1 Einführung

Bereits heute leben rund 75 % der Menschen in Deutschland in Städten und ein weiteres Wachstum dieser Zahl wird in den nächsten Jahren erwartet. Daraus ergeben sich vielschichtige Herausforderungen für die kommunale Planungspraxis; Zu nennen sind stellvertretend eine Verschärfung der Flächenknappheit sowie eine Erhöhung der Bedarfe an Gütern und Dienstleistungen in den Städten. Parallellaufende Entwicklungstendenzen, wie die steigende Nachfrage nach schnelleren Logistiklösungen durch mehr Online-Handel, bedingen den Bedarf nach einer proaktiven Steuerung kommunaler Planung (Hölderich et al. 2020). Nach Ansicht der Forschungsliteratur bietet die Radlogistik eine zuverlässige Alternative zu konventionellen, motorisierten Lieferverkehren, die bezogen auf die Stadt, für rund 20–30 % der Luftschadstoffe verantwortlich sind.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, muss die Verkehrswende zwingend auch den urbanen Güterverkehr umfassen. So können das Fahrtenaufkommen, die Aufenthaltszeiten von Nutzfahrzeugen in empfindlichen Arealen und letztlich die Erschließungstiefe des Kfz-Verkehrs verringert werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Radlogistik gegenüber konventionellen Lieferverkehren zu stärken und zeitgleich ein Modal-Shift der Lieferverkehre logistischer Akteur:innen zu unterstützen, haben kommunale Planungsakteur:innen bereits heute einige Planungswerkzeuge vorliegen.

Dieses Kapitel soll aufzeigen, wie die Förderung der Radlogistik schon auf strategischer Ebene in den Wirtschaftsverkehrskonzepten von Städten und Gemeinden verankert werden kann. Deshalb wird hier zunächst auf die Planungsprozesse für die strategische Güterverkehrsplanung und die Verankerung der Radlogistik darin eingegangen. Anschließend wird auf einzelne Maßnahmenbereiche zur Förderung der Radlogistik im Rahmen dieser strategischen Güterverkehrsplanung eingegangen. Da einige Maßnahmenbereiche bereits ausführlich an anderen Stellen in diesem Buch ausgeführt werden, wird an diesen Stellen auf die entsprechenden Kapitel verwiesen.

2 Radlogistik als Teil der strategischen Verkehrsplanung

Das Planungsinstrument für die strategische Verkehrsplanung auf kommunaler Ebene ist der Verkehrsentwicklungsplan. Dieser ist „ein strategisch-gesamtstädtisches Planwerk, das Ziele und Maßnahmen über alle Verkehrsträger für eine zeitliche Perspektive von 10–15 Jahren definiert“ (Gertz 2021, S. 1434). Zwar gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für eine Aufstellung, dennoch ist der VEP z. B. für die Beantragung von Fördermitteln eine Voraussetzung (ebd.). Der VEP ist in deutschen Planungsinstrumentes lang etabliertes Planungskonzept, das im Grundsatz den von der Europäischen Kommission empfohlenen Stadtmobilitätspläne (Sustainable Urban Mobility Plans (SUMP)Footnote 1) entspricht (Gertz 2021, S. 1438). Bislang wird in VEPs und ebenfalls in Stadtentwicklungskonzepten und Klimaschutzkonzepten der Wirtschaftsverkehr lediglich am Rand betrachtet. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass anders als beim ÖPNV, keine gesetzliche Notwendigkeit für ein verkehrsplanerisches Aufgreifen besteht sowie die vonseiten der Kommunen umsetzbaren Maßnahmen sehr begrenzt sind, sondern vielmehr durch die Unternehmen umgesetzt werden müssen (Thiemermann et al. 2021; Lindholm und Behrends 2012).

Nach Agora Verkehrswende (2020) und der Europäische Kommission (2013) sprechen u. a. folgende Gründe für eine gesonderte Erarbeitung eines städtischen Wirtschaftsverkehrskonzeptes:

  • die Abläufe und Akteur:innen sind andere als im Personenverkehr,

  • die städtische Verkehrsplanung hat geringe Kenntnisse über Logistikprozesse und zuständige Ansprechpartner:innen, mit dem Konzept können Wissen, Vernetzung und Vertrauen aufgebaut werden,

  • die Umsetzung von in Abstimmung mit den Wirtschaftsakteur:innen konzipierten Maßnahmen und die dauerhafte Kommunikation schaffen gleiche Wettbewerbsbedingungen und Planungssicherheit.

Ein städtisches Wirtschaftskonzept kann als eigenständiges Konzept (z. B. Kanton Basel-Stadt, dazu Wittenbrink et al. 2019) oder als Unterkapitel eines Verkehrsentwicklungsplans (z. B. Landeshauptstadt Stuttgart) erarbeitet werden. Auf europäischer Ebene gibt es, analog zu den SUMPs, zusätzlich Empfehlungen zu Sustainable Urban Logistics Plans (SULP; dazu Aifandopoulou und Xenou 2019), die im Wesentlichen den hier vorgestellten Wirtschaftskonzepten entsprechen.

2.1 Grundlagen städtischer Wirtschaftsverkehrskonzepte

Der Planungsablauf für die Erstellung des Konzeptes orientiert sich an dem für Verkehrsentwicklungspläne (siehe dazu weitergehend FSGV 2013, 2018, Abb. 14.1). Um Konsistenz mit allen den Verkehr betreffenden Planwerken herzustellen, sollen Ziele/Leitbilder aus bereits vorhandenen Planwerken (wie dem Verkehrsentwicklungsplan – VEP) aufgegriffen werden (Agora Verkehrswende 2020). Da für die Umsetzung der konzipierten Maßnahmen die Mitarbeit der Logistikwirtschaft notwendig ist, ist für das Gelingen des Planungsprozesses eine Beteiligung der relevanten Akteur:innen von großer Bedeutung (dazu auch Cui et al. 2015). Ein wesentliches Erfolgskriterium ist die politische und planerische Verankerung des Planungsprozesses (Bjørgen et al. 2021), d. h. dass der Beteiligungsprozess politische Unterstützung hat und ebenfalls Einfluss auf laufende Planungsprozesse genommen werden kann (Bjørgen et al. 2021; Lindholm und Browne 2013; Agora Verkehrswende 2020). Ebenfalls wird empfohlen, für solche Planungsprozesse eine:n neutrale:n Moderator:in einzusetzen (Lindholm und Browne 2013).

