5.1 Verfassungsrechtlicher Prüfungsumfang

Im Rahmen der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Prüfung wird zunächst auf die Zuständigkeit des deutschen (Bundes-)Gesetzgebers eingegangen und das neue Mindeststeuerregime in das steuerliche Kompetenzgefüge des Grundgesetzes eingeordnet. Anschließend werden die GloBE-Regeln auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG überprüft. Denn während das generelle Recht des deutschen Staats zur Besteuerung („Ob“) verfassungsrechtlich nicht in Frage gestellt wird,Footnote 1 ist die gesetzgeberische Ausgestaltung dieses Rechts („Wie“) in jedem Falle am Grundgesetz zu messen.Footnote 2

5.2 Einordnung der GloBE-Regeln in das steuerliche Kompetenzgefüge

5.2.1 Die deutsche Finanzverfassung (im engeren Sinne)

Die in den Art. 104a bis 115 GG niedergelegte Finanzverfassung ist „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes“.Footnote 3 „Sie soll eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft angemessen beteiligt.“Footnote 4 Denn „Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die Ausgaben leisten können, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind.“Footnote 5 Zu diesem Zweck enthalten die Art. 104a bis 108 GG die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur deutschen Finanzhoheit (Finanzverfassung im engeren Sinne), welche für die staatliche Souveränität von herausgehobener Bedeutung ist.Footnote 6 Den genannten Artikeln kommt eine notwendige staatsorganisatorische und volkswirtschaftliche Ordnungsfunktion zu.Footnote 7 Durch sie wird die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und zwischen Parlament und Regierung für den Bereich des Finanzwesens konkretisiert.Footnote 8 Voneinander zu unterscheiden sind für den Bereich der SteuernFootnote 9 die Gesetzgebungs- (Art. 105 GG), Ertrags- (Art. 108 GG) und Verwaltungshoheit (Art. 106, 107 GG).Footnote 10

5.2.2 Gesetzgebungszuständigkeit

Auch im Steuerrecht gilt der Vorbehalt des Gesetzes. Die Implementierung der GloBE-Regeln zur Herbeiführung einer global koordinierten Mindestbesteuerung multinational agierender Konzerne in deutsches Recht setzt daher zunächst voraus, dass hierfür eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz besteht. Art. 105 GG ist die zentrale Norm zur materiellen Steuergesetzgebungshoheit im Bundesstaat.Footnote 11 Sie legt fest, welche föderale Einheit eine Steuer einführen, abschaffen oder ausgestalten darfFootnote 12 und setzt die Besteuerungshoheit des vom Grundgesetz verfassten Staates stillschweigend voraus.Footnote 13 Art. 105 GG ist insofern lex specialis zu den Art. 70 ff. GG.Footnote 14 Der Schwerpunkt der Steuergesetzgebung liegt beim Bund.Footnote 15

5.2.2.1 Keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Für die einzuführende Mindeststeuer steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 1 GG nicht zu. Der Anwendungsbereich von Art. 105 Abs. 1 GG ist nämlich sehr eng gefasstFootnote 16 und beschränkt sich auf Zölle und Finanzmonopole. Als Zölle sind hierbei rein formal solche Abgaben zu verstehen, „die nach Maßgabe des Zolltarifs von der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden“.Footnote 17 Finanzmonopol meint das Recht des Staates, bestimmte Wirtschaftsgüter unter Ausschluss privatwirtschaftlicher Konkurrenz herzustellen, zu beziehen oder zu vertreiben und durch Monopolaufschläge öffentliche Einnahmen zu generieren.Footnote 18 Die GloBE-Mindeststeuer als Form der Ertragsteuer kann in keine dieser Kategorien eingeordnet werden und schließt eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes daher aus.

5.2.2.2 Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Da das Mindeststeuerregime auch nicht als Grundsteuer zu qualifizieren ist, kommt eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nur über Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG in Betracht, was im Übrigen dem Regelfall in der Steuergesetzgebung entsprichtFootnote 19. Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt hierfür, dass dem Bund das Aufkommen der Mindeststeuer ganz oder zum Teil zusteht oder aber die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. In erster Linie kommt es also auf die Ertragsverteilung in Art. 106 Abs. 1 und 3 GG an.Footnote 20 Die dortige Aufteilung orientiert sich an den traditionellen Steuern und Steuerarten, wie sie bereits bei Einführung des Grundgesetzes vorgefunden wurden.Footnote 21 Insofern ist für die Einordnung der Mindeststeuermaßnahmen auf die Abgrenzungsmerkmale des traditionellen deutschen Steuerrechts (das BVerfG spricht hierbei von „Typusbegriffen“Footnote 22) zurückzugreifen.Footnote 23 Dabei müssen nicht sämtliche Merkmale eines Typus gegeben sein, sondern es kommt auf „das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild“ an.Footnote 24

5.2.2.3 Einordnung der GloBE-Regeln in die durch Typusbegriffe bestimmten Steuerarten des Art. 106 GG

Die Annahme einer ausschließlichen Ertragszuweisung an den Bund nach Art. 106 Abs. 1 GG lässt sich nicht begründen. Insbesondere die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Nr. 6)Footnote 25 und die Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften (Nr. 7)Footnote 26 sind nicht einschlägig. Naheliegender ist dagegen die Qualifikation der Mindeststeuer als Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer i. S. d. Art. 106 Abs. 3 GG. Die Einkommensteuer wie auch die Körperschaftsteuer folgen nach Art. 106 Abs. 3 GG dem VerbundsystemFootnote 27 und stehen somit als Gemeinschaftsteuern grundsätzlich dem Bund und den Ländern jeweils zur Hälfte zu, wobei im Rahmen der Einkommensteuer den Gemeinden ein Anteil nach Art. 106 Abs. 5 GG zukommt.Footnote 28 Die Einkommensteuer i. S. v. Art. 106 Abs. 3 GG zielt auf die individuelle Besteuerung natürlicher Personen nach ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit ab.Footnote 29 Sie belastet das am allgemeinen Markt erzielte Einkommen natürlicher Personen.Footnote 30 Die gesetzgeberische Einbeziehung von Personenhandelsgesellschaften in Form einer transparenten Einkommensbesteuerung ihrer Gesellschafter ist zulässig.Footnote 31 Als Einkommen gilt hiernach der Bruttoertrag aus gesetzlich zu definierenden Erwerbsquellen (Einkünftearten) abzüglich erwerbs- und existenzsichernder Aufwendungen.Footnote 32 Die Körperschaftsteuer bezeichnet die von juristischen Personen geschuldete Einkommensteuer.Footnote 33

Die Income Inclusion Rule und die Undertaxed Payments Rule sind der bereits in den §§ 7 ff. AStG enthaltenen Hinzurechnungsbesteuerung bzw. der Lizenzschranke nach § 4j EStG und Zinsschranke nach § 4h EStG nicht ganz unähnlich, sodass sich damit schon argumentieren ließe, dass diese als Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG einzuordnen sind. Auch für das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG), welches mit den Abwehrmaßnahmen in den §§ 7 ff. StAbwG (Betriebsausgabenabzugsverbot, verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung und Quellenbesteuerung) ebenfalls ähnliche Maßnahmen enthält, ist die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GG abgeleitet worden.Footnote 34 Während die Einkommensteuer den Vermögenszuwachs natürlicher Personen durch ihr erfolgreiches Wirtschaften am Markt besteuert, wird die Körperschaftsteuer auf die am Markt erwirtschafteten Einkünfte von Körperschaften (insb. GmbH und AG) erhoben.Footnote 35 Durch die Mindeststeuer wird das Einkommen von Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften bzw. ihren Gesellschaftern besteuert. Die zu besteuernde Bemessungsgrundlage wird zwar nicht nach den herkömmlichen Vorschriften aus EStG und KStG bestimmt, sondern unterliegt eigenständigen Gewinnermittlungsvorschriften. Dennoch werden bei ihr am Markt erwirtschaftete Einkünfte (vorwiegend aus Gewerbebetrieb) unter Abzug bestimmter erwerbsbezogener Aufwendungen besteuert. Folglich wird die bisherige Einkommen- und Körperschaftbesteuerung lediglich modifiziert. Die Mindeststeuer ist damit als Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer und folglich als Gemeinschaftsteuer i. S. d. Art. 106 Abs. 3 GG einzuordnen. Dem Bund steht demnach im Regelfall das Aufkommen der Mindeststeuer zur Hälfte zu, sodass ihm auch die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GG zufällt.Footnote 36 Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG (Erforderlichkeitsklausel) kommt es insofern nicht mehr an. Nach Art. 105 Abs. 3 GG bedarf die bundesgesetzliche Einführung der GloBE-Regeln der Zustimmung des Bundesrates.

5.2.3 Ertragszuständigkeit

Wie bereits dargestellt, steht das Aufkommen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und damit auch der Mindeststeuer nach Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und den Ländern zu. Dies gilt für die Mindeststeuer als Einkommensteuer aber nur insoweit, als diese nicht bereits den Gemeinden nach Art. 106 Abs. 5 GG zugewiesen wird. Konkretisiert wird diese Zuweisung im Gemeindefinanzreformgesetz (GFRG). Nach § 1 GFRG erhalten die Gemeinden 15 % des Aufkommens an Lohnsteuer und an veranlagter Einkommensteuer sowie 12 % des Aufkommens an Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 EStG. Die Mindeststeuer wird daher, soweit sie bei den Gesellschaftern von Personengesellschaften erhoben werden sollte, als veranlagte Einkommensteuer zu 15 % den Gemeinden zugewiesen werden.

5.2.4 Verwaltungszuständigkeit

Zu verwalten wäre die neue Mindeststeuer als „übrige Steuer“ nach Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich durch die Landesfinanzbehörden, und zwar gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG im Auftrag des Bundes. Der Bund könnte sich jedoch auch nach Art. 108 Abs. 4 GG für eine Mischverwaltung oder die Übertragung der Verwaltungskompetenz auf Bundesfinanzbehörden entschließen, sollte er dies für den Vollzug der Steuer als wesentlich geeigneter beurteilen.Footnote 37

5.2.5 Zwischenergebnis

Der Bund ist im Falle einer rein nationalen Umsetzung der GloBE-Regeln nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 GG zur Gesetzgebung befugt. Nach Art. 105 Abs. 3 GG bedarf das entsprechende Gesetz der Zustimmung des Bundesrates. Das aus der Mindeststeuer hervorgehende Steueraufkommen steht in der Regel Bund und Ländern hälftig zu, im Falle der Top-up Tax-Erhebung bei Personengesellschaften bzw. deren Gesellschaftern auch den Gemeinden. Für die Verwaltung der Mindeststeuer wären grundsätzlich die Landesfinanzbehörden zuständig.

5.3 Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG

Steuerrecht ist Eingriffsrecht.Footnote 38 Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Gleichheitssatz als unangefochtene Leitnorm für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Steuerrechts herausgebildet.Footnote 39 Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hat der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.Footnote 40 Der Gleichheitssatz schützt nach Art. 19 Abs. 3 GG neben natürlichen Personen auch inländische juristische Personen.Footnote 41 Auch wenn es grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegt, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er somit als rechtlich gleich qualifiziert, muss er diese Auswahl sachgerecht treffen.Footnote 42 Da die genauen Maßstäbe und Kriterien für eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch den Gesetzgeber nicht abstrakt und allgemein formuliert werden können, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsgebiete,Footnote 43 ist der allgemeine Gleichheitssatz im Steuerrecht bereichsspezifisch zu konkretisieren und unterliegt dort einer besonderen Dogmatik.Footnote 44 Hiernach bindet Art. 3 Abs. 1 GG den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit.Footnote 45 Nach diesem wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Ertragsteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot.Footnote 46 Zwar werden diese vom BVerfG aufgestellten Leitlinien und die damit einhergehende Konstitutionalisierung des SteuerrechtsFootnote 47 in der Literatur teils recht kritisch bewertet.Footnote 48 Diese Kritik birgt allerdings das Risiko in sich, einem Rechtsgebiet die rechtsstaatliche Basis zu entziehen.Footnote 49 Der Steuerstaat ist jedoch „keine Oase verfassungsrechtlicher Ungebundenheit.“Footnote 50 Insofern hat auch das BVerfG festgestellt, dass „die Gewährleistung einklagbarer, auch den Gesetzgeber bindender Grundrechte“ es verbietet, „speziell für das Steuerrecht die Kontrolle verfassungsrechtlicher Mäßigungsverbote dem Bundesverfassungsgericht gänzlich zu entziehen.“Footnote 51 Dem BVerfG als Hüter des Grundgesetzes muss es daher zustehen, einen prinzipienlos handelnden Gesetzgeber auch im Steuerrecht zur Verwirklichung des Rechtsstaats anzuhalten.Footnote 52

