3.1 Definition, Maßnahmen und Handlungsfelder von Kulturpolitik

Eine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs Kulturpolitik gibt es nicht. Samt seinen Gegenständen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen befindet sich der Begriff in permanenter Veränderung (vgl. Schwencke 2009: 11). Im internationalen Vergleich weitgehend gebräuchlich ist es – geradezu verblüffend pragmatisch – all das als Kulturpolitik zu bezeichnen, was im Rahmen der jeweiligen Staatstätigkeit unter Kulturpolitik verstanden wird (vgl. Mulcahy 2017: vii, xiii sowie Wolf-Csanady 1996: 60 f.). In diesem Sinne könnte man für Deutschland dieser Logik folgend einen Blick in die Einzelhaushalte für Kultur von Kommunen, Ländern und Bund sowie die Abgrenzungen in den Kulturstatistiken werfen. Meist umfasst Kulturpolitik demnach die direkte Trägerschaft von Kultureinrichtungen bzw. ihre Förderung sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen künstlerisch-kreativen Produzierens und kultureller Teilhabe (vgl. Wagner 2009: 26).

Maßgebliche Basis von Kulturpolitik in Deutschland ist Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes zur Kunstfreiheit. Anders als viele andere Politikfelder agiert Kulturpolitik darüber hinaus weitgehend ohne Rechtsnormen – die Aufgaben werden in permanentem diskursivem Austausch zwischen den Akteuren ausgehandelt (vgl. Burkhard 2015: 77, 84). Tendenziell in Konkurrenz zu der soeben vorgestellten eher liberalen Definition steht ein in demokratischen Gemeinwesen wohlfahrtsstaatlich begründetes Verständnis, was Kulturpolitik gesellschaftlich leisten soll, nämlich vor allem Teilhabe erzeugen; sie ist dann im weitesten Sinne Sozialpolitik. Viele Definitionen fassen Kulturpolitik daher als Gesellschaftspolitik auf und erklären damit im Grunde alle Ressorts und Gesellschaftsteile als tangiert. Allen Definitionen von Kulturpolitik ist im Grundsatz der Anspruch gemein, Kultur möglichst breit in der Bevölkerung zu verankern, also sowohl demokratisch zu legitimieren als auch ihre integrative Funktion zu nutzen (vgl. Wimmer 2011 und von Beyme 1998).

Als zentrale Aufgabe von Kulturpolitik kann mit Max Fuchs (1998: 16) gelten, einen symbolischen Diskurs über die Art und Weise, wie wir leben sollen, zu gestalten. In Deutschland gelten auf einer praktischen Ebene zum einen als Konsens die Aufgaben

„Schutz und […] Unterstützung von Kunst und Kultur durch ihre Förderung, die Sicherung infrastruktureller Grundlagen und die Schaffung kulturfreundlicher Rahmenbedingungen sowie zum anderen die Herstellung der Voraussetzungen, dass möglichst viele Menschen an kulturell-künstlerischen Ereignissen teilhaben können“ (Wagner 2009: 13).

Fuchs (1998: 14) plädiert bei der Betrachtung von Kulturpolitik und was ihr Gegenstand ist für die leitende Frage, welche Bedeutung Kulturangebote in der und für die Gesellschaft haben und welche Rolle Kulturpolitik dabei spielen kann.

Festzuhalten bleibt demnach, dass eine eindeutige Bestimmung, was unter Kulturpolitik zu verstehen ist, schwierig bleibt, weil dies sowohl vom Verständnis des Begriffs ‚Kultur‘ (siehe auch Abschnitt 3.3.) als auch vom Verständnis des Begriffs ‚Politik‘ (siehe Abschnitt 5.1.) abhängt (vgl. Wagner 2009: 25). Dass man unter ‚Politik‘ i. d. R. das Steuernde, Regelhafte versteht und unter ‚Kultur‘, gerade in Deutschland, vor allem das Zweckfreie und Kreative, macht es nicht leichter (vgl. Fuchs 1998: 7). Was genau Inhalt von Kulturpolitik ist, wird zudem von der jeweiligen politischen Ebene selbst bestimmt, kann also damit auf nationaler oder europäischer Ebene etwas anderes sein als in den Kommunen. Die Kulturerbepflege ist in Deutschland zum Beispiel auf nationaler Ebene prominenter vertreten als auf kommunaler Ebene, wo eher die Soziokultur oder Erwachsenenbildung dominieren. (vgl. von Beyme 1998: 11) Lembke (2017: 23) hat die Kultur- und Politikbegriff-Matrix nach Klein (2009: 65) erweitert und aus den Kombinationen der Kultur- und Politikverständnisse vier Typen von Kulturpolitik geschlussfolgert (vgl. hierzu Abbildung 3.1): administrative Kunstpolitik, kooperative Kunstpolitik, administrative Kulturpolitik sowie kooperative Kulturpolitik. Letzterer ist für die vorliegende Arbeit leitend, da das Immaterielle Kulturerbe in seiner ganzen Breite nur im weiten Kulturbegriff einbezogen ist, während bei der Engführung als Kunst vieles, was man unter Sitten, Gebräuche und Lebensweise der Menschen fassen würde, herausfällt, und zudem bei der nationalen Umsetzung der Konvention sowohl staatliches als auch gesellschaftliches Handeln relevant ist.

Abbildung 3.1
figure 1

(Eigene Darstellung nach Lembke 2017: 23)

Erweiterte Kultur- und Politikbegriff-Matrix nach Klein (2009: 65).

In seiner wissenschaftlichen Ausarbeitung für die Enquete-Kommission des Bundestags zum Thema „Kultur in Deutschland“ (siehe Abschnitt 3.3.) hat Otto Singer (2003) einen Überblick über die Entwicklungsphasen von Kulturpolitik in Deutschland seit 1945 gegeben (siehe hierzu detaillierter Abschnitt 3.2.). Interessanterweise stellt er im Weiteren aber ausschließlich die „Bereiche, Kompetenzen und Zuständigkeiten der Kulturförderung in der Bundesrepublik Deutschland“ (Singer 2003: 2, Hervorhebung d. Verf.) dar. „Kulturpolitik […] wird dann besonders gut verstanden, wenn es sich um Kunstförderpolitik handelt.“ (Fuchs 2006: 93) Kulturpolitik aber „formuliert Ziele, definiert die Rahmen und (…) kontrolliert deren Einhaltung sowie stellt entsprechende Ressourcen für Kunst und Kultur bereit“ (Wagner 2011: 41). Staatliche Maßnahmen bzw. Interventionsbereiche in der Kulturpolitik kann man nach von Beyme (1998: 15 f., 2010: 272), ergänzt durch Wimmer (2011: 110), in akquisitive, restriktive, protektive, (re-)distributive und regulative Maßnahmen sowie Personalentscheidung und die Schaffung und Förderung eines öffentlichen Diskurses unterscheiden und klassifizieren: akquisitiv meint hier zum Beispiel den Ankauf von Kunstwerken oder Museumsneubauten, restriktiv Verbote z. B. von pornografischen Darstellungen in der Kunst, unter protektiv ist u. a. Denkmalschutzpolitik zu verstehen, distributiv ist die monetäre Förderung von Kulturinstitutionen, redistributiv die Künstlersozialpolitik und regulativ sind z. B. gesetzliche Regelungen oder staatliche Eingriffe in der Urheberrechts- und Steuerpolitik (vgl. von Beyme 2012: 56, 129). Kulturpolitik in Deutschland besteht entsprechend obenstehender Aussage von Bernd Wagner (2011: 41) vornehmlich aus Förderpolitik – also distributiv – und der Gestaltung von Rahmenbedingungen – also regulativ – sowie einer Analyse und Reaktion auf gesellschaftliche Herausforderungen, d. h. eine Förderung des öffentlichen Diskurses (vgl. Fuchs 2010: 45). Zweifellos stehen Ordnungs- und Förderpolitik im Vordergrund, die Behandlung gesellschaftlicher Herausforderungen tritt meist nur indirekt in Erscheinung, ist dabei jedoch nicht weniger bedeutsam: Die Ziele von Kulturförderung sind häufig nicht kunst- bzw. kulturimmanent. Damit „geht [die Kulturpolitik] über den engeren Kunst- und Kulturbereich hinaus und bezieht sich auf andere gesellschaftliche Felder wie das politische, das ökonomische und das Bildungssystem beziehungsweise betrifft die Gesellschaft als Ganze“ (Wagner 2011: 41). Kulturpolitik wird also spätestens seit der ‚Neuen Kulturpolitik‘ stets, manchmal implizit, teils auch explizit, als Gesellschaftspolitik verstanden. „Damit entfaltet Kulturpolitik in einem äußerst komplexen Zusammenhang Wirkung. Sie bezieht sich auf die Gesamtheit der eine Gesellschaft kennzeichnenden Aspekte ebenso, wie auf die Entfaltungsmöglichkeit jedes einzelnen Individuums.“ (Scheytt 2008: 10) Zur Kulturpolitik gehören auch Fragen der nationalen Identität und anderer Identitäten (vgl. von Beyme 1998: 8). Diese weite Fassung des Kulturpolitikbegriffs birgt allerdings eine Gefahr, da man sich zweier unterschiedlicher Bezugsrahmen klar werden muss: Während sich die Diskussionen der kulturpolitischen Akteure meist um konkrete Projekte, Förderungen usw. drehen – hier also eine Engführung des Begriffs auf „pragmatische Interventionen in den Kulturbetrieb“ (Wimmer 2011: 289) vorzufinden ist – kann durch die weite Interpretation und eine damit verbundene eher „unverbindliche Rhetorik“ (Wimmer 2011: 289) die Existenz oder das Fehlen konkreter Maßnahmen von Kulturpolitik verschleiert werden. Die häufige Engführung von Kulturpolitik auf Kulturförderpolitik führt dazu, dass in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch in der Forschung, andere Aspekte wie Personalentscheidungen oder das Anstoßen öffentlicher Debatten bzw. Bewusstseinsprozesse als kulturpolitische Maßnahmen weniger Beachtung finden, obwohl sie potenziell viel größeren Einfluss haben als die reine Mittelvergabe (vgl. Wimmer 2011: 109). Der

„Alltag kulturpolitischer Debatten wird sehr stark von Finanzierungsfragen geprägt: Es wird über Rahmenbedingungen gesprochen, über Strukturen, Haushalte, Urheber- und Verwertungsrechte, über die Künstlersozialkasse. Kulturpolitik ist in der Praxis auf Bundesebene sehr stark kulturelle Ordnungspolitik, auf Landes- und kommunaler Ebene überwiegend Kulturfinanzpolitik und in Verbänden Interessenpolitik für die jeweilige Berufsgruppe oder für die betreffenden Kultureinrichtungen“ (Fuchs 2003: 16).

Neben der Verantwortung für Rahmenbedingungen und Infrastruktur hat staatliche Kulturpolitik eine weitere Dimension: Der Staat erlangt durch Kulturpolitik eine gewisse Macht, die insbesondere historisch nicht zu leugnen, sondern im Gegenteil Grundlage für das Verständnis ihrer Entstehung ist (vgl. Wagner 2011: 45 ff., Fuchs 2010: 46 f.). „Der ‚Repräsentationscharakter‘ ist kein Nebenprodukt von Kulturpolitik, sondern Teil ihrer Funktion und ihres Wesens.“ (Wagner 2009: 21) Gerade auch in der Auswärtigen Kulturpolitik spielt er eine wichtige Rolle (vgl. Wagner 2009: 348).

In der öffentlichen Darstellung der Begründung von kulturpolitischen Aktivitäten rückten im Laufe der Zeit Unterhaltung und Repräsentation zunehmend zugunsten von Bildung und Demokratisierung in den Hintergrund. Die beiden letzteren waren Ende des 19. Jahrhunderts eng mit der Nationalstaatsbildung und der Konstituierung Deutschlands als Kulturnation oder Kulturstaat verbunden. Fürstenhöfe und die Bürgergesellschaft in den Städten begründeten kulturpolitische Maßnahmen zunächst mit den Zielen Unterhaltung und Repräsentation (von Macht und Reichtum). Die Aspekte Bildung und „Umwegrentabilität“, d. h. mittelbare Wirkungen auf die Wirtschaft, sowie Demokratisierung kamen später hinzu. Das Motiv der Unterstützung von Kulturschaffenden tauchte erst im 20. Jahrhundert als Grundlage von Kulturpolitik auf. (vgl. Wagner 2009: 451 f.)

Zu den Handlungsfeldern der Kulturpolitik in Deutschland gehören heute nach Scheytt (2008: 10) insbesondere die Künste, die kulturelle Bildung, das kulturelle Erbe und die Kulturwirtschaft. Fuchs (2005: 37) benennt kongruent dazu als strategische kulturpolitische Ziele „Erhaltung des Kulturerbes, Innovation und Publikumsgewinnung“. Kulturpolitik muss nach bis heute gültiger Überzeugung der kulturpolitischen Akteure in Deutschland eine kulturelle Infrastruktur bereitstellen. Hierunter sind zunächst in erster Linie materielle Voraussetzungen wie Räume, Gebäude und Orte, wo die Kultur praktiziert werden kann, zu verstehen. Dies trifft sowohl auf institutionell geförderte Kultur bzw. Kunst, wobei hier noch zusätzlich die institutionellen Bedingungen und die Beschäftigten zur kulturellen Infrastruktur gezählt werden, wie im Grunde – wenn auch selten explizit so erwähnt – auch auf nicht-institutionell geförderte Kultur, wie etwa Ausdrucksformen immaterieller Kultur zu. (vgl. Wagner 2010: 11) In diesem Zusammenhang bietet die Beschäftigung mit einem diesbezüglichen Instrument des Kulturvölkerrechts eine erweiterte Perspektive auf das Feld der Kulturpolitik in Deutschland.

In der Eigendarstellung betont die Bundesrepublik Deutschland heute, dass an westeuropäische Traditionen und Ideale anknüpfend Kunst und Kultur frei seien und sich der Staat nicht einmischen solle (vgl. von Beyme 1998: 10). Dass Kulturerbe und Kultureinrichtungen erhalten werden sollten, darüber besteht in Deutschland weitestgehend gesellschaftlicher Konsens; auch, dass Kulturpolitik öffentlich finanziert und organisiert wird (vgl. Burkhard 2015: 9, 110). Über das „Wie“ und „mit wie viel Geld“ dieser protektiven bzw. regulativen und distributiven Elemente wird leidenschaftlich debattiert. Dies hat u. a. seine Ursache darin, dass wenig gesetzlich geregelt ist und die Inhalte von Kulturpolitik weitestgehend diskursiv ausgehandelt werden (müssen) (vgl. Burkhard 2015: 84). Die finanzielle Ausstattung der Kulturpolitik ist i. d. R. nicht gerade üppig, wobei die budgetären Aufwüchse der Kulturstaatsministerin im Bund in den letzten Jahren doch aufhorchen lassen. Da das Niveau allerdings weiterhin vergleichsweise gering ist (siehe genauer in Abschnitt 3.4.4.), muss Kulturpolitik meist mit symbolischer Wirkung punkten. (vgl. Wimmer 2011: 103) „Die politischen und gesellschaftlichen Begründungen für diese öffentliche Kulturpolitik lassen sich mit Bildung, Unterhaltung und Kunstförderung sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Integration zusammenfassen.“ (Wagner 2011: 44) Aufgabe der Kulturpolitik ist es damit auch, Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe zu befähigen (siehe detaillierter Abschnitt 3.5.). Einige Akteure, v. a. der politischen Linken, orientieren Kulturpolitik daher am vorsorgenden Sozialstaat (vgl. Ehrmann 2008: 7). Sekundärbegründungen für Kulturpolitik, wie Kultur als Wirtschafts- und Standortfaktor, Tourismusmagnet, als Umwegrentabilität oder als Imageträger (vgl. Wagner 2011: 44) finden im Vergleich dazu im liberal-konservativen Spektrum mehr Anklang.

In Bilanz der erfolgten Ausführungen soll für die vorliegende Arbeit Bernd Wagners Definition aus dem Jahr 2009 als Grundlage dienen. Er versteht unter Kulturpolitik das „Handeln von politischen und gesellschaftlichen Akteuren in einem weit gefassten Praxisfeld künstlerisch-ästhetischer Produktion und Rezeption sowie kulturell-kreativer Aktivitäten“ (Wagner 2009: 26). Dies umfasst zum einen den weiten Politikbegriff wie auch den weiten Kulturbegriff, zum anderen orientiert es sich an der Akteursperspektive und erwähnt die beiden Aspekte, die auch die Formen des Immateriellen Kulturerbes ausmachen, nämlich das eher künstlerisch orientierte Ästhetische und das eher kulturell, zum Teil gemeinschaftsstiftende, Kreative.

3.2 Historischer Abriss der (modernen) Kulturpolitik in Deutschland

In Deutschland galt Kulturpolitik lange nicht als eigenes Politikfeld, obwohl sie zusammen mit der Finanzpolitik als eine der ältesten Policies überhaupt gilt. Lange vor heute scheinbar wichtigeren Bereichen wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik betätigte sich der Staat im Bereich Kultur, indem etwa Fürsten durch Prestigeprojekte ihre kulturelle Weltgeltung unterstreichen wollten. (vgl. von Beyme 2010: 284) „Trotzdem ist es viel schwieriger als etwa im Bereich der Umwelt- oder Familienpolitik, den spezifischen Inhalt zu benennen. Nur selten beschreibt Kulturpolitik objektivierbare Problemlagen, die einer staatlichen Behandlung bedürfen.“ (Wimmer 2011: 102) Kulturpolitik i. e. S. war in Deutschland lange vor allem als Teil der Bildungs-, Religions- und Wissenschaftspolitik, oder wie man vor allem auf der Ebene der deutschen Länder bis heute sagt, der Kultuspolitik, verortet. Erst ab den 1970er Jahren kann man von einer Emanzipierung des Politikfelds von der Bildungs- und Kirchen- bzw. eben Kultuspolitik sprechen (vgl. Klein 2009: 8, Wagner 2009: 25 und Wimmer 2011: 100).