Abb. 14.1
figure 1

Planungsabläufe bei städtischen Wirtschaftsverkehrskonzepten. (Quelle: Agora Verkehrswende 2020)

2.1.1 Ablauf der Erarbeitung

Anlässe für die Erarbeitung städtischer Güterverkehrskonzepte sind nach Agora Verkehrswende (2020) und Europäische Kommission (2013) u. a.:

  • die Verbesserung der Luftqualität

  • die Minderung von Lärmbelastungen

  • die Beseitigung von Störungen und Gefährdungen des Fuß-, Rad- und Kfz-Verkehrs

  • Behinderungen für den städtischen Güterverkehr

Räumlich konzentrieren sich viele Konzepte vor allem auf die jeweiligen innerstädtischen Bereiche (Leerkamp 2021), da hier die Problemlagen, z. B. durch störenden Lieferverkehr in den Fußgängerzonen, am größten sind. Hinsichtlich des betrachteten Logistiksegments werden insb. das Stückgut- und KEP-Segment in den Fokus genommen. Die Herstellung des Problem-, Akteur:innen- und Arealbezugs ist hierbei wesentlich für die spätere Konzeption der Maßnahmen. Angesichts der geringen Bedeutung des KEP-Segments insb. in der Innenstadt, lässt sich diese „Fokussierung […] auf den KEP-Markt […] nicht begründen.“ (Leerkamp 2021) Im Innenstadtbereich sollte zusätzlich mindestens der Gütertransport für Handel und Gastronomie einbezogen werden (Leerkamp 2021). Die Entscheidung ein städtisches Wirtschaftsverkehrskonzept zu erstellen sowie die räumliche und segmentspezifische Abgrenzung, wird hierbei in der Phase der Orientierung getroffen. Diese ist eine laufende Aufgabe der Verkehrsplanung, bei der Kenngrößen des Verkehrs laufend beobachtet werden, damit Konflikte und Unverträglichkeiten frühzeitig erkannt werden (FGSV 2018). Aufgrund der schlechten Datenlage hinsichtlich des Wirtschaftsverkehrs sollten insb. große Städte eigene Erhebungen durchführen (Agora Verkehrswende 2020). Ebenfalls sollte ab dieser Phase eine Einbeziehung der lokalen Akteur:innen des Wirtschaftsverkehrs gestartet werden.

In der darauffolgenden Phase der Problemanalyse und Zielentwicklung werden Leitbilder und Ziele erarbeitet, die als Grundlage für den weiteren Planungsprozess dienen; auf Basis des so entwickelten Zielsystems ist das spätere Maßnahmen(-bündel) zu entwickeln (FGSV 2018, S. 20–25). Zusätzlich werden eine Zustandsanalyse sowie eine Zustandsbewertung durchgeführt. Bei der Erarbeitung der Leitbilder und Ziele sollte hierbei der in der Verkehrsplanung übliche hierarchische Aufbau des Zielsystems mit Leitbildern (z. B. Lebensqualität, Umweltschutz) und daraus entwickelten planungsorientierten Handlungszielen (z. B. Verkehrssicherheit, Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität) zugrunde gelegt werden (Agora Verkehrswende 2020). Zusätzlich ist eine Konsistenz mit übergeordneten Planwerken, wie Verkehrsentwicklungsplänen (VEP) oder Stadtentwicklungskonzepten (StEK) herzustellen, d. h. ggf. vorhandene Leitbilder sollten von diesen übernommen werden (FGSV 2018). Die Formulierung der Ziele sollte dabei nicht ausschließlich ausgehend von aktuellen Problemlagen beeinflusst werden (FGSV 2018). Zusätzlich sollten sich die Ziele für ihre Evaluierbarkeit klar formuliert und sich möglichst an SMART-KriterienFootnote 2 anlehnen (FGSV 2018). Abb. 14.2 zeigt am Beispiel des Zielfeldes Verkehr ein beispielhaftes Zielsystem.

Abb. 14.2
figure 2

Verkehrswendeorientiertes Zielsystem für das Zielfeldes Verkehr. (Quelle: Agora Verkehrswende 2020)

Bei der Zustandsanalyse sollen die Ist-Situation und absehbaren Entwicklungen im städtischen Wirtschaftsverkehrssystem analysiert werden (FSGV 2013). Hinsichtlich des Wirtschaftsverkehrs dient sie dazu, ein Problemverständnis über alle Akteur:innen hinweg herzustellen. Mögliche MethodenFootnote 3 hierfür sind z. B. Intensivinterviews mit Logistiker:innen aus den betrachteten Segmenten sowie Mitfahrten bei diesen zur Ermittlung von Liefervorgängen und Behinderungen (Wittenbrink et al. 2019). Im Rahmen der Zustandsbewertung erfolgt ein Abgleich zwischen dem in der Zustandsanalyse ermittelten Ist-Zustand und dem formulierten Zielsystem (FSGV 2018). Mit der SWOT-Analyse kann hierbei ermittelt werden, welche Stärken (strengths), Schwächen (weaknesses), Chancen (opportunities) und Risiken (threats) für die Erreichung der Zielsystems vorliegen (ebd.).

