Während der Migrationsanlass bei den japanischen Expatriates offensichtlich und in ihrer Versetzung ins Ausland zu wirtschaftlichen Zwecken begründet ist, somit also nicht unbedingt freiwillig erfolgt, sondern von der Firma initiiert wird, stellt sich die Frage, was die untersuchten permanent ansässigen Japanerinnen und Japaner, die selbstinitiiert nach Deutschland gekommen sind, dazu bewegt hat, auszuwandern und sich hier niederzulassen. Als Grundlage für die Beantwortung dieser Frage dienen in erster Linie die Äußerungen in den Interviews auf die Erzählaufforderung: „Bitte schildern Sie den Anlass, nach Deutschland auszuwandern“. Diese Aufforderung lässt den Befragten Raum für eine Erzählung, aus der dann das jeweilige Motiv erschlossen werden kann. In Abschnitt 5.1 werden die Aussagen der interviewten Personen zu diesem Themenbereich dargelegt und den in Abschnitt 4.4.1 genannten Kategorien zugeordnet. Anschließend werden die Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus der bestehenden Forschung zur Migration von Japanerinnen und Japanern in Verbindung gesetzt (Abschnitt 5.2). Weitere Erkenntnisse finden sich in den Abschnitten 5.3 und 5.4. Während Abschnitt 5.3 aufzeigt, dass sich als temporär gedachte Aufenthalte zu dauerhaften Aufenthalten entwickeln können, setzt Abschnitt 5.4 die Migrationsbewegungen der Befragten in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Geschehnissen im Heimatland. Mit den Abschnitten 5.1 bis 5.4 ist die Darlegung und Interpretation der Ergebnisse zum Migrationsverhalten der japanischen permanent Ansässigen abgeschlossen. Abschnitt 5.5 widmet sich dann der Analyse der Ergebnisse zum persönlichen Integrationsverständnis. Abschließend werden in Abschnitt 5.6 die Resultate in Hinblick auf die Indikatoren der sozialen, strukturellen, kulturellen und identifikativen Dimension dargelegt.

5.1 Gründe für die Auswanderung nach Deutschland unter dauerhaft ansässigen Japanerinnen und Japanern

Aus den Erzählungen geht hervor, dass 24 Personen (61,5 %) bereits vor ihrem andauernden Aufenthalt in Deutschland mindestens ein Mal in Deutschland gewesen sind. Unter diesen kamen vier Personen zum Austausch während des Studiums, zwei Personen, um eine Sprachschule zu besuchen, acht Personen zu touristischen Zwecken und sieben Personen aus sonstigen Gründen. Zu diesen Gründen zählen ein in Deutschland absolviertes Studium (3), eine kurze Reise zwecks eines Vorstellungsgesprächs (1), eine Geschäftsreise (1), die Entsendung als Expatriate vonseiten der Firma (1), ein Praktikum (1), ein Aufenthalt mithilfe des Working-Holiday-Visums (1) und ein mehrjähriger Aufenthalt aufgrund der Versetzung des Ehemannes ins Ausland (1). Gut die Hälfte dieser Personen (n = 14; 58,3 %) hielt sich länger als drei Monate und bis zu mehreren Jahren in Deutschland auf. Gerade die Personen, die an einem Austausch im Rahmen des Studiums teilnahmen, und insbesondere auch die vier Personen, die ein Studium in Deutschland absolvierten, hatten somit vor dem Entschluss, dauerhaft nach Deutschland auszuwandern, die Möglichkeit, sich mit dem deutschen Alltag, den Gebräuchen und Werten des Landes vertraut zu machen (vgl. Abschnitt 2.1.1). Die Auswertung der Gründe für die Migration nach Deutschland bezieht sich auf die zuletzt getätigte Migrationsbewegung. Sollten die befragten Personen nach ihrem Studium wieder nach Japan zurückgekehrt sein und erst zu einem späteren Zeitpunkt den Entschluss gefasst haben, nach Deutschland auszuwandern, wird der Grund für die Auswanderung zum späteren Zeitpunkt betrachtet.

Aus Tabelle 5.1 geht hervor, dass die Gründe für die Migration nach Deutschland unter den permanent Ansässigen vielfältig sind. Von den 39 befragten Personen gab die Mehrheit (n = 14; 35,9 %) an, aufgrund von Lifestyle-Faktoren ausgewandert zu sein. Damit setzt sich die Kategorie „Lifestyle-Faktoren“ aufgrund ihrer Häufigkeit von den fünf übrigen Kategorien ab. Die nachfolgenden Kategorien liegen dicht beieinander. Am zweithäufigsten wurden Auswanderungsgründe genannt, die in die Kategorie „Arbeit“ fallen (n = 7; 17,9 %). Es folgen die Kategorien „Studium“ mit 6 Personen (15,4 %), „Heirat“ mit 5 Personen (12,8 %), „Liebe/Beziehung“ mit 4 Personen (10,3 %) und „Arbeit einer/eines Angehörigen“ mit 3 Personen (7,7 %).

Tabelle 5.1 Gründe zur Auswanderung unter den Befragten

Innerhalb der Kategorie „Lifestyle-Faktoren“ kristallisieren sich mit Japan schwer zu vereinbarende Lebensvorstellungen sowie Lebenseinstellungen der befragten Personen als häufig genannter Grund heraus. In Anlehnung an die in Abschnitt 2.1.2 genannten Lifestyle-Faktoren nennt IP 7 die Ablehnung des japanischen Schulsystems für ihre Kinder als Grund, nach Deutschland zu kommen. IP 7 sagt zunächst, dass der „direkte Grund“ (IP 7, Z. 29), weshalb sie nach Deutschland gekommen ist, darin liege, dass ihr Mann Deutscher sei. Anschließend erzählt sie aber, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann ungefähr zehn Jahre in Japan gelebt habe, sie dort geheiratet und eine Familie gegründet hätten. Sie führt fort, dass sie vor ihrer Heirat Lehrerin gewesen sei und daher die japanische Schulerziehung gut kenne und sie für ihre Kinder ablehne. Sie schlussfolgert: „Das war der größte Grund, [weshalb] wir nach Deutschland auswander[te]n“ (IP 7, Z. 38–39). IP 26 arbeitete in Japan im Journalismus. Sie berichtet von der Diskriminierung der Frauen zur damaligen Zeit in Japan allgemein und in der Branche im Besonderen (IP 26, Z. 55–120), weshalb sie sich entschlossen habe, nach Deutschland zu gehen und dort im Medienbereich zu arbeiten. Sie bezeichnet ihre Auswanderung nach Deutschland als „Flucht“ (IP 26, Z. 596) aus Japan und sagt: „[I]n einem Land, in dem wie in Japan Frauen diskriminiert werden, arbeite ich nicht“ (IP 26, Z. 368). Auf die Diskriminierung von Frauen gehen auch IP 17 und IP 23 in ihren Erzählungen ein, indem sie von den an japanische Frauen gerichtete Rollenerwartungen und dem Druck vonseiten der Gesellschaft berichten. Dies habe bei ihnen dazu geführt, dass sie es bevorzugen in Deutschland zu leben. IP 23 führt ein Leben als Künstlerin. Sie studierte zunächst in Österreich und kam anschließend in eine kleinere Stadt nach Deutschland. Dort heiratete sie und bekam ein Kind. Da die Stadt wenige Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung bot, zog sie in die Hauptstadt, wo sie jemanden kennenlernte. Mit ihm zog sie nach Italien, wo sie einige Jahre lebte und arbeitete. Nach der Trennung von dieser Person kam sie wieder nach Deutschland, wo sie seitdem lebt. Sie berichtet, dass sich ihre Familie für sie schäme, da sie alleinerziehend ist. Sie begründet dies damit, dass die Kansai-Region traditioneller und konservativer sei als Tokyo und sich eine Frau entsprechend ihres Standes auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten habe (IP 23, Z. 129–140; vgl. auch IP 23, Z. 172–185):

