1 Einleitung

Der Wirtschaftsverkehr hat einen erheblichen Anteil an der täglichen Verkehrsleistung. Die Angaben schwanken zwischen 16 und 35 % (WVI et al. 2012; Schäfer et al. 2021a; NOW 2022) bezogen auf die gesamte städtische Verkehrsleistung. An Werktagen und in einzelnen Gebieten ist der Anteil noch deutlich höher (Aichinger 2014). Einig sind sich alle Untersuchungen, dass sich die Mengen aufgrund der wachsenden Bedeutung des Onlinehandels von Jahr zu Jahr vermehren werden.

Das Weltwirtschaftsforum prognostiziert allein für die Anzahl an Lieferfahrzeugen in großen Städten einen Anstieg von 36 % zwischen 2020 und 2030 (WEF 2020). Die wachsende Fahrzeugmenge trägt zu mehr Verkehrsbelastung im fließenden und ruhenden Verkehr bei. Die bekannten Konsequenzen betreffen den erhöhten Ausstoß von THG-, Schadstoff- und Lärmemissionen, einen erhöhten Flächenverbrauch oder die Verkehrssicherheit. Durch die erhöhte Anzahl an Start- und Stoppvorgängen und damit einhergehend einer aus Energieeffizienz nicht idealen Nutzung, insbesondere im Lieferverkehr, sind die Schadstoffemissionen ohnehin verhältnismäßig hoch.

Seit einigen Jahren werden insbesondere fahrzeugtechnische Innovationen vorangetrieben. So steigt der Anteil an Elektrofahrzeugen im Wirtschaftsverkehr, wodurch bereits deutliche Verbesserungen, beispielsweise hinsichtlich der Schadstoffemissionen, erzielt werden können. Stau- und Flächenprobleme können damit hingegen nicht gelöst werden. Hier bietet die Radlogistik hohe Potenziale, um die negativen Folgeeffekte aus dem Wirtschaftsverkehr zu reduzieren. Fahrräder und Lastenräder fahren lokal emissionsfrei, sind geräuscharm, haben einen geringeren Energieverbrauch und nehmen weniger Platz als Kraftfahrzeuge ein. Dabei beruhen die Chancen ökologischer Nachhaltigkeit vor allem auf der Verlagerung von Kfz-Fahrten, der Bündelung von Warenströmen und der effizienten Gestaltung von Zustell- und Abholprozessen.

Ferner sind soziale und ökonomische Effekte zu erwarten. So kann ein erhöhter Anteil an Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr zu einer geringeren Unfallzahl und -schwere führen, wenngleich auch negative Auswirkungen für Zusammenstöße mit dem Rad- und Fußverkehr eintreten können. Aus gesundheitlicher Perspektive sind die Reduzierung von Luftschadstoffen und Lärm erwähnenswert, ebenso wie die aktive Fortbewegung der Fahrenden. Wirtschaftliche Folgen sind durch ein Wachstum der Radlogistik für diverse Branchen, für einzelne Unternehmen und für Kommunen sowie Gewerbestandorte denkbar.

2 Einflussgrößen

Das Umweltbundesamt (UBA 2020a) hat eine exemplarische Umweltbilanzierung für den Lastenradeinsatz im innerstädtischen Verteilverkehr durchgeführt. Als wesentliche Einflussgrößen zur Wirkungsbestimmung wird zwischen verschiedenen mobilitätsbezogenen, fahrzeugorientierten und funktionalen bzw. organisatorischen Kenngrößen unterschieden. Einige davon sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Für das Erzielen von Umwelteffekten ist insbesondere zu analysieren, ob konventionelle Zustellkonzepte mit dem Pkw oder Nutzfahrzeugen auf Lastenräder verlagert werden können. Entscheidend ist die Anzahl der Pakete/Waren, die statt mit einem herkömmlichen Fahrzeug mit dem Lastenrad ausgeliefert werden können. Verschiedene Studien haben das Verlagerungspotenzial insbesondere für städtische Paketzustellungen analysiert. Dabei variieren die Werte zwischen 8 und 90 %.

