FormalPara Relevanz

Die Bekämpfung des Klimawandels zwingt zu einschneidenden Massnahmen. Hohe CO2 Preise sind unvermeidlich. Aber neue Kosten lähmen die Wettbewerbsfähigkeit und bremsen das Wachstum. Ist Innovation die Lösung? Mit Prozessinnovationen können die Unternehmen die Produktion emissionssparend verbessern, den Kostenanstieg durch CO2-Steuern wenigstens teilweise kompensieren, und ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit wieder steigern. Wenn die Emissionen sinken, ohne die Kosten zu steigern, wäre das Ziel einer wachstumsfreundlichen Klimapolitik erreicht. Entscheidend ist, wie stark die privaten F&E-Investitionen zunehmen, wenn die Umweltsteuern steigen.

FormalPara Quelle

Brown, J. R., Martinsson, C., & Thomann, C. (2022). Can environmental policy encourage technical change? Emissions taxes and R&D investment in polluting firms. Review of Financial Studies, 35, 4518–4560.

Ist Innovation die Lösung für das Klimaproblem? Es braucht mehr systematische Evidenz, wie stark umweltpolitische Massnahmen die Unternehmen zu emissionssenkenden Investitionen motivieren können. Einen Beitrag dazu leistet eine neue Untersuchung von Brown, Martinsson und Thomann. Sie zeigen, dass insbesondere Unternehmen in stark umweltbelastenden Branchen auf eine Erhöhung der Umweltsteuer reagieren und ihre Investitionen in F&E wesentlich erhöhen. Demnach geht eine Erhöhung der Umweltsteuern um eine Standardabweichung (das sind zwei Stufen auf einer sechsteiligen Skala) mit einem Anstieg der F&E-Ausgaben um etwa 11 % der durchschnittlichen F&E-Ausgaben einher. Die höheren F&E-Ausgaben führen jedoch kaum zu einer Steigerung der Patentanmeldungen für ganz neue Produkte und Dienstleistungen. Die F&E-Investitionen lösen vorwiegend Prozessinnovationen aus, mit denen die Unternehmen den Produktionsprozess emissionssparend anpassen und aus den bestehenden Alternativen emissionsärmere Technologien auswählen und implementieren. In manchen Branchen verbreitet sich neues Wissen schneller und leichter als in anderen. Die Forscher zeigen, dass vor allem die F&E von Unternehmen in Branchen mit hohem Wissenstransfer, wo der Zugang zu existierendem Knowhow einfach und günstig ist, stark auf steigende Umweltsteuern reagiert.

Stark umweltbelastende Unternehmen in Branchen mit hohem Wissenstransfer und günstigem Wissenserwerb reagieren besonders stark auf eine Erhöhung der Umweltsteuern.

Die Autoren stützen sich auf mehrere Datenquellen. Erstens nutzen sie die Datenbanken Compustat Global und Nordamerika für die konsolidierten Jahresrechnungen der Unternehmen. Sie beschränken die Daten auf nicht U.S. Unternehmen, die zwischen 1990 und 2012 regelmässig ihre F&E-Ausgaben veröffentlicht haben. Zweitens verwenden Sie Daten zu Emissionssteuern von 18 OECD-Ländern. Konkret verwenden sie die Steuern, die auf den Ausstoss von Sulfuroxiden (SOx) erhoben werden. Diese werden von der OECD auf einer Skala von null (keine Steuer) bis sechs (hohe Steuer) gemessen, um die internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die Belastung mit SOx-Steuern ist in Tendenz steigend. Drittens nutzen die Autoren die Datenbank PATSTAT des Europäischen Patentamts. Sie enthält Information zu den weltweiten Patentierungsaktivitäten. Nach der Bereinigung und Zusammenführung der drei Datensätze entsteht eine Stichprobe bestehend aus circa 33′500 Firmen aus 18 Ländern über einen Zeitraum von 1990 bis 2012.