Im Anschluss wird das im Zuge der Maßnahmenuntersuchung das Handlungskonzept erstellt. Dazu sind die Wirkungen der in Frage kommenden Maßnahmen geeignet abzuschätzen (z. B. mit Verkehrsmodellen, siehe dazu weitergehend FGSV 2020). Die Maßnahmen sollen anhand ihres Beitrags zum zuvor entwickelten Zielsystem (beispielhafte Gewichtung für das Zielfeld Verkehr, s. FSGV 2018) bewertet werden (Wittenbrink et al. 2019). Dieser Maßnahmenbewertung wird danach gegenübergestellt, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die jeweilige Maßnahme umzusetzen ist (Wittenbrink et al. 2019). Daraus wird ein Handlungsprogramm entwickelt, das festlegt, zu welchem Zeitpunkt und unter Mitwirkung welche:r Akteur:innen die Umsetzung jeweils durchzuführen ist (Wittenbrink et al. 2019). Da für eine erfolgreiche Umsetzung die Mitwirkung der privatwirtschaftlichen Akteur:innen notwendig ist, sind diese bei der Erstellung des Handlungsprogramms zu beteiligen.

Während der späteren Umsetzung des abgestimmten Handlungsprogramms sollte die Beteiligung der Akteur:innen weitergeführt werden (Abb. 14.3). Ebenso sollte die bereits realisierten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit evaluiert werden (FSGV 2018).

Abb. 14.3
figure 3

Beispielhafte Gewichtung des Zielsystems eines städtischen Güterverkehrskonzeptes. (Quelle: Agora Verkehrswende 2020)

2.2 Berücksichtigung der Radlogistik in städtischen Wirtschaftsverkehrskonzepten

Eine verstärkte Verankerung der Radlogistik ist in allen Phasen der Konzepterstellung möglich. In der Phase der Orientierung, in der u. a. die räumliche und segmentspezifische Abgrenzung stattfindet, kann dies umgesetzt werden, indem zum einen radlogistik-affine Segmente, wie Stückgut und KEP, berücksichtigt werden und der Untersuchungsraum (zusätzlich) um verdichtete, in Innenstadtrandlage befindliche radlogistik-affine Quartiere erweitert wird. Zum anderen sollten entsprechend auch Akteur:innen beteiligt werden, die bereits in der Radlogistik aktiv sind (z. B. Fahrradkurier:innen).

In der darauffolgenden Phase der Problemanalyse und Zielentwicklung kann die Radlogistik dahingehend adressiert werden, dass im Rahmen der Zustandsanalyse Interviews mit Radlogistiker:innen durchgeführt werden, um deren spezifische Problemlagen beleuchten zu können. Zugleich kann hier deren Bereitschaft für eine mögliche spätere Teilnahme an Bündelungskonzepten (z. B. mit Mikro-Depots), die eine mögliche Maßnahme im Handlungsprogramm von Wirtschaftskonzepten sind, abgefragt werden. Zusätzlich kann in dieser Phase die Lastenradförderung als ein abgestimmtes planungsorientiertes Ziel formuliert werden. Dies könnte z. B. lauten: 50 % aller Belieferungen in der Innenstadt sollen bis 2040 mit dem Lastenrad abgewickelt werden.

Im Zuge der Konzeption des Handlungsprogramms im Rahmen der Maßnahmenuntersuchung wird die Radlogistik bereits vielfach berücksichtigt, indem radlogistik-spezifische Maßnahmen (z. B. Anschaffungsförderung von Lastenrädern für Handwerker:innen) sowie die Radlogistik fördernde Maßnahmen, wie Freigaben der Fußgängerzonen für Lastenräder in die Maßnahmensammlung und -untersuchung einbezogen werden. Im Falle einer hohen Priorisierung im Handlungsprogramm können diese dann umgesetzt werden. Einen Praxiseinblick zur Berücksichtigung der Radlogistik in Wirtschaftsverkehrskonzepten bietet das Kap. 22.

2.3 Berücksichtigung in der Quartierslogistik

Die Herausforderung in der Planung von urbaner Logistik ist, dass sie nicht standardisiert funktioniert. Je nach Stadt, Quartier, Verkehrssystem und weiteren Faktoren ergeben sich unterschiedliche Eignungen für Logistikkonzepte. (Behrends und Rodrigue 2019) beschreiben dies vereinfacht als den Dualismus der urbanen Logistik. In den suburbanen Gebieten sind Van- und LKW-basierte Konzepte aufgrund langer Strecken, ausreichender Verkehrsnetzkapazitäten und hohem Angebot an Stellplätzen geeignet, in Innenstadtlagen mit engen Verkehrsräumen, großen Nutzungskonflikten sind Logistikkonzepte mit kleineren Fahrzeugen und/oder höherer Bündelung zu bevorzugen. Für dt. Städte mit einer differenzierteren Ausprägung der baulich-räumlichen Organisation wurde von (Altenburg et al. 2019) eine Quartierstypologie am Beispiel von Hamburg entwickelt, die an dieser Stelle durch Nutzung des differenzierten regionalstatischen Regionstyps präzisiert wird (Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) 2021). Im Rahmen des RegioStaR 17 Plus werden zusätzlich innerstädtische kleinräumige Typen genauer betrachtet (Abb. 14.4).