Raiber (2015) sieht eine Bandbreite von 21 bis 90 % als realistisch an, Bogdanski et al. (2017) ermittelten ein Potenzial von 30 bis 60 %, Assmann et al. (2019) erwähnen 50 bis 80 %, und Reiter und Wrighton (2013) gehen von bis zu 90 % Verlagerungspotenzial aus. Das DIfU (2018) kommt auf 50 %, Leonardi et al. (2012) auf 57 % und Veenstra (2017) sowie Andersen und Cherrett (2014) auf jeweils 60 %. Die sehr unterschiedlichen Werte basieren zum Teil auf verschiedenen Annahmen und unsicheren Variablen, wie zum Beispiel den regionalen Gegebenheiten.

Gruber und Rudolph haben 2016 das Verlagerungspotenzial im Wirtschaftsverkehr anhand von drei Szenarien für unterschiedliche Raumtypen kalkuliert. Die Berechnungen basieren auf den Ausgangsdaten der Studie Kraftfahrzeuge in Deutschland 2010 (KiD 2010). Die Szenarien unterscheiden sich hinsichtlich des Gewichts der Transportgüter, der Länge der Einzelfahrten, der Tagesfahrleistung und dem Fahrzeugbesetzungsgrad. In allen Szenarien ist das Potenzial zur Verlagerung von Kfz auf Lastenräder in Kernstädten höher als im verdichteten Umland und in ländlichen Kreisen. Die Werte für den Gesamtanteil verlagerbarer Fahrten schwanken zwischen 8 % im konservativsten Szenario, welches bereits heute einfach erreichbar wäre, und 22,6 % im progressivsten Szenario, bei dem eine deutlich gestiegene Nutzungsbereitschaft, eine veränderte Flottenzusammensetzung und eine angepasste Einsatzplanung angenommen werden (Gruber und Rudolph 2016).

Auf der eher mikroskopischen Ebene spielt insbesondere die Fahrleistung eine Rolle, die sich aus den Fahrten zwischen Verteilzentrum und Innenstadt (Vor-/Nachlauf) und der effektiven Tourenlänge (Hauptlauf) zusammensetzt. Dies muss für die jeweils eingesetzten Fahrzeuge spezifisch betrachtet werden. So können dann bspw. unter Verwendung von Emissionsfaktoren THG-Emissionen für Nutzfahrzeuge, Lastenräder und Sattelzüge bestimmt werden. Dabei muss nicht nur die Nutzungsphase der Fahrzeuge berücksichtigt werden, sondern der gesamte Lebenszyklus.

Zusätzlich sind auch funktionale bzw. operative Veränderungen von Bedeutung, die infolge der Umstellung auf Lastenräder auftreten können. Unternehmen haben die Möglichkeit, im Rahmen des Aufbaus von Mikrodepots zu kooperieren und ihre Waren gebündelt an die Kund:innen zu liefern. Solche White-Label-Konzepte auf der letzten Meile können Effizienzvorteile mit sich bringen, was wiederum Auswirkungen auf die Anzahl der gefahrenen Kilometer hat. Des Weiteren können sich aufgrund des Einsatzes von Lastenrädern auch Routenänderungen ergeben, die zu einer Zunahme oder Abnahme der gefahrenen Kilometer führen können.

3 Wirkungsbereiche

Diverse ökologische, ökonomische und soziale Bereiche werden durch die Zunahme der Radlogistik beeinflusst.

3.1 Treibhausgase

Die Radlogistik wird zur Erreichung der Klimaschutzziele benötigt. Mit Hilfe von Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr kann der Verbrauch von fossilen Brennstoffen reduziert werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da der Transportsektor weltweit für etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Der Fokus liegt hier auf dem Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Die bisherigen Analysen zu den Auswirkungen der Radlogistik auf den Verkehr und die THG-Emissionen zeigen jedoch noch kein kohärentes Bild (Assmann et al. 2020).

Das UBA (2020a) untersuchte drei Szenarien für den Lastenradeinsatz im innerstädtischen Lieferverkehr. Im mittleren Basisfall könnten die CO2-Emissionen durch Umstellung auf Radlogistik-Konzepte um ca. 32 % zurückgehen, im besten Fall sogar um 56 %. Dies beinhaltet sowohl den gesamten Lebenszyklus als auch die Emissionen für die Fahrzeug- und Infrastrukturbereitstellung. Diese Angabe ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die Berechnungen viele unsichere Variablen (Flottengrößen, Fahrleistungen, Verlagerung) beinhalten. Auch eine Bewertung auf gesamtdeutscher Ebene wird als wenig verlässlich angesehen, da die Situationen regional und lokal sehr unterschiedlich sind. Die Zustellung mit dem Lastenfahrrad in Wohngebieten hat beispielsweise größere Auswirkungen auf die CO2-Reduzierung als in Gebieten mit gemischter Nutzung, da die geringere Paketdichte pro Stopp in Mischgebieten die zurückgelegte Strecke für jede Zustelltour innerhalb eines Verteilgebietes erhöht (Assmann et al. 2020).