Aus mehreren Gründen verwenden die Autoren SOx-Emissionssteuern für ihre Untersuchung. Erstens sind Sulfuroxide wesentliche Luftschadstoffe. Zweitens variieren die SOx-Steuern je nach Land und Jahr recht stark. Solche Unterschiede sind für die Verlässlichkeit der ökonometrischen Ergebnisse wichtig. Diese Steuern sind z. B. in Japan über die gesamte Zeitspanne von 1990 bis 2012 konstant hoch, während sie in Dänemark sehr stark und in Kanada schwach steigen. Drittens existieren bereits gute Daten zum Ausstoss mit SOx-Schadstoffen in allen Industriezweigen und müssen nicht erst aufwendig erhoben werden. Nach der Datenbereinigung bleiben 107 Branchen übrig. Die Zementindustrie ist mit 140 Pfund SOx-Emissionen je Produktionseinheit mit Abstand die schmutzigste Industrie in der Stichprobe. Im Durchschnitt stossen die 107 Branchen neun Pfund SOx-Emissionen je Produktionseinheit aus. Die Emissionsintensitäten verschiedener Industrien unterscheiden sich signifikant.

Die Zementindustrie ist mit 140 Pfund SOx-Emissionen je Produktionseinheit mit Abstand die schmutzigste Industrie.

Die Wissenschaftler schätzen in einem ersten Schritt, wie die F&E-Ausgaben auf Emissionssteuern reagieren. Um die Wirkungen der Besteuerung von anderen Einflussgrössen zu isolieren, berücksichtigen sie weitere Kontrollvariablen wie z. B. firmenspezifische Finanzkennzahlen. Im Durchschnitt führt eine Erhöhung der Emissionssteuer um eine Standardabweichung, das sind zwei Stufen auf der Skala von 0 bis 6, zu einem Anstieg der F&E-Ausgaben um etwa 11 %. Da die Unternehmen vor der Steuererhöhung ihre F&E-Ausgaben kaum verändern, sondern erst in der Periode nach der Erhöhung stark steigern, kann man ziemlich sicher von einem kausalen Effekt ausgehen. Die Unternehmen reagieren mit höheren F&E-Investitionen auf den Anstieg der Emissionssteuern und nicht umgekehrt.

In einem zweiten Schritt nutzen Brown, Martinsson und Thomann die unterschiedliche Emissionsintensität verschiedener Branchen aus. So können sie zeigen, ob Unternehmen in emissionsintensiven Industrien stärker auf eine Anhebung von SOx-Steuern reagieren als ihre Pendants in emissionsarmen Branchen. Demnach reagieren Unternehmen in Branchen mit tiefen Emissionen nur unwesentlich auf eine Steuererhöhung. Dagegen steigern Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Schadstoffausstoss ihre F&E-Ausgaben um 14–18 % der durchschnittlichen F&E-Ausgaben. Man könnte einwenden, dass diese Effekte nicht nur den Einfluss der Steuern, sondern auch anderer Faktoren widerspiegeln. Um eine solche Verzerrung durch ausgelassene Variablen auszuschliessen, berücksichtigen die Forscher weitere Kontrollvariable, die ebenfalls einen Einfluss auf Emissionen ausüben dürften. Dazu zählen die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes gemessen am BIP pro Kopf, die staatlichen Ausgaben für umweltspezifische Innovationen, und schliesslich die Kosten für F&E. Alle drei Faktoren haben einzeln und kombiniert keinen nennenswerten Einfluss auf den geschätzten Koeffizienten der Steuerbelastung.

Unternehmen mit tiefen Emissionen reagieren nur unwesentlich auf eine Steuererhöhung. Dagegen steigern Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Schadstoffausstoss ihre F&E-Ausgaben um 14–18 %.

Innovation kann in verschiedene Richtungen gehen. Die F&E-Investitionen der Unternehmen können auf die Entwicklung neuer Produkte und Technologien abzielen. Produktinnovationen können besonders gut mit Patentdaten erfasst werden. Dagegen sollen Prozessinnovationen den Produktionsablauf verbessern, im vorliegenden Fall in einer emissionssparenden Art und Weise. Bei Prozessinnovationen erwerben die Unternehmen oft externes Wissen, um den letzten Stand des existierenden technischen Know-hows zu nutzen. Auch das ist eine wichtige Quelle für Produktivitätssteigerungen. Ein Grossteil der Innovationsforschung stützt sich auf Patentdaten, die vor allem die Entwicklung neuen Wissens und nicht die Anwendung existierenden Knowhows messen. Mit ihrer Studie leisten die Autoren einen wichtigen Beitrag zur bisher eher spärlichen Evidenz über die Wirksamkeit von Prozessinnovationen.

