Skip to main content

Eine Frage der Haltung: Der Rücktritt von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihr Kampf gegen den „Großen Lauschangriff“

  • Chapter
  • First Online:
Rücktritte von politischen Ämtern
  • 15 Accesses

Zusammenfassung

Der Rücktritt der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Dezember 1995 gehört ohne Frage zu den bekanntesten Rücktritten der Bundesrepublik, gerade vor dem Hintergrund seiner Gründe und Motive. Als Grund für den Rücktritt kann ausschließlich das Ergebnis des Mitgliederentscheids zum „Großen Lauschangriff“ genannt werden. Grundsätzlich war der Rücktritt zwar vermeidbar und nicht alternativlos, jedoch unterlag er einer gewissen Zwangsläufigkeit vor dem Hintergrund des Abstimmungsergebnisses. Der Beitrag schildert und analysiert diesen besonderen, weil freiwilligen und aus Überzeugung vollzogenen Rücktritt und nimmt dabei die Hintergründe und parteipolitischen Kontexte mit in den Blick.

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Lennéstraße 25/27, 53113 Bonn.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 79.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Mit dem Begriff „Großer Lauschangriff“ werden umgangssprachlich Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden zur akustischen Wohnraumüberwachung bezeichnet. Auch wenn mit dem Begriff eine gewisse Wertung verknüpft ist, soll er der Einfachheit halber hier genutzt werden.

  2. 2.

    Für die analytisch interessante Rolle des Bundesrats und insb. des Bremer Bürgermeisters Hennig Scherf (SPD) bei der Veränderung des ursprünglichen Kompromisses zur Grundgesetzänderung siehe Julia von Blumenthal 2001, S. 102–154.

  3. 3.

    Der SPD-Parteitag stimmte über einen Antrag des Parteivorstandes ab, der restriktive Bedingungen für den Einsatz des „Lauschangriffs“ beinhaltete. Nur durch diese Kompromisse war die Verabschiedung mit äußerst knapper Mehrheit überhaupt denkbar (vgl. von Blumenthal 2001, S. 103). Hier zeigt sich bereits eine ähnliche Lagerbildung wie bei der FDP, die sich auch 1998 in der Abstimmung zum „Großen Lauschangriff“ im Bundestag widerspiegelte.

  4. 4.

    Es kann angenommen werden, dass die Bedeutung des Freiburger Kreis in der damaligen Berichterstattung übertrieben wurde und dies von den „Mitgliedern“ auch beabsichtigt war, um eine breitere Basis zu suggerieren (vgl. Dittberner, S. 228 f.).

  5. 5.

    Die Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt hatten damals der Entscheidung des BVerfG eine abweichende Meinung angefügt, in der sie für eine strenge Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsklausel) plädieren und ihrer Auffassung nach schon Art. 13 Abs. 3 GG (Änderung im Sinne des sog. „Großen Lauschangriffs“) mit dem Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar ist. (vgl. Bundesverfassungsgericht 2004).

    Darüber hinaus erwies sich der Einsatz des „Großen Lauschangriffs“ aufgrund der Auflagen nach dem BVerfG-Urteil als wenig ergiebig in der Kriminalitätsbekämpfung: Die Anzahl der Maßnahmen belief sich in den vergangenen Jahren auf wenige Fälle (meistens max. zehn), wie den Berichten der Bundesregierung der jeweiligen Berichtsjahre zu entnehmen ist. (vgl. https://dip.bundestag.de/).

Literatur

  • Bannas, Günter. 1992. Überraschung. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 30. April 1992.

    Google Scholar 

  • Beucker, Pascal und Überall, Frank. 2011. Endstation Rücktritt!?. Bonn: Bouvier.

    Google Scholar 

  • Bundesverfassungsgericht. 2004. Verfassungsbeschwerden gegen akustische Wohnraumüberwachung (so genannter Großer Lauschangriff) teilweise erfolgreich. Pressemitteilung Nr. 22/2004. 3. März 2004. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2004/bvg04-022.html. Zugegriffen am 05. August 2023.

  • Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). 2018. Vor 20 Jahren: Grundgesetzänderung für den "großen Lauschangriff". 15.01.2018. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/262861/vor-20-jahren-grundgesetzaenderung-fuer-den-grossen-lauschangriff/. Zugegriffen am 05. August 2023.

  • Dachs, Gisela. 1992. Blitzkarriere einer Selbstbewußten. Die Zeit. 8. Mai 1992.