In einzelnen Fällen können die CO2-Einsparungen bis zu 75 % ausmachen, wie verschiedene Simulationen und Pilotprojekte, z. B. in Porto und London zeigen (Cairns und Sloman 2019, S. 24). Eine Untersuchung der LNC et al. (2020, S. 42) für die KEP-Verkehre in deutschen Städten kommt zu Ergebnissen zwischen 3 % in Bayreuth bis 27 % Einsparpotenzial in Berlin. Eine Potenzialstudie zu zwei Mikrodepotkonzepten in Berlin kommt zu Einsparungen von bis zu 69 %. Dabei steigt die CO2-Reduzierung in Abhängigkeit des Paketvolumens (Teschendorf 2023). Zhang et al. (2018) untersuchten ein innovatives System zur Paketverteilung, das auf verschiedenen Zustellungsarten basiert. Ihre Simulationsergebnisse kommen zu dem Schluss, dass die Zustellung gewerblicher Kund:innen mit Lastenrädern die Emissionen um etwa 22 % senken kann. In einer Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Lastenrädern in kommunalen Einrichtungen, wie der öffentlichen Stadtreinigung, kam das DLR zu Einsparpotenzialen von 34 bis 60 % CO2, je nach Versuchsgebiet und Änderung der Flottenzusammensetzung (Gruber und Peters 2023).

Koç et al. (2016) untersuchten das Zusammenspiel zwischen Flottengröße, Mikrodepot-Standort und Emissionen, und stellten einen starken Einfluss durch die Stadtform und die damit verbundene Reisegeschwindigkeit auf die THG-Emissionen fest. Grundsätzlich sollte bei der Bewertung der CO2-Effekte eher in räumlichen und nicht in entfernungsbezogenen Parametern kalkuliert werden, weil die lokale Reduktion von CO2 aufgrund der globalen Wirkung nur sehr begrenzt aussagekräftig ist. Wichtige Kenngrößen zur Bestimmung der THG-Effekte sind dabei die Gesamtkilometerleistungen des Wirtschaftsverkehrs in räumlichen Einheiten, wie z. B. Städten oder Bezirken, sowie die eingesetzten Fahrzeuge zur Bedienung von Warenumschlagknoten (Assmann et al. 2020).

3.2 Luftqualität und Lärm

Die Radlogistik hat positive Auswirkungen auf die Luftqualität, da Lastenräder keine Schadstoffe emittieren. Zu den relevanten Luftschadstoffen im Verkehr zählen Kohlenmonoxid, Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe, Stickstoffoxide, Schwefeldioxid sowie Feinstaub (UBA 2020a, S. 63). Eine Studie des Umweltbundesamts hat gezeigt, dass die Emissionen von Stickoxiden und Feinstaub bei der Nutzung von Lastenrädern zur Lieferung von Waren um ein Vielfaches reduziert werden können. Im besten Fall könnten in Deutschland rund 184 t NOx pro Jahr vermieden werden, im schlechtesten Fall 47 t. Im Basisfall ist eine Vermeidung in Höhe von 137 t pro Jahr zu erwarten. Die Ergebnisse beruhen jedoch auf zahlreichen Annahmen hinsichtlich der Flottenzusammensetzung, Emissionsfaktoren und anderer Kriterien. So muss konstatiert werden, dass bereits die Substitution von fossilen Kraftfahrzeugen durch Elektrofahrzeuge eine erhebliche Verbesserung der Luftqualität mit sich bringt (ebd., S. 169). Auch Assmann et al. (2020) sehen in Lastenrädern grundsätzlich ein Mittel zur Reduzierung von Luftschadstoffen, wie Feinstaub, betonen aber ebenfalls die Abhängigkeit diverser Variablen. So hängen die Effekte sehr stark von den genutzten Fahrzeugen ab, mit denen z. B. Mikrodepots bedient werden. Auch die Platzierung der Warenumschlagspunkte ist entscheidend für die Ergebnisse.

