1 Einführung

Die Planung der Flächennutzung an der Bordsteinkante wird auch in Deutschland als Parkraummanagement, oder als Teil der Debatte unter dem Begriff curbside management, diskutiert (Nadkarni 2020; Agora Verkehrswende 2019). Die Flächenkonkurrenz im curbside-Bereich ist besonders in urbanen Gebieten hoch. Von der Umverteilung der Flächen wird sich hier eine besondere Steuerungswirkung versprochen.

Eine der größten Hürden für die Anschaffung privat genutzter Lastenräder ist für viele Menschen der fehlende Raum für das Abstellen des Lastenrads. Fragt man Autofahrer:innen nach den größten Problemen, die ihnen im Verkehr begegnen, werden viele schnell auf „fehlende“ Stellplätze zu sprechen kommen.

Auch für den Güterverkehr existieren vielerorts keine ausreichenden Flächen für das Be- und Entladen der Fahrzeuge. Immer wieder führt dies bei größeren Lieferfahrzeugen zu Haltevorgängen in zweiter Reihe. Lastenräder stehen in solchen Fällen teilweise auf dem Gehweg,Footnote 1 im Seitenraum oder blockieren Teile der Radfahrstreifen. Die Schaffung einer ausreichenden Anzahl von Ladeflächen ist deshalb nicht nur für die effiziente Abwicklung des Lieferverkehrs notwendig, sondern auch, um dessen negative Effekte auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf zu minimieren.

Unklar ist häufig die Frage, welche Gruppen und Fahrzeuge auf Ladeflächen im öffentlichen Straßenraum halten dürfen. Unterschiedliche Beschilderungen können hier teilweise leicht unterschiedliche Nutzungsgruppen definieren. Der Umgang mit privaten Liefervorgängen ist besonders Häufigkeit Gegenstand von Diskussionen. In der Regel sind Ladeflächen sowohl für den Lieferverkehr mit konventionellen Lieferfahrzeugen als auch für leichte Elektrofahrzeuge und Lastenräder nutzbar. An einigen Stellen wird die Schaffung exklusiver Lastenradladeflächen diskutiert. Die Abgrenzung der Nutzungsgruppe von Ladeflächen wurde zuvor bereits diskutiert.

Obwohl die Notwendigkeit einer ausreichenden Anzahl von Ladeflächen im öffentlichen Straßenraum breit anerkannt wird, fehlen vielerorts solche Flächen. Die Einrichtung erfolgt häufig nicht proaktiv durch die Verwaltungen, sondern auf Antrag von Gewerbetreibenden vor Ort. So wird das „Grundrauschen“ an Liefervorgängen nicht berücksichtigt. Abschn. 17.2 befasst sich mit der Bedarfsermittlung für Liefer- und Ladeflächen im öffentlichen Straßenraum.

Zuletzt werden in Abschn. 17.3 Konflikte und Lösungsvorschläge für die Vereinbarkeit von Liefer- und Ladeflächen mit anderen Verkehrsträgern dargestellt.

2 Grundlagen der Nutzung

Wer darf die Ladefläche nutzen und für wen wird sie geplant? Welche Antwort wir auf diese umstrittene Frage geben, hat erhebliche Auswirkungen darauf, wie viele der Flächen im öffentlichen Straßenraum verortet werden müssen und welche Maße wir für sie ansetzen. Hier wird die Frage zunächst in Bezug auf Lastenräder diskutiert. Soll es exklusive Lastenradladeflächen geben, und unter welchen Umständen können ihr Einsatz sinnvoll sein? Anschließend wird auf die viel diskutierte Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten Liefervorgängen eingegangen. Abschließend folgen Betrachtungen zu einzelnen Segmenten des Wirtschaftsverkehrs und deren Ansprüche an das Laden. Insgesamt dient dieser Abschnitt dazu, einen Überblick über die Anforderungen an Ladeflächen zu gewinnen und erste Konsequenzen für den Entwurf und die Anweisung der Flächen abzuleiten.