Abb. 14.4
figure 4

Verortung von Maßnahmen der Citylogistik nach städtebaulicher Differenzierung (© Sebastian Stiehm)

Urbane Logistik lässt sich entsprechend der Quartiersbezogenheit sinnvoll als Quartierslogistik planen (Abb. 14.5). Das heißt, dass die Logistik in der Stadt passend für die Quartiere und ihre Möglichkeiten und Unmöglichkeiten geplant wird und sich so deutlich besser städtebaulich integrieren lässt. Den Ansatz der Planung der Quartierslogistik und die Einbindung von Logistik in die Planungsprozesse und integrierte Planung von Stadt beschreibt (Assmann 2020). Die Logistikplanung, also die Planung der Ver- und Entsorgung der Stadt mit Gütern, findet integriert mit den städtebaulichen sozialen und verkehrlichen Planungsprozessen statt. Wesentlich dabei ist, dass Logistik nicht nur auf der Ebene des einzelnen Objekts geplant wird, sondern ebenso Planungsgegenstand auf der Betrachtungsebene des Quartiers und der Stadt bzw. Region wird. Mit der Einbindung der Logistikplanung in die Quartiers- und Stadtplanung wird Logistik eine strategische Planungsaufgabe, die bei der Planung der Aufteilung und Nutzung von Flächen und Kapazitäten im Verkehrsnetz integriert mitberücksichtigt wird.

Abb. 14.5
figure 5

Planungsebenen und relevante Planungsinstrumente der Stadtlogistik

Der Planungsansatz der Quartierslogistik setzt im Einklang mit Ansätzen der nachhaltigen, kompakten Stadtplanung (Frick 2011; Bott und Siedentop 2013) das Quartier als Hauptebene der Planung. Für das Quartier wird die Verteilung und Gestaltung der Baublöcke (mit intendierter Nutzung), das Erschließungssystem, die Verteilung von sozialen und technischen Infrastrukturen, Pflanzungen etc. geplant. Im Rahmen dieser Planung kann sowohl bei Bestands- wie Neubauquartieren auf Basis der Nutzungsarten und Nutzungsdichte das Güteraufkommen grob bestimmt und auf Logistiksektoren verteilt werden. Die Quartierstypologie der Logistik gibt für das Quartier einen ersten Lösungsraum der Konzepte, die mit Logistikakteuren spezifiziert werden um Logistikflächen (Quartiersknoten) im Quartier zu lokalisieren, zu dimensionieren und für die Logistik freimachen zu können. Zur Umsetzung der Planung bietet sich ein Quartierskonzept mit integriertem Verkehrs- und Logistikkonzept an, welches leitend ist um auf der Planungsebene des Raumabschnitts konkrete Anzahlen, Typen und Größen von Logistikflächen und -Einrichtungen umsetzen zu können. Je nach Quartier und Planungssituation können auch bereits Festlegungen in Bebauungsplänen oder über städtebauliche Verträge getroffen werden.

In der Planungsebene des Raumabschnitts erfolgt die Planung eines einzelnen Objekts, einer Straße oder ähnlichen Anlage. Hier werden die Vorgaben aus der Quartiersplanung hinsichtlich des genauen Typs eines Logistikfläche, ihrer Lage, Größe und Nutzungsbedingungen konkretisiert. Dies kann analog zum Quartier über einen Bebauungsplan oder städtebaulichen Vertrag erfolgen. Weiterhin sind hier jedoch auch Planfeststellungsbeschlüsse (bei Infrastrukturen) oder auch Festlegungen in Baugenehmigungen denkbar. Bei letzteren ist z. B. denkbar, dass anbieterneutrale Paketschränke oder das Vorhalten einer Liefer- und Ladezonen für die Baugenehmigung erforderlich ist. In dieser Ebene werden auch Logistikinfrastrukturen, wie z. B. ein Quartiersknoten, welche von Vorteil für das gesamte Quartier sind, in einzelnen Vorhaben festgesetzt.

Der Planungsansatz der Quartierslogistik bedeutet auf der Planungsebene der Gesamtstadt, dass die Quartiere mit ihren Logistikkonzepten miteinander verbunden werden. Dies erfolgt über die Planung des Hauptverkehrsnetzes, der Straßenbahnen, Wasserstraßen und anderen Infrastrukturen. Da viele Logistikhubs im suburbanen Bereich und in Nachbargemeinden sitzen, ist hier eine regionalen Planungsperspektive zu empfehlen, die nicht an den administrativen Grenzen der Stadt halt macht. Die einzelnen Quartiere werden miteinander, aber im Wesentlichen mit den großen Logistikknoten und Terminals am Stadtrand verbunden. In dieser Planung der Verbindung können dann auch großvolumige Verkehre zu den Quartiersknoten per LKW, Straßenbahn oder anderen Verkehrsmitteln Sinn ergeben und entsprechend in der Infrastrukturplanung der Stadt Eingang finden. Die Planungsergebnisse sind sowohl in Flächennutzungsplänen zur Festsetzung von Logistikflächen (für größere Logistikknoten bzw. Cluster von diesen) wie auch die verbindenden Verkehrsinfrastrukturen festzuhalten und sollten darüber hinaus in Regionalentwicklungspläne, Verkehrsentwicklungspläne und Integrierte Stadtentwicklungskonzepte eingehen. Ein erster Startpunkt für eine Gemeinde kann die Erstellung eines Logistikkonzepts darstellen.