5.3.1 Leitlinien steuerlicher Gerechtigkeit

5.3.1.1 Das Leistungsfähigkeitsprinzip

Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist der dominierende Maßstab für Steuergerechtigkeit.Footnote 53 „Der Grundsatz der Steuergleichheit fordert zumindest für die direkten Steuern eine Belastung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit“.Footnote 54 Das BVerfG hebt immer wieder hervor, dass das Einkommensteuerrecht auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt istFootnote 55 und die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Ausfluss des Gleichheitssatzes ein Gebot der Steuergerechtigkeit sei.Footnote 56 Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll jeder nach Maßgabe seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben beitragen.Footnote 57 Zu den Grundannahmen dieses Prinzips zählt die Unterscheidung zwischen horizontaler und vertikaler Steuergerechtigkeit.Footnote 58 Aus der horizontalen Steuergerechtigkeit folgt das Gebot der gleichen Steuerbelastung für Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit.Footnote 59 In vertikaler Hinsicht muss dagegen bei der Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich zu niedrigeren Einkommen ein angemessener Unterschied in der Steuerlast entstehen.Footnote 60 Wird vom Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit abgewichen, bedarf diese Abweichung nach Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung.Footnote 61

5.3.1.2 Das Folgerichtigkeitsgebot

Dem Gesetzgeber wird vom BVerfG ein weitreichender Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes eingeräumt.Footnote 62 Aus dem Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen folgt jedoch, dass der Gesetzgeber sodann bei der weiteren Ausgestaltung dieses Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen hat.Footnote 63 Er muss also das sachgerechte Prinzip, für welches er sich entschieden hat, konsequent umsetzen und die zuvor getroffene Wertentscheidung folgerichtig weiterführen.Footnote 64 Insofern ist der Gesetzgeber in gewissem Ausmaß „Gefangener der eigenen Entscheidung“.Footnote 65 Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes „bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag“.Footnote 66 Hierbei gilt jedoch auch, dass sich der Gesetzgeber (bei späteren Entscheidungen) umso weniger am Folgerichtigkeitsgebot festhalten lassen muss, je stärker die Strukturen eines Gesetzes zuvor schon durchbrochen worden sind.Footnote 67 Denn dem Gesetzgeber bleibt es unbenommen, einen System- oder Prinzipienwechsel vorzunehmen, ohne durch das Folgerichtigkeitsgebot an vorherige Grundentscheidungen gebunden zu sein.Footnote 68

5.3.2 Relevante gesetzgeberische Grundentscheidungen

Demnach sind zunächst die gesetzgeberischen Grundentscheidungen zum objektiven Nettoprinzip und zum Trennungsprinzip in der Körperschaftsbesteuerung zu beleuchten, aus denen in Bezug auf die GloBE-Regeln möglicherweise Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet werden können.

5.3.2.1 Das objektive Nettoprinzip

5.3.2.1.1 Inhalt

Das objektive Nettoprinzip kann als eines der konkretisierenden Unterprinzipien des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen werden.Footnote 69 Die Grundaussage des objektiven Nettoprinzips besteht darin, dass im Rahmen der steuerlichen Einkünfteermittlung von den Erwerbseinnahmen die damit zusammenhängenden Erwerbsaufwendungen abzuziehen sind,Footnote 70 da nur das Nettoeinkommen für die Ertragsbesteuerung disponibel ist.Footnote 71 Es gebietet daher auch die uneingeschränkte Berücksichtigung von Verlusten.Footnote 72 Das objektive Nettoprinzip findet seinen einfachgesetzlichen Ausdruck in § 2 Abs. 2 EStGFootnote 73 und gilt über § 8 Abs. 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer.Footnote 74 Die Körperschaftsteuer bemisst sich demnach nach dem Einkommen der Körperschaft und somit nach der Ertragskraft des Unternehmens, sodass im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, also der Saldo aus den Einnahmen und den Betriebsausgaben (vgl. § 4 Abs. 4 EStG) der Besteuerung unterliegt.Footnote 75 Betriebsausgaben sind deshalb grundsätzlich steuerlich abziehbar.Footnote 76

5.3.2.1.2 Verfassungsrechtliche Anknüpfung

Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob das objektive Nettoprinzip auch verfassungsrechtlich geboten ist und ihm insoweit Verfassungsrang zukommt oder es sich bei ihm lediglich um eine einfachgesetzliche Systemwahl handelt.Footnote 77 Diese Frage hat das BVerfG bis heute ausdrücklich offengelassen.Footnote 78 Es stellt allerdings den einfachgesetzlichen Rang des objektiven Nettoprinzips nicht mehr in Frage und spricht ihm als gesetzgeberische Grundentscheidung zumindest eine mittelbare verfassungsrechtliche Relevanz über das Folgerichtigkeitsgebot zu.Footnote 79 Der Gesetzgeber müsse nämlich seine einmal getroffene Belastungsentscheidung, zu der auch das objektive Nettoprinzip zähle, folgerichtig umsetzen und benötige besondere, sachliche Rechtfertigungsgründe, um von dieser abzuweichen.Footnote 80 In der steuerrechtlichen Literatur überwiegt dagegen die Einordnung als Prinzip von Verfassungsrang, wobei diese vor allem mit der FinanzverfassungFootnote 81, der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)Footnote 82 oder dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)Footnote 83 begründet wird.Footnote 84 Eine Gegenansicht versteht das objektive Nettoprinzip als einfachgesetzliches Strukturprinzip, welches das grundgesetzlich in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip zwar näher ausgestalte, ihm aber nicht angehöre und damit selbst auch nicht von Verfassungsrang sei, sondern erst im Zusammenhang mit dem Folgerichtigkeitsgebot verfassungsrechtliche Bedeutung entfalte.Footnote 85 Unabhängig davon, welcher Ansicht gefolgt wird, erlangt das obj. Nettoprinzip zumindest über das Folgerichtigkeitsgebot verfassungsrechtliches Gewicht, sodass bei Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlich ist.

5.3.2.2 Das Trennungsprinzip

Während Einkünfte aus einer unternehmerischen Tätigkeit in Gestalt einer Personengesellschaft nach deutschem Einkommensteuerrecht den Gesellschaftern zugerechnet werden (Transparenzprinzip), hat der deutsche Steuergesetzgeber für die Körperschaftsteuer das Trennungsprinzip gewählt.Footnote 86 Danach sind eine Körperschaft und ihre Anteilseigner jeweils eigenständige Steuersubjekte, d. h. es findet in der Regel keine wechselseitige Zurechnung von Einkünften bzw. sonstigen steuerlich relevanten Merkmalen statt.Footnote 87 Vielmehr ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Anteilseigners zu beurteilen.Footnote 88 Eine Besteuerung des Anteilseigners soll erst erfolgen, wenn der auf Ebene der Kapitalgesellschaft erzielte und versteuerte Gewinn an diesen ausgeschüttet wird, während im Falle der Gewinnthesaurierung eigene Einkünfte des Anteilseigners abzulehnen sind.Footnote 89 Die Besteuerung der Körperschaft muss unabhängig von der Besteuerung ihrer Eigentümer sein und umgekehrt.Footnote 90 Auch die zu einem Konzern verbundenen Gesellschaften werden somit grundsätzlich als voneinander unabhängige Steuersubjekte betrachtet.Footnote 91 Zudem werden die Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter steuerlich berücksichtigt.Footnote 92 Damit hat sich der Gesetzgeber „gegen ein steuersubjektübersteigendes Konzern- oder Gruppenbesteuerungsrecht entschieden.“Footnote 93 Wird das Trennungsprinzip durch den Gesetzgeber durchbrochen, stellt dies einen Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsprinzip aus Art. 3 Abs. 1 GG dar, denn dieses gebietet die folgerichtige Umsetzung der Grundentscheidung des Gesetzgebers für das Trennungsprinzip im Bereich der Körperschaftsteuer.Footnote 94 Insofern bedarf es dann einer sachlichen Rechtfertigung.Footnote 95

5.3.3 Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die GloBE-Regeln

Die Modellregeln der Säule 2 sind auf internationaler Ebene erarbeitet worden und dementsprechend sind viele unterschiedliche Interessen in das Design der GloBE-Regeln eingeflossen. Es verwundert daher nicht, dass die neuen Vorschriften in diverser Weise vom bisherigen deutschen Steuerecht abweichen und insofern verschiedene Möglichkeiten eröffnen, diese bei Anlegung eines strengeren Prüfungsmaßstabs zumindest im Ansatz als verfassungsrechtlich fragwürdig einzuordnen. Nachfolgend soll nur eine Auswahl erörtert werden, die sich auf das Grunddesign der einzelnen Regelungen beschränkt, welche nach Auffassung des Verfassers einige signifikante Abweichungen von den soeben vorgestellten gesetzgeberischen Grundentscheidungen aufweisen und daher eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ernsthaft in Betracht kommen lassen.Footnote 96

5.3.3.1 Durchbrechung des Trennungsprinzips durch Income Inclusion Rule

Der IIR ist bereits in ihrer Entwurfsfassung der Vorwurf gemacht worden, „verfassungsrechtlich praktisch nicht beherrschbare“ Systembrüche innerhalb der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu schaffen, die mit deutschem Verfassungsrecht kaum zu vereinbaren seien.Footnote 97 In der Tat durchbricht die IIR im Falle von Kapitalgesellschaften oder anderen Körperschaften in der Rolle der niedrig besteuerten ausländischen Konzerneinheit das Trennungsprinzip.Footnote 98 Durch die IIR kann die Konzernobergesellschaft bzw. eine in der Beteiligungskette höherrangige Konzerngesellschaft (IIR-Konzerneinheit) mit der Top-up Tax auf die niedrig besteuerten Einkünfte einer anderen ausländischen Kapitalgesellschaft des Konzerns, an der sie unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, belastet werden. Die Niedrigbesteuerung dieser ausländischen Konzerneinheit wirkt sich damit unmittelbar auf die Steuerlast der jeweiligen Muttergesellschaft aus, obwohl sich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bis zu einer möglichen Gewinnausschüttung durch die niedrig besteuerte Konzerneinheit oder einer Veräußerung ihrer Anteile noch gar nicht erhöht hat.Footnote 99 Dies bewirkt eine Durchbrechung des TrennungsprinzipsFootnote 100 und folglich auch des Folgerichtigkeitsgebots. Die IIR-Konzerneinheit wird durch die Erhebung der Top-up Tax gegenüber vergleichbaren Gesellschaften benachteiligt, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht nach den neuen Mindeststeuerregelungen zusätzlich belastet werden, etwa weil sie aus dem persönlichen Anwendungsbereich fallen oder weil ihre Tochtergesellschaften keiner Niedrigbesteuerung unterliegen (oder im Inland ansässig sind). Dieses Ergebnis bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

5.3.3.2 Das Problem der „Sippenhaft“ aufgrund des Jurisdictional Blending

Besonders herausgehoben werden soll in diesem Zusammenhang eine Situation, die bereits im Blueprint zu Säule 2 als Beispiel für die Wirkung der IIR dargestellt worden ist.Footnote 101 Danach ist es möglich, dass von einer in Deutschland ansässigen Konzerngesellschaft A, die nicht selbst Konzernobergesellschaft ist, aber mangels IIR im Land der Konzernobergesellschaft der deutschen IIR unterliegt (Top-down-approach), über die IIR Top-up Tax für eine von ihr gehaltene Konzerneinheit B1 erhoben wird, welche selbst gar nicht niedrig besteuert ist, sondern lediglich aufgrund des Jurisdictional Blending und der effektiven Niedrigbesteuerung von anderen Konzerngesellschaften im selben Staat (Niedrigsteuerstaat) als niedrig besteuert gilt. Die Konzerngesellschaft A würde also weder aufgrund der eigenen Leistungsfähigkeit noch aufgrund der Leistungsfähigkeit der von ihr gehaltenen Gesellschaft B1 besteuert, sondern sie würde Steuern zahlen auf die niedrig besteuerten Gewinne einer „Dritten“, die ggf. nur über die gemeinsame Konzernobergesellschaft mit A und B1 in Verbindung steht. Die deutsche Konzerngesellschaft würde folglich in „Sippenhaft“ genommen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem multinationalen Konzern, der weitere, aber tatsächlich niedrig besteuerte Konzerneinheiten in demselben Land hält wie die deutsche Konzerngesellschaft. Ein solches Vorgehen ist dem deutschen Körperschaftsteuersystem, das eine allgemeine Gruppenbesteuerung nicht kennt, fremd. Es widerspricht grundsätzlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip und Folgerichtigkeitsgebot (Trennungsprinzip), die Besteuerung eines Steuerpflichtigen von der steuerlichen Behandlung eines Dritten abhängig zu machenFootnote 102 und bedarf daher der Rechtfertigung.