2.1 Exklusive Lastenradladeflächen

Seit der Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV StVO) von 2020 gibt es ein eigenes Zusatzzeichen für Lastenräder. Das Zusatzzeichen 1010-69 „Fahrrad zum Transport von Gütern und Personen – Lastenrad“ darf seitdem als Konkretisierung und zur Bestimmung von Ausnahmen zu anderen Verkehrszeichen, beispielsweise zu den absoluten und eingeschränkten Halteverboten (Verkehrszeichen 383 und 386) genutzt werden. Damit ist die rechtliche Grundlage für die Einrichtung von Flächen geschaffen, auf denen nur Lastenräder halten dürfen (Abb. 17.1).

Abb. 17.1
figure 1

Zusatzzeichen 1010-69 „Fahrrad zum Transport von Gütern und Personen“. (VwV StVO 2001)

Bisher findet das Zeichen vor allem bei der Kennzeichnung von Abstellanalgen für Lastenräder Verwendung. Grundsätzlich kann es jedoch auch bei der Ausweisung von Ladeflächen genutzt werden, die dann nur von Lastenrädern genutzt werden können. Spätestens seit diesem Schritt stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit und möglichen Einsatzfeldern für exklusiv durch Lastenräder nutzbare Ladeflächen. So geben Assmann et al. (2021) im Leitfaden für lastenradgerechte Infrastruktur für die Stadt Hamburg Empfehlungen für die Gestaltung solcher Ladeflächen, wenn diese im Einzelfall als sinnvoll erachtet werden sollten.

Für die Ausweisung solcher Flächen spricht vor allem eine strategische Förderung des Güterverkehrs mit Lastenrädern. Wenn das Problem bereitstehender Ladeflächen zunächst für Lastenräder gelöst wird, stellt dies einen Anreiz dar, in den betroffenen Gebieten einen größeren Anteil der Fahrten mit Lastenrädern abzuwickeln. Außerdem nehmen Ladeflächen für Lastenräder deutlich kleinere Flächen in Anspruch als herkömmliche Ladeflächen – nicht nur wegen der kleineren Fahrzeuggröße, sondern auch, weil kleinere Flächen zum Rangieren notwendig sind. Lastenradladeflächen können deshalb flexibler verortet werden und stellen einen weniger Großen Konflikt mit anderen Flächennutzungsansprüchen dar.

Gegen die Ausweisung solcher Ladeflächen sprechen besonders zwei Punkte. Zunächst sollte im öffentlichen Straßenraum aufgrund der hohen Flächenkonflikte grundsätzlich eine multifunktionale Nutzung angestrebt werden. Wo dies möglich ist, sollten deshalb auch Ladevorgänge von Lastenrädern über herkömmliche Ladeflächen abgewickelt werden. Diese werden dadurch stärker genutzt. Unter Umständen ist es auch möglich Lastenräder in Teilflächen der Rangierflächen herkömmlicher Ladeflächen zu platzieren, sodass diese Ladeflächen gleichzeitig von kleinen und mittelgroßen Kraftfahrzeugen sowie Lastenrädern zum selben Zeitpunkt genutzt werden können. Ohnehin ist davon auszugehen, dass Lastenradnutzer:innen die konventionellen Ladeflächen nutzen werden, wenn sich dieses anbietet. Deshalb ist nicht einmal davon auszugehen, dass alle Lastenradzustellungen über bestehende Lastenradladeflächen abgewickelt werden, sofern noch alternative konventionelle Flächen bereitstehen.

Die Abwägung dieser planerischen Argumente sollten in jedem Straßenraum einzeln erfolgen. In zwei Fällen ist die Anweisung von lastenradexklusiven Ladeflächen aber besonders vorteilhaft.

  1. 1.

    Anweisung auf kleinen Flächen

    Wo herkömmliche Ladeflächen im Straßenraum nicht untergebracht werden können, sollte der Einsatz von exklusiven Lastenradladeflächen geprüft werden. Dies ist insbesondere bei einer zu hohen Dichte von Grundstückseinfahrten oder Einmündungen notwendig. Die Vorgaben zu Sichtdreiecken sind zu beachten. Aufgrund ihrer geringeren Breite können die schmaleren Lastenradladeflächen ggf. näher an Einmündungsbereichen verortet werden.

  2. 2.