Die Effizienzvorteile und Einsparpotenziale durch die Radlogistik werden umso größer, je stärker die Geschäfts- und Zustellprozesse auf Lastenräder ausgerichtet werden. Isolierte Radlogistik-Ansätze ohne Einbettung in veränderte Geschäftsprozesse führen nicht zwangsläufig zu sinkenden Emissionen (vgl. Athanassopoulos et al. 2016). Grundsätzlich ist der Einfluss der Radlogistik auf die Emissionen in Großstädten und Metropolen als am größten einzuschätzen, da hier die höchste Anzahl an ersetzenden Fahrten und zurückgelegten Kilometern zu erwarten ist. In Dortmund beispielsweise könnten allein für den KEP-Sektor NOx- und Feinstaubreduzierungen in Höhe von 28 bis 29 % erzielt werden (LNC et al. 2020, S. 41).

Darüber hinaus kann eine Substitution von motorisierten Fahrzeugen durch Lastenräder zu einer erheblichen Lärmminderung im Verkehr führen, welcher insbesondere in verdichteten Gebieten eine große Belästigung für Anwohnende darstellt. So kann Radlogistik auch einen Beitrag zur Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität der Bevölkerung leisten. Grundsätzlich zeigt sich, dass diese Themen bei der Gestaltung des Wirtschaftsverkehrs in Städten eine immer stärker werdende Bedeutung spielt (UBA 2020b, S. 18).

3.3 Flächenverbrauch und Staus

Die steigenden Flächenkonkurrenzen und Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum bergen große Potenziale für die Radlogistik. Denn sie kann dazu beitragen, den Flächenverbrauch im Verkehr zu reduzieren, da Fahrräder und Lastenräder weniger Platz benötigen als Pkw, Lkw oder Transporter. Verglichen mit konventionellen Zustellfahrzeugen ist der Flächenbedarf eines durchschnittlichen Lastenrads laut Silber (2022, S. 272) beim Parken und Rangieren fünfmal geringer. Dies ist besonders in städtischen Gebieten von Vorteil, wo der Platz begrenzt ist. Gleichzeitig muss hier der Substitutionsfaktor berücksichtigt werden. Werden für den Ersatz eines Transporters oder Lkw mehrere Lastenräder benötigt, um zum Beispiel die gleiche Menge an Waren auszuliefern, könnte dies den genannten Flächenvorteil aufheben. Auch die Flächen für zusätzliche Mikrodepots müssen hier Berücksichtigung finden (LNC et al. 2020, S. 41).

Radlogistik kann auch dazu beitragen, den Bedarf an Parkraum für den Wirtschaftsverkehr zu reduzieren, was zu einer Verringerung des Platzbedarfs in städtischen Gebieten führt. Gleichwohl muss sichergestellt sein, dass die Lastenräder platzsparend abgestellt werden und keine anderen Verkehrsteilnehmenden behindern.

Bei Vorhandensein einer gut ausgebauten Radverkehrsinfrastruktur bieten Lastenräder die Möglichkeit, den Verkehr auf den Straßen zu reduzieren, was zu einer Verringerung von Staus und einem geringeren Bedarf an Straßeninfrastruktur führt. Es gibt jedoch Studien, die die positiven Auswirkungen auf den Verkehrsfluss als begrenzt einschätzen. Für die Stadt Porto wurde ein Substitutionspotenzial von 10 % der konventionellen Lieferwagen für Entfernungen bis zu 2 km als wirtschaftlich tragfähig ermittelt. Bei einer Ersatzrate von mehr als 10 % kann es jedoch zu vermehrten „Lastenradstaus“ kommen (Melo und Baptista 2017).

3.4 Wirtschaftlichkeit

Eine Förderung der Radlogistik kann auch wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen, Kommunen und andere Akteur:innen mit sich bringen. Bei KEP-Dienstleistern und anderen Logistikbetrieben wird der höchste Anteil der Gesamtkosten auf der „letzten Meile“ verursacht (SOTI 2020). Hagen et al. (2013) haben verschiedene potenzielle Vorteile für Betriebe identifiziert, die Transporte mit Lkw durch Lastenräder ersetzen. Dazu gehören geringere Anschaffungs-, Wartungs- und Betriebskosten, ein leichterer Zugang an vielen Zustellorten und damit kürzere Lieferzeiten (am Beispiel London) sowie Reputationsvorteile durch ein grünes Image. Zientarski (2022, S. 278) stellt jedoch fest, dass die Kosten für die Anschaffung von drei- oder vierrädrigen Lastenrädern ähnlich hoch ist wie bei kraftstoffbetriebenen Transportern. Zudem kommen die Ersatzteile häufig aus dem Bereich motorisierter Zweiräder oder es handelt sich um Herstellerunikate, die mit hohen Kosten und langen Wartezeiten verbunden sind.