Die systematische Berücksichtigung von Logistik in der Planung von Stadt und Verkehr lässt sich abseits des Planungsansatzes der Quartierslogistik ebenso mit anderen Maßnahmen und Instrumenten realisieren und stellt bereits eine deutliche Verbesserung zum Status quo dar. Konkret sind hier zu nennen:

  • Einführung der Logistik in die Abwägungsgründe und Belange des BauGB bei der Erstellung von Bauleitplänen

  • Planung und Festsetzung von Logistikflächen und -infrastrukturen im Rahmen der Quartiers- und Bauleitplanung

  • Etablierung einer Logistikflächensatzung, welche für Objekte und Quartiere Vorgaben zu Typen und Dimensionen von Logistikflächen und Logistikeinrichtungen (z. B. Anzahl Paketboxen, Lieferzonen) macht; dies kann auch in übliche Stellplatzsatzungen integriert werden

  • Integration der Logistik in der Verkehrsnachfragemodellierung und Verkehrsplanung mit Berücksichtigung von Sektoren, Quellen und Senken

  • Systematische Erhebung des Aufkommens, der Arten und der Mengen des Wirtschaftsverkehrs in der Stadt bzw. in Stadtgebieten

  • Auf europäischer Ebene wird im Rahmen der Erstellung von Sustainable Urban Mobility Plans zunehmend auch die Erstellung eines Sustainable Urban Logistics Plans (SULP) propagiert; dies ist grundsätzlich auch für deutsche Städte sinnvoll

Für die Stadt Hamburg wurde durch (Altenburg et al. 2019) der Bedarf an 100 Standorten für Mikro-Hubs ermittelt. Diese Standorte werden zeitnah nicht allein durch eine Einzelplanung umgesetzt werden können. Vielmehr braucht es in Städten einen systematischen Planungsansatz, der mindestens auf Quartiersebene Radlogistik und die notwendigen Flächen dafür plant und umsetzt.

3 Maßnahmengruppen zur Förderung der Radlogistik

Bei der hier folgenden Darstellung ausgewählter Maßnahmengruppen zur Förderung des gewerblichen Lastenradverkehrs wird auf die Klassifikation von Maßnahmenbereichen nach Russo und Comi (2011) und Agora Verkehrswende (2020) zurückgegriffen. Demnach lassen sich Maßnahmen der Urbanen Logistik in vier Bereiche einteilen: (1) Maßnahmen der materiellen Infrastruktur können an der Verkehrsinfrastruktur als solcher ansetzten, oder sich mit der Flächensicherung oder logistischen Knoten befassen. Hier haben öffentliche Planungsträger in der Regel einen großen Einfluss und können Maßnahmen in eigener Verantwortung vorantreiben. (2) Maßnahmen der immateriellen Infrastruktur können sich mit Daten und der Bereitstellung notwendiger Plattformen befassen, oder an den logistischen Prozessen als solchen ansetzen. Auf letzteres haben öffentliche Planungsträger in der Regel wenig Einfluss, weswegen solche Maßnahmen hier nicht behandelt werden. (3) Maßnahmen aus dem Bereich Governance und Steuerung liegen in der Regel allein in der Hand öffentlicher Planungsträgern. Sie umfassen regulatorische Maßnahmen sowie „weichere“ Maßnahmen, wie das Handeln der Verwaltung als Akteur im Logistiksystem (wurde bereits behandelt) und die Moderation unter weiteren Akteur:innen.

(4) Zuletzt umfasst die Agora-Maßnahmenklassifikation auch Ausrüstungs-Maßnahmen, die auf Fahrzeuge, Ladungsträger oder andere unternehmensinterne Infrastruktur abzielen. Öffentliche Planungsträger können hier häufig nur über regulatorische Maßnahmen Anreize setzen. Verantwortlich für die Umsetzung ist hier die Logistikwirtschaft. Deshalb wird dieser Maßnahmenbereich in diesem Kapitel nicht vertieft betrachtet.

3.1 Maßnahmen der materiellen Infrastruktur

Im nun folgenden Abschnitt werden die Maßnahmen aus dem Bereich der materiellen Infrastruktur dargestellt. Diese umfassen die Bauleitplanung und Flächennutzungsplanung, die Flächenbereitstellung für die Nutzung als Mikro-Hubs, die Infrastruktur für den fließenden, sowie den Ruhenden Verkehr und zuletzt die Berücksichtigung der Radlogistik in der Netzgestaltung.

3.1.1 Bauleitplanung und Flächenbevorratung

Der Einsatz von Lastenrädern auf der letzten Meile erfordert häufig einen Umschlag der Transportgüter. Je nach Logistikkonzept entstehen dabei Flächenbedarfe.

Die Kommunen bestimmen im Rahmen der Bauleitplanung zulässige Flächennutzungen im Stadtgebiet. Als Instrumente stehen ihnen hierfür u. a. Bebauungspläne und Flächennutzungspläne zur Verfügung.

Der Flächennutzungsplan gilt dabei als vorbereitendes Planwerk und ist behördenverbindlich. Er regelt grob die Nutzung von Flächen im gesamten Stadtgebiet. Der Bebauungsplan hingegen ist allgemeinverbindlich und behandelt in der Regel einzelne Entwicklungsprojekte oder Quartiere. Die Regelungstiefe ist hier deutlich höher als beim Flächennutzungsplan (Munzinger und Niemeyer 2022). Beide Planwerke sind vor allem zur Sicherung von großen Logistikflächen in Stadtrandlage geeignet. Im Rahmen von Neubauprojekten wäre allerdings auch denkbar kleinere Flächen in der Nachbarschaft über einen Bebauungsplan zu sichern.

Über die Bauleitplanung schafft die Kommune verbindliches Ortsrecht, mit dem sie auch die Entwicklung privater Flächen steuern kann. Ob Flächen tatsächlich genutzt werden, kann die Kommune jedoch darüber nicht beeinflussen. Sie definiert lediglich die zulässigen Nutzungen und das zulässige Maß der Bebauung. Außerdem wird eine Kommune mit Mitteln der Bauleitplanung kaum Einfluss darauf nehmen können, wie genau eine logistische Nutzung auf bestimmten Flächen funktioniert. Die Regelungen sind dafür in der Regel nicht hinreichend spezifisch möglich.

Um die tatsächliche logistische Nutzung einer Fläche beeinflussen zu können, greift beispielsweise die Stadt Zürich auf eigene Flächen zurück. Sie hat in ihrem Richtplan (entspricht etwa dem deutschen Flächennutzungsplan) einige größere Flächen, die sich in städtischem Besitz finden, für logistische Funktionen gesichert. Durch ihre Veräußerungspraxis kann sie so direkt beeinflussen, welches Logistikmarktsegment die jeweiligen Flächen tatsächlich nutzt.