Im deutschen Sprachgebrauch taucht der Begriff ‚Kulturpolitik‘ im Vergleich zu anderen europäischen Staaten spät auf (vgl. Schwencke 2009: 11). Obwohl das Wort selbst jüngeren Ursprungs ist, ist das Konzept, was es beinhaltet, mit mehreren Vorstufen viel älter und reicht bis in die Frühe Neuzeit zurück. Akteure waren die absolutistischen Fürsten- und Königshöfe und später, ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das Bürgertum (vgl. Glaser 2009: 9) und das städtische Gemeinwesen (vgl. Wagner 2009: 347). Als Vorläuferbegriffe dessen, was seit Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinhin als ‚Kulturpolitik‘ bezeichnet wird, können im Sinne der Kulturförderpolitik ‚Kunstförderung‘ und ‚Kulturpflege‘ gelten. Aber auch der heute befremdlich wirkende Terminus ‚Kulturpolizei‘ – im 19. Jahrhundert in der Schreibweise „Culturpolicey“ gebräuchlich –, der aus der Frühen Neuzeit stammt und im Sinne von Ordnungspolitik das öffentliche Zusammenleben im Innern der Staaten meinte bzw. mit „guter öffentlicher Ordnung“ (Wagner 2009: 30) gleichbedeutend war, und damit das Bildungswesen, Religion und Kirche sowie die Künste umfasste, gehört zu den Vorläuferbegriffen (vgl. Fuchs 2010: 46, von Beyme 2010: 228 sowie Wagner 2011: 45). Erst ab den 1970er Jahren verbanden sich dann gewissermaßen die Dimensionen Förder- und Ordnungspolitik (vgl. Wagner 2009: 337–344) und eine „Kunstpolitik“, in Frankreich spricht man diesbezüglich von einer politique des beaux-arts, erweiterte sich zu einer echten „Kulturpolitik“, also einer politique culturelle (vgl. von Beyme 2012: 155).

In Zeiten, in denen Deutschland noch ein Flickenteppich von Fürstentümern war, wie auch später während der deutschen Teilung im 20. Jahrhundert, war die Berufung auf eine gemeinsame ‚Kultur‘ ein wichtiges verbindendes Element (vgl. Germelmann 2013: 31). Zugleich waren Kunst und Kultur Möglichkeiten für die vielen deutschen Staaten, die bis 1871 existierten, sich untereinander zu profilieren (vgl. Zimmermann 2018: 22). Klaus von Beyme (1998: 9 f.) macht darauf aufmerksam, dass die Kulturpolitik eines Landes eng an die ‚politische Kultur‘ des jeweiligen Landes geknüpft sei, also u. a. auch von den vordemokratischen Entwicklungen des Landes abhängig ist. Auch Bernd Wagner (2009: 450) betont, dass „Institutionen, Handlungsweisen und theoretisch-konzeptionelle Begründungen aktueller Kulturpolitik […] entscheidend auch durch ihre Geschichte geprägt“ sind. Das erklärt unter anderem, warum vor dem Hintergrund der historischen territorialen Zersplitterung der deutschen Staaten und der vergleichsweise späten Nationenbildung weder bei der Reichseinigung 1871 noch bei der Entstehung der Weimarer Republik 1919 die Kompetenzen für innerstaatliche Kulturpolitik auf der zentralstaatlichen Ebene angesiedelt wurden. Die deutsche Kulturpolitik zehrt bis heute von der daraus begründeten Vielfalt (vgl. von Beyme 2010: 287).

„In der Tat zeigt die historische Entwicklung, dass die deutsche Kultur in besonderem Maße durch die einzelnen Kulturen der jeweiligen historischen föderalen Untergliederungen geprägt ist […]. Gleichwohl erschöpft sie sich nicht in einer bloßen Summe der jeweiligen Landeskulturen, sondern hat seit jeher eine darüber hinausgehende verbindende Kraft besessen.“ (Germelmann 2013: 223)

Systematische Begründungen von Kulturpolitik findet man in der deutschen Geschichte allerdings recht selten. Zunächst sei auf den Deutschen Idealismus am Beginn des 19. Jahrhundert hingewiesen, verbunden vor allem mit den Namen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt. Die Begründung, Deutschland sei eine Kulturnation und ein Kulturstaat fand in der zweiten Hälfte des 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert Eingang. Im Grunde kann man nur noch mit der „Neuen Kulturpolitik“ in den 1970er- und 1980er-Jahren von einer ähnlichen Zäsur sprechen. (vgl. Wagner 2009: 17) Heute verfolgt Kulturpolitik

„pragmatisch verschiedene Ansätze kulturpolitischer Praxis und differierende Ziele gleichzeitig […]. Als solches ‚Konglomerat‘ verfügt Kulturpolitik gegenwärtig über keine einigermaßen konsistente Theorie ihres Handelns, auch wenn sie sich als ‚Referenztheorie‘ noch mehr oder weniger auf die Reformansätze von ‚Kultur für alle‘ (Hilmar Hoffmann) und ‚Bürgerrechte Kultur‘ (Hermann Glaser) bezieht.“ (Wagner 2009: 450)

3.2.1 Deutsches Reich und Weimarer Republik

Nach 1871 entwickelten das Deutsche Reich, seine Länder und die Kommunen auf kulturellem Gebiet zunehmend fördernde und schützende Aktivitäten im Hinblick auf kulturelles Schaffen. Hierfür wurde an die Hauptbegründungsstränge Unterhaltung, Bildung und Repräsentation angeknüpft, diese aber dem Anspruch nach von bestimmten Klassen und Gruppen auf die Gesamtgesellschaft erweitert (vgl. Wagner 2009: 345 ff.). Die Länder hatten nach der Reichsverfassung von 1871 eigene Kompetenzen in der Pflege von Kunst und Wissenschaft sowie Denkmälern – innerhalb der großen Länder wie Preußen galt dies selbst für die einzelnen Provinzen. Die bundesstaatlichen Kompetenzen im Kulturbereich lagen ausschließlich beim Schutz geistigen Eigentums, der Pressegesetzgebung und der auswärtigen Kulturpolitik. Jedoch stand staatlich-kommunale Kulturpolitik weiterhin neben jener der Fürstenhöfe bzw. war, auf Länderebene zunehmend schwächer, auf Reichsebene dagegen wachsend, durch die Einflüsse der Monarchen mitbestimmt. (vgl. Wagner 2009: 355, 362 ff.) Die Phase am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts steht für die Herausbildung von „Kulturpolitik als Praxis und theoretisches Konzept“ (Wagner 2009: 449) mit nicht zu unterschätzender Folgewirkung für kulturpolitisches Denken und Handeln in Deutschland.

Die Weimarer Republik stand im Bereich der Kulturpolitik dann vor der Herausforderung, die traditionelle Hofpatronage deutscher Fürstenstaaten und des in Preußen beheimateten Kaisertums in staatliche Kulturpolitik demokratischer Verfasstheit zu überführen (vgl. von Beyme 1998: 10). Die heutige kulturelle Infrastruktur, insbesondere traditionsreiche Theater, Opernhäuser und Museen, ist vielfach aus der vordemokratischen „Kulturpatronage“ (Wimmer 2011: 104) entstanden. Und auch die Kulturpolitik ist noch immer von der damaligen Hybridbildung eines „repräsentativ-unterhaltende[n] Strang[s] absolutistisch-höfischer Kulturaktivitäten [… und] der stärker kommunikativ-bildungsorientierte[n] bürgerlichen[n] Tradition“ (Wagner 2009: 452 f.) geprägt.

Zur Kulturpolitik der Weimarer Republik gehörten über die Förderung der kulturellen Infrastruktur hinaus die Denkmalpflege, die Förderung der bildenden Künste, die Musikförderung, Bibliotheken, Archive und Volkshochschulen (vgl. von Beyme 1998: 14). Die Weimarer Reichsverfassung verschaffte der Kulturpolitik eine Legitimation – bei den Freiheitsgarantien der Bürgerinnen und Bürger wurde die „Kunst“ ergänzt (vgl. Wagner 2009: 345). Das Bild des „Bildungsbürgers“ galt dabei bis in die Anfangsjahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland hinein als prägend, wenn staatlicherseits kulturpolitische Maßnahmen ergriffen wurden. Nach dem Bedarf des kulturellen Durchschnittskonsumenten wurde nicht gefragt (vgl. von Beyme 2010: 273). „Die Legitimation für diese Form staatlicher Privilegierung erfuhren diese Einrichtungen im Anspruch, dass auf diese Weise allen BürgerInnen der Weg offenstünde, den Status als BildungsbürgerIn zu erreichen.“ (Wimmer 2011: 270)

3.2.2 Kulturpflege in der Nachkriegszeit

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) war die Kulturpolitik in Deutschland von Instrumentalisierung und einer mit der föderalistischen Tradition brechenden Zentralisierung von Staatsgewalt über Kunst und Kultur geprägt. Aufgrund des anschließenden erneuten kompletten Bruchs mit dieser Zeit nach dem katastrophalen Zweiten Weltkrieg muss dieser atypischen Ära der deutschen Kulturpolitik hier keine genauere Aufmerksamkeit mit Blick auf ihre Grundlagen und Ausprägungen zuteilwerden. Mit Blick auf die jüngere Geschichte und Gegenwart muss aber auf die zum Teil ausgebliebene, zum Teil nur formal vollzogene, Abgrenzung zur Kulturpolitik dieser Zeit hingewiesen werden. Insbesondere die gedankliche Verdrängung von Wirkungen der nationalsozialistischen Kulturpolitik auf Formen des Immateriellen Kulturerbes seitens der Trägergruppen beschäftigten die kulturpolitisch Handelnden im Rahmen des hier behandelten Untersuchungsgegenstandes wiederholt.

Nach 1945 war die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der direkt vorangehenden Erfahrungen zunächst äußerst zurückhaltend auf dem Gebiet Kulturpolitik. Daher rühren auch die heute von Neutralität, Subsidiarität, Dezentralität und Pluralität geprägte politische Kultur in diesem Bereich und die entsprechende staatliche Kompetenzverteilung (siehe Abschnitt 3.4.). Singer (2003: 14) spricht von etwa 1950 bis 1966 von einer Phase der reinen „Kulturpflege“, die geprägt war von einer Rekonstruktion der kulturellen Infrastruktur und der Förderung traditioneller Kunstformen und etablierter Kulturinstitutionen. Diese war maßgeblich von den einzelnen Städten und Kommunen getragen und mangels übergreifender und vorausschauender Konzeptionen traditionalistisch und weitgehend zufällig (vgl. Hoffmann 1990: 45). Kulturpolitik, die fast nur im Sinne der Künste interpretiert wurde, war bis in diese Zeit eine schichtenspezifische Angelegenheit des klassischen Bürgertums (vgl. Sievers 2010: 221), letztlich eine Politik für eine kleine Minderheit der Bevölkerung (von Beyme 1998: 9). Schwencke (2009: 13 f.) stellt gar in Frage, ob man diese Art traditioneller Kulturpflege überhaupt als Kulturpolitik begreifen solle, da zwei Jahrzehnte lang Kultur nur verwaltet und nicht gestaltet wurde.

Im Osten Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik orientierte man sich nach den kulturpolitisch dunklen Jahren der NS-Herrschaft zunächst ganz ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland wieder an den Werten des Humanismus und der Aufklärung. Früher als im Westen Deutschlands wurde auch der Arbeits- und Alltagskultur unter dem Schlagwort ‚Breitenkultur‘ Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. Burkhard 2015: 117). Bald aber schon wurden Kunst und Kultur zunehmend für Staats- bzw. Parteizwecke der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in Dienst genommen. Die Kulturpolitik der DDR kann nicht als demokratisch legitimiert bezeichnet werden. Die maßgeblichen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland teilten dagegen die Überzeugung, dass Kulturpolitik staatsfern sein solle. (vgl. Schwencke 2009: 13)

3.2.3 Neue Kulturpolitik

Ausgehend von den in Großbritannien etwa ab den 1960er Jahren etablierten Cultural Studies (vgl. Wimmer 2011: 33), die das Ziel verfolgten neben die so genannte Hochkultur mindestens gleichberechtigt die Populärkultur zu stellen und die grobe Differenzierung zwischen beiden Kultursphären aufzuheben, und dem damit verbundenen cultural turn in den Sozialwissenschaften (vgl. von Beyme 2010: 269), kam es in den 1970er Jahren zur wichtigsten Umbruchphase deutscher Kulturpolitik (vgl. Burkhard 2015: 62) mit einer kompletten gesellschaftlichen Neubewertung von Kunst und Kultur (vgl. Mandel 2005: 9). Diese war auch eine Antwort auf die gesellschaftliche Modernisierung, die sich Ende der 1960er Jahre in Deutschland Bahn brach, und v. a. eine aktivere Beteiligung der Menschen am gesellschaftlichen Leben forderte. Es waren vor allem Akteure auf der kommunalen Ebene, die den Umbruch prägten: Der langjährige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann steht für die kulturpolitische Programmatik einer ‚Kultur für alle‘. Diese wurde bald bei allen Parteien Konsens. Es ging jedoch nicht nur um die Angebotsseite, man sprach bald auch von der ‚Kultur von allen‘: die Trennung von Produzent und Rezipient, von passivem Nutzen und aktivem Mit- und Selbermachen, sollte aufgegeben werden. (vgl. Hoffmann 1990: 52) Hermann Glaser, Kulturdezernent in Nürnberg, brachte die Neue Kulturpolitik auf die Formel ‚Bürgerrecht Kultur‘. Im Grunde kann man die Neukonzeption von Kulturpolitik tatsächlich als eine Konkretisierung des Menschenrechts auf Teilnahme am kulturellen Leben und entsprechende Teilhabe (vgl. Fuchs 2005: 34) und auch des Sozialstaatsgebots aus Art. 20 des Grundgesetzes (vgl. Hoffmann 1981: 48 f.) verstehen.

„Die kulturelle Teilhabe möglichst vieler, vor allem von bislang von den Kulturinstitutionen kaum erreichten Menschen, und die Demokratisierung der Kultureinrichtungen und ihrer Angebote sind die zentralen Ziele demokratischer Kulturpolitik: Demokratisierung von, Partizipation an und Emanzipation durch Kultur unter den beiden zentralen Motti der neuen Kulturpolitik der 1970er Jahre ‚Kultur für alle‘ und ‚Bürgerrecht Kultur‘“ (Wagner 2010: 17 f., Hervorhebungen im Original).

Die Neue Kulturpolitik war also mit folgenden grundsätzlichen Maßnahmensträngen verbunden: die Öffnung von und die Verbesserung von Zugangschancen für bislang benachteiligte bzw. vernachlässigte Gruppen zu den kulturellen Institutionen und Angeboten, Ausweitung der Förderung ‚alternativer Kultur‘, Demokratisierung der Beteiligung am Kulturgeschehen und der Entscheidungen über Förderungen (vgl. Hoffmann 1990: 52, 63 f. und Wimmer 2011: 314, 326) sowie der Bezug von Kulturpolitik auch auf Alltagsaktivitäten und Lebensweisen (vgl. Singer 2003: 20 sowie Hoffmann 1990: 58). Man hatte mit dem weiten Kulturverständnis bzw. einem „erweiterten Kulturbegriff (Wie lebt und arbeitet der Mensch?)“ (Scheytt 2005: 26) anerkannt: „Kultur findet nicht nur in großen Häusern statt, Theatern, Opern und Museen, sondern im Alltag.“ (Müller/Singer 2004: 46)

„In den Kommunen wurde tatsächlich eine neue Kulturpolitik verwirklicht. Kultur und damit Kulturpolitik wurde nicht mehr auf das Wahre, Gute und Schöne reduziert, vielmehr wurden kommunikatives, partizipatorisches und kreatives Handeln aller Bürgerschichten als neue Ziele der urbanen Kulturpolitik akzeptiert.“ (Schwencke 2009: 18 f.)

Auf institutioneller Ebene führte die Neue Kulturpolitik zur Gründung der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. Das oben erwähnte Maßnahmenbündel hatte durchaus einen beträchtlichen Mittelaufwuchs für Kultur(förder)politik, vor allem im urbanen, weniger im ländlichen Raum, zur Folge. Der Mittelaufwuchs führte u. a. zur Begründung zahlreicher Institutionen der Soziokultur. Zur Soziokultur rechnet man Kulturläden und Bürgerhäuser, Stadtteilkulturarbeit, Senioren-, Kinder-, Jugend- und Ausländerkulturarbeit sowie das freie Theater (vgl. von Beyme 1998: 14). Es fällt jedoch auf, dass auf die eher im ländlichen Raum verortete Breiten-, Volkskultur oder Folklore, wie man damals meist sagte, sich der erweiterte Kulturbegriff kaum auswirkte. Einiges, was man heute unter Immateriellem Kulturerbe im ländlichen Raum fasst, fand damals erste, zögerliche Aufmerksamkeit unter dem Begriff ‚ländliche Kulturarbeit‘ (vgl. Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 18). Trotz der damit implizit einhergehenden ‚Kultur für alle‘-Formel wurde diese aber in der Folge noch nicht wirklich als ernsthafter Teil von Kulturpolitik begriffen. Einige kulturpolitische Akteure, wie Plagemann (1992), gingen zwischenzeitlich sogar so weit, zu behaupten, dass alle kulturelle Praxis in Deutschland mittlerweile städtische kulturelle Praxis sei.