Aktuell gibt es noch keine belastbaren Studien, die zeigen, dass der Einsatz von Lastenrädern billiger und produktiver ist als der Wirtschaftsverkehr mit motorisierten Fahrzeugen. Dies liegt zum einen an der noch jungen Thematik und der damit verbundenen geringen Erfahrungswerte. Zum anderen sind die Kosteneinsparungen auch abhängig von diversen Variablen und nicht allgemein zu generalisieren. Dazu gehören beispielsweise die Auslastung der Fahrzeuge, die Anzahl der Fahrten, die Einsatzorte und vorherrschenden Bedingungen (z. B. Verkehrsdichte, Zeitverluste), die Kosten für Fahrzeuge oder die Löhne und Sozialleistungen für Mitarbeitende. Hinzu kommen externe finanzielle Faktoren, wie die Möglichkeit der Nutzung staatlicher Förderungen, Leasingmöglichkeiten oder ähnliches. Insgesamt hängt die Wettbewerbsfähigkeit alternativer Zustellkonzepte und einzelner Unternehmen immer auch von der Gestaltung des Servicenetzes ab (Zhang et al. 2018).

Gruber (2020, S. 28 ff.) hat zum Thema Wirtschaftlichkeit verschiedene Berechnungen und Aussagen zu den Gesamtbetriebskosten aus Pilotprojekten sowie statistischen Analysen mit hypothetischen Annahmen miteinander verglichen. Er kommt zu dem Schluss, dass ein wirtschaftlicher Einsatz von Lastenrädern im Wirtschaftsverkehr grundsätzlich möglich ist, jedoch von verschiedenen Bedingungen abhängt. Die Lohnkosten machen in der Regel den größten Anteil der entstehenden Kosten aus. Viele Aspekte werden in den Untersuchungen jedoch bisher nicht berücksichtigt, wie beispielsweise die Transformationskosten, fehlende Erfahrungswerte, das gleichzeitige Vorhalten konventioneller Fahrzeuge und deren Interaktion mit alternativen Fahrzeugkonzepten.

Nichtsdestotrotz macht es für Anbieter Sinn einzelne Kostenfaktoren sowie deren Einfluss auf die Gesamtkosten zu identifizieren und zu analysieren. Mit den Informationen kann anschließend ein Gesamtbild der Wirtschaftlichkeit von Radlogistikkonzepten betrachtet werden. Dazu müssen die Gesamtkosten (TOTEX), die sich aus den Investitionskosten (CAPEX) und den Betriebskosten (OPEX) zusammensetzen unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren ermittelt werden (Stiehm et al. 2019, S. 32). Eckhardt (2023) führt in seiner Analyse der Wirtschaftlichkeit von Mikrodepots zahlreiche Faktoren auf, die für eine Machbarkeitsanalyse herangezogen werden sollten (vgl. Abb. 18.1).

Abb. 18.1
figure 1

Wirtschaftlichkeitsmatrix für den Betrieb von Mikrodepots und Lastenrädern. (Eckhardt 2023, S. 54)

3.5 Weitere Wirkungsbereiche

Auf städtischer oder regionaler Ebene kann die Radlogistik auch zu neuen Standortqualitäten führen und Branchen bzw. räumliche Gebiete aufwerten. Dabei geht es z. B. um neue Arbeitsmöglichkeiten (Fahrradmarkt, Wirtschaftsverkehr), Investitionen aus dem Gewerbe (Fahrradhersteller, Zuliefererbranche, After-Sales) oder der Wahrnehmung einer Stadt als Standort für junge, kreative und nachhaltige Unternehmen. Dabei spielen sowohl harte (z. B. Verkehrsanbindung, Erreichbarkeit, Mietkosten, Breitbandanschluss) als auch weiche Faktoren (z. B. politische Verhältnisse, Umweltaktivitäten, Vernetzungsmöglichkeiten) eine Rolle für die Attraktivität eines Standorts für die Radlogistik.