Es gibt so viele ungeschriebene Gesetze, die ohne Diskussion, ohne Proteste einfach gehalten werden müssen. Eine Konvention, die man nie brechen kann. Das hat mich sehr gestört. (IP 23, Z. 138–143)

Bei Besuchen in ihrer Heimat kam sie aus diesem Grund zu folgendem Entschluss: „[I]ch schaue von der Terrasse meiner Eltern. So wunderschön. Das Haus ist schön. Die Gegend ist auch schön. Alles super. Aber ich sagte mir, das ist nicht das Land, wo ich leben möchte“ (IP 23, Z. 147–151). Aus ihrer Erzählung geht hervor, dass ihre Entscheidung, vor diesem Hintergrund in Deutschland zu leben, maßgeblich durch die Erfahrung mit dem deutschen Sozialsystem geprägt sei. Dieses habe sie bereits als Alleinerziehende in ihrer Zeit in der Hauptstadt nach der Trennung von ihrem Mann in Anspruch genommen. Neben der Unterstützung für Alleinerziehende biete ihr als Künstlerin Deutschland die Möglichkeit, sich über die Künstlersozialkasse abzusichern. Sie verweist darauf, dass sie in ihrer Jugend wie viele andere Kunstschaffende keinen Gedanken an eine Absicherung im Alter verschwendet und in den Tag hineingelebt habe. Nun biete ihr die Künstlersozialkasse die Möglichkeit, ihre Rente aufzubessern (IP 23, Z. 224–243).

IP 17 verbrachte als Kind aufgrund der Arbeit ihres Vaters einige Jahre in Deutschland. Sie ist der Meinung, dass Frauen in Deutschland mehr erreichen können als in Japan und die gesellschaftliche Anerkennung von Frauen in Deutschland größer sei als in Japan (IP 17, Z. 91–96). Sie führt dies zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Interview wie folgt aus:

[W]enn man in japanischen Organisationen arbeitet und als junge Frau anfängt, dann sind sie [die jungen Frauen: Anm. d. Verf.] ja ganz unten in der Hierarchie. Und noch niedriger als ein männlicher Anfänger. Das heißt, du bist als Frau dafür zuständig, wenn man Firmenessen oder sowas hat, allen das Getränk einzugießen, immer aufmerksam zu sein, dass jeder irgendwas hat […]. [E]gal, wer der Gastgeber ist, als jüngste Frau haste immer zu rennen und das ist so ein ungeschriebenes Gesetz und des [Dialekt: Anm. d. Verf.] war während des Studiums genauso und ich hatte das ja so ein bisschen verinnerlicht gehabt und fand das zwar nicht so schön, aber irgendwie habe ich es mitgemacht. Und das finde ich in Deutschland nicht so. (IP 17, Z. 186–199)

Sie räumt allerdings ein, dass es auch in Deutschland Hierarchien gebe, diese aber nicht vom Geschlecht, sondern von der beruflichen Position abhängig seien (IP 17, Z. 186–215). Sie kommt zu dem Schluss, „wenn man die Arbeitsbedingungen und Lebensbedingungen miteinander vergleicht, dann ist es hier [in Deutschland: Anm. d. Verf.] auf jeden Fall besser“ (Z. 121–123).

Ein weiterer klassischer Lifestyle-Faktor bei der Migrationsentscheidung zeigt sich im Interview mit IP 29, der die bessere Work-Life-Balance schätzt. Auf seinen Reisen nach Deutschland, die er gemeinsam mit seiner Frau tätigte, konnte er sich mit dem Leben in Deutschland vertraut machen. IP 29 gibt an, Interesse an klassischer Musik zu haben, und erzählt Folgendes:

Da wir dieses Hobby haben, haben wir ein bisschen Interesse an Europa, besonders an dem deutschsprachigen Raum. […] [N]un, mit der Einstellung, dass wir zumindest ein Mal Deutschland gesehen haben wollten, sind wir nach Deutschland gereist. [A]ls wir reisten, fanden wir es ziemlich interessant. [W]ir entschieden, ungefähr ein Mal im Jahr oder, wenn das nicht möglich ist, dann ungefähr alle zwei Jahre ein Mal [nach Deutschland] zu reisen. (IP 29, Z. 16–30; Übers. d. Verf.)

Im Rahmen ihrer zweiten Reise nach Deutschland besuchten sie einen Studienfreund, der sich als Expatriate in Deutschland aufhielt: „Von da an begannen wir zu denken, dass wir nicht nur dorthin reisen, sondern auch hier leben möchten“ (IP 29, Z. 38–40; Übers. d. Verf.). Wieder in Japan bemüht er sich um eine Auslandsstelle und erhielt diese zunächst für fünf Jahre. Die Work-Life-Balance sieht er als „ausschlaggebenden Grund“ (IP 29, Z. 671) dafür an, dass er diese Position so lange wie möglich beibehalten wollte und auch nach Auslaufen der Position nach elf Jahren sogar eine zweijährige Trennung von seiner Familie auf sich nahm, um in Deutschland bleiben zu können: „Abgesehen von dieser Balance war es so, dass mir das Arbeitsumfeld und auch tatsächlich das Umfeld, in dem ich meine Freizeit verbrachte, gefiel“ (IP 29, Z. 671–674). Bereits zuvor führte er im Gespräch aus:

Die normale Firmenkultur in Japan ist für mich etwas streng […]. Es ist selbstverständlich, dass man für die Arbeit sein Privatleben opfert. Urlaub hat man zum Beispiel zwei Tage lang, im Jahr hat man zwar vier Wochen, aber es ist normal, dass man nicht alles benutzen kann. Zwei Wochen am Stück Urlaub zu nehmen, ist ungewöhnlich. […] (I)n stressigen Zeiten bei der Arbeit ist es selbstverständlich samstags und sonntags zu arbeiten. Wenn man dann Privattermine hat, muss man auf diese verzichten. (IP 29, Z. 186–197)

IP 9 studierte in Japan Germanistik und sagt, dass sie „eigentlich immer in Deutschland leben“ (IP 9, Z. 7–8) wollte. Ihr Handeln zeigt, dass dies ein inniger Wunsch ist. Während des Studiums bot sich aus finanziellen und privaten Gründen keine Gelegenheit, nach Deutschland zu gehen. Erschwerend kam hinzu, dass ihre Eltern dieser Entscheidung ablehnend gegenüberstanden, ihre Mutter war „total dagegen“ (IP 9, Z. 25–26). So begann sie, nach dem Studium in Japan zu arbeiten, um über fünf Jahre hinweg Geld für einen Deutschlandaufenthalt anzusparen (IP 9, Z. 8–11). Sie sparte nicht nur auf die Erfüllung dieses Wunsches hin, sondern richtete ihr Leben danach aus und verfolgte den Gedanken über Jahre hinweg. Schließlich riskierte sie auch einen Bruch mit der Familie und setzte diese vor vollendete Tatsachen, indem sie das Visum beantragte, ihr Flugticket buchte und an ihrem Arbeitsplatz die Kündigung einreichte (IP 9, Z. 60–67). Im Ganzen legte sie im Interview die Betonung darauf, dass sie immer in Deutschland leben wollte, weshalb ihre Aussage zur Kategorie „Lifestyle“ gezählt werden kann. Im Verlauf ihrer Erzählung findet sich eine romantisierte Vorstellung von Deutschland, die durch den Aufenthalt in Mainz bekräftigt wurde. Ein romantisiertes Bild, wie es IP 9 von Deutschland hat, wird als imagined West bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.1.2).