Da die UTPR auf Tatbestandsebene ebenso an die Niedrigbesteuerung anderer Konzerneinheiten anknüpft, ist sie den gleichen rechtlichen Bedenken hinsichtlich des Trennungsprinzips ausgesetzt wie die IIR.Footnote 103 Denn der UTPR-Steuerpflichtige wird trotz der gesetzgeberischen Grundentscheidung gegen eine allgemeine Gruppenbesteuerung aufgrund von Merkmalen anderer Konzerneinheiten (Niedrigbesteuerung, aber etwa auch die Größe des Konzerns) besteuert, auf die er selbst in der Regel keinen Einfluss hat.Footnote 104 Dies gilt sowohl für die UTPR als Abzugsverbot als auch für die UTPR als Quellensteuer, denn bei beiden Erhebungsformen wird aufgrund des Jurisdictional Blending auf die steuerlichen Merkmale anderer Konzerneinheiten abgestellt. Hinzu kommt, dass rechtsfolgenseitig die Höhe der Steuerbelastung des UTPR-Steuerpflichtigen zum einen von der bereits im Rahmen der IIR bei einer anderen Konzerneinheit erhobenen Top-up Tax (Art. 2.5.2 und 2.5.3 der Modellregeln) und zum anderen von der Anzahl an Arbeitnehmern und dem Buchwert der Sachanlagen bei anderen Konzerneinheiten in UTPR-Staaten (Art. 2.6 der Modellregeln) abhängt.Footnote 105 Dies widerspricht der dem UTPR-Steuerpflichtigen zugesprochenen eigenständigen Leistungsfähigkeit und benachteiligt ihn in rechtfertigungsbedürftiger Weise gegenüber vergleichbaren, aber nicht durch die UTPR belasteten Unternehmen.Footnote 106

5.3.3.3 Ungleichbehandlung durch Switch-over Rule

Auch die SOR erweist sich nach Auffassung des Autors als verfassungsrechtlich problematisch. Das BVerfG hat in dem Fall des technisch vergleichbaren § 50d Abs. 8 EStG bereits 2015 festgestellt, dass die Versagung der Freistellung in bestimmten Fällen eine Ungleichbehandlung begründen kann.Footnote 107 Nach dem Verständnis des Autors bewirkt die SOR, dass Deutschland die IIR auch auf Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte einer inländischen Konzerneinheit anwenden kann, wenn ein DBA die steuerliche Freistellung anordnet.Footnote 108 Die SOR führt dazu, dass die Einkünfte einer niedrig besteuerten ausländischen Betriebsstätte insoweit nicht von der inländischen Besteuerung freizustellen sind, wie es die IIR zu Erhebung der Top-up Tax erfordert. Zwar werden inländische Konzerneinheiten mit solchen Betriebsstätten im Ausland dadurch nicht schlechter behandelt als inländische Konzerneinheiten mit in Deutschland ansässigen Betriebsstätten, da die dank der SOR über die IIR erhobene Top-up Tax i. H. v. maximal 15 % grundsätzlich keine höhere Besteuerung ermöglicht als in einem vergleichbaren rein deutschen Sachverhalt. Allerdings kommt es zu einer Schlechterstellung gegenüber inländischen Konzerneinheiten mit ausländischen Betriebsstätten, die entsprechend den GloBE-Regeln nicht als niedrig besteuert eingeordnet werden, sodass diese Stammhaus-Konzerneinheiten weiterhin von der steuerlichen Vergünstigung der Freistellung profitieren.Footnote 109 Auch vor dem Hintergrund einer transparenten Besteuerung der ausländischen Betriebsstätten und der steuerlichen Gesamtbelastung von Stammhaus und Betriebsstätte sind beide Konstellationen durchaus miteinander vergleichbar, da Besteuerungsunterschiede bei den ausländischen Betriebsstätten nur marginal oder sogar gar nicht vorhanden sein könnenFootnote 110 und die Leistungsfähigkeit dann in gleichem Maße gegeben ist.

5.3.3.4 Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip durch Undertaxed Payments Rule als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung

Bei Umsetzung der UTPR als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung (Abzugsbeschränkung) liegt aufgrund der Durchbrechung des objektiven NettoprinzipsFootnote 111 ein rechtfertigungsbedürftiger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Dem objektiven Nettoprinzip wird im Falle einer Abzugsbeschränkung nämlich insofern nicht mehr gefolgt, als die UTPR-steuerpflichtige Konzerneinheit eigentlich abzugsfähige Zahlungen an andere Konzerneinheiten (oder Dritte) bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der UTPR nicht mehr in Abzug bringen darf, obwohl ihre Leistungsfähigkeit objektiv gemindert ist. Die der UTPR unterliegende Konzerneinheit wird damit gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt, deren individuelle Leistungsfähigkeit aufgrund vergleichbarer Zahlungen im selben Maße vermindert ist, die diese Zahlungen aber als Betriebsausgaben von ihrer steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen dürfen und insofern einer niedrigeren Steuerlast unterliegen. Dies widerspricht der von Art. 3 Abs. 1 GG geforderten horizontalen Steuergerechtigkeit, nach der Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern sind.

5.3.3.5 Zwischenergebnis

Die GloBE-Regeln nehmen eine dem deutschen Steuerrecht generell widersprechende Konzernbetrachtung vor. Ein Konzern soll an einer für den deutschen Fiskus greifbaren Stelle gepackt und für die in einem anderen Land erfahrene Niedrigbesteuerung durch Erhebung der Top-up Tax zur Verantwortung gezogen werden. Die hierfür genutzten Instrumente der GloBE-Regeln gehen dabei insofern über bisherige Anti-BEPS-Eingriffe (z. B. durch Hinzurechnungsbesteuerung und Lizenzschranke) des deutschen Gesetzgebers (weit) hinaus, als sie sich – offenbar vorwiegend aus praktischen Gründen – vom Verhalten und den Merkmalen des Steuerpflichtigen weitgehend lösen und insbesondere im Rahmen der UTPR nur noch aufgrund der Zugehörigkeit zu einem länderbezogen niedrig besteuerten Konzern eine Besteuerung auslösen. So setzt die UTPR anders als noch unter dem ersten Allokationsschüssel im Blueprint nun nicht einmal mehr direkte Zahlungen an die niedrig besteuerte Konzerneinheit voraus. Dies führt im Rahmen der IIR und UTPR sowohl auf Tatbestandsebene als auch auf Rechtsfolgenseite zu rechtfertigungsbedürftigen Durchbrechungen des Trennungsprinzips. Auch die SOR kann Durchbrechungen des Trennungsprinzips und eine Schlechterstellung gegenüber inländischen Konzerneinheiten mit ausländischen Betriebsstätten, die entsprechend den GloBE-Regeln nicht als niedrig besteuert eingeordnet werden, begründen. Sofern die UTPR als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung ausgestaltet werden sollte, durchbricht sie zudem das objektive Nettoprinzip.

5.3.4 Rechtfertigung der Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

„Die Norm, die das Prinzip durchbricht, muß selbst von einem Prinzip getragen sein.“Footnote 112 Ganz in diesem Sinne sind die aufgeworfenen Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur zulässig, wenn sie gerechtfertigt sind.Footnote 113

5.3.4.1 Kein Systemwechsel

Wie bereits oben zum Folgerichtigkeitsprinzip ausgeführt, stehen bisherige gesetzgeberische Grundentscheidungen dem Steuergesetzgeber im Falle eines System- oder Prinzipienwechsels nicht entgegen. Vor dem Hintergrund der teils ausgerufenen „neuen Weltsteuerordnung“Footnote 114 darf durchaus gefragt werden, ob der Gesetzgeber bei Umsetzung der Mindeststeuerregeln einen Systemwechsel herbeiführen will und sich damit von vorherigen Grundentscheidungen lösen kann. Ein solcher Wechsel setzt nach der Rechtsprechung des BVerfG die tatsächliche Schaffung eines neuen Regelwerks voraus, da ansonsten „jedwede Ausnahmeregelung als (Anfang einer) Neukonzeption“ deklariert werden könnte.Footnote 115 Hierzu hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Pendlerpauschale weiter ausgeführt: „Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel und Wirkung die Orientierung an alternativen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel kann es ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben. Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten Grundentscheidungen eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem schmalen Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird, bedarf es greifbarer Anhaltspunkte – etwa die Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes Grundkonzept –, die die resultierende Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können.“Footnote 116

Auch wenn die GloBE-Regeln aufgrund ihres in einem komplexen, internationalen Verständigungsprozess erarbeiteten Designs eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen (etwa die vom bisherigen deutschen Steuerrecht abweichende Ermittlung der steuerlich zu berücksichtigenden Gewinne) und somit wahrscheinlich in einem eigenen Gesetz (wie zuvor etwa schon das StAbwG) implementiert werden, wird allein dies noch keinen Systemwechsel begründen, der eine Durchbrechung des Folgerichtigkeitsgebots ausschließt. Denn die neuen Regelungen haben nach wie vor die Ertragsbesteuerung, insbesondere von Körperschaften, zum Gegenstand und werden sicherlich auch Verweise in EStG und KStG aufweisen, sodass die Grundsatzentscheidungen zum objektiven Nettoprinzip und zum Trennungsprinzip auch für die neuen Regelungen Geltung entfalten. Zumindest beim objektiven Nettoprinzip ist ein Systemwechsel ausgeschlossen, da es kein anderes sachgerechtes Prinzip zur Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Erwerbsaufwand gibt.Footnote 117 Hinsichtlich des Trennungsprinzips ist dagegen nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Umsetzung der GloBE-Regeln einen grundsätzlichen Systemwechsel hin zu einem anderen Prinzip wie etwa einem steuersubjektübersteigenden Konzern- oder Gruppenbesteuerungsrecht vollziehen möchte. Denn auch im Konzernkontext wird es absehbar bei der grundsätzlichen Anwendung des Trennungsprinzips im Körperschaftsteuerrecht bleiben, was sich beispielsweise an der gerade erst neu eingeführten Option für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) zeigt. Auch ist nicht ersichtlich, dass beispielsweise die Regelungen zur ertragsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) ausgeweitet werden sollen, um eine grundsätzliche Abkehr vom Trennungsprinzip in der Konzernbesteuerung herbeizuführen. Hierfür spricht schon der enge Anwendungsbereich der Regeln unter Säule 2, der sich auf Konzerne mit einem Mindestjahresumsatz von 750 Mio. Euro beschränkt und dementsprechend Gruppen unterhalb dieser Schwelle weiterhin den allgemeinen Vorschriften unterwirft. Insofern kann eine Durchbrechung des Folgerichtigkeitsgebots nicht schon aufgrund eines grundsätzlichen Systemwechsels abgelehnt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob die einzelnen Durchbrechungen gerechtfertigt werden können.

5.3.4.2 Anforderungen an die Rechtfertigung

Nach Auffassung des BVerfG bedürfen „Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) […] eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag“.Footnote 118

5.3.4.2.1 Willkürverbot oder Neue Formel?

Fraglich ist dabei, ob irgendein sachlicher Grund zur Rechtfertigung der Durchbrechungen ausreicht oder nicht eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist. Die Rechtsprechung des BVerfG zu den Anforderungen an die Rechtfertigung steuerlicher Ungleichbehandlungen ist nach allgemeiner Auffassung als dreistufig zu beschreiben. Während bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes (1. Stufe) dem Gesetzgeber ein weitreichender Gestaltungsspielraum zugestanden wird und seine Entscheidungen daher einer bloßen Willkürkontrolle unterliegen,Footnote 119 ist die Ausgestaltung einzelner Steuern (2. Stufe) – wie sie auch durch die neuen GloBE-Regeln vorgenommen wird – grundsätzlich am Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu überprüfen.Footnote 120 Dieser bindet „die Ausübung der gesetzgeberischen Freiheit an ein hinreichendes Maß an Rationalität und Abgewogenheit.“Footnote 121 Die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund steigen mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.Footnote 122 Die 3. Stufe, welche die Lösung „komplexer dogmatischer Streitfragen“ bei der Ausgestaltung des Steuertatbestands betrifft, soll dagegen wieder nur auf evidente Ungerechtigkeiten i. S. d. Willkür überprüft werden.Footnote 123 Dies setzt nach Auffassung der BVerfG die Notwendigkeit voraus, überzeugende dogmatische Strukturen durch eine systematisch konsequente und praktikable Tatbestandsausgestaltung entwickeln zu müssen.Footnote 124 Allerdings wird in der Literatur zu Recht eingewendet, dass die Abgrenzung zwischen einer folgerichtigkeitsgebundenen einfachgesetzlichen Belastungsentscheidung und einer nur willkürbegrenzten, dogmatisch komplexen Einzelfrage vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG kaum nachvollziehbar und daher nicht widerspruchsfrei möglich ist.Footnote 125 Nach Tipke bedarf ein Systembruch im oben festgestellten Sinne der Rechtfertigung durch ein anderes sachgerechtes Prinzip von mindestens gleichem Rang und Gewicht und muss zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.Footnote 126 Auch Hey und Englisch verlangen etwa für Ausnahmen vom objektiven Nettoprinzip nicht nur einen besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrund, sondern fordern, dass die Ausnahmen ihrerseits folgerichtig ausgestaltet sind und einer Verhältnismäßigkeitskontrolle standhalten.Footnote 127 Neben diesen allgemeinen Erwägungen spricht zudem für eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass es durch die Anwendung von IIR und UTPR auch zur Einschränkung der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) kommen kann, wenn die Top-up Tax die Gewinne der steuerpflichtigen Konzerneinheit übersteigt und somit eine Substanzbesteuerung begründet. Denn die Anforderung an die Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Ungleichbehandlungen steigen allgemein in dem Maß, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann.Footnote 128 Dies gilt ebenso für juristische Personen.Footnote 129 Dem BVerfG zufolge darf ein Steuergesetz keine erdrosselnde Wirkung haben, sodass dem Grundrechtsträger ein „Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt […] der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt.“Footnote 130 Dementsprechend wird nachfolgend eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. In diesem Rahmen verschärfen sich die Rechtfertigungsanforderungen zudem, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Ungleichbehandlung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind.Footnote 131 Andererseits ist dem Eingriff eine geringere Intensität zuzuschreiben, wenn der Steuerpflichtige über „belastungsmindernde“ Ausweichmöglichkeiten verfügt, z. B. über gesellschaftsrechtliche Gestaltungen.Footnote 132 Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Ausweichoption zweifelsfrei legal ist, keinen unzumutbaren Aufwand für den Steuerpflichtigen bedeutet und ihn auch sonst keinem nennenswerten finanziellen oder rechtlichen Risiko aussetzt.Footnote 133 Zumindest die letzten beiden Kriterien werden regelmäßig nicht erfüllt sein. Denn um die Besteuerung nach der IIR oder UTPR zu vermeiden, wäre es im Regelfall notwendig, dass ein Konzern seinen Umsatz reduziert (etwa durch Spaltung des Konzerns) oder er sich aus Niedrigsteuerländern oder Staaten, die die IIR oder UTPR eingeführt haben, zum Großteil oder sogar vollständig zurückzieht. Die erste Option der Umsatzsenkung dürfte sich wohl kaum in irgendeinem Fall als wirtschaftlich sinnvoll, geschweige denn zumutbar herausstellen. Sofern nicht allein aus steuerlichen Gründen Konzerneinheiten in Niedrigsteuerstaaten angesiedelt sind, sondern auch wirtschaftliche Gründe dahinterstehen (z. B. weil sich dort ein Absatzmarkt befindet), wird auch ein Rückzug von diesen Standorten mit nicht unerheblichen finanziellen Einbußen verbunden sein. Eine Flucht aus den die IIR oder UTPR anwendenden Staaten dürfte im Übrigen sehr schwierig, wenn nicht unmöglich werden und wäre ggf. mit erheblichen Umstrukturierungskosten verbunden, da insbesondere die Industriestaaten, aber auch ein Großteil der zahlreichen IF-Mitgliedstaaten die GloBE-Regeln einführen werden und somit kaum Möglichkeiten verbleiben sollten, ohne Konzerneinheiten in zumindest einem Teil dieser Länder auszukommen. Hinzuzufügen ist ferner, dass eine Konzerneinheit, die nicht die Konzernobergesellschaft ist, regelmäßig wenig bis gar keinen Einfluss auf die Konzernstrukturen haben wird. Dementsprechend sind nachfolgend eher strengere Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen.

