für Dienstleistungen wird mit diesem Zertifikat Neuland betreten. Die Akzeptanz bei den Zeichennehmenden, Händler:innen und Empfänger:innen wird sich in den nächsten Jahren herausstellen.

Die DIN EN 17837 Ökologischer Fußabdruck der Paketzustellung (aktuell im Entwurfsprozess) fokussiert ebenso den Paketsektor. Die Norm beschreibt die Methodik zur Berechnung und Deklaration von Treibhausgas-Emissionen und Luftschadstoffen von Paketlogistik-Lieferdiensten. Im Gegensatz zum Blauen Engel werden hier jedoch keine Vorgaben zu konkreten Nachhaltigkeitsmaßnahmen gemacht, sondern nur beschrieben, wie die Bilanzierung der CO2-Emissionen zu erfolgen hat. Der Betrachtungsraum ist dabei die gesamte Logistikkette vom Versender bis zur Zustellung auf der letzten Meile. Die letzte Meile ist damit nur ein Teil der Betrachtung. Die Norm kann durch die Bilanzierung zwar Radlogistik als CO2-armes Transportmittel auf der letzten Meile indirekt fördern, gibt aber keine konkreten Vorgaben.

Für die generalisierte Ermittlung von Treibhausgasemissionen in der Transportlogistik kann die DIN EN 16258:2013-03 – Methode zur Berechnung und Deklaration des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen – genutzt werden. Ein kohärenter Leitfaden zur Berechnung für Transporte in der Logistik ist von der DSLV kostenfrei publiziert (Schmied und Knörr 2013).

3.2 Sozial orientierte Regelungen

In der Paketbranche ist es üblich, dass durch die bekannten Logistikdienstleister Nachunternehmer eingesetzt werden, welche die operative Zustellung im Auftrag ausführen. Im Jahr 2019 wurde das Paketboden-Schutz-Gesetz für diese Branche verabschiedet und hat die Nachunternehmerhaftung novelliert. Die Nachunternehmerhaftung (auch Generalunternehmerhaftung) stellt nun sicher, dass ein Auftragnehmer, der einen Auftrag annimmt und an einen Nachunternehmer weiter vergibt, für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge haftet. Führt der Subunternehmer keine Beiträge ab und sind sie nach Kontrollen nicht bei ihm einzutreiben, steht der Hauptunternehmer ein. Damit soll Beitragsehrlichkeit, soziale Absicherung aller Paketzusteller:innen und zugleich ein fairer Wettbewerb erreicht werden.

Die Präqualifizierung ist ein eingeführtes Instrument, mit dem sich die Generalunternehmer von der Haftung für Nachunternehmer befreien können. Bei akkreditierten Präqualifizierungsstellen werden Nachweise zur Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Dienstleisters, wie z. B. die regelmäßige Abführung von Beiträgen zur Krankenversicherung erfasst. Entsprechend leistungsfähige Unternehmen werden in die Liste präqualifizierter Unternehmen aufgenommen. Mit der Beauftragung eines präqualifizierten Unternehmers kann der Auftraggeber nachweisen, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Unternehmer seine Zahlungspflicht für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag erfüllt. Die freiwillige Präqualifizierung ist im Paketsektor inzwischen gelebte Praxis (Zertifizierung Bau 2019).

Im Bereich des Transports von Arzneimitteln sind zudem weitere Gesetze zu beachten. Hier ist nach § 1a der Verordnung über den Großhandel und die Arzneimittelvermittlung (AM-HandelsV) die „Gute Vertriebspraxis von Arzneimitteln“ (Good Distribution Practice of medicinal products for human use (GDP)) einzuhalten. Die europäische Richtlinie regelt den Vertrieb und Verkauf von Arzneimitteln und soll sicherstellen, dass keine gefälschten Arzneimittel in legale Lieferketten für Arzneimittel gelangen und die Kontrolle der Vertriebskette gewährleisten, um die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrecht zu erhalten. Daraus resultieren besonders Anforderungen an den Zugriffsschutz an die Ware und die Nachverfolgbarkeit, welche auch in der Zustellung per Lastenrad eingehalten werden müssen.