    Google Scholar 

  • Deutscher Bundestag. 1998. Plenarprotokoll 13/214. Stenographischer Bericht 214. Sitzung. 16. Januar 1998.

    Google Scholar 

  • Dittberner, Jürgen. 2010. Die FDP. Geschichte, Personen, Organisation, Perspektiven. Eine Einführung. 2. überarb. u. akt. Aufl. Wiesbaden. Springer VS.

    Google Scholar 

  • F.D.P. 1994. Liberal Denken. Leistung wählen. Das Programm der F.D.P. zur Bundestagswahl 1994. Sankt Augustin. liberal-Verlag.

    Google Scholar 

  • Fromme, Friedrich Karl. 1995. Noch keine Koalitionskrise. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 15. Dezember 1995.

    Google Scholar 

  • Geis, Matthias. 1995. Mit der Wanze ins Abseits. Die Zeit 50/1995. 8. Dezember 1995.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1992. Frau Schwaetzer sieht sich als Opfer einer von Möllemann fein gesponnenen Intrige. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 30. April 1992.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1995. Kinkel warnt vor Irritationen und zusätzlichen Ärger in Partei und Koalition. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 23. Mai 1995.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1995. In der Glaubwürdigkeitsfalle. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. September 1995.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1995. Quorum bei Mitgliedentscheid erreicht. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4. November 1995.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1995. Frau Leutheusser plant „Zukunftssignal“, Rexrodt verärgert, Solms wartet ab, Gerhadt zögert. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. Dezember 1995.

    Google Scholar 

  • Gennrich, Claus. 1995. Frau Leutheusser-Schnarrenberger tritt zurück Schmidt-Jortzig als neuer Justizminister nominiert. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 15. Dezember 1995.

    Google Scholar 

  • Klingst, Martin. 1992. Braucht der Staat größere Ohren?. Die Zeit. 16. Oktober 1992.

    Google Scholar 

  • Küpper, Moritz. 2017. Rücktritte: Über die Kunst ein Amt zu verlassen. Baden-Baden. Tectum Verlag.

    Google Scholar 

  • Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine. 2017. Haltung ist Stärke. München: Kösel-Verlag.

    Google Scholar 

  • Lewitan, Louis. 2010. Ich sehe immer Licht. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über ihren Rücktritt als Ministerin vor 14 Jahren. Zeit Magazin. 29. April 2010. S. 46.

    Google Scholar 

  • Lösche, Peter und Walter, Franz. 1996. Die FDP – Richtungsstreit und Zukunftszweifel. Darmstadt. Wiss. Buchgesellschaft.

    Google Scholar 

  • Metzler, Gabriele. 2001. Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine. In: Kempf, Udo und Merz; Hans-Georg (Hrsg.). Kanzler und Minister 1949 – 1998. Wiesbaden. Springer VS. S. 437–443.

    Google Scholar 

  • Metzler, Gabriele. 2015. Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine. In: Kempf, Udo, Merz; Hans-Georg und Gloe, Markus (Hrsg.). Kanzler und Minister 2005 – 2013. Wiesbaden. Springer VS. S. 104–116.

    Google Scholar 

  • Müller, Christian. Rücktritt der deutschen Justizministerin; Entscheid der FDP-Mitglieder für den „Großen Lauschangriff“. Neue Züricher Zeitung. 15. Dezember 1995.

    Google Scholar 

  • Seifert, Jürgen. 1992. Vom Lauschangriff zum „Großen Lauschangriff: Darf es eine totale Überwachung der Wohnung geben?. Kritische Justiz Vol. 25, No. 3. S. 355-363.

    Google Scholar 

  • Storn, Arne. 2010. „2012 ziehen wir Bilanz“. Die Zeit. 5. August 2010.

    Google Scholar 

  • von Blumentahl, Julia. 2001. Amtsträger in der Parteiendemokratie. Wiesbaden. Westdeutscher Verlag GmbH.

    Book  Google Scholar 

  • Wefing, Heinrich. 2013. Einmal Ikone und zurück. Die Zeit. 14. August 2013.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Chris Rensing .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2024 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Rensing, C. (2024). Eine Frage der Haltung: Der Rücktritt von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihr Kampf gegen den „Großen Lauschangriff“. In: Becker, M., Kronenberg, V., Prinz, C. (eds) Rücktritte von politischen Ämtern. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43947-7_15

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-43947-7_15

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-43946-0

  • Online ISBN: 978-3-658-43947-7

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics