FormalPara Relevanz

Universitäten schaffen neues Wissen und bilden die grössten Talente aus. Die Grundlagenforschung soll allen nutzen, frei zugänglich sein, und braucht daher eine nachhaltige Basisfinanzierung. Die angewandte Forschung stiftet konkreten Nutzen für die Wirtschaft und trägt zur Drittmittelfinanzierung der Universitäten bei. Die Unternehmen müssen jedoch die Erträge schützen, damit ihre Investitionen in die Forschung rentieren. Privat finanzierte Forschung fördert die Kommerzialisierung, aber begrenzt die Nutzung durch andere. Wenn der Staat die Basisfinanzierung kürzt, weichen die Universitäten auf Drittmittelfinanzierung aus. Das stört die Balance zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung, mindert die Qualität der wissenschaftlichen Publikationen, und beeinträchtigt High-Tech-Unternehmensgründungen durch die AbsolventInnen.

FormalPara Quelle

Babina, T., He, A. X., Howell, S. T., Perlman, E. R., & Staudt, J. (2023). Cutting the innovation engine: How federal funding shocks affect university patenting, entrepreneurship, and publications, Quarterly Journal of Economics, 138, 895–954.

In den letzten Jahrzehnten sind die Investitionen der US-Regierung in Forschung und Entwicklung kontinuierlich gesunken. Forschende müssen mit immer weniger Forschungsgeldern zurechtkommen oder andere Finanzierungsquellen erschliessen. Wie wirkt sich eine Kürzung der staatlichen Forschungsgelder für Universitäten auf Innovation, Unternehmertum und wissenschaftlichen Fortschritt aus? Wie stark wird die Innovationskraft der USA nachlassen? Konkret untersucht das Forscherteam, wie sich nach einer kräftigen Ausgabenkürzung in den betroffenen Universitäten die Zahl der angemeldeten Patenten, die Häufigkeit wissenschaftlicher Publikationen und die Anzahl an Gründungen von High-Tech Start-Ups veränderten. Diese drei Faktoren haben einen starken Einfluss darauf, wie sich universitäre Innovationen verbreiten. Innovationen können über Publikationen öffentlich zugänglich sein, sie können von den Forschenden selbst kommerzialisiert werden, z. B. durch Gründung von High-Tech Start-Ups, oder sie können durch Patentierung handelbar werden und Patenterlöse generieren.

Die AutorInnen verwenden Daten von 2001 bis 2017 über zugesprochene staatliche Forschungsgelder an 22 US-Universitäten. Dabei konzentrieren sie sich auf die Fälle, in denen die staatliche Finanzierung temporär und um mindestens 40 % gekürzt wurde. Sie analysieren, wie sich nach einer starken Kürzung die Anzahl der generierten Patente und Publikationen sowie die Anzahl an gegründeten High-Tech Start-Ups veränderten. Ausserdem untersuchen sie, bei welcher Gruppe die negativen Effekte am stärksten niederschlagen, ob bei Fakultätsmitgliedern, Masterstudierenden und Post-DoktorandInnen, Bachelorstudierenden oder anderen Mitarbeitenden.

Eine starke Kürzung staatlicher Forschungsgelder um mindestens 40 % reduziert die Chance, dass ein Forschender ein High-Tech Unternehmen gründet, im Schnitt um 80 %.

Der Effekt ist besonders stark bei Masterstudierenden und Post-DoktorandInnen, die über ihre Karriere entscheiden müssen. Tatsächlich kommen an den Universitäten die meisten Start-Up GründerInnen aus dieser Gruppe. Sie verfügen über das nötige Know-how, um ein High-Tech Unternehmen zu gründen. Anders als die Fakultätsmitglieder haben sie keine sichere Anstellung an den Universitäten. Sie haben daher das grösste Interesse, ein High-Tech Start-Up zu gründen. Sie sind auch am meisten davon betroffen, wenn es nach einer starken Kürzung von Forschungsgeldern schwieriger wird, das Knowhow für diesen Schritt zu erwerben. Nach einer starken Budgetkürzung steigt zudem die Zahl der Forschenden, die in eine feste Anstellung in der Privatwirtschaft wechseln. Es sind hauptsächlich die AbsolventInnen, welche der Forschung den Rücken kehren, wenn mangels Finanzierung eine akademische Laufbahn schwieriger und riskanter wird.

Die Chance, dass Forschende ein Patent anmelden, hat sich nach einer Kürzung der staatlichen Forschungsgelder verdoppelt.

Wenn es an staatlicher Grundfinanzierung mangelt, steigt der Druck, andere Finanzierungsquellen aufzutreiben und mehr Drittmittel anzuwerben. Ein Weg dazu sind Erlöse aus Patenten. Am häufigsten führen Projekte von Fakultätsmitgliedern zusammen mit Masterstudierenden und Post-DoktorandInnen zu Patentenanmeldungen. Der Druck zur Drittmittelfinanzierung mag von der Grundlagenforschung ablenken und das akademische Publikationsniveau beeinträchtigen. Das Forscherteam stellt jedenfalls fest, dass nach einer starken Kürzung staatlicher Forschungsmittel zwar die Neigung zur Patentierung stark steigt, aber die Qualität der angemeldeten Patente abnimmt. Zudem sind die Inhaber der Patente oft private Unternehmen und nicht die Forschenden oder die Universität selbst.

Die Anzahl der akademischen Publikationen geht nach einer starken Kürzung staatlicher Forschungsgelder um rund 15 % zurück.