5.3.4.2.2 Bislang anerkannte besondere sachliche Gründe

Dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber kommt bei der Setzung und Verfolgung legitimer Ziele zunächst eine gewisse Entscheidungsprärogative zu.Footnote 134 Bereits vielfach anerkannt hat das BVerfG hierbei außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Vereinfachungs- bzw. Typisierungszwecke und das Ziel der Missbrauchsabwehr.Footnote 135 Ausdrücklich nicht als besonderer sachlicher Grund akzeptiert wird dagegen der rein fiskalische Zweck der Erhöhung der staatlichen Steuereinnahmen, da dieser Zweck durch jedes – auch sprunghaftes und willkürliches – Besteuern erreicht würde.Footnote 136 Eine Berufung allein auf eine angespannte Haushaltslage (z. B. aufgrund der COVID-19-Pandemie) wird daher nicht möglich sein und entspricht auch nicht der Zielsetzung der GloBE-Regeln.

5.3.4.2.2.1 Außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke

Dem Steuergesetzgeber steht es nach Auffassung der BVerfG allerdings grundsätzlich frei, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen.Footnote 137 So darf er „nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen.“Footnote 138 Dadurch kann der Gesetzgeber den Bürger auch durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen drängen.Footnote 139 Hierfür ist jedoch erforderlich, dass der Förderungs- und Lenkungszweck zum einen von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen wird und andererseits auch gleichheitsgerecht ausgestaltet ist.Footnote 140 Das BVerfG verlangt, dass „der Lenkungszweck mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet ist“Footnote 141, weswegen auch die Umdeutung einer Fiskalzwecknorm in eine Lenkungsnorm nicht möglich ist.Footnote 142 Der Förder- oder Lenkungszweck muss erkennbar im Gesetzgebungsverfahren – Gesetzestext oder Gesetzesmaterialien – zum Ausdruck kommen.Footnote 143

5.3.4.2.2.2 Vereinfachungs- und Typisierungszwecke

Der Gesetzgeber darf unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, vereinfachen und typisieren.Footnote 144 Vereinfachungen sollen die Steuerrechtsanwendung erleichtern, praktikabler und wirtschaftlicher gestalten sowie Überkompliziertheit und Undurchführbarkeit der Gesetze verhindern.Footnote 145 „Die wesentliche Funktion der Typisierung im Steuerrecht ist die Entlastung des Rechtsanwenders im Massenfallrecht.“Footnote 146 Der Gesetzgeber ist daher bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich befugt, „die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt“Footnote 147, und auf dieser Grundlage generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.Footnote 148 Hierbei muss er allerdings realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zu Grunde legen, darf also keinen atypischen Fall als Leitbild wählen.Footnote 149 Im Übrigen muss die Typisierung zur Vereinfachung geeignet, erforderlich und angemessen sein.Footnote 150 Der Gewinn an Praktikabilität darf nicht durch einen beträchtlichen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit erkauft werden.Footnote 151 Eine zulässige Typisierung setzt voraus, dass mit ihr verbundene „Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären“ und dass diese „lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist.“Footnote 152 Zudem ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei bevorzugender Typisierung weiter gespannt als bei benachteiligender Typisierung.Footnote 153

5.3.4.2.2.3 Zwecke der Missbrauchsabwehr

Durch Missbrauchsvermeidung soll schließlich die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichergestellt werden, die durch Steuermissbrauch, also die Inanspruchnahme von Steuervorteilen entgegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der vom Gesetzgeber in zulässiger Weise verfolgten Regelungsziele, gefährdet ist.Footnote 154 Dementsprechend kann das Ziel der Bekämpfung von legalen, aber unerwünschten Steuergestaltungen ein legitimer Zweck zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG sein.Footnote 155 Systematisch handelt es sich bei spezialgesetzlichen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften um Vereinfachungszwecknormen zur Durchsetzung des Fiskalzwecks.Footnote 156 Daher müssen typisierende Missbrauchsvorschriften in der Körperschaftbesteuerung die allgemeinen Voraussetzungen an steuergesetzliche Vereinfachungszwecknormen einhalten.Footnote 157 Dazu gehört, dass aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine zielgenaue Typisierung des zu erfassenden Missbrauchs vorgenommen werden muss.Footnote 158 Insbesondere muss sich eine gesetzliche Typisierung „realitätsgerecht am typischen Fall orientieren“ und darf „keinen atypischen Fall als Leitbild wählen“.Footnote 159 Die Vorteile der Typisierung dürfen nicht außer Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendigerweise verbundenen Ungleichbehandlung stehen, wobei die gleichzeitige Erfassung von Fällen, die keinen Missbrauch darstellen, als unvermeidbare, verfassungsrechtlich hinzunehmende Folge des Einsatzes von Vereinfachungszwecknormen zu betrachten ist, soweit es sich dabei nur um Einzelfälle handelt.Footnote 160 Zudem darf rechtsfolgenseitig keine höhere Belastung ausgelöst werden als bei nichtmissbräuchlichem Verhalten.Footnote 161 Im Übrigen gilt, dass dem Steuerpflichtigen eine Möglichkeit zur Widerlegung der Missbrauchsvermutung umso eher eingeräumt werden muss, je gröber der Gesetzgeber den Missbrauchstatbestand fasst.Footnote 162

5.3.4.2.2.4 Qualifizierter Fiskalzweck

Im Übrigen wird vereinzelt vertreten, dass fiskalische Zwecke, die über das bloße Erzielen von Einnahmen i. S. d. § 3 Abs. 1 AO hinausgehenFootnote 163, als sog. qualifizierte Fiskalzwecke eine Rechtfertigung begründen könnten.Footnote 164 Denn das Steuersystem müsse auch dafür Sorge tragen, das Wohlstandsgrundlagen überhaupt in Deutschland vorhanden seien und hier auch vorhanden blieben.Footnote 165 Dieser Zweck sei dem einfachen Fiskalzweck der Erzielung von Einnahmen vorgelagert.Footnote 166 Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 1 GG ermöglichten es nämlich, „steuerlichen Trittbrettfahrern entgegen zu treten, die zwar die Infrastruktur eines Landes ausnutzen, aber nicht bereit sind, sich an den damit verbundenen finanziellen Lasten zu beteiligen“.Footnote 167 Eine gleichheitsgerechte Besteuerung sei nur zu gewährleisten, wenn möglichst viele Personen die Lasten und Kosten dafür übernähmen.Footnote 168

In Rechtsprechung und Literatur hat eine Rechtfertigung über qualifizierte Fiskalzwecke bereits in der Debatte um die Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG 2002 und der darin geregelten interperiodischen Verlustabzugsbeschränkung Anklang gefunden.Footnote 169 Desens hat die Anwendbarkeit qualifizierter Fiskalzwecke („Verstetigung der Staatseinnahmen“, „bessere Kalkulierbarkeit der Haushalte“) in diesem Zusammenhang jedoch selbst dahingehend eingegrenzt, als dass dieser Rechtfertigungsgrund beim endgültigen Untergang von Verlustvorträgen und der damit einhergehenden Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips allein nicht mehr greifen könne, da der Verlust der Verlustvortrages nicht nur eine Verstetigung der Staatseinnahmen, sondern eine Erhöhung dieser bewirke.Footnote 170 Ganz in diesem Sinne hat sich dann auch der BFH in seinem Beschluss zur Zinsschranke zwar erneut mit dem qualifizierten Fiskalzweck (Sicherung des inländischen Steuersubstrats) als Rechtfertigungsgrund auseinandergesetzt, einen solchen Zweck jedoch wieder nur als allgemeinen Fiskalzweck qualifiziert und festgestellt, dass Gewinnverlagerungen im Konzern (mittels Fremdfinanzierung) nach steuerrechtlichen Maßstäben grundsätzlich nicht zu sanktionieren seien, „wenn die Grenze des Rechtsmissbrauchs nicht überschritten wird.“Footnote 171 Diese Einschätzung entspricht auch der herrschenden Meinung in der LiteraturFootnote 172 und wurde von weiteren Literaturstimmen bereits sowohl in Hinblick auf die LizenzschrankeFootnote 173 als auch die Entwürfe der GloBE-RegelnFootnote 174 geteilt. Auch wenn die höchstrichterliche Beurteilung der Zinsschranke durch das BVerfG noch aussteht,Footnote 175 wird vorliegend der allgemeinen Einordnung qualifizierter Fiskalzwecke in ihrer bisherigen Form als untaugliche Rechtfertigungsgründe gefolgt. Auch die Sicherung des Steuersubstrats ist stets ein inhärentes Ziel der Steuererhebung.Footnote 176 Bei nicht intendierten Abweichungen in der Besteuerung ist der Gesetzgeber daher richtigerweise darauf zu verweisen, diesen Abweichungen systemkonform im Rahmen von hinreichend zielgenauen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften oder aber durch eine Nachjustierung der bestehenden Steuervorschriften Einhalt zu gebieten.

5.3.4.3 Anwendung dieser Rechtfertigungsgründe auf die festgestellten Ungleichbehandlungen durch IIR und UTPR im konkreten Fall

IIR und UTPR unterscheiden sich als Bestandteile der GloBE-Regeln nicht in ihrer grundlegenden Mechanik, nämlich der Erhebung von Top-up Tax bei Vorliegen niedrig besteuerter Konzerneinheiten. Lediglich auf Rechtsfolgenseite weisen sie unterschiedliche Erhebungsformen für die Top-up Tax auf. Die damit einhergehenden Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch Durchbrechung des Trennungsprinzips (IIR wie auch UTPR) bzw. Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips (UTPR als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung) verfolgen daher dieselben Ziele und werden aus diesem Grunde gemeinsam auf ihre Rechtfertigung hin untersucht.