In den 1980er Jahren trat in der bundesdeutschen Kulturpolitik zudem „[n]eben das Prinzip der bürgerschaftlichen Partizipation als Zielgröße von Kulturpolitik […] eine stärkere marktwirtschaftliche Orientierung auch im Kulturbereich“ (Singer 2003: 27). Kultur wurde zum einen von der die Epoche prägenden „Gürtel enger schnallen“- und Leistungsgesellschafts-Logik erfasst (vgl. Hoffmann 1990: 13, 54) und war zum anderen nun als Standort- und damit Wirtschaftsfaktor entdeckt worden, so dass Städte entsprechend repräsentative Projekte förderten (vgl. Schwencke 2009: 20). Ab Ende der 1980er Jahre sprechen einige Experten und Wissenschaftler (vgl. u. a. Lembke 2017: 32) von der Ablösung der Neuen Kulturpolitik durch die Aktivierende Kulturpolitik, die in dieser, v. a. von der kommunalen Sichtweise geprägten, Lesart bis heute zum dominanten Leitmotiv wurde. Finanzielle Engpässe sollten hierbei durch eine Einbindung bürgerschaftlichen Engagements überbrückt werden.

„Der Aktivierende Staat entdeckte renaissanceartig die Begrenzung seiner Tätigkeit auf öffentliche Verwaltung wieder und begann, sich von der direkten Trägerschaft von Kultureinrichtungen zu trennen. Ein Mittel war dabei die Überführung landeseigener Kultureinrichtungen in Stiftungen des öffentlichen oder bürgerlichen Rechts.“ (Lembke 2017: 32)

3.2.4 Entwicklung nach der Vereinigung Deutschlands

Während Bundeskulturpolitik vor 1990 mit einem Volumen von etwa 300 Millionen DM jährlich vorrangig die finanzielle Unterstützung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war, übernahm der Bund ab 1990 mit über 2 Milliarden DM mehr Zuständigkeiten, insbesondere zur Erhaltung der kulturellen Substanz in den neuen Ländern. Diese sahen sich in ihrer Umbruchsituation und wirtschaftlichen Schwäche nach dem Zusammenbruch der DDR nicht allein in der Lage, die Lasten zu schultern. Die Intervention des Bundes in die Kernkompetenz der Länder und Kommunen – der finanziellen Erhaltung kultureller Infrastruktur – (siehe Abschnitt 3.4.) war nötig, weil die West-Länder als die Kulturzuständigkeit Innehabende die akute erforderliche finanzielle Hilfe für die Ost-Länder nicht stemmen konnten oder wollten. Sie war gewissermaßen auch zwangsläufig, weil man die Vereinigung kulturell begründete: Im Einigungsvertrag hieß es in Art. 35 Abs. 1 Kultur sei die „Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation“ (Ackermann 2013: 87 f.). Vor dem Hintergrund der Entscheidung für Berlin als neue Hauptstadt wuchs dem Bund in der Förderung dortiger Kulturinstitutionen ebenfalls noch mehr Verantwortung zu. Nach den Umbrüchen der deutschen Einheit wurden im Verlauf der 1990er Jahre die Mitwirkung des Bundes bei Aufgaben von nationaler Bedeutung auch über Berlin und Ostdeutschland hinaus sowie eine Bündelung der kulturpolitischen Aufgaben in der Bundesregierung fast folgerichtig zunehmend diskutiert. (vgl. Singer 2003: 30 f.) Im Ergebnis stand die Einrichtung des Amtes eines Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Jahr 1998 und parallel die Einrichtung eines Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag. Ein solcher hatte in verschiedenen inhaltlichen Kombinationen bis 1969 bestanden und wurde dann, auf Druck der Länder, zunächst nicht fortgeführt (vgl. Singer 2003: 15). Während die Länder durch den BKM anfangs ihre sogenannte ‚Kulturhoheit‘ in Gefahr sahen und die Einrichtung der neuen Institution bekämpften, legten sich diese Auseinandersetzungen bald. Das Misstrauen wich einem kooperativen Föderalismus. (vgl. Neumann 2013: 20) Seitdem funktionieren die weitgehende Eigenständigkeit der Länder in Kulturfragen und ein Engagement des Bundes durchaus erfolgreich zusammen (vgl. Ackermann 2013: 88). Während im Westen aber noch immer vor allem einzelne Projekte und nur wenige Kulturstätten gemeinsam verwaltet und finanziert werden, fördert der Bund in im Grunde allen Regionen Ostdeutschlands gemeinsam mit den Ländern in einer umfassenden thematischen Breite: „von Denkmalpflege bis zu spektakulären Neubauten, von einmaligen Veranstaltungen bis zur dauerhaften institutionellen Mitfinanzierung der Haushalte“ (Ackermann 2013: 89) von Kultureinrichtungen. Insgesamt führte die Einrichtung des BKM zu einem erneuten Bedeutungszuwachs der Kulturpolitik. Dies drückte sich u. a. in neuen Kulturförderprogrammen des Bundes, stetig wachsender Kulturetats im Bundeshaushalt, die Gründung von Kulturstiftungen des Bundes und der Länder und der Einrichtung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ im Deutschen Bundestag (siehe ausführlicher dazu Abschnitt 3.3.) aus. (vgl. Schwencke 2009: 23)

Anfang des 21. Jahrhunderts wurde das Konzept ‚Kultur für alle‘ nun mit einem verstärkten Anspruch auf Teilhabegerechtigkeit und Inklusion in der demokratischen Gesellschaft neu gefasst: Man spricht seitdem von einer ‚Kulturellen Grundversorgung‘ oder ‚Kulturellen Daseinsvorsorge‘, die der Staat im Sinne einer gesellschaftlichen Inklusion durch verschiedenartige Angebote in der Fläche zu erschwinglichen Preisen und mit niedrigen Zugangsschwellen garantieren solle (vgl. Schneider 2005: 47, Fuchs 2005: 37 f., Scheytt 2010: 31 f., 41, Sievers 2010: 221). Zunehmend etablierte sich allerdings der politisch konsensfähigere (aber wertneutrale) und zudem von der Akteursperspektive her umfassendere Begriff der ‚kulturellen Infrastruktur‘, der „eine Gesamtsicht auf das Zusammenwirken von Staat, Markt und Gesellschaft und die verschiedenen Rollen des Bürgers als Souverän, Engagierter und Nutzer“ (Scheytt 2010: 38) abbildet. Kritiker wie Dieter Haselbach sehen in der ehemals oppositionell formulierten Forderung ‚Kultur für alle‘ allerdings inzwischen eine „[rhetorische] Formel zur Stabilisierung des Status quo“ (Haselbach 2013: 94). Im Jahr 2009 konstatierte Bernd Wagner (2009: 13 f.), dass Kulturpolitik sich in einer Phase der Neuorientierung befinde, die ihre finanzielle Basis, ihre organisatorische Struktur und auch ihre inhaltlich-konzeptionelle Ausrichtung betreffe. Dabei verweist er u. a. auf die Notwendigkeit der Mitberücksichtigung marktwirtschaftlicher Mechanismen und zivilgesellschaftlichen Engagements sowie die zunehmende Verflechtung, Bedingungen und Befruchtung der drei ehemals recht separierten Säulen Staat, Markt und Gesellschaft.

Bezogen auf die Partizipationsforderung, die mit ‚Kultur für alle‘ verbunden war und der damit verbundenen Versprechung, diese mache die Gesellschaft besser, hat sich zwar das Angebot seit den 1970er Jahren wesentlich ausgeweitet, aber die Teilhabequote ist trotzdem kaum angestiegen und die Nutzung der Angebote hängt noch immer wesentlich vom erworbenen Bildungsgrad – oder allgemeiner von Faktoren der Sozialstruktur (Herkunft, Arbeitssituation und Bildung) – und natürlich auch von geographischen Faktoren ab. Nicht-Nutzer bzw. nicht öffentlich geförderte Kulturakteure sind immer noch die Bevölkerungsmehrheit. (vgl. Haselbach 2013: 94, Sievers 2010: 222 f., Wimmer 2011: 147) „Kulturpolitik ist eine Förderung von Kunst geblieben und sie kommt vor allem den Städten zugute.“ (Schneider 2010: 284) Staatlich geförderte Kultur ist auch heute noch vor allem eine Sache der Älteren, Gebildeten und Besserverdienenden (vgl. Ackermann 2013: 92).

Diese Diagnosen gelten allerdings nur so lange, wie man Kulturangebote in einem engen Sinne versteht. Zählte man dazu dagegen auch die Angebote der Volkshochschulen, soziokulturellen Zentren usw. in ländlichen Räumen und eben auch die Ausdrucksformen des Immateriellen Kulturerbes, die seit 2013 in Deutschland mit dem Beitritt zur UNESCO-Konvention und der Erstellung eines Bundesweiten Verzeichnisses immerhin staatliche Würdigung durch kulturpolitische Akteure erfahren und den Kreis der von kulturpolitischen Maßnahmen Profitierenden und an Kulturförderung im weiteren Sinne Partizipierenden deutlich erweitert, käme man zu einem anderen Schluss.

3.3 Wechselwirkungen zwischen Kulturpolitik und Kulturverständnis

Da das Konzept von ‚Kultur‘, wie bereits im vorhergehenden Abschnitt deutlich wurde, grundlegend das Handeln in der Kulturpolitik bestimmt, ist es nicht unwesentlich, zu klären, was in Deutschland darunter heute verstanden wird. Es gibt bei uns sehr viele Kulturbegriffe, die nebeneinander existieren. Dies kann man einerseits als Vorteil der Förderung von Kultur sehen, für eine Profilierung der Kulturförderung erweist es sich aber meist als Nachteil (vgl. von Beyme 2012: 11). Dass Kulturpolitik hierzulande weitestgehend ohne Rechtsnormen funktioniert und zahlreiche Akteure aus dem staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privaten bzw. ökonomischen Bereich Einfluss auf sie nehmen, wirkt sich zudem auch auf den Kulturbegriff aus, der der Kulturpolitik zugrunde liegt. (vgl. Burkhard 2015: 62, 88)

Ganz universalistisch und weit interpretiert ist ‚Kultur‘ die Beschreibung „des Ganzen, in dem operiert wird“ (Fuchs 1998: 134). In einem noch immer sehr weiten Sinne, aber bereits normativ eingeordnet, kann ‚Kultur‘ als „Gesamtheit der Ausdrucksformen menschlichen Schaffens, die inhaltlich ein qualitatives Mindestmaß an geistigem oder künstlerischem Aussagewert besitzen“ (Germelmann 2013: 14) verstanden werden. Dazu gehören dann nahezu alle von Menschen hergestellten Produkte und Äußerungen, aber auch „letztlich alle tatsächlich vorhandenen Lebensweisen, Gebräuche und Wertvorstellungen“ (Germelmann 2013: 8). Kultur wird dann „verstanden als Oberbegriff für gesellschaftsbezogene Gestaltung der jeweiligen Lebenswelten“, was „weltweit ein bestimmendes Merkmal jeglicher Sozialgemeinschaft“ (Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 15) ist. Häufig wird der Begriff auch synonym für zivilisatorische Errungenschaften verwandt. In Bezug zu Bildung kann man ‚Kultur‘ auch als das in einer Gesellschaft ‚Erlernte‘ bzw. das ‚Erlernbare‘ verstehen (vgl. Wolf-Csanady 1996: 60). Erheblich enger gefasst, werden unter ‚Kultur‘ vor allem die Künste und Wissenschaften verstanden. Und ganz eng gefasst, ist Kultur noch die Gesamtheit der künstlerischen Werke sowie die gängigen Arten der Kunstausübung und -darstellung. (vgl. Germelmann 2013: 2 f.) Künstlerische Produktion und Rezeption geschehen „immer in bewusster Absetzung vom unmittelbaren Alltagshandeln und von zweckorientierten Aktivitäten wie Arbeit als Erwerbszweck oder zur häuslichen Reproduktion“ (Wagner 2009: 42), definiert sich also bewusst in Abgrenzung zu diesen Formen menschlicher Grundtätigkeiten.

Der Deutsche Bundestag hatte zwischen 2003 und 2007 eine Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ mit elf Sachverständigen, Mitgliedern aus der Landespolitik, Wissenschaft und der künstlerischen Praxis sowie aller im Bundestag vertretenen Parteien eingerichtet, deren Erkenntnisse und Diagnosen nach allgemeiner Überzeugung noch heute Gültigkeit haben. Neben einer Beschreibung der kulturellen Situation in Deutschland und einer Analyse der Defizite und Probleme der Kulturlandschaft ging es vor allem darum, eine Verständigung zu den Belangen der Kultur in Deutschland zu erzielen und Perspektiven für die kulturpolitischen Handlungsfelder aufzeigen. „Dieser Prozess hat den kulturpolitischen Diskurs in Deutschland nachhaltig aufgewertet und ist so zu einer ersten Referenz jeglicher kulturpolitischer Maßnahmen geworden.“ (Wimmer 2011: 281) Selbst, wenn man sich in der Enquete-Kommission nicht in allen wichtigen konzeptionellen Fragen einig gewesen sei (vgl. von Beyme 2010: 291), herrschte doch immerhin Konsens zu vielen Aspekte der ‚Neuen Kulturpolitik‘, etwa, dass Kulturpolitik stets auch Gesellschaftspolitik sei. Einvernehmen gab es entsprechend auch über die grundsätzlich große Bedeutung von Kunst und Kultur für die Entwicklung der Gesellschaft in Deutschland. (vgl. Ehrmann 2008: 5) In diesem Sinne: „In der Kulturpolitik werden (…) Fragen nach der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft gesellschaftlicher Entwicklung gestellt und mögliche Antworten aufgezeigt.“ (Scheytt 2008: 10) Es gibt – dies ist in dieser Deutlichkeit eine relativ neue Erkenntnis, die unter dem Schlagwort der Cultural Governance behandelt wird (vgl. Wagner 2011: 48, siehe auch Abschnitt 5.1.6.) – in der Kulturpolitik in Deutschland eine geteilte Verantwortung von Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft (vgl. Scheytt 2008: 10, Ehrmann 2008, Wimmer 2011: 82 f.). Hinzu kommt als besondere Akteursgruppe in diesem „vieldimensionalen Beziehungsgeflecht“ (Wagner 2011: 43) noch jene der kulturell-künstlerischen Aktiven. Als Säulen der Kultur(förder)politik in Deutschland benennt Fuchs (2003: 16) folglich „öffentliche Kulturförderung, Kulturförderung der Wirtschaft, private Kulturausgaben und neuerdings vermehrt Stiftungen“. Wenn man aus der Perspektive einer kulturellen Ordnungspolitik auf das Politikfeld schaut, ist die Aufgabe die Förderung eines gesellschaftlichen Diskurses. Fuchs spricht in diesem Sinne auch von „Kulturfunktionen“: Möglichkeiten zur Selbstreflexion bieten, d. h. der Gesellschaft den Spiegel vorhalten; Angebote an Identitäten und Vorstellungen vom guten Leben machen; hinzu kommt noch die Funktion eines sozialen und kulturellen Gedächtnisses. Kultur soll bzw. muss demnach politisch so gestaltet werden, dass eine Gesellschaft oder soziale Gruppe nicht in Agonie verfällt oder ihre Identität verliert. (vgl. Fuchs 2003: 16) Germelmann (2013: 18) sieht als Legitimation von Kulturpolitik im demokratischen Gemeinwesen, dass diese „nach ihrer eigenen Sachkunde Schwerpunkte […] setzen und […] gestalten“ müsse.

Aus den Ergebnissen der Enquete-Kommission leiten sich u. a. auch die Kulturentwicklungsplanungen und -konzeptionen ab, die seitdem in einigen Ländern (u. a. Brandenburg, Thüringen oder Schleswig-Holstein) und Kommunen (u. a. Düsseldorf oder Kassel) umgesetzt wurden. Sie ermöglichen es zum einen Ziele und Leitbilder zu entwickeln und zum anderen bei den politischen Zielen der Kulturpolitik Schwerpunkte zu setzen, diese regelmäßig zu überprüfen und dann nachzujustieren (vgl. Ehrmann 2008: 7). Hier geht es nicht nur um Kulturförderung, sondern auch um konzeptionelle Ansätze, was Kulturpolitik überhaupt im gesellschaftlichen Auftrag leisten soll, welche Zielgruppen sie erreichen soll und wie die Bürgerinnen und Bürger am Prozess der Kulturpolitik beteiligt werden sollen. Lange Zeit wurde Kulturpolitik in Deutschland weitgehend durch den Staat bestimmt bzw. war das kulturpolitische Denken sehr etatistisch geprägt und Partizipationsprozesse, wie bei Kulturentwicklungsplanungen üblich, gab es kaum. Die Kulturlandschaft in Deutschland war dagegen schon seit jeher sowohl von öffentlicher Kulturpolitik wie auch von bürgerschaftlichen Gruppen getragenen Aktivitäten und privatwirtschaftlichen Angeboten geprägt (vgl. Wagner 2009: 450 f.). In den letzten Jahren mehren sich aber die Anzeichen, dass diesbezüglich ein Wandel erfolgt und zivilgesellschaftliche sowie wirtschaftliche Akteure tatsächlich stärker als Akteure der Kulturpolitik auftreten, so dass heute, u. a. aufgrund der „mangelbedingt erhöhten Diversifizierung der Finanzierung sowie der wachsenden Internationalisierung auch dieses Gebiets“ (Germelmann 2013: 744), eine Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure die Kulturpflege in Deutschland prägt. Kulturförderung ist also keine rein staatliche Aufgabe mehr. Dass Kulturpolitik nach wie vor eine öffentliche Aufgabe (vgl. Wagner 2009: 323 f.) ist, bleibt jedoch weitgehend unbestritten. Das System ist also durch drei Säulen gekennzeichnet: der durch verschiedene Regierungsebenen geförderte bzw. staatliche Kulturinstitutionen getragene öffentliche Bereich mit „Kulturverwaltungen, Ministerien, haupt- und ehrenamtlichen KulturpolitikerInnen“ (Wagner 2009: 26), privatwirtschaftliche Angebote von Unternehmen und der gemeinnützige bzw. privatrechtlich-zivilgesellschaftliche Bereich mit v. a. Verbänden und Vereinen sowie Stiftungen. Folglich wirkt heute eine Vielzahl von Institutionen – siehe auch Abbildung 3.2 – daran mit, was man als Kulturpolitik in Deutschland bezeichnet. (vgl. Burkhard 2015: 28)

Abbildung 3.2
figure 2

(Eigene Darstellung nach Burkhard 2015: 166)

„Schweizer Modell“ nach Söndermann/Weckerle 2003.