    Verortung in Protektionsflächen von protected bike lanes

    In einigen Städten werden zunehmend geschützte Radfahrstreifen eingesetzt. Hier werden in der Regel etwa 1 m Breite Sperrflächen mit zusätzlichen Einbauten (Poller) zur Trennung des Radfahrstreifens auf Fahrbahnniveau und der übrigen Fahrbahn eingesetzt. Für Lastenräder auf dem geschützten Radfahrstreifen ist das Halten teilweise schwer. Mögliche Stellplätze links der Protektionsfläche sind in der Regel nicht erreichbar, ein Abstellen im Seitenraum planerisch nicht erwünscht und fahrdynamisch teilweise schwierig. Um zu verhindern, dass die Lastenräder auf den Radfahrstreifen abstellt werden (Ein Halten ist hier in der Regel zulässig), kann geprüft werden, einzelne Lastenradladeflächen in die Protektionsflächen zu integrieren. In der Regel ist es dabei notwendig, dass breitere Lastenräder über die reine breite der Protektionsfläche hinausragen. Die notwendigen Vorbeifahrfälle müssen dabei sowohl für den Kfz-Verkehr auf der linken, als auch für den Radverkehr auf der rechten Seite der Lastenradladefläche sichergestellt werden.

Weitgehend unumstritten ist, dass Lastenradnutzende auch herkömmliche Lieferflächen zum Be- und Entladen nutzen dürfen sollten. Um dies nicht zu verhindern, sollte auf eine Zusatzbeschilderung, die explizit Lkw nennt, verzichtet werden. Diese war teilweise üblich (Böhl et al. 2007, S. 9). Um der Lastenradlogistik keine unnötigen Hürden in den Weg zu setzen, sollte jedoch stattdessen eine andere Zusatzbeschilderung wie das Zusatzzeichen „Be- und entladen frei“ genutzt werden.

2.2 Private Be- und Entladevorgänge

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) lässt in Deutschland aktuell zu, dass auch private Be- und Entladevorgänge auf Ladeflächen vorgenommen werden dürfen. In der Praxis stellt das viele Ordnungsämter vor Probleme. Die Feststellung, ob ein Ladevorgang vorliegt, ist auch deshalb schwer, weil keine zeitliche Begrenzung für einen solchen Vorgang existiert. Wer sein Fahrzeug beispielsweise im Rahmen eines Umzugs über mehrere Stunden kontinuierlich be- oder entlädt, darf gekennzeichnete Ladeflächen dafür nutzen. Bei nur kurzer Beobachtung durch Ordnungsamtsmitarbeitende fällt die Unterscheidung zwischen einer Fehlnutzung und einem legitimen privaten Ladevorgang deshalb schwer.

Fünf Logistikverbände, unter anderem der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BIEK), fordern deshalb die Einführung eines neuen Verkehrszeichens, dass den Ausschluss privater Ladevorgänge ermöglicht (Carsten Jansen). Eine solches Verkehrszeichen solle sich an dem Verkehrszeichen für Taxistände orientieren.

In den USA gibt es eine solche Unterscheidung zwischen sogenannten commercial vehicle loading zones (CVLZ) und allgemeinen loading zones (LZ) bereits länger. Während private Ladevorgänge auf LZ zulässig sind, ist dies auf den CVLZ nicht der Fall. Der Blick auf die USA kann deshalb dabei helfen, mögliche Auswirkungen der BIEK-Forderung in Deutschland abzuschätzen. Del Girón-Valderrama et al. (2019) haben in Seattle untersucht, wie die dortigen Ladeflächen genutzt werden. Sie haben dabei festgestellt, dass der Anteil privater Fahrzeuge, die die jeweiligen Flächen nutzen, sich zwischen CVLZ und LZ nicht wesentlich unterscheidet. Sie schlussfolgern daraus, dass ohne ausreichende Überwachung die Anweisung exklusiv gewerblich zu nutzende Ladeflächen nicht dazu führt, dass für den gewerblichen Güterverkehr tatsächlich freie Ladeflächen bereitstehen. Vielmehr seien die Anzahl der bereitgestellten Flächen und die Überwachung die richtigen Punkte, um dieses Problem anzugehen. Für die Diskussion in Deutschland spricht dies dafür, dass das vom BIEK geforderte Schild keine Lösung des eigentlichen Problems darstellt. Auf Ladeflächen sollten weiterhin auch private Be- und Entladevorgänge erlaubt werden.