3.1.2 Flächenbereitstellung für die Nutzung durch Mikro-Hubs

Über den Betrieb und die Planung von Mikro-Hubs wurde in diesem Buch bereits mehrfach geschrieben. Hier soll deshalb darauf verzichtet werden, darzustellen, welche Rolle der Kommune im Einzelnen bei der Planung zukommt. An dieser Stelle geht es lediglich um die Flächenbereitstellung und die baurechtliche Ermöglichung von Mikro-Hubs.

In öffentlichen Straßen besteht in der Regel Gemeingebrauch, sofern durch die Widmung nichts anderes geregelt wurde. Die Nutzung von öffentlichem Straßenraum stellt gegenüber diesem Gemeingebrauch eine genehmigungspflichtige Sondernutzung dar. Eine entsprechende Sondergenehmigung ist nur zeitlich beschränkt möglich.

Grundsätzlich ist bei der Bereitstellung der Flächen diskriminierungsfrei vorzugehen. Einige Kommunen zögern deshalb, öffentlichen Straßenraum für Mikro-Hubs zur Verfügung zu stellen. Da diese in der Regel nicht kooperativ betrieben werden, befürchten sie, dass sie auch anderen Logistikdienstleistern entsprechende Flächen im öffentlichen Straßenraum anbieten müssen.

Im Rahmen des Berliner Projekts KoMoDo wurde ausgeführt, dass für die Planungssicherheit von Unternehmen Abschreibungsräume von nicht weniger als 2 oder 3 Jahren notwendig sind (LogisticNetwork Consultants 2019). Dies kann als Anhaltspunkt für die Mindestlaufzeit von Sondergenehmigungen dienen.

3.1.3 Fließender Verkehr

Radverkehrsanlagen des fließenden Verkehrs (Radfahrstreifen, Schutzstreifen, baulich getrennte Radwege, sog. geschützte Radfahrstreifen) sind häufig für die Nutzung durch Lastenräder ungeeignet. Im Umgang mit diesen Verkehrsanlagen stellen sich deshalb zwei Fragen. Zunächst die nach der zukünftigen Gestaltung dieser Verkehrsanlagen. Außerdem müssen Städte einen Umgang mit dem Bestand in der Übergangsphase finden.

Bei der Bemessung von Radverkehrsanlagen sind zukünftig auch Lastenräder als Bemessungsfahrzeuge zu berücksichtigen. Bis zum Erscheinen der neuen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen sei hierfür u. a. auf die Einleitung dieses Buches verwiesen. Durch die größeren Wenderadien von zweispurigen Lastenrädern sind auch an Knotenpunkten entsprechende Maße zu berücksichtigen.

Zu geringe Breiten sind besonders da kritisch, wo eine Nutzung der neben der Radverkehrsanlage liegenden Flächen aus baulichen Gründen nicht möglich ist. Dies ist in der Regel bei baulichen Radwegen (auf Grund der Einbauten im Seitenraum) und an geschützten Radfahrstreifen (auf Grund der Protektionsflächen) der Fall. Bis eine Umgestaltung der entsprechenden Streckenabschnitte möglich ist, sollte eine Aufhebung der Radwegenutzungspflicht geprüft werden, um schwere zweispurige Lastenräder nicht auf zu eng bemessene Radinfrastrukturen zu zwingen. Aufstellflächen an Knotenpunkten sollten derart bemessen werden, dass auch das Abstellen größerer Lastenräder möglich ist. Bei baulichen Verengungen der Radverkehrsanlage sollte nicht unter die Mindestmaße der Befahrbarkeit für schwere Lastenräder gegangen werden. Auf Umlaufgitter sollte verzichtet werden, da diese ein besonderes Hindernis für Lastenräder darstellen.

3.1.4 Ruhender Verkehr

Auch im ruhenden Verkehr haben Lastenräder besondere Anforderungen. Bei der Förderung der Radlogistik ist insbesondere die Anordnung von Liefer- und Ladeflächen wichtig. Darauf wird in einem eigenen Kapitel (Kap. 17) dieses Buches ausführlich eingegangen, weshalb hier auf entsprechende Ausführungen verzichtet wird.

Lösungen für Abstellanlagen für Lastenräder werden im Leitfaden des NRVP-Projekts ALADIN dargestellt (Gather et al. 2022).

3.1.5 Berücksichtigung in der Netzgestaltung

Die Radlogistik soll zukünftig einen großen Teil der Zustellung auf der letzten Meile übernehmen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, muss die Erreichbarkeit aller Stadtbereiche für die Radlogistik sichergestellt werden. Das Netz von lastenradgerechten Verkehrswegen muss deshalb dicht sein. Bisher wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass Lastenräder wesentlich andere Routen wählen, als dies bei dem konventionellen Radverkehr der Fall ist. Eine Planung von gesonderten Netzen erscheint deshalb nicht vielversprechend.

Unter Umständen können allerdings „Achsen der Radlogistik“ geschaffen werden, wo die Erschließung von Zielgebieten von CityHubs in deren Randlage angestrebt wird. Diese Achsen sollten explizit auf den Schwerlastradverkehr ausgerichtet sein und entsprechende Überhol- und Begegnungsvorgänge ermöglichen.

3.2 Maßnahmen der immateriellen Infrastruktur

Der Maßnahmenbereich der immateriellen Infrastruktur umfasst die Bereitstellung von Daten und die Schaffung von Plattformen, die die Kommunikation zwischen Agierenden in der urbanen Logistik vereinfachen (Agora Verkehrswende 2020). Maßnahmen in diesem Bereich können grundsätzlich sowohl von der Kommune als auch von Unternehmen angestoßen werden. Da die Logistikdienstleister grundsätzlich in Konkurrenz zueinanderstehen, ist die Kommune als neutrale Instanz besonders geeignet, um dies zu tun.