3.3.1 Der Kulturbegriff in Deutschland

Bei einer Erörterung des Kulturbegriffs in Deutschland ist wichtig voranzustellen, dass ‚Kultur‘ hierzulande i. d. R. normativ besetzt ist, anders als etwa in England, den USA oder Frankreich, wo der Sprachgebrauch wertneutral und eng mit jenem der ‚Zivilisation‘ verbandelt ist. Der Begriff ‚Kultur‘ hat hierzulande eine spezifische Überhöhung erfahren (vgl. Klein 2009: 10, 32 f., 40). Eine der Folgen dieser anderen Begriffsentwicklung im deutschsprachigen Raum ist die strikte Trennung von Kunst und Kultur (und der weitgehenden Verengung auf Kultur als Kunst) auf der einen Seite und Gesellschaft und Politik auf der anderen Seite, die als typisch deutsch bezeichnet werden kann, während die deutlich weitere Fassung des Kulturbegriffs – Kultur im Plural als Sitten, Gebräuche und Lebensweise der Menschen – als eher typisch französisch betrachtet werden kann (vgl. Klein 2009: 65). Verantwortlich für die folgenreiche Begriffsverengung in Deutschland ist die spezielle gesellschaftliche, ökonomische und politische Konstellation des 18. Jahrhunderts. Hierzulande musste sich Identität über eine kulturelle Verständigung formieren, während etwa England oder Frankreich sich politisch als Republik oder Nation bzw. Empire definieren konnten (vgl. Klein 2009: 40, 59).

Der deutsche Terminus ‚Kultur‘ leitet sich von zwei sehr ähnlichen lateinischen Begriffen ab, nämlich einerseits ‚cultura‘ (Bearbeitung, Bebauung, Ausbildung, Verehrung), das wiederum vom Verb ‚colere‘ (u. a. anbeten) abstammt, und andererseits ‚cultus‘ (Bearbeitung, Bildung, Lebensweise) (vgl. Sommer 2008: 52, Klein 2009: 36). Von letzterer Bedeutungsableitung kommt insbesondere der deutsche (politisch gebrauchte) Begriff ‚Kultus‘, der die Kultusministerien und nicht zuletzt die Kultusministerkonferenz ihre Bezeichnungen verdanken. ‚Kultur‘ kann zugleich Produkt, also Resultat einer Tätigkeit, wie auch Prozess, d. h. die Tätigkeit selbst, sein. Letztlich kann man ‚Kultur‘ als „Produktion von Bedeutungen“ (Lüddemann 2019: 13) verstehen. Damit schafft sie Identität, Kommunikation(-sanlässe), Kontroversen, Vergleiche, Adaptionen, Medialität und Praxis. (vgl. Lüddemann 2019: 1, 101 ff.)

Wichtig ist unbedingt zwischen ‚Kunst‘ und ‚Kultur‘ zu differenzieren, die häufig in einem Atemzug genannt werden. Im Grunde ist Kunst ein Teil von Kultur, nämlich die „ästhetischen Ausdrucksformen […], von der Musik über die Literatur zu den bildenden Künsten; einschließlich des Films“ (von Beyme 1998: 11). Vorgängerbegriffe der ‚Künste‘ waren historisch ars und téchne, was man mit aus Erfahrung (empeiria) erworbenem Sachverstand übersetzen kann (vgl. Primavesi/Rapp 2016: 7), wovon u. a. auch Wissenschaft und Handwerk umfasst waren (vgl. Wagner 2009: 40 Fn 9 sowie Ax/Horchler 2007: 51). „Zur Kultur werden auch die Entfaltung sozialer Beziehungen bis hin zur Körperkultur gerechnet.“ (von Beyme 1998: 11) Kultur ist also das System, das einer Gesellschaft eine unverwechselbare Gestalt gibt und wesentliche Wertorientierungen begründet (vgl. Hoffmann 1985: 126). Die meisten konkreten Maßnahmen von Kulturpolitik bewegen sich allerdings auf der Ebene von Kunst mit der, meist nur impliziten, Begründung, dass diese sich durch besondere „Kulturleistungen“ manifestieren (vgl. Burkhard 2015: 87). Im Kulturbegriff steckt viel mehr, etwa auch geteiltes Wissen sowie gemeinsame Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsstruktur (vgl. Fuchs 1998: 140 f.). Klein (2009: 33 ff.) differenziert vier Begriffsdimensionen von Kultur: Die vergleichsweise in der Gesellschaft dominanteren Interpretationen des Kulturbegriffs, die normativ und exklusiv sind, wie Kultur als Kunst sowie Kultur als Lebensart schließen die meisten Formen des Immateriellen Kulturerbes aus. Nur die nicht-normativen und inklusiven Definitionen von Kulturen im Plural, worunter auch alltagskulturelle Lebensweisen der Gesellschaft, wie Bräuche, Traditionen, Feste, Organisation in Vereinen, bürgerschaftliches Selbstverständnis usw. verstanden werden, sowie von Kultur als Gegensatz zur (unberührten) Natur umfassen konzeptionell das Immaterielle Kulturerbe (vgl. auch Abschnitt 3.1. mit Abbildung 3.1 aus Lembke 2017).

Häufig wird bis heute noch zwischen Hoch- und Breitenkultur unterschieden. So problematisch das grundsätzlich sein mag, ermöglicht es in historischer Betrachtung eine Annäherung an die Passung des Immateriellen Kulturerbes in das Begriffsverständnis von ‚Kultur‘ in Deutschland.

„Ländliche Amateurtheater, Trachtenkapellen, Blasmusik oder Brauchtumsfeste werden selbst von den Akteuren oft nicht als Kultur bezeichnet. Auch in den Dörfern wird unter dem Kulturbegriff vielmehr die bürgerlich und urban geprägte Hochkultur verstanden, der dann gegebenenfalls auch eine Förderberechtigung zugestanden wird. Mit dem Dorf und der gemeinschaftsprägenden Breitenkultur hat diese Welt – nach Auffassung vieler breitenkultureller Akteure selbst – nichts zu tun.“ (Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 33)

Wolfgang Schneider erklärt: „Breitenkultur scheint ein Phänomen zu sein, das dort stattfindet, wo Gemeinschaften Gruppenidentitäten ausbilden und gemeinsam zu kulturellen Ausdrucksformen derselben finden.“ (Schneider 2014b: 15) Die Unterschiede zwischen Stadt und Dorf sind konstituierend für den Begriff der ‚Kultur‘ auf dem Land. Hier war der Bezug der Menschen untereinander stärker als in urbanen Zentren durch gemeinsame Arbeitsstrukturen und Versorgungsgemeinschaften gegeben und der Ausgangspunkt für gemeinschaftsbildenden Gesang, jahreszeitliche Feiern und die mündliche Weitergabe von Wissen und Können.

„Vergleichbar der Weitergabe handwerklicher Fähigkeiten oder des Wissens um landwirtschaftliche Erfordernisse wurden auch kulturelle Verabredungen und gestalterisches Know-how über Generationen mündlich beziehungsweise als Nachahmung aktiver Handlungen überliefert. Weitergegeben wurden dabei stets das jeweils relevante und im praktischen Handeln optimierte Wissen.“ (Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 16)

Dies verweist darauf, dass die kulturellen Traditionen nicht statisch waren, sondern, durch die fehlende Verschriftlichung begünstigt, immer wieder verändert wurden. ‚Kultur‘ hatte auf dem Land einen gänzlich anderen Charakter als in der Stadt:

„Dorfkultur war in der Regel ein aktives Tun der Dorfbewohner. Konsumierbare Kulturangebote waren rar […]. Die Themen entsprangen der dörflichen Lebenswelt, die Aufführungen waren Dorfereignisse und festigten die Gemeinschaft. […] Anders als in der Kunstszene der urbanen Räume ging es in diesen Kulturveranstaltungen nur selten um die Ästhetik des Werkes an sich […].“ (Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 16)

Im Laufe des 20. Jahrhunderts kann man in Deutschland von einer Wellenbewegung der Enger- und Weiterführung des Begriffs ‚Kultur‘ sprechen. Während Engerführungen insbesondere durch die analytische Trennung von Bildungs-, Religions- und Wissenschaftspolitik von der Kulturpolitik erfolgt sind, gab es Erweiterungen vor allem durch Einbeziehungen von Kulturen des Alltags, wie der Populär- und Massenkultur, und letztlich explizit auch von Formen immaterieller Kulturpraxis. Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte noch die Wahrnehmung von Hochkultur, wenn man von ‚Kultur‘ sprach: „Theater, Museen und Denkmalpflege stehen im Mittelpunkt der Kulturpolitik und sollen dazu beitragen das Ideal des ästhetisch kompetenten Menschen zu verwirklichen.“ (Burkhard 2015: 75) Tendenziell seit der gesellschaftlichen Revolution von 1968 und spätestens seitdem ‚Kultur für alle‘ zum Programm geworden ist, setzte sich zunehmend ein erweiterter Kulturbegriff durch, der nicht nur die Gesamtheit der Künste und Medien umfasst, sondern „alle kreativen Äußerungen der menschlichen Natur“ (Hoffmann 1990: 136). Der Kulturbegriff sollte fortan „von dem traditionellen Verständnis einer auf ästhetische Produktion und Vermittlung konzentrierten Kunst-Kultur gelöst werden und Bezüge zur Lebensweise, zum gesellschaftlichen Bezug menschlichen Handelns erhalten.“ (Pohlmann 1994: 45) Das Verständnis, dass Kultur umfassender zu verstehen ist als Kunst steht in weitgehender Übereinstimmung mit der anthropologisch und ethnologisch orientierten Begriffsbestimmung der UNESCO seit 1982 (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 47, 427; siehe detaillierter Abschnitt 4.3.1.). Aus der Etablierung des weiten Kulturbegriffs schließt Hilmar Hoffmann u. a., dass Kulturpolitik mehr als Kunst- und Künstlerförderung sein müsse. Kultur müsse als dauerhafter Prozess der Entfaltung des Menschen begriffen werden. (vgl. Hoffmann 1990: 59) Dahinter steckt ein demokratisierendes Motiv von Kulturpolitik. Es überschneidet sich mit einem soziokulturellen Motiv, das auf sich selbst verwirklichende Menschen zielt. Der Kulturbegriff ist in Deutschland seit den 1970er Jahren also gesellschaftspolitisch und kooperativ ausgerichtet. (vgl. Burkhard 2015: 75, 101) Die so genannte ‚Neue Kulturpolitik‘ wollte neue Schichten erreichen und sie in den Kulturprozess einbeziehen (vgl. Hoffmann 1990: 152). Das alles beinhaltet konzeptionell im Grunde das Immaterielle Kulturerbe und seine Trägergruppen, aber weder Hilmar Hoffmann zu seinen aktiven Zeiten noch sonst jemand sprach in Deutschland bis ungefähr zur Jahrtausendwende explizit von den gemeinsamen Traditionen von Menschen und Kulturpraktiken des Alltags als relevantem Teil der Kulturpolitik. In anderen Kulturkreisen gilt durchaus eine andere Kunsttradition, so dass auch der Diskurs darüber kontextabhängig ist: Max Fuchs stellte etwa im Rahmen der UNESCO-Weltkonferenzen zur Kulturellen Bildung in den 2000er Jahren fast schon verwundert fest, dass andere Länder z. B. „Stelzenlaufen, Haare flechten, Schmieden, Textilverarbeitung“ (Fuchs 2010: 49) als relevante Künste begreifen. Angesichts heutiger internationaler Verflechtungen und Verknüpfungen sowie einer zunehmend durch internationale Einflüsse geprägten Gesellschaft in Deutschland hat inzwischen auch das internationale Verständnis der Definition von ‚Kultur‘ hierzulande einen erheblichen Einfluss (vgl. Germelmann 2013: 10 f.). In Deutschland kam zwar seit den 1980er Jahren ein ökonomisches Motiv in der Kulturpolitik auf, was dazu führte Kultur zunehmend als Arbeitsmarkt- und Standortfaktor zu begreifen (vgl. Burkhard 2015: 75). Insofern hatte sich der Begriff bzw. das Verständnis in Deutschland nach einer gewissen Kongruenz in den 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre zwischenzeitlich wieder vom UNESCO-Begriffsverständnis entfernt. Dass kulturelle Bildung, interkulturelle Verständigung und Inklusion – letztlich zumindest in diesem Bereich nur ein anderer Terminus für ‚Kultur für alle‘ – heute wichtige Themen der Kulturpolitik sind, zeigt aber, dass der Kulturbegriff sich tendenziell wieder geweitet hat und eine ‚kulturelle Demokratie‘ heute Leit- und Zielbild ist (vgl. Burkhard 2015: 106). Dies fiel zusammen mit einer genaueren Betrachtung von ‚Breitenkultur‘, die frappierende Parallelen mit den Definitionen Immateriellen Kulturerbes (siehe Abschnitt 4.1.) zeigt:

„Durch Ausbildung von Ritualen, Bedeutungszumessung und Tradierung dieser über Generationen hinweg wird den ausführenden Gruppierungen eine wichtige Funktion zur Traditionspflege beigemessen, letztlich als Bewahrerin regionaler Identität. Darüber hinaus sind die in diesen Gruppierungen entwickelten, weitergegebenen und identitätssichernden kulturellen Betätigungen gleichzeitig seit jeher von Bedeutung für die jeweiligen Sozialzusammenhänge. Sie stellen gesellschaftliche Ordnungen her oder bestätigen diese, sichern den Zugang für sozial benachteiligte Randgruppen und sind in der Regel für alle Bevölkerungsgruppen offen, unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und Einkommen.“ (Schneider 2014b: 15)

Kulturpolitik war traditionell auf das Bildungsbürgertum ausgerichtet, ab den 1970er Jahren ergänzt um einige weitere Zielgruppen. Seitdem aber haben sich die soziokulturellen Milieus und Lebensstile weiter ausdifferenziert. „Die Trägergruppen der kulturellen Öffentlichkeit sind durch den Prozess der gesellschaftlichen Individualisierung und Differenzierung heute sehr viel pluraler aufgestellt als noch in den 1960er und 1970er Jahren.“ (Sievers 2010: 229) Dies kann von den Institutionen kaum mehr adäquat bedient werden. Thematisch wie auch örtlich definierte Kulturpraktiken immaterieller Art bieten hier im Vergleich mit den traditionell von der Kulturpolitik beachteten Künsten zunehmend eine alternative, oder vielmehr ergänzende, Perspektive, da sie mehr noch als erstere das Potenzial haben, Gemeinschaft zu stiften:

„Die Notwendigkeit breitenkultureller Aktivitäten zur Gemeinwesengestaltung ist genauso wenig im Fokus wie die Folgen, die durch den Rückgang des bürgerschaftlichen Engagements in Zeiten gesellschaftlicher Transformationen zu erwarten sind.“ (Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 29)

Hier könnte die gedankliche und tatsächliche Einbeziehung alltagskultureller Praktiken, von Bräuchen, Ritualen und Festen oder Handwerkstechniken und der damit verbundenen Produzenten und Rezipienten in Kulturpolitik gegebenenfalls mehr Inklusion leisten als ein weiterer Ausbau von traditionellen kulturinstitutionellen Angeboten. „Wenn Kulturpolitik sich als Gesellschaftspolitik verstehen will, dann muss sie auch dabei mithelfen, dass der Zusammenhang von sozialer und kultureller Exklusion sich nicht weiter verfestigt.“ (Sievers 2010: 231) Zu diesem Schluss kam auch bereits eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Immateriellen Kulturerbe in Deutschland, in der es hieß, dass „die Attraktivität des ihr immanenten Kulturbegriffs in der Bundesrepublik über lange Zeit unterschätzt wurde“ (Albert/Disko 2011: 2).

Der Kulturbegriff hat schließlich auch Auswirkungen auf die Kulturstatistiken und damit Aussagen über Teilhabezahlen von Menschen an Kultur sowie über für Kultur bereitgestellte finanzielle Ressourcen. Insbesondere die Vergleichbarkeit, international, aber auch national, stellt ein Problem dar, wenn man sich nicht einig ist, was ‚Kultur‘ und Kulturpolitik ausmacht bzw. wie man beides abgrenzt, und was in diesen Bereichen in absoluter Höhe gefördert wird. (vgl. Klein 2009: 90 f.) Die Kulturstatistik steht also in Deutschland vor der Herausforderung, auf Basis eines Konsenses zum Kulturverständnis die gesamten Kulturaktivitäten und -ausgaben zu erfassen. Seit 2003 gibt es mit dem alle zwei Jahre erscheinenden Kulturfinanzbericht dazu immerhin eine Verständigung zwischen Bund, Ländern und dem Deutschen Städtetag. (vgl. Klein 2009: 93) Allerdings werden Kulturaktivitäten bisher sehr konservativ definiert, abgefragt und mit Kulturbudgets hinterlegt: Selbstverständlich werden Opern-, Kino- oder Konzertveranstaltungen und -besuche sowie -ausgaben gezählt, nicht jedoch Brauchveranstaltungen oder finanzielle Förderung von traditionellem Handwerk (vgl. Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2015: 37).