2.3 Wirtschaftsverkehr ohne Ladevorgänge

Häufig werden Ladeflächen auch durch Fahrzeuge des Wirtschaftsverkehrs belegt, die keine Güter laden. Besonders Pflegedienste und Handwerkerverkehre stehen hierbei im Fokus. Dabei wird auch deren uneindeutige Zuordnung zum Wirtschaftsgüter- bzw. Wirtschaftspersonenverkehr deutlich. In der Regel werden hier sowohl Personen als auch Güter transportiert. Für das Ausladen von Werkzeug und Geräten dürfte insbesondere der Handwerkerverkehr Ladeflächen nutzen. Während der Erbringung der eigentlichen Dienstleistung muss jedoch ein Parkplatz gesucht werden. Dies gilt für die Nutzung Transportern und Lastenrädern gleichermaßen.

Auf Grundlage von § 46 StVO werden besonders für Handwerksbetriebe sogenannte Handwerkerparkausweise ausgestellt. Einige Städte geben solche Parkausweise auch für andere Dienstleistungen, wie beispielsweise Pflegedienste, aus. Fahrzeuge mit solchen Sondergenehmigungen dürfen u. a. auch im eingeschränkten Halteverbot und Halteverbotszonen (Zeichen 286 und 290 StVO) parken. Dies gilt in der Regel auch für Ladeflächen, die mit Zeichen 283 und Zusatzzeichen „Be- und entladen frei“ gekennzeichnet sind.

Die deutlich längeren Haltezeiten, insbesondere des Handwerksverkehrs (Mayregger 2023; Kalahasthi et al. 2022), widersprechen dem grundlegenden Gedanken der Ladeflächen, wo kurze Be- und Entladevorgänge durch wechselnde Nutzer:innen ermöglicht werden sollen. Die Stadt Düsseldorf hat an einigen Stellen allein durch Bodenmarkierung gekennzeichnete sogenannte service points eingerichtet sind, die für die Nutzung durch Dienstleistungsverkehre sowie für private und gewerbliche Liefervorgänge genutzt werden sollen (Böhl et al. 2007). Die Markierung dieser Flächen ist nicht-amtlich.

Einige Bündelungskonzepte setzen auch darauf, Ladeflächen als temporäre Mikrodepots zu nutzen (Yu et al. 2020). Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass auf den Ladeflächen ein Umladen von größeren auf kleinere Fahrzeuge stattfindet. Einige Flächen wurden auch im Rahmen des Feldversuchs in Hannover Linden-Nord entsprechend genutzt.

3 Bedarfsermittlung

3.1 Bisheriges Vorgehen bei der Bedarfsermittlung

3.1.1 Antragsgetriebenes Vorgehen

Aktuell werden in vielen Städte Ladeflächen vor allem auf Antrag von Gewerbetreibenden eingerichtet. So beschreibt beispielsweise der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dass für einen solchen Antrag u. a. Lieferscheine der letzten vier Wochen vorgelegt werden müssen, um den Bedarf zu belegen (Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg o. J.; Kalahasthi et al. 2022).

Ein solches Vorgehen ist nicht dazu geeignet, das „Grundrauschen“ an Liefervorgängen abzubilden. Insbesondere für Liefervorgänge für Privathaushalte werden durch so ein Verfahren keine Ladeflächen geschaffen werden. Systematische Auswertung zu den Größen und Nutzungsbeschränkung der so entstandenen Ladeflächen liegen nicht vor. Dennoch ist davon auszugehen, dass i. d. R. Ladeflächen für herkömmliche Lieferfahrzeuge dimensioniert werden. Ein antragsgetriebenes Vorgehen bei der Bedarfsermittlung ist deshalb weder dafür geeignet, den Grundbedarf in den jeweiligen Straßenräumen festzustellen, noch um die Lastenradnutzung zu fördern.

3.1.2 Pauschale Bedarfsermittlung

Insbesondere bei Neuaufteilungen von Straßenräumen werden heute auch ohne Antrag von potenziellen Nutzenden eingerichtet. Dabei wird häufig keine Bedarfsermittlung durchgeführt, sondern versucht, Ladeflächen in regelmäßigen Abständen im Straßenraum zu verorten.