4 Gesetzesrahmen Radlogistik

Im bundesdeutschen Kontext bestehen vielfältige Gesetze, die einen Einfluss auf die Gestaltung von Radlogistik, einzelnen Komponenten, ihre Marktposition oder Ausübung haben. Dieser Abschnitt stellt nicht abschließend einige Gesetze vor.

Im Jahr 2021 wurde das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz – SaubFahrzeugBeschG) auf Bundesebene verabschiedet. Es setzt die Clean Vehicle Directive (CVD) der EU in nationales Recht um. Das Gesetz schreibt bei Beschaffungen von Neufahrzeugen sowie der Beauftragung von Post- und Paketdienstleistungen der Öffentlichen Hand Mindestquoten an sauberen Fahrzeugen vor. So müssen 38,5 % der direkt durch die öffentliche Hand beschafften leichten Nutzfahrzeuge sauber (nahezu emissionsfrei) sein. Analoge Quoten gelten bei der Beauftragung der Dienstleistungen.

Das SaubFahrzeugBeschG bezieht sich explizit auf Straßenfahrzeuge der Klasse M und N (Pkw und Nutzfahrzeuge). Die Quoten gelten somit dann, wenn neue Fahrzeuge aus diesen Klassen beschafft werden. Es steht jedoch bei der Vergabe nichts entgegen, die Anzahl an M- und N-Klasse- Fahrzeugen zu reduzieren und durch Lastenräder und L-Klasse-Fahrzeuge zu ersetzen bzw. diese in Ausschreibungen als Leistungsanforderung zu definieren. Durch dieses Mittel der aktiven Substitution von Kraftfahrzeugen durch Fahrräder oder Lastenräder kann die öffentliche Hand gezielt Radlogistik fördern.

In der Diskussion rund um urbane Logistikkonzepte ist regelmäßig der Ansatz einer White-Label-Lösung anzutreffen. Dabei werden Sendungen mehrerer Dienstleister auf einem „weißen“ neutralen Fahrzeug gebündelt. Davon wird sich eine Reduzierung der Fahrleistung erhofft, die Wirkung ist in der Fachwelt umstritten. Ein White-Label-Konzept kann marktwirtschaftlich organisiert sein. Es sind jedoch auch immer wieder Vorschläge von Gebietslogistikern zu vernehmen, die eine Konzession o. Ä. für bestimme Gebiete zur Zustellung erhalten und dort die letzte bzw. allerletze Meile übernehmen. Nach aktueller Rechtslage ist nicht bekannt, dass ein derartiger Ansatz umsetzbar ist.

Das Postgesetz (PostG) gibt den Rahmen vor, unter dem Post- und Paketdienstleistungen sowie der Transport von Zeitschriften, Katalogen und Magazinen im Zusammenhang mit ersteren in Deutschland angeboten und ausgeführt werden. Es regelt bisher nicht explizit Radlogistik oder den Einsatz von Lastenrädern. Die Ausgestaltung des Gesetzes ist jedoch relevant für den Wettbewerb unter Dienstleistern und wie die Grundversorgung von Post- und Paketdienstleistungen stattfindet. Das PostG befindet sich zum Zeitpunkt der Beitragserstellung in Novellierung.

5 Fazit

Die Gesetzes- und Normungslage zu Lastenrädern und -anhängern scheint nach diesem längeren Abschnitt kompliziert zu sein. Auf der gesetzlichen Seite ist dies für Sie als Anwender:in oder Planer:in aber nicht wirklich der Fall, wenn man die einfache Regel im Kopf behält: Lastenräder sind Fahrräder, solange sie einen Pedelecmotor haben, nicht schneller als 25 km/h mit Motorunterstützung fahren und nicht breiter als 2 m und nicht länger als 4 m sind. Lastenrder mit Anhänger können länger sein. Wenn Sie jetzt allerdings neue Lastenräder entwickeln oder verkaufen wollen, dann sind Sie sehr gut beraten, sich vertieft in die Normierungs- und Gesetzeslandschaft einzuarbeiten. Dazu bietet ihnen dieser Abschnitt einen Überblick und Startpunkt.