Und trotz der weitgehenden Durchsetzung der Programmatik von ‚Kultur für alle‘ wird zwar unter ‚Kultur‘ in Deutschland nicht mehr nur die an Institutionen wie Theater, Museen usw. gebundene Hochkultur verstanden, sondern etwa auch Pop- und Alltagskultur (vgl. Hoffmann 1981: 31), aber trotzdem ist in der öffentlichen Wahrnehmung, in den Feuilletons der großen Zeitungen und wenn man die meisten Menschen nach spontanen Assoziationen fragt, doch auch heute noch immer regelmäßig die Hochkultur dominierend. Das führt dazu, dass in Deutschland noch immer vor allem die Künste mit dem Begriff ‚Kultur‘ assoziiert werden. Festzuhalten bleibt insgesamt, dass der Kulturbegriff in Deutschland diskursiv bestimmt wird und damit die Chance besteht, ihn auch auszuweiten: „Er kann und soll nicht eindeutig festgelegt werden, sondern sich an den jeweils aktuellen äußeren Bedingungen orientieren.“ (Burkhard 2015: 88)

3.3.2 Rolle des Staates und der Kommunen

Kultur wird in Deutschland als öffentliches Gut begriffen und der Staat hat eine aktivierende Rolle. Daher haben der Staat (Bund und Länder) sowie die Kommunen die Verantwortung für die Bereitstellung und den Erhalt der kulturellen Infrastruktur und die Schaffung kulturfreundlicher Rahmenbedingungen (vgl. etwa Ehrmann 2008: 6, Scheytt 2008: 10 und Wagner 2011: 44, ausführlicher zum deutschen Mehrebenensystem in der Kulturpolitik siehe Abschnitt 3.4.). Während Art. 142 der Weimarer Reichsverfassung die Verpflichtung des Staates zu Schutz und Pflege der Kunst enthielt, fehlt diese Bestimmung im Grundgesetz (vgl. Hoffmann 1981: 43). Staatsrechtler gehen aber davon aus, dass diese implizit vorhanden sei – spätestens seit einem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1974 (BVerfGE 36, 321, sogenanntes „Schallplattenurteil“), in dem die Staatszielbestimmung als Kulturstaat Erwähnung fand. Zwar gibt es – entgegen der Forderung aus der Enquete-Kommission – bis heute kein „Staatsziel Kultur“ im Grundgesetz, aber etwa Scheytt (2008: 11, 2010: 29) und Wagner (2007: 2) argumentieren, man könne die Verpflichtung Deutschlands, Kultur zu schützen und zu fördern, aus Landesverfassungen (siehe Abschnitt 3.4.2.), Kreis- und Gemeindeordnungen sowie eben Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Kunstfreiheit ableiten. Auch im Grundgesetz-Kommentar von Maunz-Dürig (1994) wird diese Einschätzung geteilt (vgl. Klein 2009: 80 f.). Im Einigungsvertrag von 1990 wurde die staatliche Förderung von Kultur in Art. 35 Abs. 1 explizit erwähnt und Deutschland als „Kulturstaat“ bezeichnet. Dies wird gemeinhin als eine Bestimmung mit Verfassungsrang aufgefasst, die somit Deutschland als Kulturstaat definiert (vgl. von Beyme 2012: 131). Hinzu kommen Kulturfördergesetze, etwa das Kulturraumgesetz in Sachsen oder das Kulturfördergesetz Nordrhein-Westfalen, die beide die Kulturförderung auf eine festere Basis stellen wollen.

Der Staat handelt in Deutschland im kulturpolitischen Bereich zum Schutz und zur Unterstützung von Kunst und Kultur durch deren Förderung (vgl. Wagner 2011: 44),

„zum einen durch eigenes Handeln […], vor allem in Form der Bereitstellung von Ressourcen und der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen (kulturelle Ordnungspolitik). Zum anderen wird der Auftrag dadurch erfüllt, dass die öffentliche Hand ihre grundsätzliche Verantwortung mit anderen Partnern in Gesellschaft und Wirtschaft teilt oder auch die von privaten und kirchlichen Trägern und Akteuren wahrgenommene Verantwortung unterstützt.“ (Scheytt 2010: 38)

Anders ausgedrückt: Der Staat kann selbst Träger von Kultureinrichtungen (z. B. Stadt- und Staatstheater, Orchester, Musikschulen, Bibliotheken usw.) sein, er kann zweitens Organisator von Rahmenbedingungen (Gesetze zur Denkmalpflege oder etwa Buchpreisbindung) sein – die Leistung wird aber durch Dritte erbracht – oder drittens er kann Förderer kultureller Aktivitäten (z. B. Laienkultur) Dritter, i. d. R. des gemeinnützigen Sektors, sein (vgl. Burkhard 2015: 168).

„Staatliches Handeln setzt durch Gesetze und Normierungen die Rahmenbedingungen, unter denen sich alle Akteure bewegen. Gleichzeitig können staatliche Institutionen als Träger von Kultureinrichtungen […] oder Veranstalter […] auftreten bzw. durch entsprechende Zuwendungen Einrichtungen und Organisationen Dritter fördern.“ (Klein 2009: 100)

Wie der Staat jeweils diese Aufgaben wahrnimmt, ist nach dem jeweiligen Handlungsfeld zu differenzieren: Im Bereich des kulturellen Erbes nimmt Kulturpolitik zum Beispiel andere Formen und Instrumente, Maßnahmen, Strategien und Programme an als etwa in der Künstlerförderung (vgl. Scheytt 2010: 38 f.). Abschließend sei daran erinnert, dass Kulturverwaltung fast gänzlich eine gesetzesfreie Verwaltung ist. Es geht vor allem um die Bereitstellung finanzieller Mittel. (vgl. Germelmann 2013: 335) Und da diese finanziellen Mittel vergleichsweise gering im Verhältnis zu den Gesamthaushalten der einzelnen staatlichen Akteure sind, wird zum einen Kulturpolitik eine relativ geringe Bedeutung zugemessen und zum anderen dominiert ein eher begrenzter Kulturbegriff, der sich daran orientiert, was und wer monetäre Unterstützung erhält (vgl. Lembke 2017: 205 f.).

3.3.3 Rollen der Akteure aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft

Bei Kulturpolitik handelt es sich „um ein vieldimensionales Beziehungsgeflecht zwischen Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und kulturell-künstlerischem Bereich“ (Wagner 2011: 43). Sie haben eine geteilte Verantwortung für Good Governance von Kulturpolitik (vgl. Schneider 2016).

Die öffentlichen Akteure hätten zu lange, so der Vorwurf Bernd Wagners, eine

„Vielzahl kultureller Vereine in allen Feldern der Laien- und Breitenkultur über den großen Bereich der von gemeinnützigen Akteuren getragenen kulturellen Bildung, regionalen Kulturinitiativen und freier Kulturarbeit und das ehrenamtlich-bürgerschaftliche Engagement von Millionen in nahezu allen Kultur- und Kunsteinrichtungen bis zur mäzenatischen Kunstförderung und der Vielzahl von Kulturstiftungen“ (Wagner 2009: 14),

kulturpolitisch weitgehend unberücksichtigt gelassen. Auch Wimmer (2011: 269) meint, der Staat wäre in der Kulturpolitik lange nur einer angebotsorientierten Logik gefolgt und hätte alle nicht professionell Involvierten als Nutzer statt als partizipierende Akteure aufgefasst.

Neben dem Staat und der Zivilgesellschaft spielt der Markt, das heißt der Bereich der Wirtschaft, in der Kulturpolitik eine Rolle: Neben den genuin privatwirtschaftlich ausgerichteten Kulturangeboten, insbesondere im Bereich der Musik, der Literatur und der Bildenden Kunst (vgl. Wagner 2007: 1), findet die Kultur- und Kreativwirtschaft in den letzten Jahren zunehmend auch in der Wirtschaftspolitik Beachtung. Motiv der Privatwirtschaft ist auch im kulturellen Bereich der Gewinn, also Geld. Das ist nach allgemeinem Verständnis in Deutschland legitim, sollte aber möglichst durch die anderen Akteure ausgeglichen werden. Staatliche Akteure haben also im deutschen Verständnis die Aufgabe durch die Kulturwirtschaft „nicht erfüllte Bedürfnisse des Gemeinwohls, die sich nicht als profitabel erweisen“ (Klein 2009: 100) zu kompensieren. „Aufgabe der Kulturpolitik im Kontext mit der Kulturwirtschaft muss es sein, neben den wirtschaftlichen die kulturellen Aspekte stärker zu betonen.“ (Ehrmann 2008: 8) Auch das Sponsoring von Kultur(-veranstaltungen) gehört zu den kulturpolitischen Aktivitäten der Wirtschaft.

In der Arbeit und den Ergebnissen der Enquete-Kommission wurde darüber hinaus deutlich, dass im Kulturbereich das bürgerschaftliche Engagement sehr wichtig ist. Strukturierung erfährt dieses durch „Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Verbände, Vereine und weitere nicht-staatliche Organisationen“ (Burkhard 2015: 84). Den kulturellen Trägerpluralismus kann man als wichtiges Strukturelement der Kulturlandschaft in Deutschland bezeichnen (vgl. Klein 2009: 82). Gerade Vereine spielen in Deutschland eine tragende Rolle im Kulturleben, wenn man die nicht direkt durch staatliche Interventionen geprägte Kulturszene und die Breitenkultur betrachtet. Etwa Schützen-, Heimat-, Trachten-, Gesangs-, Musik- und sonstige Kulturvereine existieren sowohl in großen Städten als auch in kleinsten Gemeinden. (vgl. Klein 2009: 169 f.)

Die Motive und Logik des Engagements zivilgesellschaftlicher Akteure im Kulturbereich kann man u. a. mit den Schlagworten ‚Anerkennung‘ und ‚Sinn‘ beschreiben (vgl. Wagner 2011: 43). Ein wichtiges Feld der zivilgesellschaftlichen Akteure bzw. ehrenamtlicher Kulturarbeit ist die Laien- bzw. Breitenkultur. Darunter fallen alle zivilgesellschaftlich getragenen, nicht-kommerziellen Kulturangebote, die sich durch nicht-elitäre Ausdrucks- und Vermittlungsformen auszeichnen. Wichtige Akteure sind die Kirchen, aber auch Feuerwehren und Hilfsorganisationen sowie nachbarschaftliche Zusammenschlüsse machen Kulturangebote. Hinzu kommen die Laienmusiker, Amateurtheater usw. Auch die Brauchpflege ist ein Tätigkeitsfeld. Die Rolle der Laienkultur als Garant der Vielfalt und kultureller Teilhabe hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht festgehalten. Bezeichnend im Sinne des – mindestens bis 2013 – vorherrschenden Kulturbegriffs in Deutschland ist allerdings, dass selbst das Kapitel des Berichts der Enquete-Kommission, das sich dem Thema Brauchtum widmet, vornehmlich von Orchestern, Chören und Theatergruppen handelt. (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 190 sowie Schwencke/Bühler/Wagner 2009: 133)

Angesichts knapper Haushaltsmittel wird in der Kulturpolitik das Ehrenamt inzwischen häufiger thematisiert (vgl. Haselbach 2013: 95). Das bürgerschaftliche Engagement würde sich nach Berechnungen für die Enquete-Kommission auf höhere Summen belaufen als das gesamte Geldfördervolumen der staatlichen Stellen, wenn man allein die aufgewendete Zeit in Geldleistungen umrechnen würde (vgl. Ehrmann 2008: 7 f.). Aber erst durch die staatliche bzw. kommunale Gewährleistung der kulturellen Infrastruktur kann die bürgerschaftliche Eigenaktivität produktiv gemacht werden (vgl. Scheytt 2010: 42). Laien- und Breitenkultur lebt von ehrenamtlichem Engagement. Die öffentlichen Förderstrukturen dürfen dieses Feld im Sinne des Drei-Säulen-Modells trotzdem nicht gänzlich aus dem Blick lassen.

3.4 Das deutsche Mehrebenensystem in der Kulturpolitik

Zur Erinnerung: Das in Deutschland historisch gewachsene kulturelle System lässt sich in drei Bereiche einteilen: die öffentlich getragenen und finanzierten Einrichtungen, die privatwirtschaftlichen Angebote und der Bereich der zivilgesellschaftlich getragenen gemeinnützigen Vereine und Initiativen – „vom Musikschulverein über das privat getragene Heimatmuseum bis zu den vielfältigen freien soziokulturellen Aktivitäten und Einrichtungen“ (Wagner 2007: 1). Die prägenden Merkmale des Systems sind Dezentralität, Subsidiarität und Pluralität (vgl. Singer 2003: 4).

Betrachtet man die Governance von Kulturpolitik, das heißt ihre Strukturen und Prozesse, gibt das föderale System in Deutschland den Ländern und Kommunen nach dem erwähnten Subsidiaritätsprinzip im Bereich Kultur im Vergleich mit anderen Politikfeldern eine starke Stellung. Sie wird sogar als Herzstück oder auch Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder bezeichnet (vgl. Singer 2003: 6 und Germelmann 2013: 32) oder als Teil der „letzten Residuen einer überwiegenden Kompetenz der Gliedstaaten“ (von Beyme 2010: 277). Auch im Vergleich zu anderen Staaten ist Deutschland sehr kulturföderalistisch. Historisch lässt sich dies durch die verschiedenen Feudalstaaten, Fürstentümer und Reichsstädte begründen, die erst seit 1871 einen einheitlichen Staat bilden. Sie haben zuvor eine jeweils eigenständige Kulturpolitik betrieben und eigene Kultureinrichtungen geschaffen. Der Missbrauch von Kultur durch die Nationalsozialisten ist der Grund, warum der Gesamtstaat BRD sich 1949 in diesem Politikfeld ziemlich zurückhielt und erneut eine dezidierte Föderalisierung erfolgte (vgl. u. a. Hoffmann 1990: 16). Heute ist allerdings die Existenz einer ergänzenden Bundeskompetenz in Sachen Kultur weitgehend unstrittig (vgl. Klein 2009: 136 f.). Man kann Deutschlands Kulturpolitik nach einer Typologie von Beymes (1998: 16 f., 2010: 271), der – je nach Sichtweise – zwischen drei und fünf Kulturpolitik-Modelle skizziert, einsortieren: 1.) Das zentralistische, etatistische Modell von einem einzigen Kulturministerium aus dirigiert mit i. d. R. starken inhaltlichen Vorgaben ist insbesondere aus Frankreich bekannt. 2.) Das subzentralistische, parastaatliche Modell mit autonomer Finanzierung der Kultur über autonome Fonds und ohne starke inhaltliche Einmischung des Staates ist typischerweise in Skandinavien und den Niederlanden zu finden. 3.) Das föderalistische Modell, in dem Kultur dezentral aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. 4.) Zivilgesellschaftliche Kulturpolitik mit geringer staatlicher Förderung wie in den USA. 5.) Das Modell des staatlichen Kulturunternehmers, in dem der Staat bzw. vielmehr die verantwortlichen Staatsvertreter als „Impressario“ gegenüber den Kulturinstitutionen auftreten. Dieses letzte Modell ist gewöhnlich aus Diktaturen bekannt. Nach dieser Klassifizierung gehört Deutschland eindeutig dem föderalistischen Modell der kulturpolitischen Institutionalisierung an: Hier werden die Mittel überwiegend aus öffentlichen Haushalten gespeist und die dezentralen Gebietskörperschaften treffen die relevanten Entscheidungen über deren Verteilung. (vgl. Wimmer 2011: 104 ff.) In den Kommunen wird die kulturelle Infrastruktur jeweils konkret ausgestaltet (vgl. Scheytt 2008: 12).

Klaus von Beyme konstatiert als Besonderheit des Politikfelds die permanente „Dreiebenenpolitik“, die sich bei EU-relevanten Themen sogar zu einer Vierebenenpolitik entwickelt habe (vgl. von Beyme 2012: 19). In dieser Arbeit soll, da zusätzlich noch UNESCO als multilateraler Akteur eine Rolle spielt, die inzwischen etablierte Bezeichnung „Mehrebenensystem“ (multilevel governance), die zugleich beinhaltet, dass die Hierarchien selten eindeutig abgrenzbar sind (vgl. Blum/Schubert 2009: 73 f.), und auch dritte Akteure mitwirken, Verwendung finden. Man darf die ‚Kulturhoheit‘ der Länder nicht als ‚Kulturmonopol‘ missverstehen – es gibt durchaus Bereiche, in denen Bund und Kommunen die vorrangigen Kompetenzen haben und es handelt sich bei der beliebten Bezeichnung ‚Kulturhoheit‘ letztlich um nicht mehr als einen Sammelbegriff der zweifelsohne zahlreichen, aber keineswegs ausschließlichen Zuständigkeiten der Länder. Diese sind zwar quantitativ am höchsten, die Förderpraxis des Bundes erregt aber mehr Aufmerksamkeit und jene der Kommunen leistet die wichtige Versorgung in der Fläche. (vgl. Germelmann 2013: 335 f.) Je höher die Ebene, desto mehr tritt eine unmittelbare, konkrete Kulturförderung allerdings gegenüber der Gestaltung von Rahmenbedingungen in den Hintergrund (vgl. Fuchs 2010: 45). Konstatiert werden kann demnach eine grundsätzliche Aufgabentrennung von Bund, Ländern und Kommunen, die jedoch – wie für das deutsche Mehrebenensystem typisch – durch vielfältige Kooperationen und Verflechtungen zwischen den Ebenen relativiert werden (vgl. u. a. Germelmann 2013: 334; siehe auch Abschnitt 5.1.4.). Bund, Länder und Kommunen haben in diesem System also eine gemeinsame und geteilte, aber jeweils eigenständig wahrgenommene, Verantwortung für die Kulturpolitik (vgl. Singer 2003: 6). Sie stimmen sich in wechselnden und regional durchaus verschiedenen Konstellationen ab (vgl. Müller/Singer 2004: 37). Den kooperativen Föderalismus im Bereich Kultur preisen fast alle i. e. S. politischen Akteure im Feld der Kulturpolitik (vgl. u. a. Deutscher Städte- und Gemeindebund/Landsberg 2015: 6 und Neumann 2013: 20). Der jeweilige Zuschnitt der Zuständigkeiten sorgt jedoch immer mal wieder für Konfliktstoff zwischen den Akteuren auf den verschiedenen Ebenen (vgl. Burkhard 2015: 170). Zu diesen Konflikten gehört auch, dass das Bundesverfassungsgericht eher von einem engen Kulturbegriff ausgeht, wenn es Einzelfragen der ‚Kulturhoheit‘ der Länder auslegt (vgl. Lembke 2017: 33). Würde man entsprechend einen weiteren Kulturbegriff zugrunde legen, könnte der Bund vermutlich mehr Gestaltungsspielraum beanspruchen.