Die Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs (EAR 05) weisen darauf hin, dass die Nutzung von Ladeflächen mit steigender Entfernung zu den tatsächlichen Zielorten sinkt. Eine Laufdistanz von bis zu 50 m wird dort an Hauptverkehrsstraßen als angemessen und noch akzeptiert beschrieben (FGSV 2005). Der Planungsleitfaden „Liefern ohne Lasten“ empfiehlt auf Hauptverkehrsstraßen eine Ladefläche alle 100 m (Agora Verkehrswende 2020). Diese Angaben beziehen sich jeweils auf konventionelle Ladeflächen. Zur Entfernungsabhängigen Akzeptanz von Ladeflächen durch Lastenradnutzende gibt es bisher keine Forschung. Wegen dem geringeren Platzbedarf zum Abstellen eines Lastenrads, steigt die Wahrscheinlichkeit freier Stellflächen in größerer Nähe zum Ziel. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Lastenradnutzende geringe Entfernungen akzeptieren.

Grundsätzlich könnten für unterschiedliche Straßentypen unterschiedliche pauschal-distanzintervallbasierte Ladeflächenbedarfe angegeben werden. Solche Ansätze sind bisher nicht bekannt. Allerdings beziehen sich auch die oben erwähnten Angaben der EAR und von Agora Verkehrswende lediglich auf Hauptverkehrsstraßen mit hohem Lieferaufkommen. Für andere Straßentypen fehlen bisher Zielvorgaben. Auf Straßen ohne nennenswerte Übernachfrage nach Stellplätzen, besteht in der Regel kaum oder kein Bedarf für Ladeflächen. Hier ist eine pauschale Bedarfsermittlung nicht zielführend. Besonders in verdichteten Wohngebieten mit hoher Übernachfrage nach Stellplätzen sollten je nach Netzfunktion und Breite der jeweiligen Straße zukünftig Ladeflächen bereitgestellt werden. Besonders hier fehlen die Vorgaben zur pauschalen Bedarfsermittlung.

Einen Sonderfall der pauschalen Bedarfsermittlung stellt das die Ladeflächenausweisung im Hannoveraner Stadtteil Linden-Nord dar. Dort wurden 2019 insgesamt 21 sogenannte Logistikpunkte eingerichtet, die im Grunde nichts anderes als normale Ladeflächen sind. Diese wurden montags bis freitags von 9:00 bis 17:00 Uhr und samstags von 9:00 bis 14:00 Uhr für den Lieferverkehr freigehalten. Die Verortung der „Logistikpunkte“ im Quartier erfolgte nach Angaben der Logistikinitiative Hannover, die das Projekt angestoßen hat, an „strategisch günstig gelegen Stellen“ (Abb. 17.2). Auch ein solcher Ansatz ist als pauschales Verfahren zur Bedarfsermittlung anzusehen. Zusätzlich wurden am Rand des Quartiers zwei Umschlagpunkte eingerichtet, an denen der Umschlag auf Lastenräder stattfinden sollte (City of Hannover 2019).Footnote 2

Abb. 17.2
figure 2

Logistik- und Umschlagpunkte im Pilotprojekt Hannover Linden-Nord. (Quelle: Stadt Hannover 2019)

3.2 Nachfrageorientierte Bedarfsermittlung

Sowohl die antragsgetriebene als auch die pauschale Vorgehensweise bei der Bedarfsermittlung für Ladeflächen verfolgen nicht das Ziel, die tatsächliche Nachfrage abzubilden. Das kann sowohl zu einem Unter- als auch einem Überangebot von Ladeflächen führen. Aus Sicht der Radlogistik scheint ein Unterangebot an Ladeflächen hier zunächst das schlimmere Szenario zu sein. Allerdings ist bei der Planung von Ladeflächen zu beachten, dass ein Überangebot und die sehr unregelmäßige Nutzung der Flächen durch Lieferfahrzeuge zu einer abnehmenden Akzeptanz durch andere Verkehrsteilnehmende und somit mehr Fehlbelegungen der Ladeflächen führen kann. Deshalb ist eine Bedarfsermittlung, die sich an den tatsächlichen Gegebenheiten im Straßenraum grundsätzlich zu bevorzugen, auch wenn sie meistens mit höherem Aufwand für die Datengewinnung verbunden ist.