3.2.1 Bereitstellung öffentlicher Daten

Zur Planung von Radlogistikkonzepten sind sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene Daten erforderlich.

Raumbezogene Daten zur Beschreibung von Stadtquartieren (beispielsweise Bevölkerungsverteilungen, Bodenrichtwerte, baurechtliche Festsetzungen) können schon in der Konzeptionsphase eines Radlogistikkonzepts von Bedeutung sein und sollten nach Möglichkeit von Kommunen bereitgestellt werden (beispielsweise in Geo- oder OpenData-Portalen). Gleiches gilt für strategische Festlegungen, die die Kommune beispielsweise in Güterverkehrskonzepten getroffen hat. So können auch solche Unternehmen und andere Akteur:innen, die nicht an der Erarbeitung beteiligt waren, diese strategischen Leitlinien einsehen und bei der Konzeption eigener Vorhaben berücksichtigen.

Auf operativer Ebene fehlen häufig qualitativ hochwertige Daten, um ein optimales Lastenradrouting sicherzustellen. Für ein lastenradspezifisches Routing im Bestandsnetz ist die entsprechende Attribuierung von Verkehrsnetzen notwendig. Zwar wurde beispielsweise von dem CargoRocket-Team ein OpenStreetMap-basierter Ansatz zum Netzparametrisierung entwickelt (Kapp 16.05.2021), allerdings ist die Datenqualität der OpenStreetMap nicht flächendeckend gut genug, um eine entsprechende Attribuierung zu ermöglichen. Kommunen sollten deshalb Daten über Führungsformen des Radverkehrs, ggf. Radwegebreiten und -oberflächen, sowie zu Barrieren geeignet – bspw. über Geoportale – veröffentlichen, sofern sie ihnen vorliegen.

Teilweise streben Kommunen auch die Bereitstellung von Live-Daten zur Belegung von Liefer- und Ladeflächen an. Obwohl dies grundsätzlich zu begrüßen ist, ist noch offen, ob diese Daten tatsächlich in der Betriebsplanung genutzt werden.

3.2.2 Schaffung von Datenplattformen

Hinsichtlich planungsrelevanter Daten existieren derzeit mehrere Schwierigkeiten:

  • planungsrelevante Daten wurden nicht erfasst

  • planungsrelevante Daten sind den potenziellen Nutzenden (in Verwaltung und Wirtschaft) nicht zugänglich

  • die Existenz planungsrelevanter Daten ist potenziellen Nutzenden (in Verwaltung und Wirtschaft) nicht bekannt

  • für die Verarbeitung fehlen innerhalb der Unternehmen oder der Verwaltung die entsprechenden Programme oder Kompetenzen

Häufig liegen relevante Daten bei verschiedenen Akteur:innen vor und müssen zusammengeführt werden, um sie nutzbar zu machen. Ein Beispiel hierfür sind Daten über potenzielle Standorte für Mikro-Hubs. Während häufig auch öffentliche Flächen für diese infrage kommen, gibt es in der Regel auch viele private Flächen, die für den Betrieb einer Ladefläche infrage kommen. Öffentliche Planungsträger müssen sich bei solchen Flächen darauf beschränken eine Datenplattform bereitzustellen, um den Austausch relevanter Daten zu ermöglichen und anschließend für die Nutzung dieser Plattformen zu werben.

Knese et al. (2023) haben festgestellt, dass die Hürden bei der Vermittlung von Informationen zwischen Flächeneigentümer:innen und potenziellen Flächennachfragenden eine Hürde für die Realisierung von Radlogistikkonzepten darstellen und deshalb ein Design für eine Datenplattform vorgeschlagen, in der die Kontaktdaten relevanter Akteur:innen aufzufinden sind, Gesuche und Angebote für Flächen veröffentlicht werden können und relevante Informationen zur Planung von Mikro-Hubs enthalten sind.

Um den Erfolg dieser und vergleichbarer Datenplattformen sicherzustellen, sollten potenzielle Nutzende in die Konzeption einbezogen werden. Deshalb können sie beispielsweise Nebenprodukt einer Güterverkehrsrunde oder vergleichbarer Austauschforen sein.

3.3 Maßnahmenbereich Governance/Steuerung

Der Maßnahmenbereich Governance und Steuerung umfasst neben den regulatorischen Maßnahmen auch das Agieren der Verwaltung als Akteur im Verkehrssystem und das Management der Akteur:innen. Da jedoch sowohl der Umgang mit Akteur:innen der Radlogistik als auch die kommunalen Einsatzfelder von Lastenrädern bereits in eigenen Kapiteln thematisiert wurden, stehen hier allein die regulatorischen Maßnahmen im Fokus.

3.3.1 Lastenradförderung für gewerbliche Nutzungen

Die finanzielle Förderung der Anschaffung von Lastenrädern ist ein inzwischen recht weit verbreitetes Instrument der Lastenradförderung. Einen regelmäßig gepflegten Überblick über die Förderprogramme bietet, Stand 2023, cargobike.jetzt (o. J.) auf ihrer Homepage.

Öffentliche Fördergebende verfolgen mit ihren Programmen teilweise unterschiedliche Ziele und sprechen auch unterschiedliche Zielgruppen an. Im Wesentlichen lassen sich folgende Motivationen erkennen:

  • Verkehrswende: Durch die Förderung könnten Lastenräder auch für Personen und Unternehmen eine Option sein, die sonst vor den Kosten zurückschrecken. So werden mehr Verkehrsteilnehmende in die Lage versetzt, sich für die Nutzung von Lastenrädern zu entscheiden.