Auch aus dem Interview mit IP 13 gehen Lifestyle-Gründe hervor. Sie hegt ein Interesse an Sprachen und wollte eine dritte Sprache lernen. Die Arbeit als Lehrerin empfand sie als belastend und entschied sich daher, ein Jahr Pause zu machen und ihren Wunsch zu verfolgen. Nachdem sie nun in ihrem Beruf längere Zeit gelehrt hatte, wollte sie die Perspektive wechseln und wieder eine Schülerin sein. Das Working-Holiday-Visum kam ihr dabei gelegen, da es ihr die Möglichkeit bot, während des Aufenthalts finanziell versorgt zu sein. Da dieses allerdings nur bis zum Alter von dreißig Jahren beantragt werden kann, musste sie schnell handeln (IP 13, Z. 135–148). Dies sei für sie ein „Abenteuer“ (IP 13, Z. 149) gewesen. Hinzu kommt, wie sie erzählt, dass Frauen in Japan mit dreißig Jahren bereits verheiratet sein sollten. Mit 27 oder 28 Jahren näherte sie sich bereits dieser Altersgrenze, doch hatte sie keinen Heiratskandidaten in Aussicht, sodass sie ihr Leben nach einer Pause neu ordnen wollte (IP 13, Z. 149–157). Als Grund dafür, dass sie sich entschieden hat, nach Deutschland zu kommen, sagt sie Folgendes:

[W]arum München? Ja, weil ich dachte, München ist schön, also natürlich Oktoberfest. [Das] [m]öchte ich ein Mal [erleben] und ja gutes Bier dazu […] und München liegt in Süddeutschland. [W]enn ich möchte, kann ich [dann] vielleicht nach Ös[ter]reich oder nach Italien reisen. [Das] habe ich gedacht und eigentlich habe [ich] nicht erwartet, dass ich hier [viel] arbeite. Also [obwohl] ich [das] Arbeitsholidayvisum hatte. (IP 13, Z. 8–18)

Ähnlich geht es IP 14. Sie war von einem japanischen Freund kontaktiert worden, der ein japanisches Café in Deutschland eröffnete und sie als Arbeitskraft anwarb. Sie berichtet, dass sie es als Gelegenheit für einen Neuanfang wahrnahm. Sie sei noch jung und ungebunden und zehn Jahre später sei es nicht mehr so leicht, ins Ausland zu gehen (IP 14, Z. 27–34). IP 25 geht in ihrem Interview auf Ähnliches ein und sagt Folgendes:

Am Anfang war es so, als ich noch keine Kinder hatte, noch nicht verheiratet war, als ich da alleine gekommen bin, hatte ich die Entscheidung alleine getroffen, nach Deutschland zu kommen. Das war als Studentin. Einfach so, wenn man etwas studiert als Hauptfach, in diesem Fall war das bei mir die deutsche Sprache […], dann muss man das wirklich gut können. Und das war der Ausgangpunkt. Ich hatte davor in Japan ein Jugendstudium gemacht. Ich hatte Klavier studiert. Also kein richtiges Studium in der Musikhochschule, sondern davor so ein Jugendstudium. Es gab an der Musikhochschule so einen Lehrgangsstudiengang. Wenn man Musikinstrumente studiert, wenn man Klavier studiert, dann muss man nach dem Abschluss ein Pianist oder eine Pianistin [sein], dann ist man Profi. Und wenn man Deutsch studiert hat, dann muss man da auch Profi sein, dachte ich ganz einfach. Und vier Jahre Bachelor in Tokyo reicht nicht aus. Dachte ich. Mindestens ein Jahr muss ich in Deutschland studieren. Und das habe ich gemacht und nach vier Jahren dachte ich: ‚Ne, das reicht immer noch nicht, um mich als Profi zu bezeichnen. Da muss ich weitermachen. Und wie mache ich das am besten? Am besten wäre, dass ich das vor Ort mache.‘ Also dann arbeite ich noch in Deutschland. Zumindest für ein paar Jahre. Und irgendwann habe ich gemerkt, auf der Arbeit lernt man doch nicht so viel, vielleicht das, was für die Arbeit wichtig ist oder was in direktem Zusammenhang mit der Arbeit steht, […] aber nicht, dass man dadurch irgendwie [seine] Kenntniss[e] erweitert oder irgendwas dazu lernt, sondern das ist jeden Tag dasselbe auf der Arbeit. Und da wollte ich unbedingt studieren. Und das habe ich gemacht. Also das war so ein langer Weg, wo ich immer gedacht habe, was ich studiere, also das muss dann mein Beruf werden und dann muss man in der Lage sein, damit zu arbeiten. (Z. 439–476)

IP 28 ging zu einem Zeitpunkt nach Deutschland, zu dem sich Japan in einer wirtschaftlichen Rezession befand. Die Konjunktur in Japan war schlecht und darunter litt seine berufliche Perspektive, weshalb IP 28 die Gelegenheit nutzte, etwas Neues zu erfahren und sich in Deutschland weiterzubilden. Sein Aufenthalt in Deutschland war ursprünglich für ein Jahr geplant, in dem er die Sprachschule besuchen und Deutsch lernen wollte. In diesem Jahr erhielt er aber ein Arbeitsangebot und blieb in Deutschland, da er hier seinem Hobby, dem Besichtigen von europäischen Burgen und Schlössern nachgehen und die japanische Populärkultur bekannt machen kann.

Außerdem gibt es unter den Interviewten Personen, die sich als Weltenbummler charakterisieren lassen und eine Migration nach Deutschland gar nicht geplant hatten. Zu diesen gehören IP 24 und IP 31. IP 24 hatte in Japan Sport studiert und war anschließend als Entwicklungshelferin nach Indien gegangen. Nach ihrem Aufenthalt in Indien ging sie als Au-pair nach London und kam dann per Anhalter nach Berlin, wo sie eine japanische Freundin besuchte, die einen Deutschen geheiratet hatte. In Berlin lernte sie ihren zukünftigen und jetzigen Ehemann kennen. Auf die Frage, ob die Heirat mit ihrem Mann ausschlaggebend für ihren Aufenthalt in Deutschland gewesen sei, antwortet sie aber:

Ne, nein, nein, nein, nein. Ja, letzten Endes ist vielleicht [so]. Gut, ich wollte als Kind unbedingt [ins] Ausland. Nicht als Tourist, sondern für längeren Zeit, zu[m] [L]eben. Egal wo. Da kam die Möglichkeit, nach Indien zu gehen. Als Entwicklungshelfer kostet [es] nichts oder ich bekomme Geld dafür. Und [da] war ich ganz glücklich. Und ja, ich musste nicht unbedingt in Japan leben. Für mich [ist es] völlig egal, wo ich lebe. (IP 24, Z. 29–38)

IP 31 erzählt, dass er zuvor in den USA war und dann per Schiff nach Deutschland kam. Auf die vertiefende Frage, weshalb er zuvor in den USA war, entfaltet sich eine Geschichte, die ihn als Weltenbummler charakterisiert. Als ihm mitgeteilt wurde, dass er ein Zwölffingerdarmgeschwür habe und ihm die Wahl zwischen einer Operation oder einer Auszeit bleibe, entschied er sich nach Hawaii zu gehen und sich dort zu erholen, denn „wenn dein Körper ein Messer bekommt, wirst du ganz schwach“ (IP 31, Z. 53–54). Nach ein paar Stationen in den USA und der Ankunft in New York, wo er nur Hochhäuser und keinen Himmel sah und feststellte, dass er dort nicht leben wollte, reiste er an Bord eines Frachters nach Antwerpen und schließlich nach Hamburg, wo er seitdem lebt (IP 31, Z. 131–134).

IP 34 gibt an, dass er grundsätzlich den Wunsch hatte, im Ausland zu leben, und dann zufällig nach Deutschland gekommen ist:

Das ist wirklich zufällig. Irgendwie zufällig. Zuerst war es so, ‚ich möchte im Ausland leben‘, und habe mich auf verschiedene Stellen beworben. Unter anderem Italien, Spanien, Slowenien, Deutschland. Japanische Restaurants betreffend. Weil zufällig von einem deutschen Restaurant als Erstes eine Rückmeldung kam, ging ich dorthin. Das ist der Anlass. (IP 34, Z. 8–16; Übers. d. Verf.)