Wird ein Modell zur Bedarfsermittlung vorgestellt, dem als Bemessungsgrundlage das spitzenstündliche Verkehrsaufkommen an Lieferfahrzeugen zu Grunde liegt. Zunächst wird deshalb dargestellt, wie dieses Verkehrsaufkommen ermittelt werden kann. Anschließend folgt ein Abschnitt zur Definition des zu erfüllenden Anspruchsniveaus der für in einem Straßenraum bereitstehenden Ladeflächen. Zuletzt wird dargestellt, wie aus diesen beiden Größen der Ladeflächenbedarf ermittelt werden kann. Für eine detailliertere Darstellung des Bedarfsmodells wird hier auf Mayregger (2023) verwiesen.

3.2.1 Verkehrsaufkommen

Ausgangspunkt für eine modellhafte Ladeflächenbedarfsermittlung ist die Anzahl der Liefervorgänge in der Spitzenstunde des Lieferverkehrs. Für die Ermittlung dieses Verkehrsaufkommens kommen unterschiedliche Methoden der Datengewinnung in Frage.

Verkehrszählung

Um mit einer Verkehrszählung die mittlere Verkehrsbelastung in der Spitzenstunde zu ermitteln, sollten im untersuchten Straßenraum ankommende Lieferfahrzeuge erhoben werden. Dabei sollte nach Möglichkeit die Zugehörigkeit zu den Logistikmarktsegmenten (s. u.) unterschieden werden, um diese modellhaft zu einem späteren Zeitpunkt zu berücksichtigen. Mayregger (2023) zeigt anhand von Zählungen an 118 Netzabschnitten die zeitliche Verteilung der jeweiligen lokalen Spitzenstunden auf. Um die lokale Spitzenstunde zu ermitteln, sollte die Zählung in einem längeren Zeitraum des Vormittags durchgeführt werden. Kalahasthi et al. (2022) untersuchen anhand von acht Ladeflächen im spanischen Vic die Verteilung des Halteaufkommens auf die Monate und Wochentage. Demnach weisen die Monate Juli und August ein besonders geringes Halteaufkommen auf. In diesen Monaten sollte deshalb auf eine Zählung verzichtet werden. Dies deckt sich mit den Empfehlungen für Verkehrserhebungen (FGSV 2012), die Verkehrszählungen während der Schulferien und in Wochen mit Feiertagen ausschließen. Gerade für die Belieferung des Einzelhandels sollten diese Einschränkungen berücksichtigt werden.

Strukturdatenbasierte Nachfragemodellierung

Um die Verkehrsbelastung in der Spitzenstunde zu berechnen, kann auf eine Vielzahl von Verkehrsnachfragemodellen zurückgegriffen werden. Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Verkehrsnachfrage einzelner Logistikmarktsektoren berechnet wird, sondern diese sämtliche Logistikmarktsegmente abbilden. Mindestens KEP-Dienste und Stückgutverkehre sollten darin enthalten sein.

3.2.2 Anspruchsniveau

Wie viele Ladeflächen muss es in einem Straßenzug geben, damit sie als „genug“ angesehen werden können? Unmittelbar ersichtlich ist, dass es ein „zu wenig“ an Ladeflächen geben kann. Ein Überangebot an Ladeflächen ist jedoch auch denkbar. Ein solches Überangebot widerspricht einerseits dem Gebot der Flächensparsamkeit und wird zu einer abnehmenden Akzeptanz der Ladeflächen durch nicht halteberechtigte Verkehrsteilnehmende führen. Wie genau die richtige Anzahl von Ladeflächen zu bemessen ist, ist jedoch nicht unmittelbar deutlich. Es bedarf dafür der Definition eines Anspruchsniveaus.

Leerkamp (1996) befasst sich mit dem Ladeflächenbedarf an Hauptverkehrsstraßen und führt als Maß für ein jeweils zu definierendes Anspruchsniveau die Wahrscheinlichkeit ein, dass alle ankommenden Fahrzeuge innerhalb der Spitzenstunde sofort eine freie Ladefläche im Straßenabschnitt finden. Der Ladeflächenbedarf ergibt sich dann als Funktion des Aufkommens an Liefervorgängen und dem Anspruchsniveau. Leerkamp leitet die Bedarfsfunktion mithilfe einer Simulation her. Ludowieg et al. (2023) ermitteln den Ladeflächenbedarf ebenfalls auf Grundlage der Wahrscheinlichkeit, dass eine Ladefläche bei Ankunft eines neuen Fahrzeugs nicht vollständig belegt ist.