Auch die Verkehrssicherheit kann sich bei einer Reduzierung von konventionellen Transportmitteln durch Substituierung durch Lastenräder erhöhen. In Deutschland sterben jedes Jahr über 2500 Menschen im Straßenverkehr. 2021 wurden knapp 360.000 Personen verletzt (Statistisches Bundesamt 2022). Schätzungen zufolge ist ein Drittel der Verkehrstoten auf Unfälle im Zusammenhang mit Berufskraftfahrern zurückzuführen (Just Economics 2022). Lastenräder können zu einer Entschleunigung des Verkehrs und durch eine gleichzeitige Reduzierung von Lkw und Transportern in den Städten auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit führen. Gleichzeitig sollten jedoch infrastrukturelle Anforderungen berücksichtigt werden, damit die stärkere Verbreitung von Lastenrädern nicht zu erhöhtem Konfliktpotenzial mit dem übrigen Radverkehr sowie dem Fußverkehr kommt (Schäfer et al. 2021b) Auch Schulungen für Fahrende von Lastenrädern können dabei helfen.

Der Umstieg auf Lastenräder hat auch das Potenzial, die Gesundheit der Fahrenden zu verbessern. Untersuchungen zeigen, dass die Gesundheit von Lkw-Fahrenden aufgrund ungünstiger Arbeitsbedingungen, wie langer Arbeitszeiten, Schlafmangel, der sitzenden Lebensweise und einer ungesunden Ernährung zu einer unterdurchschnittlichen Lebenserwartung führt (Taylor und Dorn 2006; Ng et al. 2015). Die Nutzung von Lastenfahrrädern hingegen kann als aktive und gesundheitsfördernde Form der Fortbewegung angesehen werden. Auf der anderen Seite sind Fahrende von Lastenrädern noch stärker den Luftschadstoffen ausgesetzt als Fahrende in geschlossenen Fahrzeugen. Zudem gibt es in einigen Organisationen Bedenken, Fahrende von einem Kfz auf ein Lastenrad umzustellen, da dies als Degradierung verstanden werden könnte.

Ferner kann die Verlagerung von Lkw und Transportern auf Lastenräder zu einer Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität führen. Neben der besseren Luftqualität ist hier speziell die reduzierte Lärmbelästigung aufgrund ihrer physischen und psychischen Auswirkungen von besonderer Bedeutung. Lärmbelastung durch den Verkehr wird zudem mit einer Reihe von psychischen und physischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, z. B. mit Herzerkrankungen, Geburtsfehlern und Problemen des Immunsystems (Geravandi et al. 2015).

Auch volkswirtschaftlich können sich reduzierte Unfälle, Staus, Bewegungsförderung sowie Luftschadstoff- und Lärmwerte positiv auswirken. Ferner können bei einer geringeren Belastung von Straßen durch eine Abnahme des MIV die Kosten für Bau und Sanierung von Infrastruktur reduziert werden – wenngleich Investitionen in eine geeignete Radverkehrsinfrastruktur notwendig sind (Hagen et al. 2013). Eine Studie von Just Economics (2022) kalkuliert die „versteckten“ Sozial- und Umweltkosten durch Zustellprozesse mit dieselbetriebenen Vans und potenzielle Einsparungen durch eine Umstellung auf Lastenränder am Beispiel London. Nach diesen Analysen sind die Umweltkosten bei Dieselfahrzeugen 67-mal höher als bei elektrischen Lastenrädern. Bei den mit sozialen Auswirkungen verbundenen Kosten liegt die Differenz bei Faktor 7 zugunsten der Lastenräder.

4 Methoden zur Wirkungsabschätzung

Verschiedene Instrumente bieten sich an, um Maßnahmen zur Einführung der Radlogistik auf ihre Wirkungsbereiche und entsprechende Effekte zu analysieren. Dazu gehören zum Beispiel deskriptive Beschreibungen und Schätzungen mittels zuvor definierten Nachhaltigkeitsindikatoren, spezifische Umweltbilanzierungen, CSR-Reporting-Methoden sowie Modellrechnungen und Simulationen.

Die Simulation ist ein geeignetes Instrument, um mehrere Alternativen und Szenarien auf ihre Eignung unter verschiedenen Aspekten zu testen. Nach dem anfänglichen Aufwand der Datenerhebung und der Zusammenstellung der Rahmenbedingungen ermöglicht die Simulation einen vergleichsweise schnellen Vergleich mehrerer zur Auswahl stehender Fahrzeugalternativen, Designs von Zustellnetzen und Ähnlichem (Zhang et al. 2018).