Nach einer Reise, um ihre langjährige Brieffreundin zu treffen und ihren Alltag sowie ihr Umfeld kennenzulernen, entschloss sich IP 32 Geld zu sparen und noch einmal nach Deutschland zurückzukehren, um die Kultur besser kennenzulernen sowie ihr Wissen über das Land zu vertiefen (IP 32, Z. 34–37). „Damals war ich noch jung und dann habe ich gedacht: ‚Ach, das muss ja gehen‘“ (IP 32, Z. 60–61).

Nach Lifestyle-Faktoren gehen am zweithäufigsten Entscheidungen bezüglich der Arbeit bzw. die Annahme einer beruflichen Tätigkeit in Deutschland als Auswanderungsgrund aus den Interviews hervor. IP 2 gibt an, dass sie Japanischlehrerin werden wollte, und zwar den Gedanken gehegt habe, im Ausland zu leben, diesen allerdings nicht unbedingt verwirklichen wollte (IP 2, Z. 6–14). Um Japanischlehrerin zu werden, absolvierte sie ein Masterstudium und erhielt bereits einige Arbeits-„Aufträge“ (IP 2, Z. 18). Während dieser Zeit dachte sie darüber nach, sich zu bewerben, falls eine Vollzeitstelle frei werden würde (IP 2, Z. 18–20): „Also das war mein ursprünglicher Plan, aber als ich im letzten Jahr war und meine Masterarbeit schrieb, gab es das Einstellungsangebot. Der (Universitätsname). Also als Japanischlehrerin“ (IP 2, Z. 21–24; Übers. d. Verf.). Auf Anraten ihres Lehrers bewarb sie sich und kommt zu dem Ergebnis: „Nun weil ich angestellt wurde, […] bin ich nach Deutschland gekommen. Ja. Weil ich diesen Job erhalten habe, bin ich gekommen“ (IP 2, Z. 31–32; Übers. d. Verf.). IP 3 (Z. 3–4) geht dem Beruf der Sängerin nach und hatte vor ihrem Deutschlandaufenthalt bereits einige Jahre in Spanien gelebt. Sie schätzt zwar das kulturelle Niveau Spaniens sehr, ergänzt aber, dass „es […] keine entsprechende Arbeit [gab]“ (IP 3, Z. 11–12; Übers. d. Verf.). Freunde empfahlen ihr daher, nach Deutschland zu gehen. Sie selbst sagt: „Deutschland war zu dieser Zeit noch ziemlich nett zu Künstlern. Daher kam mir der Gedanke, dass ich hier etwas arbeiten möchte. Deshalb habe ich am Anfang das Künstlervisum bekommen und bin hergekommen“ (IP 3, Z. 12–15; Übers. d. Verf.). IP 4 kam als Expatriate nach Deutschland. Nach verschiedenen mehrjährigen Auslandsaufenthalten als Expatriate in Deutschland und dem europäischen Ausland kündigte er seine Arbeit und kehrte nach Deutschland zurück, um im Consultingbereich tätig zu sein (IP 4, Z. 40–43). Mit der Arbeit bei dem Beratungsunternehmen war er nicht zufrieden und machte sich daher mit einer Import-Export-Firma selbstständig (IP 4, Z. 59–71).

IP 12 gelangte ebenfalls durch die Arbeit nach Deutschland. Sie hatte zuvor in Japan Germanistik studiert. Mit dem Mauerfall und den hohen wirtschaftlichen Investitionen japanischer Firmen in Deutschland entstanden ein hohes Arbeitsangebot und eine Nachfrage nach ihren Qualifikationen: „[Sie] [h]aben eine Person gesucht, [die] japanische [Muttersprachlerin ist], aber Deutsch und Englisch [kann] und auch [ein] bisschen Accounting, Rechnungswesen […]. Damals gab es nicht so viele. Und ich war eigentlich die Richtige“ (IP 12, Z. 85–89). IP 19 gelangte zunächst auf Einladung einer befreundeten Familie nach Deutschland, ging, während er bei der Gastfamilie lebte, zur Sprachschule und entschied sich später, ein weiteres Mal in Deutschland zu studieren. Im Anschluss an das Studium kehrte er zunächst nach Japan zurück. Da er dort nicht die versprochene Arbeit erhielt, ging er nach Deutschland zurück, um sich vor Ort zu bewerben. Nachdem seine Bewerbung schlussendlich nicht zum gewünschten Erfolg führte, bewarb er sich für den diplomatischen Dienst. IP 33 hatte zuvor in den USA studiert und ist dort auch in den Beruf eingestiegen. Er bezeichnet sich selbst als „nicht normale[n] Japaner“ (IP 33, Z. 26–27), da er nach der Schule in Japan nicht die übliche Karriere in einer japanischen Firma und deren Stammhaus eingeschlagen hatte (IP 33, Z. 27–28). Stattdessen ist er von den USA aus nach Deutschland gekommen, um den Firmensitz in Deutschland aufzubauen (IP 33, Z. 30–31). IP 35 ist von einem japanischen Freund, der bereits in Deutschland arbeitete, gefragt worden, ob er nicht auch in Deutschland arbeiten wolle, und setzte dies dann um (IP 35, Z. 2–6; Übers. d. Verf.).

Auf den Migrationsgrund „Arbeit“ folgt mit 15,4 % bzw. 6 Personen die Entscheidung zur Auswanderung zum Zwecke des Studiums. IP 1 hatte den Wunsch, Professorin in Japan zu werden, studierte Germanistik und kam für einen Forschungsaufenthalt an eine Partneruniversität nach Deutschland. IP 8 kam aufgrund ihres Geschichtsstudiums und IP 21 zum Fortsetzen seines Psychologiestudiums. Als Gründe, die für die Wahl des Studienortes Deutschland sprachen, nennt er, dass im Gegensatz zu den USA keine Studiengebühren gezahlt werden mussten und dass sein betreuender Professor an der deutschen Psychoanalyse interessiert gewesen sei. IP 27 beschloss in Deutschland mit einem weiteren Studiengang ihre Deutschkenntnisse zu vertiefen und ihre Dolmetscherfähigkeiten auszubauen: „[U]nd das war der einzige deutsch-japanisch[e] Dolmetsch[er]studiengang überhaupt und da habe ich zwei Jahre in (deutsche Stadt) studiert, und jetzt bin ich in (deutsche Stadt). Also, das war so der Grund, warum ich nach Deutschland gegangen bin“ (IP 27, Z. 15–19). IP 36 hatte eine bestimmte Vorstellung davon, was sie studieren wollte. Einen entsprechenden Studiengang konnte sie in Japan nicht finden, dieser wurde aber in England, den USA und in Deutschland angeboten. Aufgrund ihres Interesses an klassischer Musik und der damit verbundenen Assoziation mit Deutschland entschied sie sich, ihr Studium der Musiktherapie in Deutschland zu verfolgen. IP 39 ist zum Musikstudium nach Deutschland gekommen.

Neben der Migration zu Arbeits- oder Studienzwecken findet zu einem etwas geringeren Maße auch Migration statt, die mit sozialen Gesichtspunkten verknüpft ist und an zwischenmenschliche Beziehungen gebunden ist. 12,8 % der befragten Personen (n = 5) gaben an, aufgrund der Heirat ausgewandert zu sein. Dies sind IP 6, IP 10, IP 11, IP 18 und IP 22. IP 6 (Z. 59–66) sagt diesbezüglich:

Ja, das war, [weil] mein Mann, mich gefragt [hat], ob ich heiraten werde, ne? Und dann habe[n] wir uns entschieden zu heiraten. Das war der Grund, ne? Nicht unbedingt nach Deutschland zu kommen, sondern [eher] mein[en] Mann habe ich kennengelernt und diese[n] Mann heirate ich und er war zufällig Deutscher und deswegen bin ich hergekommen, ja.