5.3.4.3.1 Außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke

Die GloBE-Vorschriften verfolgen Lenkungszwecke. IIR und UTPR sollen durch Erhebung der Top-up Tax bewirken, dass der internationale Steuerwettbewerb zwischen den Staaten begrenzt wird und multinationale Konzerne möglichst keine Anreize mehr zur (schädlichen) Verlagerung ihrer Gewinne in steuerlich günstigere Hoheitsgebiete haben (vgl. Kap. 3). Folglich soll auf das Verhalten anderer Staaten und multinationaler Konzerne eingewirkt werden. Allerdings sind die beiden genannten Lenkungsziele nicht außerfiskalischer, sondern fiskalischer Natur, denn sie schützen primär die Steuereinnahmen des die Regeln anwendenden Staates. Dass mit der Einführung der Mindeststeuer mittelbar auch außerfiskalische Ziele verfolgt werden, nämlich die Folgen eines unbegrenzten Steuerwettbewerbs und von Gewinnverlagerungen zu beseitigen, zu denen etwa Wettbewerbsverzerrungen und der soziale Unfrieden aufgrund eines als ungerecht empfundenen Steuersystems gehören, kann nach Auffassung des Autors als Argument nicht durchgreifen, weil diese mittelbaren Effekte der aktuellen Situation rein steuerlich bedingt sind.Footnote 177 Im Übrigen kann aus der Rechtsprechung des BVerfG abgeleitet werden, dass sich eine Steuervorschrift mit Lenkungszweck nur gegen das Verhalten des jeweiligen Steuerpflichtigen richten darf und nicht gegen das Handeln eines anderen Staates.Footnote 178 In vielen Fällen, insbesondere bei Anwendung der UTPR, ist der Steuerpflichtige aber überhaupt nicht an den Vorgängen beteiligt, die zu einer Niedrigbesteuerung einer anderen Konzerneinheit führen. So kann auch das Jurisdictional Blending dazu führen, dass eine IIR-steuerpflichtige Muttergesellschaft, die nicht Konzernobergesellschaft ist, Top-up Tax entrichten muss, obwohl ihre Tochtergesellschaft lediglich aufgrund der niedrigen Steuerlast anderer Konzerneinheiten, an denen die Steuerpflichtige nicht beteiligt ist, als niedrig besteuert behandelt wird.Footnote 179 Außerfiskalische Förderungs- oder Lenkungszwecke können daher nicht zur Rechtfertigung angeführt werden.Footnote 180 Vielmehr liegt es näher, IIR und UTPR als fiskalische Lenkungszwecknormen einzuordnen.Footnote 181 Ob der fiskalische (Dritt-)Lenkungszweck jedoch geeignet ist, eine Durchbrechung des Folgerichtigkeitsprinzips zu rechtfertigen, ist soweit nicht ausgemacht, wird jedoch in der Literatur für den Zweck der Bekämpfung „unfairen“ Steuerwettbewerbs für möglich gehalten (siehe hierzu Abschn. 5.3.4.4).Footnote 182

5.3.4.3.2 Vereinfachungs- und Typisierungszwecke

Im Schrifttum ist eine Rechtfertigung der Durchbrechungen von Art. 3 Abs. 1 GG durch IIR und UTPR anhand von Vereinfachungs- oder Typisierungszwecken bislang abgelehnt worden.Footnote 183 Nach Auffassung des Autors besteht jedoch durchaus ein erörterungsbedürftiges Rechtfertigungspotenzial. Denn zum einen könnte vertreten werden, dass die Hinzurechnungsbesteuerung über die IIR bzw. die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung über die UTPR die Erhebung der Top-up Tax vereinfache, da Deutschland auf anderem Wege nicht in derselben Weise in der Lage wäre, eine Besteuerung der Gewinne der niedrig besteuerten, ausländischen Konzerneinheiten vorzunehmen und bspw. von der Amtshilfe anderer Staaten abhängig wäre. Dem kann im Falle der UTPR-Abzugsbeschränkung entgegengehalten werden, dass zumindest bei Direktzahlungen an niedrig besteuerte Konzerneinheiten die Top-up Tax genauso effektiv als Quellensteuer mit Abzugsverfahren (wie z. B. aktuell bereits nach § 50a Abs. 1 EStG) erhoben werden könnte und es der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips auf Ebene der zahlenden Konzerneinheit nicht bedürfte, sieht man einmal von der aktuell teils entgegenstehenden Zins- und LizenzrichtlinieFootnote 184 ab. In Bezug auf die IIR und andere UTPR-Konstellationen ist dagegen festzustellen, dass die Erhebung der Top-up Tax direkt bei der niedrig besteuerten ausländischen Konzerneinheit mangels unbeschränkter bzw. beschränkter Steuerpflicht nach den allgemeinen Grundsätzen (insb. dem Territorialitätsprinzip) schon gar nicht zulässig wäre und es sich insofern gar nicht um eine Vereinfachung, sondern eine Ermöglichung der Besteuerung handelt, die eine Rechtfertigung in diesem Sinne nicht begründen kann.

Zum anderen könnte als Vereinfachungsgrund zur Rechtfertigung herangezogen werden, dass beide Regelungen als Bestandteile der GloBE-Regeln auch das Ziel verfolgen, einer komplexeren globalen Steuerlandschaft aufgrund der Zunahme unilateraler und unkoordinierter steuerlicher Maßnahmen entgegenzuwirken. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Vereinfachungszwecknormen grundsätzlich nur die Förderung der Anwendung des innerstaatlichen Rechts zum Gegenstand haben.

5.3.4.3.3 Zwecke der Missbrauchsabwehr

Das Ziel der GloBE-Regeln, auch nach Abschluss des BEPS-Projekts noch bestehende Gewinnverlagerungsmöglichkeiten multinationaler Konzerne zu bekämpfen, kann als Missbrauchsbekämpfungszweck interpretiert werden. Es soll verhindert werden, dass in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen den Steuerwettbewerb zwischen den Staaten für sich ausnutzen und durch verschiedene Gestaltungen ihre Gewinne ins Ausland verlagern, dort einer deutlich niedrigeren Besteuerung zuführen und insofern die deutsche Besteuerung dieser Gewinne vermeiden. Da die Regelungen jedoch nur ein „grobes Anti-BEPS-Instrument“Footnote 185 darstellen, ist fraglich, ob der deutsche Gesetzgeber mit Umsetzung der Regeln in deutsches Recht eine hinreichende Typisierung vornehmen würde. Wie bereits ausgeführt, setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass mit ihr verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, dass diese Härten lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Dies darf aus verschiedenen Gründen bezweifelt werden. Nach Ansicht des Autors greift der Missbrauchsbekämpfungszweck als Rechtfertigungsgrund mangels hinreichender Typisierung nicht.

5.3.4.3.3.1 Keine zulässige Missbrauchsvermutung allein aufgrund der Niedrigbesteuerung

Denn IIR und UTPR sind in dieser Hinsicht aus unterschiedlichen Gründen nicht zielgenau genug, sondern erfassen zwar auch, aber nicht weit überwiegend missbräuchliche Gestaltungen.Footnote 186 IIR und UTPR machen die Erhebung der Top-up Tax im Wesentlichen davon abhängig, ob eine effektive Niedrigbesteuerung im Land einer direkt oder indirekt beherrschten Konzerneinheit (IIR) bzw. irgendeiner anderen (ausländischen) Konzerneinheit (UTPR) ermittelt wird. Daher besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber in nach Ansicht des BVerfG unzulässiger Weise „eine abstrakte Missbrauchsgefahr zum Anlass für eine vom typischen Missbrauchsfall losgelöste und über diese hinausgehende generelle“ Regelung nimmt.Footnote 187 Allein die niedrige Steuerbelastung in einem anderen Land rechtfertigt noch nicht die Annahme eines missbräuchlichen Handelns des Steuerpflichtigen.Footnote 188 Es hilft daher auch nicht weiter, dass für den typisierenden Ansatz des verfassungsrechtlich bedenklichen Jurisdictional Blending, welches gegenüber den beiden alternativen Methoden (Global Blending und Entity Approach)Footnote 189 zur Ermittlung des effektiven Steuersatzes eines Konzerns den Vorzug erhalten hat,Footnote 190 grundsätzliche gute Gründe bestehen.Footnote 191 Denn auch bei Abstellen auf die Niedrigbesteuerung anderer Konzerneinheiten unter Nutzung des Entity-Approach wären die GloBE-Regeln aufgrund der weiterhin bestehenden Durchbrechung des Trennungsprinzips rechtfertigungsbedürftig. Folglich ist entscheidend, ob weitere Tatbestandsmerkmale der IIR und UTPR zu einer ausreichenden Missbrauchstypisierung führen.Footnote 192

5.3.4.3.3.2 Gewisse Typisierung durch Eingrenzung des Anwendungsbereichs

Dafür spricht zunächst die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf multinationale Konzerne und die von diesen beherrschten Konzerneinheiten, die Befreiung der Excluded Entities sowie die De-minimis-Ausnahme. Denn nur in dem verbleibenden Rahmen sind grenzüberschreitende Steuergestaltungen zur Gewinnverlagerung überhaupt ernsthaft zu erwarten. Andererseits richten sich IIR und UTPR grundsätzlichFootnote 193 nur gegen multinationale Konzerne mit einem konsolidierten Mindestumsatz von 750 Mio. Euro, was die Frage aufwirft, ob es an einer folgerichtigen Umsetzung fehlt, wenn vergleichbare Gestaltungen durch kleinere Konzerne nicht erfasst werden.Footnote 194 Bei diesen sind missbräuchliche Gewinnverlagerungen nämlich bis zu einer bestimmten Konzerngröße ebenso denkbar. Vor dem Hintergrund, dass die Gesetzesbegründung zur Einführung der länderbezogenen Berichterstattung nach § 138a AO (Country-by-Country Reporting) im Jahr 2016, die eine ebenso hohe Konzernumsatzschwelle aufweist, von ca. 10.000 betroffenen Unternehmen ausgingFootnote 195 und daher auch die Anzahl der von den deutschen GloBE-Regeln betroffenen Unternehmen etwa in diesem Rahmen liegen könnte, kann dem Gesetzgeber jedoch ein gewisser Typisierungsspielraum zugestanden werden. Denn nicht nur die Anzahl der betroffenen Unternehmen, sondern auch die Komplexität der neuen Vorschriften wird der deutschen Finanzverwaltung wie auch den entsprechenden Konzernen einen erheblichen Verwaltungsaufwand aufbürden. Die OECD hat gute Gründe aufgeführt, weswegen die bereits für die länderbezogene Berichterstattung vorausgesetzte Umsatzhöhe auf die GloBE-Regeln übertragen werden soll.Footnote 196 Demgegenüber würde der Einbezug auch rein inländischer Fälle in die deutschen GloBE-Regeln eine hinreichende Typisierung weiter in die Ferne rücken lassen, da bei diesen kaum von relevanten Gewinnverlagerungsrisiken ausgegangen werden kann, sondern eine im Hochsteuerland Deutschland ergebende Niedrigbesteuerung in der weit überwiegenden Anzahl aus anderen, nicht als missbräuchlich zu beurteilenden Gründen hervorgehen würde.

5.3.4.3.3.3 Keine trennscharfe Differenzierung aufgrund der Substanzausnahme

Von herausgehobener Bedeutung für die Beurteilung der Missbrauchstypisierung ist aber die (formelhafte) Substanzausnahme („Substance-based Income Exclusion“). Nachdem eine solche Ausnahme zu Beginn der Initiative noch nicht konkret diskutiert wurde, da die BEPS-Risiken allgemein durch die Unterbindung von solchen steuerlichen Anreizen beseitigt werden sollten, die zur Unterschreitung des Mindeststeuersatzes führten (Begrenzung des Steuerwettbewerbs), führt die Substanzausnahme nunmehr zu einer nicht unwesentlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs bzw. der steuerpflichtigen (Über-)Gewinne.Footnote 197 Die Regelung sieht vor, dass zunächst 8 % des Buchwerts der Sachanlagen und 10 % der Lohnkosten pauschal von den zuvor ermittelten staatenbezogenen Netto-GloBE-Einkünften abgezogen werden, um das Ergebnis daraus (staatenbezogener Übergewinn) sodann mit dem Top-up-Tax-Prozentsatz zu multiplizieren.Footnote 198 Innerhalb von 10 Jahren sollen diese abzuziehenden Beträge schrittweise auf das finale Niveau von jeweils 5 % abgesenkt werden.Footnote 199 Folglich sollen die Auswirkungen der GloBE-Regeln auf weniger BEPS-relevante Gewinne aus arbeits- und/oder sachanlagenintensiven Tätigkeiten (teils als Routinegewinne bezeichnet) und auf Unternehmen mit nur geringen Gewinnmargen reduziert werden. Doch begrenzt dies den Anwendungsbereich typischerweise auf missbräuchliche Gestaltungen? Nach Ansicht des Autors dürften Gewinnmargen von über 5–10 % in nicht unerheblicher Anzahl auch ohne missbräuchliche Gewinnverlagerungsgestaltungen erzielt werden können. So werden aufgrund der Substanzausnahme in den ersten 10 Jahren bis zu 37 % der Gewinne von Tochterunternehmen relevanter multinationaler Konzerne in der EU nicht der Mindeststeuer unterliegen.Footnote 200 Anschließend wird sich dieser Anteil aufgrund der dann niedrigeren Prozentsätze auf schätzungsweise nur noch 22 % belaufen.Footnote 201 Dass demnach ca. 64 bis 78 % der erfassten Unternehmensgewinne auf missbräuchliche Gestaltungen zurückzuführen wären, erscheint weit hergeholt. Der im Rahmen der formelhaften Substanzausnahme herangezogene Maßstab ist nach Auffassung des Autors daher zu pauschal und ungeeignet, hinreichend sicher für jede einzelne Branche eine trennscharfe Differenzierung zwischen auf eigener wirtschaftlicher Tätigkeit beruhenden Gewinnen und auf missbräuchlichen Steuergestaltungen beruhenden Einkünften vorzunehmen.Footnote 202 Eine (zusätzliche) Differenzierung nach der Art der konkreten Einkünfte sowie die Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, nachzuweisen, dass von GloBE erfasste Einkünfte auf einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im niedrig besteuernden Land beruhen (vgl. zu dieser Herangehensweise § 8 Abs. 1 und 2 AStG),Footnote 203 käme dem Ideal einer Missbrauchsbekämpfungszwecknorm wesentlich näher.Footnote 204 IIR und UTPR weisen daher eine überschießende Regelungswirkung auf, indem eine Sanktionierung auch dann erfolgt, wenn die entsprechende Niederlassung in oder Geschäftsbeziehung zu einem Niedrigsteuerstaat nicht per se der missbräuchlichen Gewinnverlagerung dient. Die Substanzausnahme mutet in diesem Zusammenhang auch deshalb widersprüchlich an, da sie die rechtsfolgenseitig bei der Ermittlung der Top-up Tax auszunehmenden substanzbasierten Einkünfte und die darauf entrichteten Steuern auf Tatbestandsebene dennoch in die Ermittlung der Niedrigbesteuerung einbezieht. Es ist daher beispielsweise denkbar, dass diese Einkünfte, sollten sie effektiv mit weniger als 15 % besteuert sein, eine Niedrigbesteuerung und die Erhebung von Top-up Tax begründen, obwohl der Übergewinn selbst höher besteuert wird. Folgerichtig wirkt dies nicht.

Das Ergebnis einer nicht hinreichenden Ausrichtung der GloBE-Regeln auf missbräuchliche Gestaltungen verwundert allerdings auch nicht. Denn mit dem Ziel der allgemeinen Eingrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs wird ein weiterer Zweck verfolgt, der gewissermaßen als gegenläufig beurteilt werden muss, da die Erreichung dieses Ziels einen wesentlich breiteren Anwendungsbereich voraussetzt. Dies mündet in einen Kompromiss, der keines der beiden Ziele vollständig verwirklichen kann. Folge dessen ist die Feststellung, dass die Regelungen in Hinblick auf die Missbrauchsvermeidung als überschießendFootnote 205 beurteilt werden müssen, weil sie nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen.

5.3.4.3.3.4 Auch rechtsfolgenseitig erhebliche Defizite in der Missbrauchstypisierung

Auf Rechtsfolgenseite ist anzumerken, dass sich IIR und UTPR selbst im Falle einer missbräuchlichen Gestaltung häufig nicht gegen die für diese Gestaltung verantwortliche Konzerneinheit richten werden. In der Regel müssten sich IIR und UTPR gegen die die missbräuchliche Steuergestaltung herbeiführende Konzerneinheit richten,Footnote 206 welche regelmäßig die Konzernobergesellschaft sein dürfte, die im Zweifel die Gestaltungen in den unteren Konzernebenen lenkt und dadurch eine Optimierung der steuerlichen Verhältnisse des Konzerns herbeiführen kann. Die IIR ist als primär anzuwendende Regel und aufgrund des Top-down-Ansatzes zwar im Grundsatz zunächst auf die Konzernobergesellschaft anzuwenden. Ob in der Praxis damit allerdings eine hinreichende Typisierung vorgenommen ist, hängt davon ab, ob lediglich in Einzelfällen tatsächlich andere Konzerneinheiten nach IIR und UTPR mit Top-up Tax belastet werden. Der Autor ist demgegenüber skeptisch. Denn es gibt viele denkbare Fälle, in denen andere Konzerneinheiten als die Entscheidungsträger zur Sicherung der Mindeststeuer herangezogen werden können. Zum einen können niedrigere Konzernebenen den neuen Vorschriften unterfallen, wenn der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft eines in Deutschland tätigen Konzerns keine IIR einführt. Auch im Falle der Split-Ownership Rule findet die IIR im Ansässigkeitsstaat einer anderen, möglicherweise nicht an der Gestaltung der Konzernverhältnisse beteiligten Konzerneinheit Anwendung. Dies gilt ebenso für die UTPR, bei der regelmäßig keine Einflussmöglichkeit auf die niedrig besteuerte Konzerneinheit und deren Besteuerung besteht.Footnote 207 Den insofern zur Steuer herangezogenen Konzerneinheiten ist eine Vermeidung der mit der Ungleichbehandlung verbundenen Härten demnach teils kaum möglich.Footnote 208

Darüber hinaus droht Unternehmen, die im Verhältnis zu den niedrig besteuerten Konzerneinheiten relativ geringe Gewinne erzielen, bei der Anwendung von IIR und UTPR die Substanzbesteuerung,Footnote 209 die eine besonders intensive Beeinträchtigung der betroffenen Konzerneinheiten begründet. Es ist daher auch möglich, dass zukünftige Niederlassungen in Niedrigsteuerländern oder Geschäftsbeziehungen zu dort ansässigen Konzerneinheiten in solchen Fällen aufgrund der Mindeststeuer trotz wirtschaftlicher, außersteuerlicher Interessen nicht durchgeführt werden können. Zudem sind an eine hinreichende Typisierung im Falle der UTPR auch deshalb so hohe Anforderungen zu stellen, weil eine Vor- bzw. Rücktragsmöglichkeit für die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben nicht zur Verfügung steht.Footnote 210 Die hierdurch geminderte Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen bleibt folglich dauerhaft unberücksichtigt und verschärft den Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG noch einmal besonders.

Zuletzt ist festzustellen, dass eine folgerichtige Missbrauchsbekämpfung auch dadurch in Frage gestellt wird, dass sich die Maßnahmen auf Sachverhalte begrenzen, in denen der effektive Steuersatz unter 15 % liegt und die Top-up Tax auch nur eine Anhebung der Steuerlast auf das Mindeststeuersatzniveau bewirkt.Footnote 211 Würde der Gesetzgeber missbräuchliche Umgehungsgestaltungen umfassend und konsequent verhindern wollen, wäre das deutsche Steuerniveau als Maßstab zu erwarten, um das Prinzip der horizontalen Steuergerechtigkeit zu wahren.Footnote 212 Andernfalls kann es aufgrund der hohen Besteuerung in Deutschland immer noch attraktiv sein, Gewinne (künstlich) ins Ausland zu verlagern.Footnote 213 Nur vor dem Hintergrund einer Ersatzbesteuerung ausländischen Steuersubstrats dürfte in der Besteuerung i. H. v. maximal 15 % mangels Vergleichbarkeit keine Ungleichbehandlung vorliegen, da die danach besteuerten Einkünfte nach den allgemeinen Regeln überhaupt nicht der deutschen Besteuerung unterliegen würden.Footnote 214 Eine Besteuerung aufgrund einer Missbrauchsbekämpfungszwecknorm unterstellt aber die Besteuerung eigentlich inländischen Steuersubstrats.

5.3.4.3.3.5 Zwischenergebnis: Keine Rechtfertigung durch Missbrauchsabwehr

Im Ergebnis sind IIR und UTPR zwar geeignet, missbräuchliche Gewinnverlagerungen in gewissem Umfang zu verhindern. Der Preis dafür ist nach Auffassung des Autors jedoch – insbesondere aufgrund des aus oben genannten Gründen strenger anzulegenden Prüfungsmaßstabs – zu hoch, da eine hinreichende Typisierung nicht gewährleistet wird, sodass Zwecke der Missbrauchsbekämpfung die hervorgerufenen Ungleichbehandlungen i. R. v. Art. 3 Abs. 1 GG mangels Verhältnismäßigkeit nicht rechtfertigen können.

5.3.4.3.4 Zwischenergebnis nach Berücksichtigung der herkömmlichen Rechtfertigungsgründe des BVerfG

Es zeigt sich demnach, dass anhand der bislang vom BVerfG anerkannten Rechtfertigungsgründe keine Rechtfertigung der aufgezeigten Durchbrechungen von Art. 3 Abs. 1 GG gelingt. Weder außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke noch Vereinfachungs- und Typisierungszwecke oder das Ziel der Missbrauchsabwehr vermögen eine Rechtfertigung zu begründen.

5.3.4.4 Zur Möglichkeit eines neuen Rechtfertigungsgrundes

Es stellt sich daher die Frage, ob das BVerfG nicht einen neuen Rechtfertigungsgrund heranziehen könnte, um eine verfassungsgemäße Umsetzung der GloBE-Regeln in deutsches Recht zu ermöglichen. Denn das herausgearbeitete Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der über drei Jahre mühsam auf internationaler Ebene erarbeiteten GloBE-Regeln stellt für Befürworter der Initiative und insbesondere für Deutschland als Miturheber des Mindeststeuervorschlags ein höchst unbefriedigendes Ergebnis dar. Nach Auffassung des Autors können die Primärziele und Hintergründe der GloBE-Regeln im Rahmen der bisher vom BVerfG anerkannten Rechtfertigungsgründe nicht hinreichend gewürdigt werden. Anders als etwa die Lizenzschranke in § 4j EStG beruht das neue Regelgeflecht nämlich nicht auf einer unilateralen, aus rein nationalem (Fiskal-)Interesse verfolgten Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, sondern auf einem wertenden Konsens von 137 Staaten weltweit. Diese haben gemeinsam beschlossen, dass eine effektive Besteuerung großer, multinationaler Konzerne unterhalb von 15 % grundsätzlich einen unfairen, volkswirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Zustand begründet, dem – mangels einer globalen Einigung aller Staaten auf nationale Sicherstellung eines hinreichenden Besteuerungsniveaus – nur mit Sanktions- bzw. Ersatzbesteuerungsmaßnahmen begegnet werden kann. Das Ziel ist aus diesem Grunde gewissermaßen überstaatlicher Natur. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend untersucht, ob die „Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Maß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses“ einen legitimen neuen Rechtfertigungsgrund darstellen kann und bejahendenfalls auch die gleichheitsrechtlichen Durchbrechungen durch die GloBE-Regeln im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu rechtfertigen vermag.

5.3.4.4.1 Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als legitimer Zweck

Die Frage ist zunächst, ob ein solcher neuer Rechtfertigungsgrund grundsätzlich als tauglicher bzw. legitimer Gesetzeszweck bezeichnet werden kann.Footnote 215 Nach Auffassung des Autors gibt es sehr gute Gründe dafür, das Ziel der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als legitimes Ziel anzuerkennen. Die Probleme und Risiken, die mit dem internationalen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten zur Attraktion von Unternehmen und Direktinvestitionen einhergehen, sind bereits in Kap. 3 aufgezeigt worden. Hierzu gehören nicht nur übermäßige Belastungen der Staatshaushalte und die damit einhergehende Verschlechterung staatlicher Leistungsmöglichkeiten, sondern auch soziale Ungleichheit durch kompensierende Belastungen weniger mobiler Faktoren wie Konsum und Löhnen, eine verminderte Steuermoral und -ehrlichkeit der Steuerpflichtigen und politische Verwerfungen zwischen den Staaten. Die mit BEPS einhergehenden Probleme, welche die OECD-Länder und viele weitere Staaten schon seit über einem Jahrzehnt beschäftigen, haben ihren Ursprung ebenfalls zu großen Teilen in den im Rahmen des Steuerwettbewerbs geschaffenen Steueranreizen und haben zur Einführung einer Vielzahl komplexer Anti-BEPS-Maßnahmen geführt, deren wirtschaftsschädigende Ausweitung ohne ein international koordiniertes Vorgehen auch nach Abschluss des BEPS-Projekts zu erwarten ist.Footnote 216 Deutschland gehört Studien zufolge zu den Hauptverlierern durch BEPSFootnote 217 und wird daher akut durch den aktuellen Steuerwettbewerb beeinträchtigt. Weltweit und insbesondere auf Ebene des IF ist nach wie vor ein enormer politscher Handlungsdruck wahrzunehmen. Zwar sind mit dem internationalen Steuerwettbewerb auch Chancen verbunden, wobei in erster Linie die Formung eines effizienten Staates anzuführen ist. Nach Auffassung des Autors gibt es jedoch bei jedem Staat eine Untergrenze, ab der dieser nicht mehr in der Lage ist, seine staatlichen Aufgaben effektiv wahrzunehmen und damit die Erfüllung der materiellen und immateriellen Ansprüche seiner Bürger an ihn zu gewährleisten. Bei der Frage, ab welchem Stadium des Steuerwettbewerbs die hiervon ausgehenden Nachteile die Vorteile in dem Maße überwiegen, dass ein schädlicher Steuerwettbewerb i. R. e. „race to the bottom“ anzunehmen ist, handelt es sich um eine fiskalische Wertungsfrage, die politisch bislang unbeantwortet war.

Würde ihre Beantwortung dem einzelnen Staat zugestanden, wäre den Problemen des internationalen Steuerwettbewerbs allerdings nicht beizukommen. Denn die Antworten und entsprechenden Maßnahmen würden höchst unterschiedlich ausfallen. Diese unilateralen und unabgestimmten Maßnahmen wären einerseits nicht in der Lage, die jeweilige Auffassung eines gerechten, nicht schädlichen Steuerwettbewerbs international effektiv durchzusetzen, andererseits würden sie das bisherige Katz- und Mausspiel zwischen den Staaten mit der Setzung von Steueranreizen und der Einführung von Gegen- bzw. Anti-BEPS-Maßnahmen weiter verschärfen und die internationale Steuerlandschaft in ihrer Komplexität weiter anwachsen lassen. Würde Deutschland ein den GloBE-Regeln entsprechendes Steuergesetz im Alleingang einführen und sich dabei auf die Bekämpfung schädlichen Steuerwettbewerbs berufen, könnte es dem Gesetzgeber zudem schwerfallen, sich dem Vorwurf der Verfolgung eines unzulässigen, weil rein fiskalischen Ziels zur Erhöhung der staatlichen Steuereinnahmen zu entziehen. Da die Beurteilung der aktuellen Entwicklung des Steuerwettbewerbs als schädlich oder unschädlich eine fiskalische Wertungsfrage ist, wäre der deutsche Steuergesetzgeber in der Lage, zur Erhöhung seines Steueraufkommens bestimmte Steueranreize anderer Staaten in beliebiger Weise als schädlich einzuordnen.