Um die unterschiedliche Bedeutung von Prozess- und Produktinnovationen auszuloten, beschränken die Wissenschaftler ihren Datensatz auf Unternehmen in Branchen mit unterdurchschnittlichen Patentbeständen. Solche Unternehmen bringen mit ihren F&E-Ausgaben wenig wirklich neue Innovationen hervor, die patentfähig wären. Dennoch können diese Investitionen zielgerichtet und produktiv sein, indem sie den Produktionsprozess optimieren, Emissionskosten sparen, und so den Unternehmenswert steigern. Die Autoren zeigen, dass die F&E-Ausgaben einen positiven Grenzertrag im Hinblick auf eine höhere Marktbewertung haben, auch wenn sie zu keinen neuen Patentanmeldungen führen. In einem Land mit einer durchschnittlichen SOx-Steuer (Stufe 1) steigt die Marktbewertung von umweltbelastenden Unternehmen um 12,5 % und von umweltfreundlichen Unternehmen um 10,8 %, wenn sie ihre F&E-Ausgaben um eine Standardabweichung erhöhen. Wie Abb. 1 zeigt, reagiert die Marktbewertung bei umweltbelastenden Unternehmen 5 Prozentpunkte stärker, wenn die Emissionssteuer auf Stufe 1 statt auf Stufe 0 ist. In anderen Worten ist der Grenzertrag der F&E-Ausgaben für umweltbelastende Unternehmen höher, wenn die Emissionssteuern höher sind, während der Grenzertrag für umweltfreundliche Unternehmen unverändert bleibt

Abb. 1
figure 1

(Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Brown, Martinsson und Thomann (2022))

Reaktion der Marktbewertung auf eine Erhöhung der F&E-Ausgaben um eine Standardabweichung in %.

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Man kann davon ausgehen, dass Unternehmen eher in Prozessinnovationen investieren, wenn externes Wissen einfacher zu erwerben ist. Tatsächlich gibt es wesentliche branchenübergreifende Unterschiede in der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von externem Wissen und Knowhow. Die Forscher nutzen einen Index, der getrennt nach Branchen die Verfügbarkeit von externem Wissen misst. Der Index wird auf einer Skala zwischen 0 (hohe Verfügbarkeit) und 100 % (tiefe Verfügbarkeit) gemessen. Beispielsweise hat die Zementindustrie eine hohe Verfügbarkeit mit einem Wert von 45,5 %, während Chemikalien einen Wert von 70,7 % aufweisen und daher stark geschützt sind. Mithilfe dieses Index können sie zeigen, dass eine Steuererhöhung nur dann einen positiven Einfluss auf die F&E-Ausgaben hat, wenn sich das Unternehmen in einer Branche mit hoher Verfügbarkeit von externem Knowhow befindet. In Branchen mit wenig Wissenstransfer ist keine Reaktion feststellbar. Angesichts dessen schliesst man, dass bei den Auswirkungen von höheren SOx-Steuern auf private F&E die Prozessinnovationen dominieren. Die Forscher finden daher in ihren Daten, dass Umweltsteuern nur in einer engen Untergruppe von Unternehmen die Patentanmeldungen für neue Technologien zur Verringerung der Umweltverschmutzung steigern können. Das sind die Unternehmen mit hohem Emissionsausstoss, die bereits in der Vergangenheit neue Technologien entwickelt haben und über entsprechende Erfahrung verfügen.

Die Arbeit von Brown, Martinsson und Thomann liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie Unternehmen auf eine Anhebung von Umweltsteuern reagieren und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem emissionsintensive Unternehmen in Branchen mit hohem Wissenstransfer und günstigem Wissenserwerb auf eine Erhöhung der Umweltsteuern reagieren und ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung wesentlich steigern. Die Auswirkungen zeigen sich weniger in einem Anstieg von Patentanmeldungen für neue Technologien. Die höheren F&E-Ausgaben fliessen hauptsächlich in die Implementierung und Anpassung von existierenden Technologien und in die emissionssparende Optimierung der Produktionsprozesse.