  • Marktimpuls: Durch die finanzielle Förderung von Lastenrädern werden diese sichtbarer und somit als Verkehrsmittel bekannter. So sollen Kaufprämien den Markthochlauf von Lastenrädern fördern – unabhängig davon, ob eine gewerbliche oder private Nutzung angestrebt ist.

  • Fördergerechtigkeit: Die Anschaffung von elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeugen wird von der Bundesebene seit langer Zeit gefördert. Eine vergleichbare bundesweite Förderung fehlt zumindest für privat genutzte Lastenräder.

Mit der Förderung der Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat der Bund ein Förderprogramm für die Anschaffung von gewerblichen Lastenrädern geschaffen (aktuell Laufzeit März 2021 bis Februar 2024). Häufig ist besonders die Nachfrage nach der Förderung privater Lastenräder extrem hoch. Einen Umgang damit zeigt das Beispiel der Stadt Köln: Da sie explizit auch Vereine und gewerbliche Nutzende mit ihrer Förderung erreichen wollte, hat sie in ihrer Förderrichtlinie entsprechend drei Nutzendengruppen definiert, auf die das Fördervolumen zu gleichen Teilen verteilt wurde (Stadt Köln, Die Oberbürgermeisterin 2021).

Einen vertieften Einblick zu Treibern und Hemmnissen im gewerblichen Lastenradeinsatz bietet Kap. 21.

3.3.2 Gebietsbezogene Einfahrtsverbote

Entgegen streckenbezogener Fahrverbote, die nicht zu messbaren modalen Verlagerungen führen, sind gebietsbezogene Fahrverbote eine etablierte Maßnahme, die in Deutschland vor allem in Form sogenannter Umweltzonen bekannt ist. Hinsichtlich ihrer zu erzielenden Wirkung auf die Gestaltung logistischer Prozesse lassen sich idealtypisch vor allem die Umstellung der Fahrzeugflotten sowie eine Neujustierung der Ziel- und Verkehrsmittelwahl (Modal-Shift-Effekte) beobachten, weshalb sie als eine vielversprechende Maßnahme gilt, einen Beitrag zur Stärkung der Radlogistik zu leisten.

Umweltzonen sind räumlich begrenzte Gebiete, in denen nur Fahrzeuge fahren dürfen, die bestimmte Abgasstandards einhalten. Gesetzlich verankert sind Umweltzonen in die Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BIMSchV) und in die Straßenverkehrsordnung (StVO). Die Entscheidungen für oder gegen die Einführung einer Umweltzone wird auf kommunaler Ebene auf Basis der Luftqualität und entsprechender Luftreinhaltepläne getroffen.Footnote 4 Da derzeit rund 90 % des Kfz-Bestandes die Abgasstandards für eine grüne Plakette erfüllen, erzielen Umweltzonen kaum noch die erhofften Wirkungen. Um mithilfe dieses Instruments wieder nennenswerte Effekte erzielen zu können, bedarf es einer Verschärfung des Rechtsrahmens und die Einführung neuer, strengerer Emissionsklassen.

3.3.3 Lieferzeitbeschränkungen

Fußgängerzonen in deutschen Städten sind in der Regel zu bestimmten Zeitfenstern für den Lieferverkehr geöffnet. In diesen Lieferzeitfenstern dürfen Fahrzeuge des Lieferverkehrs abweichend von der sonst gültigen Regelung die Zonen befahren, um die dort liegenden Ziele zu beliefern. Das Instrument ist sich bewährt, um einerseits die Belieferung der Innenstädte zu ermöglichen und andererseits negative Einflüsse auf den Fußverkehr zu vermeiden.

Mit Blick auf die Radlogistik sind bei der Ausweisung solcher Lieferzeitfenster zwei Punkte zu beachten. Zunächst sollte sichergestellt werden, dass die Beschilderung der Freigabe auch Lastenräder umfasst. Teilweise sind Freigaben als „Lieferverkehr mit KFz frei“ gekennzeichnet. Teilweise handelt es sich dabei um einen unbeabsichtigten Ausschluss des Lastenradverkehrs. Stattdessen kann beispielsweise eine einfache Beschilderung „Lieferverkehr frei“ gewählt werden. Außerdem sollte zur Förderung der Radlogistik geprüft werden, ob über das Lieferzeitfenster hinaus eine Freigabe für den Lieferverkehr mit Lastenrädern ganztägig genehmigt werden soll.

4 Zusammenfassung

Kommunales Handeln beeinflusst das System des Güterverkehrs in einer Stadt. Die Kommune kann so zu einem erfolgreichen Hochlauf der Radlogistik in der jeweiligen Stadt beitragen. Hierfür ist zunächst die strategische Handlungsfähigkeit der Verwaltung herzustellen. Dies kann durch die Erarbeitung und verbindliche Abstimmung eines Güter- oder Wirtschaftsverkehrskonzepts geschehen, das die Radlogistik umfasst. Die Herstellung dauerhafter und ausreichender Planungskapazitäten (personell und finanziell) in der Verwaltung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung solcher Konzepte.

Während die Kommunen bei einigen Maßnahmen alleinige Entscheidungsträgerinnen sind, können sie in vielen Maßnahmenbereichen nur Impulse setzen und sind auf den Austausch mit weiteren Agierenden im Wirtschaftsverkehr angewiesen. Deshalb ist die Flankierung der hier beschriebenen Maßnahmentypen durch eine kontinuierliche Beteiligung der Akteur:innen notwendig.

Aus kommunaler Sicht sind besonders die Maßnahmenbereiche materielle und immaterielle Infrastruktur sowie Governance/Steuerung relevante Handlungsfelder. Durch die Einbettung kommunaler Maßnahmen in den strategischen Rahmen wird sichergestellt, dass diese zur Förderung der Radlogistik beitragen.