Das Interviewzitat veranschaulicht treffend eine klassische Aussage zum Migrationsgrund „Heirat“.

IP 22 machte sich den einjährigen Aufenthalt zunutze, der von einem Working-Holiday-Visum ermöglicht wird. Sie setzt das Visum ein, um zu erproben, ob sie sich ein Leben vor Ort vorstellen kann, um anschließend nach einem halben Jahr mit ihrem Ehemann in Deutschland zusammenzuleben (IP 22, Z. 8–14).

IP 18 konnte die strukturellen/institutionellen Möglichkeiten des Working-Holiday-Visums noch nicht nutzen, denn ein Abkommen zwischen Japan und Deutschland zum Zwecke des Working-Holiday-Austausches gab es im Jahre 1988 noch nicht. IP 18 erzählt, dass sie und ihr Mann sich in Japan kennengelernt hatten, wo er sich aufgrund seiner Arbeit aufhielt (Z. 69–70), sie per Brief in Kontakt bleiben und sich, nachdem er zwei Mal zu Besuch nach Japan zurückgekehrt war, verlobten (Z. 93–100): „[D]amals wussten wir vom Gefühl her, dass wir für immer zusammenbleiben möchten. Aber ob das wirklich hält, das wussten wir ja nicht. Deshalb haben wir dann besprochen, so lange es geht, bleiben wir als Verlobte. Erstmal. So haben wir geschrieben“ (IP 18, Z. 181–186). So kam sie 1988 mit der Absicht nach Deutschland ihren Mann zu heiraten. Überrascht wurden beide von der Tatsache, dass sie aufgrund der amtlichen Vorgaben nur drei Monate als Touristin in Deutschland bleiben konnte:

Und wenn Sie länger bleiben möchten, heiraten möchten, dann heiraten Sie. Dann sind Sie Hausfrau. […] Ja, wir dachten so, zwei Jahre ungefähr? So eine Vorstellung [hatten wir]. Aber das ist dann gekürzt für drei Monate. Und dann ja, da[nn] heiraten wir. Dann haben wir das ganz schnell vorbereitet. Und geheiratet. (IP 18, Z. 217–219; 221–225)

Neben diesen Angaben lassen sich auch Migrationsgründe ausmachen, die sich nicht den zuvor gebildeten Kategorien zuordnen lassen. In Verbindung mit der Kategorie „Heirat“ steht dabei die Kategorie „Liebe/Beziehung“. Personen, deren Motive diesbezüglich eingeordnet wurden, gaben an, dass sie aufgrund ihrer Beziehung oder aus Liebe nach Deutschland auswanderten. Auf die Auswanderung folgte aber keine Heirat, sondern das Fortsetzen der Beziehung in der bestehenden Form. Dieser Kategorie lassen sich IP 15 und IP 20 eindeutig zuordnen. IP 15 lernte während ihres Sprachstudiums ihren jetzigen Exfreund kennen. Dieser fragte sie schließlich, da er Arbeit in Deutschland gefunden hatte, ob sie mitkommen würde. Da die „Liebe so groß“ (IP 15, Z. 51) war, entschied sie sich, mitzugehen (IP 15, Z. 56–62).

Auch bei IP 20 (Z. 38) war der Grund, nach Deutschland zu kommen, der Exfreund. Sie hatte zuvor japanische Literatur studiert und sich während des Studiums entschieden, ein Jahr Pause zu machen und die deutsche Sprache an einem Institut in Deutschland zu erlernen. Während dieser Zeit lernte sie ihren damaligen Freund kennen. Sie kehrte zum Abschluss ihres Studiums nach Japan zurück und begann, wie in Japan üblich, direkt zu arbeiten: „Und da habe ich dann gearbeitet, um Geld zu sparen“ (IP 20, Z. 32). Nach anderthalb Jahren kehrte sie dann nach Deutschland zurück, um mit ihrem damaligen Freund zusammen zu sein. Die Enttäuschung über ihre Trennung wenige Monate nach ihrer Ankunft nutzte sie als Ansporn zum Deutschlernen und bestand innerhalb eines Jahres die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) (IP 20, Z. 63–64).

IP 16 nennt zwar Heirat als Grund, hatte ihren Mann aber bereits in Japan geehelicht. Aus ihrem Interview geht hervor, dass sie nach Deutschland gingen, weil ihr Mann bereits drei Jahre in Japan verbracht hatte, sein Arbeitsvertrag auslief und er nach Deutschland zurückkehren wollte. Die Migration fand daher nicht zum Zwecke der Heirat statt, stattdessen folgte ihm IP 16, um die Beziehung in Deutschland fortzusetzen. Auch IP 5 folgt ihrem Ehemann nach Deutschland. Für das gemeinsame Leben gab sie sogar ihre Arbeit auf.

IP 30 sagt ganz klar, „der Anlass war die Arbeit meines Mannes“ (IP 30, Z. 3–4; Übers. d. Verf.) und IP 37 erzählt, dass ihr Mann einem Beruf nachgeht, der in Japan nicht ausgeübt wird, daher war es für ihn notwendig, in sein Heimatland Deutschland zurückzukehren, um dieser Tätigkeit nachgehen zu können. IP 38 gelangte durch die Arbeit ihres Mannes nach Deutschland. Diese bedingte für sie auch weitere internationale Umzüge. Sie kehrten allerdings nach einiger Zeit wieder nach Deutschland zurück und nach ihrer Trennung entschied sie sich, in Deutschland zu bleiben.

Die hier analysierten Gründe für eine Migration zeigen, dass zusätzlich zu den bereits bestehenden Kategorien „Heirat“, „Arbeit“, „Studium“ und „Lifestyle“, die Kategorien „Liebe/Beziehung“ und „Arbeit einer/eines Angehörigen“ gebildet werden können.

5.2 Bezug auf die Migrationstheorien

Nachdem im vorherigen Kapitel die Gründe für die Auswanderung dargelegt wurden, wird in diesem Kapitel Bezug auf die in Abschnitt 2.1.2 erläuterten Migrationstheorien genommen.

Im vorherigen Kapitel wurde bereits dargelegt, dass einer der Gründe zur Migration die Unzufriedenheit mit dem Lebenstil in Japan war. Sogenannte Lifestyle-Migrantinnen und -Migranten wurden insbesondere von Benson und O’Reilly in ihren Studien zu britischen Personen in Frankreich und Spanien untersucht, aber auch von Nagatomo, der die japanische Migration nach Australien vor dem Hintergrund der Lifestyle-Migration betrachtet. In dieser Studie fungierten die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz, Rollenerwartungen, gesellschaftlicher Druck und ein strenges Arbeitsklima als Push- und das Versprechen auf eine bessere Work-Life-Balance sowie bessere Entfaltungsmöglichkeiten als Individuum und am Arbeitsplatz als Pull-Faktoren. Des Weiteren fungierte die wirtschaftliche Rezession in Japan als Push-Faktor und der Aufenthalt einer geliebten Person in Deutschland als Pull-Faktor. In der Einleitung wurde bereits die Hypothese aufgestellt, dass Japanerinnen und Japaner nicht aufgrund lebensbedrohlicher Umstände und somit erzwungen auswandern. Hinsichtlich des Aspekts der Wanderungsentscheidung kommt es auf die Auslegung der Begriffe „freiwillig“ und „erzwungen“ an. Eine Auswanderung aus Gründen der persönlichen Sicherheit, wie im Falle eines Kriegszustandes, konnte nicht festgestellt werden, jedoch zählt auch die sogenannte Umweltmigration zu einer Form der erzwungenen Migration. IP 24 ging im Rahmen ihres Interviews darauf ein, dass es Japanerinnen und Japaner gäbe, die sich seit der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 in Japan nicht mehr sicher fühlten und sich daher entschlössen, auszuwandern, um ihre Gesundheit zu sichern (Z. 744–748). Die Wanderung solcher Personen könnte zur Umweltmigration (vgl. Düvell 2006) zählen, war aber in der Stichprobe nicht vertreten. Fünf Personen gaben an, dass sie nach der Dreifachkatastrophe von Fukushima im März 2011 nach Deutschland kamen, gehen aber nicht darauf ein, ob dies der Grund für ihre Auswanderung war. Tatsächlich erwähnt von diesen nur IP 34 die Katastrophe, und dies nur zur Berechnung seiner Aufenthaltsdauer. IP 39 geht auf das Unglück insofern ein, als er einige Tage zuvor nach Deutschland gelangt war, und nutzt dieses Ereignis somit ebenfalls als Referenzpunkt für seinen Aufenthaltsbeginn. Vier weitere Personen (IP 7, IP 19, IP 24, IP 29), die aber zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland lebten, verweisen auf den Vorfall. IP 19 (Z. 1093–1097) berichtet im Zusammenhang mit japanischen Kunstschaffenden, die in Berlin ansässig sind, dass er zugunsten der Dreifachkatastrophe Wohltätigkeitsveranstaltungen organisierte. Diese japanischen Künstlerinnen und Künstler können als sogenannte bunka imin, wie Fujita (2008b: 23) sie nennt (vgl. Abschnitt 2.1.2), angesehen werden, also als Personen, die aus kulturellen Gründen auswandern. Solche bunka imin befanden sich zwar nicht unter den befragten Personen, doch geht IP 19 in seinem Interview auf die Entwicklung der Kunstszene in Berlin und die steigende Anzahl an japanischen Kunstschaffenden „nach der Wende“ (IP 19, Z. 1087–1103) ein. Auf die Frage, worauf die Zunahme der Anzahl an japanischen Kunstschaffenden in Berlin zurückzuführen sein könnte, antwortet er, dass junge Kunstschaffende in Berlin geringere Lebenshaltungskosten hätten als in den großen Kunstmetropolen London, New York und Paris (IP 19, Z. 1114–1131). Auch IP 25 berichtet, dass es in Berlin sehr viele japanische Künstler gebe, sich die japanische community im Gegensatz zu Düsseldorf aber sehr heterogen gestalte (Z. 602–625).

Während das Klima von Migrationsforscherinnen und -forschern als pull-Faktor für Lifestyle-Migrantinnen und -Migranten (vgl. Walmsley, Epps und Duncan 1998) identifiziert wurde und Japanerinnen und Japaner aufgrund des als angenehm empfundenen Klimas nach Australien migrieren (Mizukami 2006: 23), wird das Klima von den japanischen Zugewanderten in Deutschland ambivalent gesehen. IP 1 (Z. 141–149) findet das Klima im Sommer in Deutschland angenehm und bevorzugt es gegenüber dem schwülen japanischen Sommer. Auch IP 10 (Z. 457–464) empfindet das angenehmere Klima als zuträglich für ihre Gesundheit und sie sei deshalb nach Europa gekommen. Andere befragte Personen nehmen das Klima hingegen negativ wahr. Sie klagen über die Kälte und einen langen, dunklen Winter: „Aber mich an dieses Wetter zu gewöhnen, das habe ich nach all den Jahren nicht“ (IP 16, Z. 88; Übers. d. Verf.). Möglicherweise mag die Wahrnehmung des Klimas nach dem Aufenthaltsort der Zugewanderten unterschiedlich sein. So wird in den Erzählungen der Personen aus Berlin und Hamburg von Kälte und Dunkelheit berichtet, während die in Düsseldorf und München lebenden Interviewten das Klima als angenehm empfinden. IP 1 erzählt ebenfalls, dass der Winter in Deutschland „lang“ (IP 1, Z. 152) sei, doch fügt direkt an, dass die Vorfreude auf den Frühling daher groß sei (IP 1, Z. 152–153). Ebenso wird der Alltag unterschiedlich beschrieben. Während manche befragte Personen den Alltag in Tokyo als sehr geschäftig, stressvoll, monoton und heftig beschreiben und den ruhigeren Alltag in Deutschland genießen, nehmen andere Personen diese Umstellung als negativ wahr. Aufgrund der freien Tage entstehe ein Leerlauf, den sie zunächst nicht zu füllen wüssten (vgl. IP 22, Z. 114–139).

Die Lifestyle-Faktoren, welche die Analyse der Interviews offenlegte, stehen in Verbindung mit Hoffmann-Nowotnys „Theorie der strukturellen und anomischen Spannungen“ (1970), der Theorie der Differenz (vgl. Düvell 2006) und der place utility theory bzw. dem Stressanpassungsansatz (vgl. Wolpert 1965; Brown und Moore 1970; Simmons 1986). IP 26 schildert mit ihrem Migrationsverlauf ein gutes Beispiel für einen Fall, der unter die Theorie der strukturellen und anomischen Spannungen fällt. Unter Spannung wird in dieser Theorie das Missverhältnis zwischen dem individuellen Streben und dem gesellschaftlich Möglichen verstanden. Die Personen, die sich in einer solchen Situation befinden und darunter leiden, lösen das Problem, indem sie auswandern, weil sie hoffen, in einem anderen Land die gewünschten Möglichkeiten zur Selbstentfaltung vorzufinden. Aus der Schilderung von IP 26 geht deutlich hervor, dass sie unter der damaligen Diskriminierung am Arbeitsplatz gelitten hatte und sie sich aus diesem Grunde entschied, Japan zu verlassen. Eine ähnliche Situation liegt bei den Erzählpersonen IP 5, IP 17, IP 23 und IP 27 vor, welche die japanischen Rollenerwartungen ablehnen und in Deutschland bessere Möglichkeiten zur beruflichen Verwirklichung sehen. IP 37 (Z. 46), die aufgrund ihrer Heirat nach Deutschland kam, erzählt, dass sie nicht im Ausland leben wollte, meint aber später: „[I]ch denke, es lässt sich hier [in Deutschland/Hamburg: Anm. d. Verf.] wahrscheinlich besser leben als in Japan“ (IP 37, Z. 84). Im Gegensatz dazu erwähnt IP 20 (Z. 352–354), dass es für sie und ihren Mann nicht von großer Bedeutung sei, in Berlin zu leben. Sie könnten sich auch vorstellen, nach Japan oder in das Heimatland ihres Mannes zu gehen (IP 20, Z. 355–356). Ähnlich äußert sich IP 4, der meint, dass es für ihn keine Rolle spiele, wo er arbeite. Aufgrund der hochentwickelten Technologie und insbesondere durch das Internet könne er von überall aus einer Arbeit nachgehen (IP 4, Z. 177–179). Solche Personen werden als „Digitale Nomaden“ (vgl. Makimoto und Manners 1997) bezeichnet.