3.4.1 Bund

Nach dem Grundgesetz hat der Bund nur mittelbar Kompetenzen im Kulturbereich, denn zu diesem Politikbereich nimmt die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – mit Ausnahme der Auswärtigen Kulturpolitik (Art. 32) und dem „Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung in das Ausland“ (Art. 74) – keine Aussagen vor. Nach Art. 30 sind somit die Länder für die Erfüllung der entsprechenden staatlichen Aufgaben zuständig (vgl. Schwencke/Bühler/Wagner 2009: 98). Noch 1984, in Beantwortung zweier Großer Anfragen im Bundestag, war die Bundesregierung sehr zurückhaltend in der Darstellung der eigenen Kompetenzen (vgl. Klein 2009: 123 f.). „In kaum einem europäischen Land – mit Ausnahme der Schweiz – sind die kulturpolitischen Kompetenzen des Nationalstaats so klein wie in der Bundesrepublik.“ (von Beyme 2012: 111)

Mit der deutschen Einigung und spätestens in der Zeit der Berliner Republik – also seit 1998 – ist der Bund allerdings zu einem gewichtigeren Akteur geworden, am deutlichsten sichtbar durch das Amt des bzw. der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Re-Etablierung eines entsprechenden Ausschusses im Deutschen Bundestag. Zuvor waren die kulturellen Angelegenheiten des Bundes in einer Abteilung des Bundesinnenministeriums angesiedelt und erhielten nur sehr sporadisch Aufmerksamkeit im Deutschen Bundestag (vgl. von Beyme 2010: 275). Nun erhielt BKM aus dem BMI die vormalige Zuständigkeit für Kultur und Medien – mit Ausnahme der Bereiche Kirchen und Religionsgemeinschaften, die beim BMI verblieben sind –, aus dem Bundeswirtschaftsministerium die Zuständigkeit für die Medien- und Filmwirtschaft, die Hauptstadtkultur- und Bonn-Förderung aus dem für Verkehr und Bau zuständigen Bundesressort und jene für Medienpolitik aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. (vgl. Klein 2009: 128) Mit dieser Verantwortung handelt es sich bei der BKM um eine – inzwischen selbst so bezeichnete – ‚Kulturstaatsministerin‘.

Dem Bund obliegt vor allem das Setzen der übergreifenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für Kultur (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 420). Kulturpolitik ist auf dieser Ebene staatlichen Handelns also mehr Strukturpolitik als konkrete Förderpolitik (vgl. Fuchs 2006: 94). Die finanzielle Förderung der bzw. des Beauftragten für Kultur und Medien bezieht sich vorrangig auf Leuchtturmprojekte im gesamtdeutschen Interesse, heute vor allem über die Bundeskulturstiftung, sowohl im Bereich des Kulturerbes als auch von Gegenwartskunst. Für die Hauptstadtfunktion Berlins kommt der Bund in besonderem Maße auf – seit 2006 auch grundgesetzlich (Art. 22) zur kulturellen „Repräsentation des Gesamtstaats“ abgesichert. BKM hat aber auch den Anspruch ganz grundsätzlich „den öffentlichen Diskurs über Kunst und Kultur zu fördern, Impulse zu geben und Interessen zu vertreten, […] ein kulturfreundliches Klima zu schaffen und den interkulturellen Dialog zu beleben“ (Klein 2009: 129). Zur Koordinierung mit den Ländern hat BKM einen Gaststatus im Kulturausschuss der KMK und es hat sich etabliert, dass die amtierenden Kulturstaatsminister(innen) sich regelmäßig mehrmals jährlich zu kulturpolitischen Spitzen- und Kamingesprächen mit der Länder-Kulturministerrunde treffen.

Nach Art. 32 Abs. 1 (in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1) GG ist zudem die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten und damit auch die kulturelle Außenpolitik Sache des Bundes. Die Abteilung 6 des Auswärtigen Amts (AA) ist für Kultur und Gesellschaft (vormals Kultur und Kommunikation) zuständig; UNESCO-Themen sind im Referat 603 bzw. 603–9 angesiedelt. Seit Einrichtung des BKM gibt es allerdings eine konkurrierende Zuständigkeit, denn das dortige Referat (aktuell K 34) ist ebenfalls der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Kultur verpflichtet und fördert seit 2012 u. a. die Geschäftsstelle Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission. Für Welterbe, also die 1972er-Konvention der UNESCO, gibt es im AA eine Koordinierungsstelle, ebenfalls unter dem Referat 603 angesiedelt – und bei BKM ein Referat für Denkmalschutz und Weltkulturerbe (K 54). Die Kompetenzen zwischen beiden Verwaltungen sind bisher nicht endgültig geklärt bzw. klar voneinander abgegrenzt. Vor dem Hintergrund der immer wieder aufflammenden Diskussionen der Aufwertung des BKM zu einem Bundeskulturministerium wird sich diese Frage weiterhin stellen.

Die Auswärtige Kulturpolitik ist konzeptionell von großer Kontinuität geprägt. Seit Mitte der 1970er Jahre gilt als übergreifende Aufgabe und ständiges Ziel die Legitimation Deutschlands als Kulturnation in einer sich wandelnden Welt. Dabei soll ein lebendiges, ausgewogenes, wirklichkeitsnahes und damit auch selbstkritisches Bild vom Leben und Denken in Deutschland vermittelt werden. Zudem beruft sich die Auswärtige Kulturpolitik auf einen erweiterten Kulturbegriff. Anders als in vielen anderen großen westlichen Staaten wird die deutsche Auslandskulturarbeit kaum vom Auswärtigen Amt selbst, sondern vor allem von Mittlerorganisationen aus Bundeshaushaltsmitteln betrieben. (vgl. Klein 2009: 112 f.) Dazu zählen das Goethe-Institut, das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und – als sehr kleine Mittlerorganisation – auch die Deutsche UNESCO-Kommission.

Der Bund fördert auf der Gesellschafts- und Interessenvertretungsebene nationale Verbände, wie etwa den Deutschen Kulturrat, und befördert damit eine Korporatisierung im Bereich der Kulturpolitik, mutmaßlich auch um den eigenen Einfluss gegenüber den Ländern auszubauen (vgl. Schmid 2008: 356). In der Dachorganisation Deutscher Kulturrat, gegründet 1981, sind die überwiegende Zahl der im Kulturbereich aktiven Verbände zusammengeschlossen. Ein weiterer übergreifender Verband ist die Kulturpolitische Gesellschaft, der sich seit 1976 als neutrale und unabhängige Plattform positioniert hat. (vgl. Wagner 2007: 4; Klein 2009: 166) Dieser so genannte dritte Sektor der Kulturpolitik in Deutschland bündelt die Interessen gegenüber der Politik. Häufig kommen die staatlichen Akteure bei der Politikformulierung an diesen Interessensvertretungen nicht vorbei. (vgl. Klein 2009: 100)

Für kleinere Förderaufgaben und zentrale ordnungspolitische Regelungen im Inland sind „stillschweigend aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs zu einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzmaterie“ (Singer 2003: 4) weiterhin folgende Bundesministerien zuständig: z. B. für die Künstlersozialkasse das Arbeitsministerium, für kulturelle Bildung das Bildungs- und Forschungsministerium und für Urheberrechts- und weitere juristische Fragen das Justizministerium. Alle weiteren und vor allem grundlegenden Kompetenzen liegen bei den Ländern und den Kommunen. (vgl. Wagner 2007: 1)

3.4.2 Länder

Das Grundgesetz legt die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen für die Kulturpolitik nach Art. 30 in die Hände der Länder, soweit es im Einzelfall keine anderen Regelungen enthält. In den jeweiligen Länderverfassungen findet diese Verantwortlichkeit auf unterschiedliche Art und Weise Niederschlag: Bayern zum Beispiel bezeichnet sich als Kulturstaat (Art. 3), Berlin bekennt sich zu Schutz und Förderung des kulturellen Lebens (Art. 20 Abs. 2), Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein haben die Pflege bzw. Förderung in ihren Landesverfassungen stehen (vgl. Klein 2009: 81 f.). Sachsen bezeichnet sich gar als „der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat“ (Art. 1) und „fördert das kulturelle, künstlerische und wissenschaftliche Schaffen“ (Art. 11). Mit der Verantwortung für Kulturpolitik verbundene, verbindlich festgelegte, Aufgaben fehlen allerdings in den Landesverfassungen; die Länder haben theoretisch eine große Gestaltungsfreiheit. (vgl. Schwencke/Bühler/Wagner 2009: 111) Die Verfassungen von Brandenburg (Art. 25) und Sachsen (Art. 6 Abs. 1) nehmen auch Bezug auf Berücksichtigung und Förderung der Kultur der Sorben, einer autochthonen Minderheit. Dies ist interessant im Hinblick auf den verwendeten Kulturbegriff, denn hiermit „kann nur deren Lebensweise und Sprache gemeint sein. Eine Schutzklausel, die allein auf die Künste der Sorben bezogen ist, gäbe wenig Sinn.“ (Sommer 2008: 54) Ähnliches gilt für die nationalen Minderheiten in der Landesverfassung von Schleswig-Holstein, auf deren „kulturelle Eigenständigkeit“ in Art. 6 Abs. 2 hingewiesen wird.

Ihre Gesetzgebungskompetenz nehmen die Länder nahezu nur im Haushaltsbereich wahr (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 420). In der Praxis sind die Länder für die Förderung kultureller Institutionen und Projekte von jeweiliger landesweiter Bedeutung zuständig (vgl. Singer 2003: 8). Die eigentliche Kulturpolitik der Länder als Teil ihrer sogenannten ‚Kulturhoheit‘ oder ‚vorrangigen Kulturkompetenz‘ findet allerdings deutlich weniger öffentliche Aufmerksamkeit als etwa ihre Schul- und Hochschulpolitik (vgl. Hildebrandt/Wolf 2008: 11 f., 16). Ob Hilmar Hoffmanns (1981: 46) Diktum einer durch die Länderregierung praktizierten Stiefkind-Behandlung von Kulturpolitik, die sich i. d. R. nur als eine „Kulturpflege“ verstehe und unter Mangel an Fantasie und Finanzen leide, heute noch gilt, müsste angesichts der inzwischen erfolgten Einrichtung der Kulturministerkonferenz (siehe unten) genauer untersucht werden. Fest steht jedoch, dass es sich bei der Kulturpolitik um ein verhältnismäßig gering ‚politisiertes‘ Feld im Sinne parteipolitischer Fragestellungen handelt (vgl. von Beyme 2012: 151 f.).

Koordiniert wird die Politik der Länder in den genannten Bereichen in der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, kurz „Kultusministerkonferenz“ (KMK). Für die Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung im Bereich Kulturpolitik gibt es eine Fachabteilung und einen Kulturausschuss, der sich aus den Abteilungsleitern der Kulturabteilungen der 16 Länder zusammensetzt. Hier sind jeweils Berichterstattungsfunktionen für bestimmte Themen festgelegt. Die BKM hat ständigen Gaststatus. Aber auch in der KMK stand die Kulturpolitik thematisch bisher stets im Schatten der Schul- und Hochschulpolitik, obwohl sie formal gleichrangiger dritter Schwerpunkt ist (vgl. Klein 2009: 147). Für strategische Fragen der Auswärtigen Kulturpolitik ist die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Länder in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt zuständig. (vgl. Müller/Singer 2004: 38). Anders als in der Bildungspolitik hat die Summe der Länderpolitiken im Bereich Kulturpolitik bisher keine gesamtstaatliche Bedeutung erworben, da es bis vor Kurzem in diesem Feld der KMK offenbar an Aktionsbereitschaft zu koordinierter Politik fehlte. (vgl. Scheytt 2005: 27) Angeblich gab es wesentlich seltener einen länderübergreifenden Koordinierungsbedarf, dafür werde häufiger die Frage des Bund-Länder-Verhältnisses der Kulturförderung beraten (vgl. Burkhard 2015: 187) und es gehe um die allgemeine Diskussion von Problemlagen und die Erstellung von Empfehlungen (vgl. Klein 2009: 148). Die Länder würden zwar ihre Kulturhoheit um jeden Preis verteidigen, aber eine wirkliche vorrangige Schwerpunktsetzung mit starker institutioneller Verankerung und einen echten Einsatz für eine Koordination untereinander ließen sie vermissen. Der Föderalismus wirke im Kulturbereich daher noch immer weitgehend partikularistisch. (vgl. von Beyme 2010: 303) Zum 1. Januar 2019 nahm inzwischen allerdings die Kulturministerkonferenz (Kultur-MK) unter dem Dach der KMK ihre Tätigkeit auf. Hintergrund der Initiative war zum einen, dass in den meisten Ländern anders als früher inzwischen keineswegs Schul- und Kulturpolitik mehr im selben Ministerium bzw. unter demselben Minister ressortieren. Die jeweilige Kulturabteilung kann heute mal Teil des Wissenschaftsministeriums, mal Teil des Justizministeriums, mal in der Staatskanzlei angesiedelt sein oder auch bei Arbeit, Soziales, Jugend usw. Klaus von Beyme (2010: 277) bezeichnete diese Zuordnung zu verschiedenen Ressorts als symptomatisch und etwas flapsig als „kalt angeschweißt“. Zum anderen sollen mit der Kultur-MK die kulturpolitischen Belange der Länder als Kernstück der sogenannten ‚Kulturhoheit‘ der Länder wieder mehr Sichtbarkeit erlangen und ihr Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung verbessert werden. Offenbar hatte man auch eine zunehmende gesellschaftliche Relevanz der Kulturpolitik diagnostiziert und einen steigenden Koordinationsbedarf konstatiert. Zudem wollten sich die Länder gegenüber dem im Kulturfeld erstarkten Bund behaupten und diesen mindestens stärker zu einer koordinierten Zusammenarbeit bewegen. Für die im Rahmen dieser Arbeit vorwiegend betrachtete Untersuchungsperiode (bis 2016) wurden Kulturthemen aber noch ausschließlich in der Kultusministerkonferenz und in ihrem Kulturausschuss behandelt.

3.4.3 Kommunen

Dezentralität und staatlicher Trägerpluralismus von Kulturangeboten ist im Kontrast zu anderen europäischen Ländern, wie etwa Frankreich, ein Markenzeichen Deutschlands. Die Städte, Gemeinden und Landkreise der Bundesrepublik stellen einen wesentlichen Teil der kulturellen Infrastruktur in Deutschland. Es ist zu beachten, dass sie keine dritte Staatsebene unter Bund und Ländern bilden, sondern verfassungssystematisch Teil der Länder sind, d. h. eine mittelbare Staatsverwaltung, zwar öffentliche Verwaltung, aber unter staatlicher Aufsicht der Länder. (vgl. K, Interview am 01.11.2018) Der Deutsche Städtetag stellt zu Recht immer wieder klar, dass Kulturpolitik in Deutschland in erster Linie Kommunalpolitik ist. (vgl. Klein 2009: 69, 82 f.)

Die Kommunen als unterste Verwaltungseinheiten haben in der Kulturpolitik im Rahmen der Selbstverwaltung weite Handlungsspielräume und leisten den Hauptanteil der Investitionen der öffentlichen Hand. (vgl. Burkhard 2015: 17 und Kropp 2010: 119) Sie leiten ihre Kulturzuständigkeit aus Art. 28 Abs. 2 GG ab, nach dem „[d]en Gemeinden […] das Recht gewährleistet sein [muss], alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen eigener Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. In den jeweiligen Landesverfassungen sind die Aufgaben meist nochmal expliziter formuliert. (vgl. Wagner 2007: 1 f.) Die Kommunen befassen sich mit recht konkreten Aufgaben in ihrem Wirkungsbereich. Die lokale Kulturförderung gilt als sogenannte „freiwillige“ Aufgabe, weil kaum gesetzliche Regelungen existieren, obwohl es inzwischen auch eine Reihe von Bereichen gibt, die eine rechtliche Absicherung erfahren haben. Zudem wurden juristische Begründungsansätze entwickelt, die grundsätzlich durchaus eine Pflichtigkeit der Aufgabe feststellen. Der Deutsche Städtetag spricht von einer politischen – nicht juristischen – Pflichtaufgabe und einem unverzichtbaren Bestandteil kommunaler Selbstverwaltung (vgl. Deutscher Städtetag 2009: 6). Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verteidigt stärker die Freiwilligkeit und sieht darin die Garantie der Vielfalt (vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund/Landsberg 2015: 4). Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass Kommunen in irgendeiner Weise Kulturarbeit durchführen müssen, das „Wie“ ist allerdings gestaltungsfähig. Eine Kommune muss also etwa – von den durch gesetzliche Vorgaben vorgeschriebenen abgesehen – keine eigenen kulturellen Einrichtungen betreiben, sondern kann sich auf die Förderung privater bzw. zivilgesellschaftlicher Anbieter von Kultur beschränken. (vgl. Scheytt 2010: 28 ff.) Daher differieren Kulturausgaben von Bundesland zu Bundesland und von Kommune zu Kommune durchaus erheblich (vgl. Klein 2009: 90). Trotzdem wird „[k]ommunale Kulturpolitik – wie auch Landeskulturpolitik – […] zuvorderst an fiskalischen Werten gemessen, von denen eine vermeintliche Bedeutung abgeleitet wird“ (Lembke 2017: 205). Geld allein ist jedoch für die kulturelle Performanz einer Kommune nicht entscheidend (vgl. von Beyme 2012: 158). Die Struktur, die sich eine Kommune für die Kulturverwaltung und -politik gibt, kann durch eine „Kooperations- und Kommunikationskultur“ (Deutscher Städte- und Gemeindebund/Landsberg 2015: 2), klare Ansprechpersonen und Partizipationsformate wie Kulturbeiräte im Zweifel sogar mehr für die Förderung der vor Ort zivilgesellschaftlich getragenen Kultur leisten als eine üppige finanzielle Förderung. Im besten Falle fällt eine bedarfsgerechte Finanzierung mit einer Rolle der Verwaltung als Mittlerin zwischen den Akteuren zusammen. Der Gestaltungsauftrag der Kommunen im Bereich Kulturpolitik kann also recht weit gefasst werden – drei Schwerpunkte lassen sich jedoch ausmachen: erstens die kommunale Trägerschaft kultureller Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Theater, Orchester, soziokulturelle Zentren, Volkshochschulen, Musikschulen usw., zweitens die Rolle als Veranstalter und Auftraggeber z. B. von Kunst am Bau von öffentlichen Gebäuden, und drittens die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement im Kulturbereich z. B. durch die Unterstützung von Vereinen oder die Verleihung von Preisen. Hinzu kam in letzter Zeit auch die Unterstützung der lokalen Kultur- und Kreativwirtschaft, etwa durch die Bereitstellung öffentlicher Räume für kreative Zwischennutzung oder die Umgestaltung von Stadtvierteln. (vgl. Schwencke/Bühler/Wagner 2009: 114) Und trotzdem geht es meist um Finanzen: Es sind vor allem die eigenen Einrichtungen der Kommunen, an die im Regelfall der größte Anteil geht. Freie Kulturarbeit durch Vereine, Initiativen oder Kulturgruppen können sich, wenn überhaupt, meist nur um geringe Projektförderungen bewerben (vgl. Schneider 2014b: 18).