Öffentliche Standards und Normen stellen eine Grundlage dar, um spezifische Aspekte der Nachhaltigkeit genauer zu untersuchen. So können Fuhrunternehmen, Speditionen oder Logistikunternehmen ihren Energieverbrauch und die verursachten Treibhausgasemissionen bspw. mit Hilfe der DIN EN 16258 berechnen (siehe dazu Schmied und Knörr (2013)). Für den ökologischen Fußabdruck (THG-Emissionen und Luftschadstoffe) in der Paketzustellung wurde die DIN EN 17837 entwickelt. Allgemein hat sich im Bereich der Ökobilanzierung auch die DIN ISO 14040-Reihe als internationaler Standard zur Durchführung einer ganzheitlichen Lebenszyklusanalyse („graddle to grave“) bewährt. Nähere Details zu vorhandenen Standards und Normen im Bereich der Wirkungsabschätzung finden sich in Brinken und Assmann (2023).

Grundsätzlich sollten für eine realistische Wirkungsdarstellung und eine dafür notwendige, zielgerichtete Datenerhebung Zielfelder aufgestellt werden, die mit diversen Indikatoren hinterlegt sind, um die Wirkungen zu bestimmen. Das Umweltbundesamt (UBA 2020b) unterteilt die Wirkungsindikatoren für einen nachhaltigen Wirtschaftsverkehr in die Zielfelder Umwelt, Verkehr und Stadtraum, wie Tab. 18.1 darstellt.

Tab. 18.1 Zielfelder und Indikatoren zur Ermittlung der Wirkungen im Güterverkehr. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an UBA 2020b, S. 12)

Eine Studie der Agora Verkehrswende (2020) hat zur Ermittlung der Wirkungen des städtischen Güterverkehrs ähnliche Indikatoren aufgestellt. Ergänzt werden vor allem Effizienzkriterien, die wiederum umweltrelevante als auch ökonomische Folgewirkungen haben können (Tab. 18.2).

Tab. 18.2 Zielfelder und Indikatoren für das Monitoring und die Wirkungserfassung von Maßnahmen im Wirtschaftsverkehr. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Agora Verkehrswende 2020, S. 50)

5 Fazit

Vollständige Bilanzierungen der Umwelt- und Klimawirkungen sowie anderer Auswirkungen der Radlogistik stehen bislang nur begrenzt und für Einzelprojekte zur Verfügung. Klar ist aber, dass die Radlogistik generell positive ökologische Effekte mit sich bringt, da sie im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln weniger Schadstoffe, Lärm und CO2-Emissionen produziert. Zudem kann die lokale Wirtschaft gestärkt werden, indem die Radlogistik neue Arbeitsplätze schafft und das Wachstum kleinerer Unternehmen fördert. Für Nachhaltigkeitsanalysen zur Radlogistik sollten also immer wirtschaftliche Kosten und Effekte herangezogen, gleichzeitig aber auch die sozialen und Umweltexternalitäten eingepreist werden, die mit jedem Kilometer verbunden sind.

Verschiedene Studien zeigen, dass Lastenrad-Liefernetzwerke die Lebensqualität in Städten erheblich verbessern können, indem sie den Lieferverkehr in räumlichen Einheiten verringern. Dennoch müssen einige Aspekte berücksichtigt werden, um diese Potenziale auszuschöpfen und negative Auswirkungen zu vermeiden. Kritische Faktoren sind zum Beispiel die Auswahl der Fahrzeuge zur Bedienung von Mikrodepots und eine effiziente Routenplanung für die eingesetzten Lastenräder. Insgesamt sollte das Lastenrad als Puzzlestück nachhaltiger Mobilitäts- und Logistikkonzepte angesehen werden, welches bei intelligentem und konsequentem Einsatz ein essenzieller Bestandteil zukunftsfähiger Verkehrssysteme sein kann. Gleichzeitig bietet eine Kombination mit Paketstationen und anderen Elementen weitere Möglichkeiten zur Reduzierung von Fahrten, Emissionen und Gesamtkosten. Genaue Trends und Zahlen zu den Potenzialen lassen sich aufgrund der aktuellen Datenlage jedoch nur schwer ableiten.