Darüber hinaus wird nach Düvell (2006: 106–107) Migration häufig von Brüchen in der Biographie, zum Beispiel einer Scheidung, dem Bankrott eines Unternehmens und von Arbeitslosigkeit, ausgelöst. Die Berücksichtigung dieser Theorie bei der Analyse zeigt, dass in 18 der Interviews von Brüchen in der Biographie berichtet wird. Aus vier Erzählungen geht ein Bruch in der Biographie vor der Migration nach Deutschland hervor. IP 1 berichtet, dass sie mit der Arbeitssituation unzufrieden war. Statt zu migrieren, entscheidet sie sich aber dafür, ein weiteres Mal zu studieren und dies trotz hervorragender Karriere- und Erfolgschancen in ihrem vorherigen Beruf (IP 1, Z. 250–254). Bei den drei übrigen Personen führen die Brüche in der Biographie zur Auswanderung. Über die von IP 26 erlebte Diskriminierung am Arbeitsplatz wurde bereits berichtet. Die damit verbundenen Erlebnisse führten zunächst zum Arbeitsplatzwechsel und später zur dauerhaften Migration nach Deutschland. Im Gegensatz dazu verlässt IP 28 das Land aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und IP 31 auf Anraten seines Arztes, um seine Erkrankung auszukurieren. Diese Migrationsbewegungen waren zunächst nur temporär angelegt. Bei zwölf Personen traten erst nach der Migration Brüche in der Biographie auf. Fünf Personen ließen sich scheiden, eine davon sogar zwei Mal. In zwei Fällen trennt sich der Freund nach der Ankunft in Deutschland von der interviewten Person. Eine Person berichtet von zahlreichen Diskriminierungserfahrungen, die sie daran denken lassen, das Land zu verlassen. Durch die allmähliche Verlagerung des Lebensmittelpunkts nach Deutschland fühlt sie sich allerdings schlussendlich im Aufnahmeland verwurzelt. IP 7 erzählt, dass der Zeitpunkt kam, an dem ihr Mann und sie feststellten, dass die Kinder nun erwachsen seien und sie ihre Pflicht an ihnen getan hätten. Sie versprachen sich, immer zu tun, wonach ihnen der Sinn stünde, was dazu führte, dass sie in Deutschland ihrem Beruf und ihrem Engagement nachging und ihr (deutscher) Ehemann nach Japan auswanderte. IP 32 entschied sich im Verlauf ihres ursprünglich temporär angelegten Aufenthalts, einen Deutschen zu heiraten. Dies stieß bei ihrer Familie im Heimatland auf Ablehnung und führte zu einem Bruch, der aber mit der Geburt ihres ersten Kindes wieder überwunden werden konnte. IP 12 erkrankte in Deutschland selbst schwer und IP 14 spricht über die Krankheit ihres Mannes. Keiner dieser zwölf geschilderten Schicksalsschläge führte zu einer Rückkehr in das Heimatland, wie es Düvells Theorie nahelegt. Bei den Personen, die sich scheiden ließen, geht der Grund für ihr Verbleiben in Deutschland aus ihren Interviews hervor, in denen sie berichten, dass sie in Japan als alleinerziehende, geschiedene Person stigmatisiert werden würden. Die Situation von IP 23 wurde diesbezüglich bereits ausführlich in Abschnitt 5.1 geschildert. Bei IP 10 (Z. 505–513) zeigt sich dies an der Schilderung der Situation einer Angehörigen: „[S]ie ist geflüchtet. Aus Japan. Weil sie [sich] getrennt hat und dann [gab es] viel Theater, dann hat sie das Kind genommen und dann [ist sie] zu mir gekommen […]. [W]enn man alleinstehend ist, dann ist es hier wirklich tausendmal besser als in Japan“.

Die Analyse der Interviews zeigt auch, dass die soziale Absicherung der Betroffenen einen wichtigen Aspekt darstellt und Deutschland daher als Aufenthaltsort bevorzugt wird. Dies weist auf die place utility theory hin, bei dem die Zufriedenheit an einem Ort nicht mehr den Erwartungen entspricht und daher ein anderer Ort bevorzugt wird (Brown und Moore 1970: 1). Dies trifft auch in Hinblick auf künstlerisch aktive Personen zu. IP 3 und IP 23 berichten, dass sie in Deutschland günstigere Möglichkeiten vorfinden, die es ihnen erlauben, ihren künstlerischen Tätigkeiten nachzugehen. Dies kann eventuell darauf zurückgeführt werden, dass sie ihre Chancen einer künstlerischen Karriere in Japan als gering einschätzen. Die Berichte von Stigmatisierung geschiedener und alleinstehender Personen in Japan wurden schon im oberen Abschnitt genannt. IP 23 (Z. 129–143) und IP 38 führen dies in der Kansai-Region darauf zurück, dass Osaka traditioneller als Tokyo sei:

Also Osaka ist ja traditionell. Viel traditioneller als Tōkyō. Die Leute sind auch traditioneller. Deshalb fühle ich mich irgendwie so eng da. Die Leute gucken immer so […] und quatschen über [einen]. Ja, es war andererseits interessant. So die Leute von mir aus zu beobachten, aber irgendwie, also ich fühlte mich nicht so wohl. Ja? Deshalb hier fühlte ich mich freier. (IP 38, Z. 100–108)

Nur bei IP 11 führte die Krankheit ihrer Mutter dazu, dass sie sich dazu entschied, ihren Auslandsaufenthalt abzubrechen, nach Japan zurückzukehren und später erneut auszuwandern. Seitdem lebt sie in Deutschland.

Die Analyse der Interviews in Hinblick auf die in Abschnitt 2.1.2 erläuterten Migrationstheorien zeigt überdies, dass die japanischen Zugewanderten über ein hohes Humankapital verfügen. Im Sinne von Sjaastad (1962: 83–85) fließen in die Migrationsentscheidung monetäre, psychische und Opportunitätskosten mit ein. 82,1 % (n = 32) besitzen einen Hochschulabschluss. Unter diesen absolvierten 31 Personen einen Universitätsstudiengang und eine Person eine Fachhochschule. Von diesen 32 Personen hatten sieben Personen ein Germanistikstudium abgeschlossen, zwei Personen Deutsch als Fremdsprache und eine Person Deutsch auf Lehramt studiert. Zwei Personen verfügen über eine Ausbildung als Koch und eine als Konditorin. IP 39 ist nach seinem Schulabschluss zum Musikstudium nach Deutschland gekommen. Er absolvierte hier den Bachelorstudiengang und setzte sein Studium zur Zeit des Interviews mit dem Master fort. IP 6 brach ihr Studium in Japan aufgrund der Migration ab, nahm anschließend in Deutschland ein Studium an der Fachhochschule auf, gab dieses aber aufgrund der ersten Schwangerschaft auf. IP 18 gibt an, dass sie an verschiedenen Schulen Malerei gelernt habe. Zu IP 37 liegen bezüglich ihrer Ausbildung keine Angaben vor. In Abschnitt 5.6.2 wird darlegt, dass auch in Deutschland weiteres Humankapital in Form von Weiterbildungen angesammelt wird. Eine weitere wichtige Rolle spielt das inkorporierte Kulturkapital nach Bourdieu (1983: 3–5) der befragten Personen. Dieses wird in Form von Bildung, Sprache, kulturellen Praktiken und Gebräuchen nach der Migration insbesondere zur strukturellen Integration auf dem Arbeitsmarkt genutzt und darüber hinaus bewahrt und an die Kinder weitergegeben. In engem Zusammenhang mit dem Humankapitalansatz steht der Sozialkapitalansatz (vgl. Abschnitt 2.1.2). Über Sozialkapital, also personelle Verbindungen, verfügen vor der Migration mit 74,4 % (n = 29) fast drei Viertel der japanischen permanent Ansässigen. Bei 8 Personen besteht das Sozialkapital aus dem Partner und dessen Familie. Vier Personen haben einen deutschen Freund, der auf ihre Rückkehr wartet. IP 8 und IP 21 haben bereits japanische Verwandte in Deutschland. Bei IP 8 handelt es sich dabei um den älteren Bruder und bei IP 21 um die Schwester, die bereits mit ihrem deutschen Ehemann in Berlin lebt. 19 Personen unterhielten bereits vor ihrer Ankunft in Deutschland Kontakte zu Freundinnen, Freunden und Bekannten. Nach Granovetter kann das Sozialkapital in Form der Partnerin oder des Partners als starke Verbindung gewertet werden. Die Freund- und Bekanntschaften können zum Zeitpunkt der Ankunft als schwache Verbindungen gesehen werden. Sowohl das auf schwachen als auch auf starken Verbindungen beruhende Sozialkapital wurde im Zuge der Migration zur Vermittlung einer Unterkunft herangezogen. So gibt IP 7 an, dass ihre Schwiegereltern vor ihrer Ankunft eine Wohnung für sie mieteten (Z. 178–181). IP 17 erzählt, dass sie bereits in Japan Kontakte zu Austauschstudierenden pflegte und so über eine Person erfuhr, dass eine Wohnung in Berlin zur Untermiete freistünde (Z. 280–296). Der Einfluss des Sozialkapitals auf die Wohnungs- und Arbeitssuche vor Ort wird ausführlich in Abschnitt 5.6.2 betrachtet.