Diese Wahrscheinlichkeit als Ausgangspunkt scheint in der Planungspraxis jedoch wenig intuitiv anwendbar zu sein und außerdem tendenziell zu sehr hohen Ladeflächenbedarfen zu führen. Ein geeigneteres Maß kann die zu erwartende Anzahl der überlasteten Minuten in der Spitzenstunde sein. Diese Definition des Anspruchsniveau ist vereinbar mit sonstigen Konzepten der Bemessung von Verkehrsanlagen, die in der Regel ein gewisses Maß an Überlastung der Infrastruktur für akzeptabel halten.

Das Anspruchsniveau ist nicht stadtweit einheitlich zu definieren. Unterschiedliche Rahmenbedingungen können zu verschiedenen Anspruchsniveaus führen. Insbesondere auf Hauptverkehrsstraßen und an Hauptverbindungen des Radverkehrs wird das Halten von Lieferfahrzeugen in zweiter Reihe nicht akzeptiert, sodass ein ambitioniertes Anspruchsniveau (geringe Anzahl überlasteter Minuten in der Spitzenstunde), während in Wohnstraßen eine längere Überlastung zulässig sein sollte. Hier sollte ein weniger ambitioniertes Anspruchsniveau gewählt werden. Die Definition des Anspruchsniveaus kann so beispielsweise an die Verbindungsfunktion des Streckenabschnitts nach den Richtlinien zur integrierten Netzgestaltung (FGSV 2008) geknüpft werden.

3.2.3 Ermittlung des Ladeflächenbedarfs

Anhand der zu erwartenden Verkehrsbelastung in der Spitzenstunde und dem Anspruchsniveau kann der Ladeflächenbedarf ermittelt werden. Die in Abb. 17.3 dargestellte Bedarfsfunktion leitet sich als Ergebnis einer Simulation her, in der der Zeitpunkt der Ankunft der Fahrzeuge gleichverteilt in der Spitzenstunde und die Haltedauer entsprechend einer erhobenen Haltezeitverteilung zufällig bestimmt wurden.

Abb. 17.3
figure 3

Ladeflächenbedarf für vier ausgewählte Anspruchsniveaus. (Mayregger 2023)

Pauschale Ziele zur Radlogistik können in diesem Modell der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, indem für einen bestimmten Anteil der ankommenden Fahrzeuge angenommen wird, dass diese in Zukunft 1:1 durch Lastenräder ersetzt werden. So wurde beispielsweise von Assmann et al. (2021) für die Stadt Hamburg vorgegangen, wo das städtische Ziel übernommen wurde, dass 25 % der Sendungen mit Lastenrädern zugestellt werden sollen. Das Ersetzen im Verhältnis 1:1 ist hier zulässig, da es nicht um die Anzahl von Touren geht, sondern um die Anzahl der Halte im jeweiligen Straßenraum.

Die Datengrundlage der Simulation legt Erhebungen zu Haltezeitverteilungen zu Grunde, in deren Stichprobe Lastenräder kaum enthalten sind. Eine Anwendung der oben gezeigten Bedarfsfunktion auf Lastenradhalte geht implizit davon aus, dass sich die Haltedauern in der Radlogistik nicht von herkömmlichen Haltevorgängen unterscheiden. Eine Berechnung der Bedarfsfunktion auf Grundlage einer Haltezeitverteilung von Lastenradhalten steht noch aus, kann aktuell aber noch nicht erfolgen, weil entsprechende Datengrundlagen fehlen.

Die gezeigte Bedarfsfunktion berechnet den Ladeflächenbedarf ohne Berücksichtigung der Zugehörigkeit der ankommenden Fahrzeuge zu den Logistikmarktsegmenten (Abb. 17.4). Allerdings ist zu beobachten, dass sich die Haltezeiten zwischen den Logistikmarktsegmenten teilweise deutlich unterscheiden. Wenn die Branchenzugehörigkeit der ankommenden Fahrzeuge erhoben oder modelliert wurde, können diese in der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden. Hierfür wird aktuell ein Excel-basiertes Tool entwickelt, um das beschriebene Modell nutzungsfreundlicher zu gestalten. Diese sollen zeitnah veröffentlicht werden.