Diesem Vorwurf ist der deutsche Gesetzgeber allerdings nicht mehr ausgesetzt, wenn er lediglich umsetzt, was unter einem breiten internationalen Konsens erarbeitet und zur Implementierung empfohlen worden ist. Während im Rahmen des BEPS-Projekts und unilateraler Vorstöße lediglich einzelne konkrete Steuermodelle aufgegriffen wurden, gibt das GloBE-Projekt nun eine grundsätzliche, im Wortsinn radikale Antwort auf die Frage, unter welchen Umständen ein schädlicher Steuerwettbewerb geführt wird. Große multinationale Konzerne, die nach Ansicht des IF als Hauptadressaten im Steuerwettbewerb anzusehen sind, sollen hinsichtlich ihrer „Übergewinne“ in jedem Land effektiv mit nicht weniger als 15 % an Ertragsteuern besteuert werden. Diese Grenzziehung durch die IF-Staaten stellt einen ausgleichenden KompromissFootnote 218 zwischen den Befürwortern und Gegnern des Steuerwettbewerbs her und darf als „stellvertretend für die billig und gerecht denkenden Steuerzahler“Footnote 219 angesehen werden. Dass nicht alle Staaten an dieser Initiative beteiligt sind, bedeutet – abgesehen von den vier IF-Mitgliedern, die sich der Einigung vom 8. Oktober 2021 bislang nicht angeschlossen habenFootnote 220 – keinesfalls, dass der Rest der Welt dies anders sieht.Footnote 221 Über die Gründe im Einzelnen kann hier nur gemutmaßt werden.Footnote 222 Bestünden diese in inhaltlichen Differenzen, wäre allerdings zu erwarten, dass sich diese Länder – wie schon die klassischen Steueroasenstaaten – ebenfalls an dem Projekt beteiligt hätten. Im Übrigen ist für die grundsätzliche Anerkennung eines fiskalischen DrittlenkungszwecksFootnote 223 wie dem vorliegenden nach Auffassung des Autors nur zu verlangen, dass eine gewichtige Anzahl an Staaten sich dieser Wertung anschließt, um sicherzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber nicht beliebig auf diesen Rechtfertigungsgrund zur Erhöhung seines Steueraufkommens zurückgreifen kann. Die von 137 Staaten inklusive Deutschland getroffene Wertentscheidung begründet damit den Unterschied zu den rein fiskalischen Gründen, die vom BVerfG richtigerweise nicht als Rechtfertigungsgründe akzeptiert werden. Schließt sich der deutsche Gesetzgeber der auf IF-Ebene getroffenen Wertentscheidung an, verfolgt er mit Umsetzung der GloBE-Regeln nicht das schlichte Ziel der staatlichen Einnahmeerhöhung. Die Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs führt idealerweise nämlich auch gar nicht unmittelbar zu weiteren Steuereinnahmen in Deutschland über die GloBE-Regeln, sondern zu einer Anhebung der effektiven Besteuerung in bisherigen Niedrigsteuerländern. Die GloBE-Regeln stellen lediglich das Mittel dazu dar, andere Staaten und multinationale Konzerne vom Führen bzw. Ausnutzen eines schädlichen, dem billig und gerecht denkenden Steuerzahler widerstrebenden Steuerwettbewerbs abzuhalten. Die Verwirklichung dieses neuen Ziels der internationalen Besteuerung – der konsensbasierten Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs durch Sicherstellung einer fairen, effektiven Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne – zu gewährleisten, stellt nach Auffassung des Autors daher ein legitimes Ziel dar, dass zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz grundsätzlich herangezogen werden darf.

5.3.4.4.2 Verhältnismäßigkeit

Hieran anschließend wird nun im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung untersucht, ob der soeben erarbeitete Rechtfertigungsgrund die Durchbrechungen des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips zu rechtfertigen vermag.

5.3.4.4.2.1 Geeignetheit

Erforderlich ist zunächst, dass die Implementierung der GloBE-Regeln in Deutschland und die damit einhergehenden Prinzipiendurchbrechungen geeignet sind, das oben genannte Ziel der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß zu erreichen. Das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot verlangt hierbei nicht, dass dieses Ziel durch die Einführung der GloBE-Regeln vollständig erreicht wird, sondern es reicht aus, dass das Ziel hierdurch gefördert werden kann.Footnote 224 Die internationale Einigung auf die GloBE-Regeln zeigt bereits jetzt Wirkung. So haben die Vereinigten Arabischen Emirate bereits einen Monat nach Veröffentlichung der Modellregeln angekündigt, ihre Unternehmensteuersätze generell von 0 % auf 9 % und für multinationale Konzerne mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mind. 750 Mio. Euro sogar auf 15 % anzuheben.Footnote 225 Eine dauerhafte Wirkung werden die GloBE-Regeln allerdings nur erzielen, wenn sie von möglichst vielen Staaten implementiert werden. Insofern ist die Einführung der GloBE-Regeln in Deutschland geeignet, einen Beitrag zur Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß zu leisten.

5.3.4.4.2.2 Erforderlichkeit

Des Weiteren muss es erforderlich sein, die GloBE-Regeln entsprechend den Modellregeln in Deutschland einzuführen. Es dürfen keine Mittel zur Verfügung stehen, mit denen der Gesetzgeber den Steuerwettbewerb in der vorgesehenen Form unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten gleichermaßen wirksam begrenzen kann.Footnote 226 Dem deutschen Steuergesetzgeber kommt dabei ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, „der vom Bundesverfassungsgericht je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann.“Footnote 227 Ein die Ungleichbehandlungen vermeidender und somit milderer Weg wäre offensichtlich, die GloBE-Regeln einfach nicht in deutsches Recht umzusetzen. Möglicherweise könnte dies tatsächlich keinen negativen Einfluss auf die Erreichung des Ziels haben, da IIR und UTPR so vielschichtig ausgestaltet sind, dass sie bei hinreichender Einführung in anderen Ländern den Ausfall Deutschlands kompensieren würden. Allerdings ist es keinesfalls sicher, dass diese kritische Masse an Staaten, die die GloBE-Regeln einführen, erreicht wird, um etwaige Lücken schließen zu können. Der deutsche Gesetzgeber darf berechtigterweise davon ausgehen, dass sein Beitrag notwendig ist, kommt Deutschland als Mitglied der G7 und G20 sowie als Urheber der Mindeststeuerinitiative doch eine Vorbildfunktion zu. Eine Einigung aller Staaten auf die unilaterale Sicherstellung einer Mindestbesteuerung i. S. v. GloBE im eigenen Hoheitsgebiet wäre zwar der wünschenswertere Weg gewesen, da sie zunächst die Einführung und Anwendung von IIR und UTPR entbehrlich gemacht hätte. Es liegt allerdings auf der Hand, dass eine solche Einigung nicht allein durch Deutschland herbeizuführen wäre. Zudem wäre sie nicht gleichermaßen geeignet, sicherzustellen, dass das verabredete Steuerniveau in den einzelnen Staaten auf Dauer gewährleistet wird. Ein Ausweichen auf die UTPR in Form der Quellenbesteuerung von bei isolierter Betrachtung tatsächlich niedrig besteuerten Konzerneinheiten unter Abstandnahme von den kritischen Erhebungsformen der IIR und des UTPR-Abzugsverbots wäre zwar milder, aber keinesfalls gleich geeignet, da insbesondere die ansonsten über die IIR erhobene Top-up Tax nicht vollständig kompensiert werden könnte. Andere mildere und dennoch gleich geeignete Maßnahmen sind nicht ersichtlich, sodass die Erforderlichkeit zu bejahen ist.

5.3.4.4.2.3 Angemessenheit

Im Übrigen muss die Einführung der GloBE-Regeln angemessen sein. Die Ungleichbehandlung ist verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn das Maß der Ungleichbehandlung und Schlechterstellung (aufgrund der Durchbrechungen des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips durch Anwendung von IIR und UTPR) „in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der Zielerreichung steht.“Footnote 228

Die Höhe der zu erhebenden Top-up Tax ist losgelöst von der Leistungsfähigkeit, also den tatsächlichen Gewinnen der IIR- oder UTPR-steuerpflichtigen Gesellschaften. Dies kann zu einer erheblichen Belastung einzelner Konzerneinheiten führen, die in ihrem Ausmaß bis hin zur Substanzbesteuerung (Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) reichen kann. Ausnahmeregelungen für besondere Härtefälle sind in den Modellregeln nicht vorgesehen und daher bislang kein Bestandteil der GloBE-Regeln. Für diese Fälle kann auch nicht auf die Billigkeitsmaßnahmen der §§ 163, 227 AO verwiesen werden, da die bewusst durch den Gesetzgeber angeordnete oder zumindest in Kauf genommene Rechtsfolge die Anwendung von Billigkeitsmaßnahmen, welche lediglich im Einzelfall unbillige Härten ausgleichen sollen, nicht rechtfertigen kann.Footnote 229 In Deutschland GloBE-steuerpflichtige Konzerneinheiten sind damit grundsätzlich einem recht hohen Belastungsrisiko ausgesetzt. Auch nach aktuellen Schätzungen sind die Belastungen in Deutschland ansässiger Konzerneinheiten unter Durchbrechung des Trennungsprinzips – und bei Anwendung einer UTPR-Abzugsbeschränkung auch unter Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips – beachtlich. So sind Berechnungen des EU Tax Observatory zufolgeFootnote 230 für Deutschland bei Umsetzung der GloBE-Regeln bis zu 13 Mrd. Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen pro Jahr denkbar, sollte die Niedrigbesteuerung in anderen Ländern nicht zurückgehen.Footnote 231 Dies entspräche etwa 18 % der derzeit bei Körperschaften erhobenen Unternehmensteuern (inkl. Gewerbesteuer).Footnote 232 Allerdings ist dies zu relativieren. Denn es ist davon auszugehen, dass die weltweit koordinierte Einführung der GloBE-Regeln kurz- bis mittelfristig in erheblichem Maße zur staatlichen Rücknahme solcher Steuervergünstigungen führen wird, die bei multinationalen Konzernen regelmäßig eine länderbezogene ETR unterhalb des Mindeststeuersatzes bedingen. Denn die Aufrechterhaltung niedriger Steuersätze, großzügiger Bemessungsgrundlagen und anderer Vergünstigungen wird in dem Maße keine Wirkung mehr erzielen können, in dem diese durch die Erhebung der Top-up Tax ausgeglichen werden. Staaten, die sich diese Steueranreize bislang zu eigen gemacht haben, werden daher ihr Steuerniveau anheben, um selbst von dem durch die Mindeststeuer begrenzten Steuerwettbewerb zu profitieren, da mit der Anhebung auf das Mindestniveau ein Steueraufkommensgewinn ohne das Risiko eines Wettbewerbsnachteils einhergeht. Zugleich ist zu erwarten, dass Konzerne sich in Teilen umstrukturieren werden. Einerseits, weil ein Standort aufgrund der Einführung der GloBE-Regeln und Neutralisierung der steuerlichen Vorteile möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich ist bzw. andere Standorte für die Zwecke des Konzerns nun attraktiver sind – dies dürfte insbesondere für BEPS-Gestaltungen gelten, bei denen steuerliche Kriterien den wesentlichen Hauptgrund für die Standortwahl gebildet haben. Andererseits, weil mit den GloBE-Regeln erhebliche Befolgungskosten einhergehen,Footnote 233 die beispielsweise über die Nutzung der noch auszuarbeitenden Safe Harbour-Regeln gesenkt oder gänzlich umgangen werden könnten. Da bis zum anvisierten Inkrafttreten der GloBE-Regeln ab Anfang 2023 sowohl für die bisherigen Niedrigsteuerstaaten als auch die betroffenen multinationalen Konzerne einige Zeit für entsprechende Anpassungen verbleibt, wird das Maß der Schlechterstellung aufgrund der Durchbrechungen des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips nach Überzeugung des Autors noch einiges an Intensität verlieren. So könnten die deutschen Steuereinnahmen aus der Mindeststeuer nach den Berechnungen von Fuest et al. auf 1,7 Mrd. Euro pro Jahr reduziert werden.Footnote 234 Zudem darf auch nicht ignoriert werden, dass die Top-up Tax in Deutschland in dem wohl überwiegenden Teil der Anwendungsfälle – entsprechend dem Regeldesign (Top-down Approach und Vorrangstellung der IIR) – über die IIR auf Ebene der Konzernobergesellschaft erhoben werden wird. Dieser kann als Leitungsorgan des Konzerns zumindest im begrenzten Ausmaß die Verantwortung dafür zugewiesen werden, dass der Konzern entgegen der Wertentscheidung des IF mit effektiven Steuerquoten von weniger als 15 % unfaire bzw. schädliche Steuervorteile bezieht, wobei die Konzernobergesellschaft mittelbar von den höheren Nachsteuergewinnen der niedrig besteuerten Konzerneinheiten profitiert. Auch insofern ist das Maß der Schlechterstellung geringer zu gewichten. In den anderen Fällen, also der Belastung untergeordneter Konzerneinheiten durch IIR und UTPR sind zum einen eher geringere Belastungen zu erwarten, da die zu erhebende Top-up Tax tendenziell auf mehrere Konzerneinheiten verteilt wird. Zudem sind die belasteten Gesellschaften aufgrund der Beteiligungsvoraussetzungen der GloBE-Regeln eng in ihre jeweiligen Konzerne eingebunden. Bei diesen Konzernen handelt es sich ausschließlich um äußerst umsatzstarke Gruppen, bei denen grundsätzlich erwartet werden kann, dass die zusätzliche Steuerlast der betroffenen Konzerneinheit im Rahmen einer konzerninternen Verantwortungsübernahme wirtschaftlich ausgeglichen wird, gerade weil die Ursache der Besteuerung nicht in der Konzerneinheit selbst, sondern der Struktur des Konzerns liegt. Dagegen kann die Intensität der Ungleichbehandlung nicht durch einen Hinweis auf den alternativen Kausalverlauf gesenkt werden, wonach ein multinationaler Konzern, der nun in Deutschland durch die Erhebung von Top-up Tax belastet wird, anderenfalls regelmäßig in einem anderen Staat im selben Maße besteuert würde. Denn diese Perspektive lässt sich nicht auf die isoliert zu betrachtende, in Deutschland ansässige Konzerneinheit übertragen, welche nur dann mit der Top-up Tax belastet wird, wenn IIR und UTPR in Deutschland angewendet werden.