Hauptsächlich betroffen sind Publikationen in der Grundlagenforschung, die tendenziell aufwendiger sind, einen hohen Öffentlichkeitsgrad haben und für alle frei zugänglich sind. Abb. 1 zeigt die Entwicklung der Publikationen in den Jahren vor und nach der Kürzung der Forschungsgelder. Der rechte Teil zeigt, wie in den Jahren nach einer starken Budgetkürzung die Publikationen der Grundlagenforschung kontinuierlich zurückgehen. Publikationen in der angewandten Forschung sind dagegen kaum betroffen, wie der linke Teil der Abbildung zeigt. Parallel dazu nehmen die Publikation in den renommierten Fachzeitschriften wesentlich stärker ab als jene in weniger renommierten Zeitschriften. Ein Rückgang der Basisfinanzierung erhöht den Druck zur Drittmittelfinanzierung und löst an den Universitäten eine Verlagerung von der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung aus.

Abb. 1
figure 1

(Quelle: Babina u. a. (2023), S. 931, Panels E und F)

Publikationen der angewandten und der Grundlagenforschung vor und nach einer starken Budgetkürzung.

Eine starke Kürzung staatlicher Forschungsgelder hat einen wesentlichen Einfluss auf die Innovationsleistung der Universitäten. Als Folge ändert sich die Finanzierungsstruktur der universitären Forschung. Das Forscherteam berechnet, dass nach einer starken Kürzung staatlicher Forschungsmittel um wenigstens 40 % das tatsächliche Budget der Forschenden lediglich um 14 % fällt. Die Forschenden können also den Ausfall staatlicher Forschungsgelder wenigstens zu einem Teil durch private Finanzierungsquellen kompensieren.

Im Schnitt steigen nach einer starken Kürzung staatlicher Forschungsmittel die Forschungsgelder aus der Privatwirtschaft um 29 % an.

Die Studienautoren nennen drei mögliche Erklärungen für ihre Resultate. Erstens könnte eine starke Budgetkürzung die Produktivität der Forschenden beeinträchtigen. Weniger Geld bedeutet weniger technologische Ausrüstung, weniger qualifiziertes Personal und weniger Konferenzreisen für den wissenschaftlichen Austausch. Das beeinträchtigt die Häufigkeit von erfolgreichen Publikationen ebenso wie die Gründungsrate von universitären High-Tech Start-Ups.

Eine zweite mögliche Ursache ist, dass der Staat an öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Fortschritten interessiert ist und daher eher Projekte der Grundlagenforschung finanziert. Private GeldgeberInnen finanzieren dagegen vorwiegend Projekte der angewandten Forschung, die einen unmittelbaren Nutzen für die Kommerzialisierung versprechen. Zudem wollen sie den kommerziellen Ertrag mit Patenten schützen und nicht öffentlich teilen. Daher sollte nach einem starken Rückgang der staatlichen Forschungsfinanzierung und dem teilweisen Ersatz durch Drittmittel die Häufigkeit universitärer Patentanmeldungen ansteigen, aber die Anzahl von renommierten Publikationen sinken. Es kommt zu einer Verlagerung von der Grundlagen- hin zur angewandten Forschung.

Eine dritte Erklärung für die Resultate könnte die Art und Weise sein, wie mit Forschungsergebnissen umgegangen wird. Unternehmen als Geldgeber haben einen Anreiz, die Verwertung neuer Erkenntnisse mit Patenten zu schützen, damit sich ihre Investitionen in die Drittmittelfinanzierung der Universitäten rentieren. Die Unternehmen versuchen die Verbreitung von neuen Forschungsergebnissen also zu verhindern. Der Staat hingegen muss die volkswirtschaftliche Rendite im Auge haben und ist mehr daran interessiert, dass Innovationen Nutzen für die Allgemeinheit stiften. Der Staat will daher eher, dass Forschungsergebnisse frei zugänglich sind und andere ForscherInnen darauf aufbauen können. Zudem ist der Staat an innovativen Unternehmensgründungen interessiert, um das Wachstum zu beleben. Staatlich finanzierte Forschung geht also eher mit sehr grundlegenden Publikationen einher und bringt mehr High-Tech Start-Ups hervor. Diese sind besonders wichtig, weil rund ein Sechstel der neu geschaffenen Arbeitsplätze durch neue Unternehmen geschaffen werden und die High Tech Start-ups das grösste Wachstumspotenzial haben.

Privat finanzierte Forschung führt dagegen zu mehr Patentanmeldungen, weil sie auf kommerzielle Verwertung abzielt und mit Patenten die Erträge schützen will. Erst wenn die Unternehmen sich ihrer Erträge sicher sind, können sie grosse Investitionen tätigen. Andererseits ist privat finanzierte Forschung nicht zuletzt wegen des Patentschutzes weniger «offen». Das erschwert es anderen Forschenden, die gewonnen Erkenntnisse für den weiteren technologischen Fortschritt zu nutzen. Im Endeffekt kommt es auf die richtige Mischung zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung an. Die Studie zeigt, dass eine einseitige Kürzung von staatlichen Forschungsgeldern diese Balance stören kann. Zwar können die Universitäten eine starke Budgetkürzung mit dem Ausbau der Drittmittelfinanzierung wenigstens teilweise kompensieren. Gleichzeitig nimmt sowohl die Qualität der Forschung gemessen an Publikationen in renommierten Fachzeitschriften als auch die Gründung von High-Tech Start-ups ab.