Abb. 17.4
figure 4

Haltezeiten ankommender Fahrzeuge nach Logistikmarktsegment. (Mayregger 2023)

4 Planungsintegration – Verhältnis zu anderen Verkehrsanlagen

Das maßgebende technische Regelwerk für den Entwurf von Liefer- und Ladeflächen sind die Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs (EAR 2005). Darüber hinaus haben einige Städte eigene Leitfäden und Regellösungen für solche Flächen entwickelt. Diese Leitfäden werden deshalb notwendig, da das Regelwerk zwar verschiedene Formen von Ladeflächen vorstellt (beispielsweise danach, ob sie auf der Fahrbahn oder im Seitenraum liegen), aber weder die notwendigen Maße thematisiert, noch der Umgang mit möglichen Zielkonflikten beim Straßenentwurf.

4.1 Radverkehrsanlagen

Radverkehrsanlagen können auf unterschiedliche Weise gestaltet, verortet und angeordnet werden. Entscheidend für das Verhältnis zu Liefer- und Ladeflächen ist die Lage im Straßenraum und die Frage einer baulichen Trennung. Hauptsächlich zu unterscheiden sind folgende Führungsformen:

  • Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr

  • Schutzstreifen

  • Radfahrstreifen

  • Radwege im Seitenraum

  • Radfahrstreifen mit baulicher Trennung zur übrigen Fahrbahn (sogenannte protected bike lanes)

  • Fahrradstraßen

Viele Radverkehrsplanende sehen Vorteile darin, wenn Ladeflächen links von Radverkehrsanlagen angeordnet werden. In diesem Fall muss das Lieferfahrzeug nicht die Radverkehrsanlage kreuzen. Stattdessen findet die Querung zu Fuß mit den entsprechenden Gütern statt – gegebenenfalls auch unter Einsatz entsprechender Transporthilfen, wie Sackkarren oder Flurfördergeräten.

4.2 Fußverkehrsanlagen

Die im Seitenraum liegenden Fußverkehrsanlagen müssen in der Regel vom Fahrpersonal gequert werden, um die tatsächlichen Ziele zu erreichen. Um den Transport größerer Güter zu gewährleisten, werden Bordsteinabsenkungen notwendig. Außerdem sollte Seitenraum auf Breite der gesamten Liefer- und Ladefläche von festen Einbauten freigehalten werden. Neben dem Querungsbedarf ist dies auch notwendig, um das seitliche Be- und Entladen von Fahrzeugen zu ermöglichen. Auf das Anordnen von Ladeflächen im Seitenraum sollte – auch bei exklusiv für Lastenräder nutzbare Flächen – verzichtet werden.

In Fußgängerzonen kann die Kennzeichnung von Ladeflächen, die innerhalb der Lieferzeitfenster genutzt werden können, hilfreich sein, wenn auch während dieser Lieferzeitfester mit hohem Fußverkehrsaufkommen zu rechnen ist. In diesen Fällen, sollte vor und hinter den Flächen jeweils eine Fahrzeuglänge freigehalten werden. So kann sichergestellt werden, dass ein Rückwärtsfahren mit LKW nicht notwendig wird.

5 Zusammenfassung

Bei einem zunehmenden Lastenradaufkommen auf der letzten Meile wird sich die Frage einer effizienten Abwicklung dieser Verkehre vermehrt stellen. Zwar führt eine Verlagerung von Wirtschaftsverkehren auf Lastenräder zu einer Entschärfung der Stellplatzproblematik, allerdings können auch abgestellte Lastenräder Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmenden auslösen. Da vielerorts strategisch eine Reduktion des Stellplatzangebots im öffentlichen Straßenraum angestrebt wird, sollte umso mehr sichergestellt werden, dass ausreichend Lieferflächen bereitstehen. In der Regel sollten Radlogistiker dabei auch konventionelle Lieferflächen mitnutzen.

In diesem Kapitel wurden grundsätzliche planerische Erwägungen zur Abgrenzung der Nutzungsgruppe von Lieferflächen vorgestellt und dargestellt, wie eine proaktive Bedarfsermittlung von Kommunen verfolgt werden kann. Themen der Überwachung der rechtlichen Anordnung wurden hier nicht thematisiert. Ein Leitfaden, der diese Themen mit behandelt, befindet sich aktuell noch in der Erarbeitung und sollte bei Veröffentlichung dieses Buches vorliegen. Für die weitere Lektüre sei deshalb hier auch darauf verwiesen.