Die politischen Akteure sind der Gemeinderat bzw. die Stadtverordnetenversammlung mit, wenn die Kommune eine bestimmte Größe hat, i. d. R. einem Kulturausschuss und als politischer Wahlbeamter der Kulturdezernent, bei dem die politische Verantwortung für Kulturarbeit liegt. Die Verwaltung der Kulturfragen geschieht durch die kommunalen Kulturämter. (vgl. Klein 2009: 154 f.) Dominierende Rollen haben in der Kulturförderung i. d. R. der Bürgermeister oder – sofern vorhanden – der Kulturdezernent und die Verwaltung. In den Kommunen dominiert das Modell des staatlichen Kulturunternehmers nach von Beyme (1998: 17). Das bedeutet, dass die politischen Entscheidungsträger sich eine gewisse Mitsprache in Kulturfragen durch institutionelle Arrangements oder Personalentscheidungen sichern. (vgl. Wimmer 2011: 107) Relativ neu in der Begründung kommunaler Kulturpolitik – neben den etablierten Begründungen Bildung durch Kultur und Demokratisierung durch Kultur sowie Stärkung der Ökonomie durch Kultur – ist ein Identitätsmotiv:

„Die Zielsetzung aktueller Kulturpolitik besteht u.a. darin, durch ihre Angebote die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer eigenen Stadt und der regionalen Kultur zu intensivieren […]. Die Strahlkraft kultureller Einrichtungen und Angebote wurde bislang eher zur Außendarstellung genutzt (und damit beispielsweise zur Steigerung der touristischen Attraktivität, die eher in Verbindung mit dem Ökonomiemotiv zu sehen ist) […].“ (Burkhard 2015: 273)

Zur Koordinierung ihrer Positionen haben die Städte, Gemeinden und Landkreise eine ähnliche Struktur wie die Länder mit der KMK. Von den kommunalen Spitzenverbänden wie dem Deutschen Städtetag – der größte unter ihnen, der die Interessen aller kreisfreien und der meisten kreisangehörigen Städte vertritt –, dem Deutschem Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag werden entsprechende Kulturthemen, die überregionale Bedeutung haben, in den jeweiligen Fachreferaten und Kulturausschüssen beraten und bei Bedarf werden auch Empfehlungen an die Mitglieder gegeben. (vgl. Wagner 2007: 3) Diese Kulturausschüsse haben selbst nichts mit Mittelvergabe zu tun; ihre Rolle ist eher jene der Analyse und Reaktion auf gesellschaftliche Herausforderungen mit Positionspapieren und der Entwicklung von Konzepten (vgl. Fuchs 2006: 93). Der Deutsche Städtetag kann sicherlich als einflussreichster kommunalpolitischer Akteur im Bereich der Kulturpolitik gelten. Er formulierte bereits 1952 mit den so genannten Stuttgarter Richtlinien seine „Leitsätze zur kommunalen Kulturarbeit“, die die Kulturpflege als wichtige Aufgabe der Städte im Hinblick auf die Bedeutung für das Gemeinwesen charakterisierten (vgl. Lembke 2017: 30 f). Im Jahr 2009 sprach der Hauptausschuss von einem „kommunalen Kulturauftrag […], der auch erfüllt sein will“ (Deutscher Städtetag 2009: 5 f.). Zuletzt charakterisierte der Deutsche Städtetag Kulturpolitik als „gestaltende Entwicklung“ von Kommunen, „Gesellschaftspolitik“ und das „kulturelle Erbe als Gedächtnis und Ressource der Stadtgesellschaft“ (Deutscher Städtetag 2015). Der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der die kleineren Kommunen vertritt, stellt optimistisch fest, dass „Kommunen […] die Bedeutung der Kultur vor Ort erkannt“ (Deutscher Städte- und Gemeindebund/Landsberg 2015: 1) hätten und dass „die ‚Kultur für alle‘ und die ‚Kultur von allen‘ gefördert [werde]. ‚Hochkultur‘ und ‚Breitenkultur‘ sind [dabei] keine Gegensätze, sondern stehen nebeneinander und ergänzen sich.“ (Deutscher Städte- und Gemeindebund/Landsberg 2015: 2) Ausdrücklich wird in dem Positionspapier von 2015 auch die Volks- und Laienkunst als bewahrenswert benannt.

3.4.4 Kooperation im Mehrebenensystem

Die Kommunen und die Länder leisten zu etwa gleichen Teilen die Hauptanteile der öffentlichen Finanzierung von Kultur, die insgesamt im Jahr 2017 bei 11,4 Milliarden Euro lag. Dies entspricht 1,77 Prozent des Gesamtetats der öffentlichen Haushalte. Die Finanzierungsanteile bewegen sich etwa bei 17 Prozent durch den Bund (im Vorjahresvergleich tendenziell steigend), die Länder tragen nahezu 39 Prozent (leicht fallend), die Kommunen gut 44 Prozent (ebenfalls leicht fallend) des Gesamtvolumens der öffentlichen Kulturfinanzierung. (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2020: 19) Im Vergleich zum Jahr 1992 hat sich das Verhältnis zulasten der Kommunen und zugunsten von Bund und Ländern verändert – damals ging man von rund 60 Prozent der Ausgaben bei den Gemeinden, etwa 35 Prozent bei den Ländern und zwischen zwei und fünf Prozent durch den Bund aus (vgl. von Köckritz 1992: 76). Jedoch sind 2017 noch immer im Durchschnitt 2,3 Prozent des jeweiligen kommunalen Gesamthaushalts für Kulturausgaben verausgabt worden, die Länder liegen genau im Durchschnitt der öffentlichen Haushalte bei 1,77 Prozent und der Bund wendet 1,1 Prozent der Gesamtausgaben für Kultur auf (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2020: 21).

Die Länder haben verfassungsrechtlich zwar den überwiegenden Teil der Kompetenzen im Kulturbereich – weitestgehend enthalten sie sich dabei aber, wie gezeigt, gesetzlicher Festlegungen und überlassen die Gestaltung konkreter Kulturarbeit vor allem den Kommunen. Während bei strategischen kulturpolitischen Fragen die Länder dominieren, kann anhand der schieren Zahl der kulturellen Einrichtungen ein deutliches Verantwortungsübergewicht bei den Städten und Gemeinden festgestellt werden (vgl. Singer 2003: 8). Über Finanzierungsfragen und andere Kompetenzen kommt es hier immer wieder zu Streit (vgl. Burkhard 2015: 191). Die Kommunen könnten allerdings die Gestaltungsmöglichkeiten, die sie gerade in der Kulturpolitik auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, etwa durch Migration, hätten, noch ausbauen.

Zwischen Bund und Ländern wiederum kann man spätestens seit Ende der 1990er Jahre von einem ‚kulturföderalen Kooperationssystem‘ sprechen, da – insbesondere in der Kulturförderung – viel von Bund und einzelnen Ländern kofinanziert und entsprechend gemeinsam agiert wird. Vom sogenannten ‚Kooperationsverbot‘ wurde der Kulturbereich inklusive der Kulturellen Bildung im Rahmen der Föderalismusreform I (2006) ausgenommen (vgl. Burkhard 2015: 183). Hinzu kommt über die finanzielle Förderung hinaus ein impliziter und zum Teil auch expliziter Zwang zur engen Zusammenarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik, da sich hier die Kompetenzen – Außenkompetenz des Bundes und ‚Kulturhoheit‘ der Länder – überschneiden bzw. bedingen. Die Form der Zusammenarbeit reicht dabei von grundgesetzlich festgelegten Kooperationsmodi bis hin zu formlosen Absprachen. (vgl. Müller/Singer 2004: 37 f.) Ein Beispiel für einen regelmäßigen Konsultationsmodus ist der Kulturausschuss der KMK, zu dem auch jeweils Vertreter des Bundes (BKM) und der Kommunen (Deutscher Städtetag) als Gäste eingeladen sind.

Ein weiteres Beispiel ist die ‚Lindauer Absprache‘, nach der die Länder ihre Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen, die ihre Kernkompetenzen berühren, erklären müssen. Bei der nationalen Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes waren entsprechend der erläuterten Kompetenzverteilungen verschiedene staatliche Akteure in Ländern und Bund herausgefordert, sich auf eine gemeinsame Politik zu verständigen. Bereits 1957 kam es im Mehrebenensystem zur so genannten „Lindauer Absprache“ zwischen den Länderstaatskanzleien und der Bundesregierung. Darin

„einigten sich Bund und Länder, dass der Bund Kulturabkommen mit auswärtigen Staaten als Rahmenabkommen abschließt und die Verhandlungen unter Beteiligung und in enger Absprache mit den Ländern und ihren Organen erfolgen. Dies erforderte in der Folgezeit eine enge Kooperation und Koordination mit der Kultusministerkonferenz der Länder und ihrer Vertragskommission. Das Spannungsverhältnis zwischen Bund (insbesondere Auswärtiges Amt) und den Länderorganen machte die Außenkulturpolitik von Anfang an zu einem komplexen und komplizierten Verfahren, das immer wieder durch Kompetenzkonflikte geprägt war.“ (Singer 2003: 17)

In der „Lindauer Absprache“, deren genauer rechtlicher Charakter umstritten ist, ist dem Kulturbereich als bedeutendem Feld der Landeskompetenzen ein eigener Abschnitt gewidmet. Danach ist das Einvernehmen der Länder hier notwendig, bevor der Bund einen völkerrechtlichen Vertrag abschließt. (vgl. Germelmann 2013: 259)

Abschließend zum Thema der Kooperation im Mehrebenensystem einschließlich der Betrachtung der Ebene der internationalen Kulturpolitik noch ein Blick auf die deutsche Mitwirkung in der UNESCO: Vergleichsweise früh, nämlich im Jahr 1951, ist Deutschland der UN-Sonderorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur beigetreten. Um UNESCO-Übereinkommen national geltend zu machen und in den entsprechenden Gremien auf internationaler Ebene mitzuwirken, sind jeweils separate Ratifizierungs- bzw. Beitrittsprozesse notwendig, wofür im Zusammenspiel von Bund und Ländern die „Lindauer Absprache“ zum Einsatz kommt. Außer beim Übereinkommen zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser (2001) ist Deutschland Mitgliedsstaat in allen Konventionen, die die UNESCO im Kulturbereich verabschiedet hat. Diese sechs Übereinkommen sind das Allgemeine Copyright-Übereinkommen (1952, 1971), das Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten („Haager Konvention", 1954), das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970), das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbekonvention, 1972), das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (2003) und das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005). (vgl. Hanke 2016: 85)

3.5 Aktuelle Herausforderungen (nicht nur) in der Kulturpolitik

Auch die Kulturpolitik muss sich im 21. Jahrhundert mit jenen Herausforderungen, die von den globalen Megatrends (Globalisierung, Klimawandel, Alterung der Gesellschaften, Migrationsbewegungen usw.) beeinflusst sind, beschäftigen. Von moderner Kulturpolitik wird also erwartet, dass sie sich mit Inklusion, Diversität und insgesamt den globalen Nachhaltigkeitszielen befasst, um den Kunst- und Kulturschaffenden und dem Kulturpublikum wiederum eine Beschäftigung mit den entsprechenden Themen zu ermöglichen.

3.5.1 Kulturelle Teilhabe

Das Ziel von kultureller Teilhabe ist, dass in unserer in vielen Dimensionen vielfältigen Gesellschaft „möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, sich einzeln und in Gruppen auf unterschiedliche Weise mit Kultur auseinanderzusetzen und sich nach eigenen Vorstellungen kulturell auszudrücken“ (Nationaler Kulturdialog 2019: 14). Kulturelle Teilhabe ist heute ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste, Ziel und Motiv von Kulturpolitik in Deutschland. Sie wird als entscheidender Faktor für das Wohlbefinden und ‚Beheimaten‘ der Mitglieder der Gesellschaft interpretiert (vgl. Bilgram/Kamm/Schilling 2020: 20) und baut zum einen auf den in anderen Politikfeldern bereits etablierten Konzepten politischer, wirtschaftlicher und sozialer Teilhabe auf. Diese ergänzen sich insofern gegenseitig, dass sich die verschiedenen Formen von Teilhabe gegenseitig verstärken und neben mehr Inklusion ins gesellschaftliche Leben auch ein breiteres Spektrum von kulturellen Ausdrucksformen fördern. (vgl. Nationaler Kulturdialog 2019: 16). Zum anderen baut ‚kulturelle Teilhabe‘ auch auf dem Konzept ‚Kultur für alle‘ auf und ist eng mit den, allerdings staatszentrierten, Begriffen ‚kulturelle Grundversorgung‘ oder ‚kulturelle Daseinsvorsorge‘ verbunden (siehe auch Abschnitt 3.2.4.). Gebräuchlich ist der Begriff ‚kulturelle Teilhabe‘ erst seit etwa dem Beginn des 21. Jahrhunderts. Das Verständnis weicht von Kontext zu Kontext, u. a. von Nationalstaat zu Nationalstaat, voneinander ab: Beispielsweise dominiert in Belgien ein enges Verständnis, das sich vor allem auf den Zugang von Publikum zu Kulturinstitutionen bezieht, während es in Deutschland dominant um Bildungs- bzw. Vermittlungszugänge geht. Ein breiteres Verständnis, das den Fokus auf die gesamte kulturelle Betätigung von Menschen legt, pflegt die UNESCO. (vgl. Nationaler Kulturdialog 2015: 356)

Man kann als rechtlichen Ausgangspunkt das „Menschenrecht auf Teilnahme am kulturellen Leben“ aus Art. 27 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 sehen. Im UN-Sozialpakt von 1966 – in Kraft getreten 1976 – in Art. 15 Abs. 1 wurde das „Menschenrecht auf Teilnahme am kulturellen Leben“ wieder aufgegriffen. In ostdeutschen Landesverfassungen, die in den 1990er Jahren entstanden sind, wird dieser Bezug sogar explizit hergestellt (vgl. Sommer 2008: 54). Das „Grundrecht auf kulturelle Teilhabe“ wurde vom Bundesverfassungsgericht auch in mehreren Urteilen zu den Hartz-IV-Sätzen betont (vgl. Wimmer 2011: 190). Der im Rahmen der ‚Neuen Kulturpolitik‘ entstandene Anspruch ‚Kultur für alle‘ und ihre Ergänzung um die Förderung und Forderung einer ‚Kultur von allen‘, etwa im Bereich Breitenkultur, sind Vorläufer der heutigen Programmatik kultureller Teilhabe – quasi einer „Kultur mit allen“ (vgl. Wimmer 2011: 82). Dem Ziel der Partizipation lag in allen Phasen eine emanzipatorische Absicht zugrunde. (vgl. Lüddemann 2019: 107) Patrice Meyer-Bisch sieht einen engen Bezug kultureller Teilhabe zum Status als Bürgerin bzw. Bürger eines Landes (vgl. Meyer-Bisch 2019: 51 f.). Im Völkerrecht wird ‚Kultur‘ heute i. d. R. in seiner anthropologischen Konzeption verstanden. (vgl. Groni 2008: 62 f., 117). Zur Zeit der Verabschiedung der o. g. völkerrechtlichen Texte zur Kodifizierung der Menschenrechte war allerdings davon auszugehen, dass man unter dem Begriff ‚Kultur‘ vornehmlich die ‚hohen Künste‘ im Blick hatte und kaum die Traditionen und Lebensweisen der Menschen als ihr Identitäts-, Werte- und Sinnträger – kurzum: Kultur wurde damals ausschließlich als Produkt und noch nicht als Prozess verstanden. (vgl. Meyer-Bisch 2019: 51 f.) Es handelt sich mithin im Völkerrecht um eine dynamische Entwicklung des Begriffsverständnisses. In seiner Umsetzung in Deutschland ist diese Erweiterung des Begriffsverständnisses noch nicht komplett nachvollzogen worden (siehe Abschnitt 3.3.1.). Klar ist jedoch: Wenn man Kulturelle Teilhabe als Menschenrecht versteht, muss die Staatengemeinschaft und damit auch Deutschland dieses Ziel ernst nehmen. Der Deutsche Städtetag wies darauf in einem Positionspapier 2009 explizit hin (vgl. Deutscher Städtetag 2009: 6).

Eine echte Teilhabe am kulturellen Leben ist nach mehreren in ihren Ergebnissen übereinstimmenden Untersuchungen aber heute noch immer abhängig von Bildung, Einkommen und Herkunft. Birgit Mandel bestätigt in ihren Forschungen, dass durch das, was man als Kulturangebote versteht, auch nach der ‚Neuen Kulturpolitik‘ – hier finden Formen immaterieller Kultur überwiegend noch keine Berücksichtigung – vor allem die Gruppe der Hochgebildeten und gut Situierten erreicht wird, während zugleich die Heterogenität der Gesellschaft immer mehr zunimmt (vgl. Mandel 2019: 69 f.). Faktoren, die einen faktischen Ausschluss von kultureller Teilhabe zur Folge haben, konnten bisher kaum beseitigt werden: materielle Benachteiligungen, sprachliche Schwierigkeiten bei Menschen mit Migrationsgeschichte oder Migrationshintergrund oder ganz konkrete Zugangshindernisse für Menschen mit Behinderungen (vgl. Lüddemann 2019: 107 f.)