Demgegenüber ist die allgemeine Bedeutung des verfolgten Ziels bereits in den obigen Ausführungen zur Geltung gekommen. Die GloBE-Regeln führen in vielerlei Hinsicht weltweit zu positiven Effekten von einigem Gewicht. Die Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses wird nicht nur die verbleibenden BEPS-Risiken reduzieren, bei denen Deutschland Studien zufolge zu den Hauptverlierern gehört.Footnote 235 Ineffiziente, weil aus steuerlichen Gründen getroffene Standort- und Investmententscheidungen werden seltener getroffen werden, was grundsätzlich der Weltwirtschaft und auch Deutschland und den darin tätigen multinationalen Konzernen zugute kommt. Letztere profitieren zugleich davon, dass das internationale Steuerrecht an Stabilität und Rechtssicherheit gewinnt, da trotz der mit GloBE einhergehenden Komplexität eine Fülle verschiedener inländischer wie ausländischer, gegen bestimmte Steuerwettbewerbsformen und BEPS gerichtete Vorschriften und Maßnahmen verhindert wird, die anderenfalls in unilateraler und unkoordinierter Weise eingeführt und im Übrigen das Risiko der Doppelbesteuerung erhöhen würden.Footnote 236 Zugleich wird der Standort Deutschland gestärkt, indem die steuerlichen Differenzen zu ausländischen Steuerregimen verkürzt werden. Der steuerliche Nachteil kleinerer und mittlerer Unternehmen wird gegenüber multinational agierenden Konzernen verringert.Footnote 237 Die Aushöhlung inländischer Besteuerungsgrundlagen wird durch das gemeinsame Vorgehen der IF-Staaten in beachtlichem Umfang unterbunden. Sozialer Ungleichheit durch kompensierende Belastungen weniger mobiler Faktoren wie Konsum und Löhnen und eine verminderte Steuermoral und -ehrlichkeit der Steuerpflichtigen wird vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) entgegengewirkt.

Nach Auffassung des Autors wird der internationale Steuerwettbewerb bei breiter Umsetzung in den am IF teilnehmenden Staaten auch wirksam begrenzt werden. Für Staaten wird es nicht mehr attraktiv sein, Steuervergünstigungen für multinationale Konzerne im Anwendungsbereich der GloBE-Regeln zu gewähren, die eine ETR unterhalb des Mindeststeuersatzes bedingen. Es ist zwar auch nicht abzustreiten, dass die mittelbar mit der Begrenzung des Steuerwettbewerbs einhergehenden Effekte für Deutschland als Hochsteuerland teils geringer ausfallen werden. So wird von einer Steuerbelastungsdifferenz von ca. 15 Prozentpunkten nach wie vor eine Anziehungswirkung ausgehen.Footnote 238 Auch deuten die für Deutschland geschätzten GloBE-Steuereinnahmen i. H. v. bis zu 13 Mrd. Euro pro Jahr vor dem Hintergrund des Steueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden (ohne Gemeindesteuern) i. H. v. 761 Mrd. Euro im Haushaltsjahr 2021Footnote 239 wenigstens an, dass sich die Auswirkungen schädlichen Steuerwettbewerbs auf Deutschland zumindest bislang in Grenzen halten.

Nichtsdestotrotz ist der Autor der Meinung, dass die Umsetzung der GloBE-Regeln in Deutschland trotz der damit verbundenen Durchbrechungen des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips angemessen ist. Das vom IF und von Deutschland angestrebte legitime Ziel der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß kann ausschließlich dadurch erreicht und dauerhaft sichergestellt werden, dass auch auf in Deutschland ansässige Konzerneinheiten zugegriffen wird bzw. ein solcher Zugriff zumindest droht. Nur so kann hinreichend Einfluss auf die steuerlichen Entscheidungen anderer Staaten und multinationaler Konzerne ausgeübt werden. Ein Sonderopfer einzelner Konzerneinheiten unter Durchbrechung des Trennungsprinzips und des objektiven Nettoprinzips ist vor diesem Hintergrund zur wirksamen Verfolgung des Ziels unumgänglich.Footnote 240 Dieses Sonderopfer wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass die betroffenen Konzerneinheiten multinationalen Konzernen angehören, die zeitgleich von der Niedrigbesteuerung in anderen Ländern profitieren und für einen konzerninternen wirtschaftlichen Ausgleich sorgen können. Die Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses ist höher zu gewichten als die mit der Verfolgung dieses Ziels einhergehenden Ungleichbehandlungen. Im Übrigen kann den in deutsches Recht umzusetzenden GloBE-Regeln nicht der Vorwurf fehlender Folgerichtigkeit gemacht werden mit der Begründung, die Eingrenzung des Anwendungsbereichs etwa über die Umsatzschwelle oder Begrenzung der steuerpflichtigen Gewinne durch die Substanzausnahme verhindere den Steuerwettbewerb nicht hinreichend. Denn das Ziel der GloBE-Regeln ist lediglich die Begrenzung des Steuerwettbewerbs in dem Maße, wie er auf IF-Ebene als schädlich eingestuft wurde.Footnote 241 Demzufolge ist die Einführung der GloBE-Regeln angemessen und insgesamt verhältnismäßig.

5.3.4.5 Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die SOR

Die Aufhebung der Freistellungsverpflichtung durch die SOR ermöglicht die Besteuerung über die IIR. Aus diesem Grund muss auf die durch die SOR herbeigeführte Ungleichbehandlung derselbe Maßstab angewendet werden. Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 50d Abs. 8 EStG vertreten, dass die Aufhebung der Freistellungsmethode im behandelten Fall nur eine geringe Eingriffsintensität aufweise und daher lediglich anhand des Willkürverbots auf ihre Rechtfertigung hin zu überprüfen sei.Footnote 242 Dort führte die Aufhebung der Freistellungsmethode allerdings zur regulären Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, welche ihrerseits verfassungsrechtlich nicht beanstandet wurde.Footnote 243 Im Übrigen richtet sich § 50d Abs. 8 EStG konkret gegen das besondere Missbrauchsrisiko, das bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in diesem Kontext aufgrund mangelnder Transparenz besteht.Footnote 244 Dies ist beides im Falle der SOR nicht gegeben.

Zunächst ist es zwar so, dass die IIR im Anwendungsbereich der SOR insofern keine Durchbrechung des Trennungsprinzips bedingt, als die ausländische Betriebsstätte einer inländischen Gesellschaft in Deutschland transparent besteuert wird. Die Erhebung von Top-up Tax könnte in diesem Rahmen zwar eine inländische Gesellschaft, die zuvor über die Freistellungsmethode begünstigt war, zusätzlich belasten, sie würde damit aber regelmäßig immer noch günstiger behandelt als in ihrer Leistungsfähigkeit vergleichbare Gesellschaften mit Betriebsstätten, die der regulären deutschen Besteuerung unterliegen, etwa weil sie sich beide im Inland befinden oder kein DBA besteht, welches die Freistellungsmethode vorsieht. Insofern bestünde tatsächlich kein tiefgreifender Eingriff, der zur Rechtfertigung mehr als nur eines sachlichen Grundes bedürfte. Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch die SOR in Verbindung mit der IIR zugleich die durch das Jurisdictional Blending hervorgerufene „Sippenhaft“ ermöglicht, die eine Konzerneinheit mit ihrer Betriebstätte nicht unter alleiniger Beachtung der eigenen Leistungsfähigkeit, sondern aufgrund der Niedrigbesteuerung einer anderer Konzerngesellschaft zusätzlich belasteten kann. Wie bereits zu IIR und UTPR ausgeführt, greift eine Orientierung am Willkürverbot damit nach Auffassung des Autors zu kurz. Vielmehr folgt die SOR dem Schicksal der IIR. Die durch sie hervorgerufene Ungleichbehandlung ist daher zwar unter ausschließlicher Berücksichtigung der herkömmlichen Rechtfertigungsgründe des BVerfG als nicht rechtfertigungsfähig einzustufen, kann aber über den nach Auffassung des Autors neu anzuerkennenden Rechtfertigungsgrund der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses gerechtfertigt werden.

5.3.4.6 Zwischenergebnis

Die unterschiedlichen Durchbrechungen von Art. 3 Abs. 1 GG durch die GloBE-Regeln können nach Auffassung des Autors gerechtfertigt werden. Es ist zunächst festzustellen, dass die Einführung der GloBE-Regeln vor dem Hintergrund des Folgerichtigkeitsgebots keinen Systemwechsel darstellt. Zudem sind an die Rechtfertigung strengere Anforderungen zu stellen, die eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfordern. In diesem Rahmen führen die bislang vom BVerfG anerkannten Rechtfertigungsgründe, also außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke, Vereinfachungs- und Typisierungszwecke und das Ziel der Missbrauchsabwehr zwar nicht zur Rechtfertigung. Unter der nach Ansicht des Autors gebotenen Anerkennung der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als legitimen Zweck ist eine Rechtfertigung der verschiedenen verfassungsrechtlichen Durchgriffe jedoch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich und vorliegend gegeben.

5.4 Möglicher Treaty Override nicht verfassungswidrig

Bei einem Treaty Override handelt es sich um „die innerstaatliche Änderung oder Aufhebung einzelner Vorschriften eines [Doppelbesteuerungs-]Abkommens durch zeitlich nachfolgende unilaterale Steuergesetzgebung.“Footnote 245 Ohne auf die noch nachfolgende Prüfung zur Vereinbarkeit der neuen Regeln mit deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Kap. 7) vorgreifen zu wollen, könnten etwaige Kollisionen einen solchen Treaty Override begründen. Dieser würde dem völkerrechtlichen Grundsatz „pacta sunt servanda“ widersprechen und damit einen Völkerrechtsverstoß darstellen.Footnote 246 Ob ein Treaty Override daher aber auch verfassungswidrig ist, ist schon seit langer Zeit umstritten.Footnote 247 Das BVerfG hat jedoch die Verfassungswidrigkeit eines Treaty Override in Gestalt des § 50d Abs. 8 EStG deutlich abgelehnt.Footnote 248 Diese Einordnung kann auf andere Treaty Overrides übertragen werden,Footnote 249 sodass auch vorliegend ein möglicher Treaty Override keine verfassungsrechtlichen Bedenken auslösen soll.

5.5 Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung

Implementiert Deutschland die GloBE-Regeln eigenständig, ist der Bund nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 GG zur Gesetzgebung befugt. Das entsprechende Gesetz bedarf gemäß Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Das Steueraufkommen aus den neuen Mindeststeuervorschriften steht in der Regel Bund und Ländern hälftig zu, im Falle der Top-up Tax-Erhebung bei Personengesellschaften bzw. deren Gesellschaftern auch den Gemeinden. Für die Verwaltung der Mindeststeuer wären grundsätzlich die Landesfinanzbehörden zuständig.

Führt Deutschland die GloBE-Regeln den Modellregeln entsprechend ein, begründet die Anwendung von IIR, UTPR und SOR in jedem Falle eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, welche grundsätzlich den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Steuergerechtigkeit verletzt und damit rechtfertigungsbedürftig ist. Sollte die UTPR als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung ausgestaltet werden, begründet dies zudem eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit ebenfalls eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung. Soweit im Rahmen der oben genannten Durchbrechungen gegen das Folgerichtigkeitsgebot verstoßen wird, kann dem nicht die Begründung eines Systemwechsels entgegengehalten werden. Die unterschiedlichen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die GloBE-Regeln können nach Auffassung des Autors jedoch gerechtfertigt werden, wobei strengere Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen sind, die eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfordern. In diesem Rahmen führen die bislang vom BVerfG anerkannten Rechtfertigungsgründe – außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke, Vereinfachungs- und Typisierungszwecke und das Ziel der Missbrauchsabwehr – zwar nicht zur Rechtfertigung. Unter der nach Ansicht des Autors gebotenen Anerkennung der Begrenzung des internationalen Steuerwettbewerbs auf ein faires Mindestmaß im Rahmen eines internationalen Konsensprozesses als legitimen Zweck ist eine Rechtfertigung der verschiedenen verfassungsrechtlichen Durchgriffe jedoch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich und vorliegend gegeben.

Im Übrigen begründen etwaige mit der Einführung der GloBE-Regeln verbundene Treaty Overrides keine Verletzung des Grundgesetzes.