„‚Kulturelle Teilhabe‘ meint ein von Vielen mitgestaltetes Kulturleben. Es gilt, das geförderte kulturelle Leben sozial durchlässiger zu machen und gezielt diverse Bevölkerungsgruppen zu ermächtigen, ihre ureigenen Interessen und Vorlieben zu erkennen und diese vor- und einzubringen, sichtbar zu machen. Wenn sich Menschen nicht für bestehende Kulturangebote interessieren, bedeutet dies ja keineswegs, dass sie keine kulturellen Interessen haben, sondern eben nur andere.“ (Nationaler Kulturdialog 2019: 15)

Dies kann man sowohl auf neuere Kulturangebote, beispielsweise das Gaming oder die Popmusik, beziehen, die unter Teilhabeaspekten durchaus zu betrachten sind, wie auch auf überlieferte Kulturformen, die man unter der Definition des Immateriellen Kulturerbes fassen kann. Sie haben gemeinsam, dass sie bisher kaum oder keine staatliche Kulturförderung erhalten und daher bei den staatlichen Akteuren auch kaum auf dem Radar sind. Wenn die Perspektive jedoch die kulturelle Teilhabe ist, muss diese Logik überwunden werden. In der Kulturpolitik gibt es eine wachsende Zahl von Verfechtern neuer demokratischer Ansprüche. Zu ihnen gehören etwa Pius Knüsel, vormaliger Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, oder Oliver Scheytt, vormaliger Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, der fordert vom „Bildungsbürgertum“ zum „Kulturbürgertum“ zu kommen.

„Nach Knüsel wird eine stärker darauf gerichtete Kulturpolitik sich nicht mehr damit begnügen können, einzelne privilegierte kulturelle Ausdrucksformen an ein Publikum heranzutragen, sondern die kulturelle Produktion möglichst aller Schichten in den Blick zu nehmen und zu würdigen. Nicht mehr das Werk stünde im Zentrum kulturpolitischer Interventionsformen, sondern das Publikum in seiner zunehmenden Vielfalt mit seinen Bedürfnissen und Kulturen. Eine solche Kulturpolitik würde darauf abstellen, die verschiedenen Publika in den Stand zu versetzen, sich um ihre jeweils eigene Kultur zu kümmern. […] Im Zuge der wachsenden gesellschaftlichen Differenzierung erschöpften sich kulturpolitische Ziele nicht mehr in der Förderung künstlerischer Produktion per se. Sie setzten stattdessen auf die konsequente Entwicklung und Aufladung von solchen Kulturformen, die von unterschiedlichen sozialen Gruppen als ihnen entsprechend angesehen werden (empowerment).“ (Wimmer 2011: 327)

Man kann im Spannungsfeld zwischen Demokratie und etablierter Kulturpolitik, die ja häufig wenig parteipolitisch umstritten ist, davon ausgehen, dass die Bürger gelegentlich andere Prioritäten setzen würden als die Kulturverwaltung und Kulturpolitik. Elisabeth Wolf-Csanády (1996: 223 ff.) hat in einer deutsch-österreichischen Befragung vor der Jahrtausendwende feststellen können, dass Volkslieder und Fastnachtstraditionen sowie mit ziemlichem Abstand, aber immerhin von relevanten Anteilen der Befragten, auch Graffiti und sogar Tätowierung, für die Befragten zur Kultur zählen. Für unterstützenswert wurden von großen Teilen der Befragten u. a. die Erhaltung eines alten Fachwerkhauses und die Förderung von Heimatvereinen gehalten. Klaus von Beyme meint dazu, dass die Kluft in der Zwischenzeit sogar noch gewachsen sein müsse. Er vermutete im Jahr 2010, dass staatliche Kulturpolitik und -verwaltung auch weiterhin populären Tendenzen wie Volkslieder und Fastnacht nicht folgen würden „und der Privatinitiative überlassen, was nicht gefährdet erscheint“ (von Beyme 2010: 273). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass 70 Prozent der deutschen Bevölkerung außerhalb der großen Städte wohnt, aber weniger als 10 Prozent der öffentlichen Kulturförderung in den kleinen Gemeinden fließt, wo die ehrenamtliche Kulturarbeit dominiert (vgl. Schneider 2014b: 19). Wo es, wie insbesondere in ländlichen Räumen, kaum oder keine kulturelle Infrastruktur gibt, sind die laien- und breitenkulturellen Aktivitäten für kulturelle Teilhabe umso wichtiger.

Kulturelle Teilhabe umzusetzen „erfordert keine komplette Neuausrichtung kulturellen Schaffens und seiner Förderung. Sie ermuntert jedoch dazu, einerseits die eigene kulturelle (Förder-)Praxis zu überprüfen und, wo notwendig, anzupassen oder zu ergänzen.“ (Nationaler Kulturdialog 2019: 15) In diesem Prozess befindet sich Kulturpolitik in Deutschland nach wie vor. Kulturelle Teilhabe und die möglichen Maßnahmen zu ihrer Stärkung reichen auf einem Kontinuum von reiner Rezeption über ein steigendes Maß von Beteiligung bis hin zu aktiver kultureller Betätigung (vgl. Nationaler Kulturdialog 2015: 356). Birgit Mandel benennt in Anlehnung an das Positionspapier des Nationalen Kulturdialogs der Schweiz drei Dimensionen von Partizipation an Kultur mit aufsteigender Involvierung in das kulturelle Schaffen:

  1. 1.

    „Teilnahme als Publikum/Besuchende kultureller Angebote

  2. 2.

    Aktive Mitwirkung als Amateurin oder Amateur in künstlerischen/kulturellen Projekten

  3. 3.

    Mitbestimmung über kulturelle Programme, Inhalte, Strukturen“ (Mandel 2019: 71)

Sie verweist auf neuere kulturpolitische Programme, wie TRAFO der Kulturstiftung des Bundes, die neue Aufmerksamkeit auf die Erhöhung der kulturellen Teilhabe gerade in ländlichen Räumen lenken. (vgl. Mandel 2019: 75) Auch die Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes passt in dieses Bild. Wenn man es zwar nicht eins zu eins gleichsetzen kann, geht es doch auch bei den meisten Formen des Immateriellen Kulturerbes um laien- und breitenkulturelle Aktivitäten, vornehmlich in ländlichen Räumen. Wolfgang Schneider erklärte 2014, dass die Erhaltung Immateriellen Kulturerbes als gesellschaftlicher Auftrag verstanden und einen Paradigmenwechsel in der Kultur einleiten würde. „Das UNESCO-Übereinkommen […] bietet die große Chance, im weltweiten Kontext überfällige Reformen in der Landeskulturpolitik anzugehen.“ (Schneider 2014b: 196). Die drei o. g. Dimensionen von Partizipation an Kultur (reine Teilnahme, aktive Mitwirkung, Mitbestimmung) sind denn auch bei den Formen Immateriellen Kulturerbes in verschiedenen Abstufungen wiederzufinden. Nehmen wir als Beispiel einen Fastnachtsbrauch: Es gibt diejenigen, die als reiner Teilnehmer an Umzügen und Sitzungen, dabei sind. Es gibt die aktiv Mitwirkenden bei diesen öffentlich sichtbaren Teilen der Tradition, die zuvor i. d. R. in weniger sichtbarem Rahmen dafür geübt und trainiert haben. Und es gibt diejenigen, die durch Übernahme von Verantwortung in den jeweiligen Strukturen über Ablauf, Form und Ausprägung mitbestimmen. Beim Immateriellen Kulturerbe steht wie bei allen teilhabeorientierten Projektvorhaben

„häufig nicht ein Produkt, dessen Einmaligkeit oder dessen ästhetische Qualität im Vordergrund, sondern ein Prozess, sein Ermächtigungspotenzial, seine gesellschaftliche Vernetzung, seine Wiederholbarkeit oder Übertragbarkeit“. Beim Immateriellen Kulturerbe wie auch bei der Förderung kultureller Teilhabe im Allgemeinen „geht [es] um die Wertschätzung der kulturellen Beiträge von Einzelnen und Gruppen, um deren Mitgestaltung des kulturellen Lebens und um deren Mitverantwortung dafür“ (Nationaler Kulturdialog 2019: 15).

Eine Einschränkung gilt es aber zu beachten: Immaterielles Kulturerbe mag gesamtgesellschaftlich betrachtet zu größerer kultureller Teilhabe beitragen, aber die einzelnen Formen sorgen zum Teil auch für Ausschlüsse. Allein die Abgrenzung von Trägergruppen, die stets Ausschlüsse produziert, ist ein limitierender Faktor, was Teilhabe an den jeweiligen Kulturformen angeht. (vgl. Rieder 2019: 143)

3.5.2 Nachhaltige Entwicklung

Eine weitere Herausforderung, die mit der Zukunftsfähigkeit von Kulturpolitik verbunden ist und durchaus den Aspekt der kulturellen Teilhabe berührt (vgl. Föhl 2011: 58), ist die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. ‚Kultur‘ wird in der entsprechenden, von der UNESCO maßgeblich geprägten, Debatte als Motor („driver“) und Wegbereiter („enabler“) von (nachhaltiger) Entwicklung gesehen. ‚Kultur‘ spielt hier in ihrer engen wie auch in der weiten Begriffsdimension eine Rolle (vgl. Abbildung 3.3). Kultur in einer normativen und damit engen Definition (vgl. Klein 2009: 33 ff.) als Gesellschaftsbereich steht gleichberechtigt als vierte Säule von Nachhaltigkeit neben den Gesellschaftsbereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Man kann Kultur aber auch als Intermediär und Bindeglied im Dreieck zwischen den drei etablierten Dimensionen auffassen (vgl. Föhl/Glogner-Pilz/Lutz/Pröbstle 2011: 15). Kultur in erweiterter, anthropologischer und soziologischer, Definition kann als Grundlage unseres Gemeinwesens und damit auch als transversale Basis für eine nachhaltige Entwicklung begriffen werden. (vgl. Brocchi 2017: 3 f.)

Abbildung 3.3
figure 3

(Eigene Darstellung nach Brocchi 2017: 3)

Vier-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit.

Zu dem erweiterten Begriffsverständnis gehören auch alle Formen des Immateriellen Kulturerbes, während unter das enge Verständnis nur wenige fallen. Protagonisten der stärkeren und engeren Verbindung der Themen Kultur(-politik) und Nachhaltigkeit plädieren für ein weites Kulturverständnis in der Kulturpolitik, weil

„[v]or allem diese Kultur, die überall stattfindet, […] für die Frage der Nachhaltigkeit besonders relevant [ist]. Die Kulturpolitik sollte sich deshalb als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen und den erweiterten Kulturbegriff entsprechend aufwerten, denn erst er macht die eigentliche Relevanz von Kultur bewusst.“ (Brocchi 2017: 5)

Dafür müsste Kulturpolitik den noch immer tendenziell vorherrschenden Blick von oben herab – von der Hochkultur auf die Breiten- oder Laienkultur bzw. auf die kulturelle Vielfalt – ablegen. Formen Immateriellen Kulturerbes können im besten Fall für Vielfalt, menschliche Kreativität und auch das Potenzial von Andersartigkeit sensibilisieren. Und „[f]ür die Nachhaltigkeit brauchen wir eine Wertschätzung der Andersartigkeit, die sich nicht nur auf der Sachebene, sondern auch auf der Beziehungsebene der Kommunikation ausdrückt“ (Brocchi 2017: 6). Im Zuge der Debatte über erweiterte Kultur- und auch Kunstbegriffe im Kontext Nachhaltigkeit wird auch überlieferten Wissens- und Anwendungsformen, etwa im traditionellen Handwerk oder beim überlieferten Naturwissen, und der Wertschätzung in der Gemeinschaft zunehmend mit größerer Achtung (vgl. Brocchi 2017: 12) begegnet. Dabei ist u. a. an den Weinbau oder die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen zu denken – beide seit 2021 als Elemente im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes anerkannt. Nachhaltige Entwicklung heißt also nicht Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum, sondern im Sinne der Verschränkung der Dimensionen und Perspektiven Ökologie, Soziales, Ökonomie und Kultur eine wirtschaftliche Entwicklung, die zum Beispiel auf nachhaltige Kulturindustrien und nachhaltigen Kulturtourismus setzt. Hierbei kann Immaterielles Kulturerbe und seine Inwertsetzung als ‚kulturelles Kapital‘, beispielsweise im Tourismus oder der Stadt- und Regionalentwicklung, eine wichtige Rolle spielen. (vgl. Meißner 2020: 4 f.) „Es scheint, dass es ein gewachsenes, allgemeines Interesse an diesem Bereich gibt. Ein Bewusstsein, wie wichtig dieser ist. Und das bedeutet natürlich auch, dass es Interesse gibt von Naturschutzbünden, die ganze Frage der Nachhaltigkeit ist eine wichtige Frage, die heute eine Rolle spielt. Wie können diese Dinge, also IKE-Praktiken, nachhaltig werden, welchen Beitrag können sie leisten zur Nachhaltigkeit?“ (E1, Interview am 15.10.2018)

Schon bei der UNESCO-Weltkonferenz in Mexiko-Stadt MONDIACULT 1982 wurde die enge Beziehung zwischen Kultur und Entwicklung betont. Seit dem UN-Gipfel von Rio de Janeiro zur Nachhaltigen Entwicklung von 1992 kam eine Debatte in Gang, die die kulturellen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaften betonte. 1998 richtete die UNESCO eine eigenständige zwischenstaatliche Konferenz zu Kulturpolitik für Entwicklung in Stockholm aus. „Die Umsetzung von UNESCO-Kulturkonventionen schafft in Deutschland auch ein Bewusstsein für den Zusammenhang von Kultur und Entwicklung; insbesondere zeigen die Konventionen durch ihre konkreten Programme, wie etwa jene, die aus den Fonds der 2003er- und 2005er- Konventionen gefördert werden, plastisch den möglichen positiven Beitrag von Kultur zu nachhaltiger Entwicklung. Damit lässt sich die Umsetzung von UNESCO-Kulturkonventionen auch in die Zielerreichung der Agenda 2030 mit ihren Nachhaltigen Entwicklungszielen (‚Sustainable Development Goals‘), die für alle Staaten der Welt – also auch Deutschland – gelten, einbetten.“ (Hanke 2016: 87) In diesen Instrumenten, zu nennen wäre neben den beiden bereits erwähnten Übereinkommen in diesem Kontext auch noch die UNESCO-Erklärung zur Kulturellen Vielfalt von 2001, wurde das Grundverständnis der engen Verbindung zwischen Kultur und Entwicklung völkerrechtlich verankert (vgl. Bilgram/Kamm/Schilling 2020: 16). Daran anknüpfend hat die deutsche Bundesregierung schon in ihre erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie 2002 einen Abschnitt „Kultur der Nachhaltigkeit entwickeln“ aufgenommen (vgl. Singer 2003: 41 f.) und dies konzeptionell vor allem durch die BKM auch kontinuierlich fortentwickelt. Inspiration und Innovation werden dabei als wesentliche Dimensionen des Beitrags aufgefasst, den Kunst, Kultur und Kreative zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten können. Auch die Kulturpolitische Gesellschaft nahm sich des Themas in diesem Zeitraum bereits an (vgl. Föhl/Glogner-Pilz/Lutz/Pröbstle 2011: 9).

Als Konkretisierung der Erwähnung des Ziels einer nachhaltigen Entwicklung im Konventionstext von 2003 enthalten die Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes seit 2016 ein Kapitel zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes und nachhaltiger Entwicklung auf nationaler Ebene. Dem ist eine Evaluation der Konvention im Jahr 2013 vorausgegangen, die die Unschärfe kritisiert hatte, wie genau Immaterielles Kulturerbe als Motor und Wegbereiter zu nachhaltiger Entwicklung beitragen könne bzw. wie das Verhältnis der beiden Konzepte sei (vgl. Meißner 2020: 3). In diesem Kapitel VI der Richtlinien wird Nachhaltige Entwicklung in vier Dimensionen betrachtet: soziale Entwicklung (Abschnitt VI.1), wirtschaftliche Entwicklung (Abschnitt VI.2), Umweltverträglichkeit (Abschnitt VI.3) sowie Immaterielles Kulturerbe und Frieden (Abschnitt VI.4). Durch Empfehlungen, Hinweise und Handlungsanregungen soll den Vertragsstaaten geholfen werden, die Potenziale des Immateriellen Kulturerbes für die eigenen Projekte, Programme und Strategien der nationalen Umsetzung der Konvention zu beachten und zu operationalisieren. Dies beinhaltet nicht nur den Beitrag, den die Formen des Immateriellen Kulturerbes zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten können, sondern lenkt den Blick auch auf die Frage der Resilienz von Kulturformen bzw. ihres Beitrags oder als Ressource zur Resilienz der Gesellschaften im Umgang mit Krisen und Herausforderungen und ist daher interdisziplinär, mithin politikfeldübergreifend in Angriff zu nehmen.

Kultur und Kulturpolitik in den Kontext der nachhaltigen Entwicklung einzubetten, stellt für die Akteure nicht nur eine Herausforderung dar, sondern ist auch eine gute Gelegenheit die Relevanz der Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik noch einmal zu unterstreichen: Das Leitbild umfasst die nicht nur, aber auch, für das Immaterielle Kulturerbe wichtigen Handlungsbereiche Zugänglichkeit/Teilhabe, kulturelle Vielfalt, Bildung und Vermittlung sowie ökonomisches und ökologisches Handeln (vgl. Föhl 2011: 60).