Das Nutzen von Migrationssystemen zeigt sich insbesondere in Hinblick auf die Migration zum Zweck des Studiums und mithilfe des Working-Holiday-Visums. Bereits in Abschnitt 2.1.2 wurde herausgestellt, dass Studierende und Working-Holiday-Teilnehmende ebenfalls ein Migrationssystem generieren. In der Studie veranschaulichen dies sechs Personen, die im Rahmen des Studiums nach Deutschland gekommen sind, und drei Personen, die mithilfe eines Working-Holiday-Visums nach Deutschland migrierten. Im Fall eines Studienaufenthalts stellt ihnen die Universität Informationen und Ressourcen zur Migration bereit und ist bei der Vermittlung einer Unterkunft behilflich: „Als ich zum ersten Mal kam, war das so ein Austauschprogramm, sodass ich automatisch so ein Zimmer im Studentenwohnheim bekommen habe“ (IP 25, Z. 148–150). Darüber hinaus ist es mittlerweile gängig, dass Studierende vor Ort in behördlichen Angelegenheiten unterstützt werden:

Visum war überhaupt kein Problem, weil ich ganz am Anfang schon Studentenstatus hatte. Und es gab in der Uni auch ein paar hilfsbereite Studenten, die das für die Austauschstudenten übernommen haben. Und ich musste dann meine Papiere beim Akademischen Auslandsamt bei diesen netten Studenten abgeben. Sie haben das für mich erledigt. (IP 25, Z. 198–205)

Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Programme, in deren Rahmen internationale Studierende von Studierenden der Universität des Ziellandes unterstützt und betreut werden, zu früheren Zeiten nicht gängig waren, wie IP 1 (Z. 1267–1270) berichtet: „Behörden? Ich war immer allein. Damals gab es kein Tutorensystem. Also ich bin alleine [hin]gegangen und [habe es] alleine geschafft“. Während sechs Personen zum Studium nach Deutschland gekommen und anschließend geblieben sind, hatten neun Personen dieses System vor ihrem andauernden Aufenthalt genutzt. Neben dem Austausch über die Universität berichten auch sieben Personen davon, dass sie vor ihrem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland das Land bereits im Rahmen eines Sprachschulaufenthaltes besucht hatten. Ebenso generieren die Working-Holiday-Teilnehmenden ein Migrationssystem, auf welches drei Personen zurückgriffen. IP 5 berichtet zusätzlich über Personen, die per Working-Holiday-Visum nach Deutschland gelangten, Folgendes:

Firmenangestellte sind es nicht, zum Beispiel die Personen, die auf der Immermannstraße Cafés oder Restaurants betreiben, konnten wahrscheinlich aus eigenen Kräften kommen und in diesem Restaurant arbeiten, aber diese Personen, die selbst ein Café aufmachen wollen, kommen häufig zuerst mit dem Working-Holiday-Visum. Nun, ich habe viele Bekannte, die im Restaurant arbeiten und im Restaurantgewerbe tätig sind. Nun, unter den Expatriates gibt es schon Personen, die kommen wollten und kommen, denke ich, aber ich denke, die Anzahl an Personen, die Deutschland mögen und kommen wollen, ist gering und sie unterscheiden sich von den Freunden, die ich aus den Cafés kenne. Das sind Personen, die, weil sie Deutschland wirklich mögen und durch Working-Holiday Deutschland wahrscheinlich noch mehr mögen. Auch ich gehöre zu den Personen, die ein solches Interesse hatten und kamen. Unter den Expatriates sind selbstverständlich auch Personen, die mittlerweile denken, dass Deutschland gut ist, aber sie haben irgendwie eine Unterstützung durch die Firma, nicht wahr? Deshalb brauchen sie zum Beispiel nicht das Visum beantragen und solche Sachen, aber das ist nicht der Auslandsalltag wirklicher Migranten, denke ich. Zum Beispiel kommt man selbst nicht umhin, zum Ausländeramt zu gehen und zum Beispiel zu kommunizieren. In Düsseldorf kann man vielleicht den Alltag nur auf Japanisch bestreiten, ja. Und sie kehren nach drei oder fünf Jahren wieder zurück, nicht wahr? Diesen Unterschied gibt es. (IP 5, Z. 466–481; Übers. d. Verf.)

Diese Systeme nehmen Züge wie bei der Entsendung der Arbeitskräfte in Auslandsniederlassungen an und fungieren als Migrationskanäle (Findlay und Li: 1998). Es wird auch davon berichtet, dass die Firmen die Zugewanderten bei ihrer Migration unterstützen. So stellen sie ebenfalls Unterkünfte zur Verfügung und kümmern sich um behördliche Angelegenheiten, selbst wenn die Migrierten keine Expatriates, sondern lokal angestellt sind: „Und später in Düsseldorf hatte ich einen Arbeitsvertrag und die Papierarbeit hatte die Firma übernommen. Und Arbeitserlaubnis und Visum habe ich dann bekommen“ (IP 25, Z. 205–209).

In Hinblick auf Migrationsnetzwerke zeigt sich, dass die japanische community und Infrastruktur in Düsseldorf bekannt sind, sie aber nicht notwendigerweise als Pull-Faktor dienen. IP 5 räumt zwar ein, dass es sich in Düsseldorf aufgrund der japanischen Infrastruktur und der damit einhergehenden Vertrautheit der Aufnahmegesellschaft mit japanischen Personen gut leben lasse, stellt die Möglichkeit, den Alltag auf Japanisch zu bestreiten, aber, wie aus dem obigen Zitat hervorgeht, in Frage. Unter den befragten Personen gab es allerdings zwei, die sich aufgrund der Infrastruktur in Düsseldorf niederließen. IP 3 sagt, dass sich Düsseldorf nicht von Japan unterscheide, und IP 4 bevorzugt ebenfalls die japanische Infrastruktur. Eine Person, die mittlerweile in München ansässig ist, vermisst die japanische Infrastruktur Düsseldorfs dort sogar. Doch sagt sie auch: „Und dann mit den Japanern habe ich nicht so viel zu tun gehabt. Wollte ich nicht. Weil ich viel gehört habe. Ich bin extra nach Deutschland gekommen und warum muss ich, na, dieses japanische Ghetto kennenlernen?“ (IP 10, Z. 223–227). In dieser Aussage findet sich ein Beleg für Jordan und Düvells Hypothese (vgl. Abschnitt 2.1.2), dass sich Zugewanderte von Migrationssystemen fernhalten, wenn sie ihr Migrationsprojekt dadurch gefährdet sehen. Auch geht aus weiteren Interviews hervor, dass die japanische community negative Effekte haben kann, womit Portes These bestätigt werden kann (vgl. Abschnitt 2.1.2). Neben IP 7, die diese meidet und es bevorzugt, weiter weg zu wohnen, lassen sich an dieser Stelle auch IP 18 und IP 20 anführen. Auf ihre Aussagen wird in Abschnitt 5.6.1 und 5.6.2 näher eingegangen.

Neben Düsseldorf geht aber aus dem Interview von IP 29 hervor, dass es auch in Frankfurt ein ethnisches Business und Migrationskanäle sowie -netzwerke gibt:

[I]ch habe von Bekannten gehört, dass sie [die japanische community in Frankfurt am Main: Anm. d. Verf.] ziemlich aufblüht. […] [U]nd wenn ich die Geschichten höre, dann, zum Beispiel, gibt es so etwas wie den hōjinkai [Vereinigung japanischer Unternehmen: Anm. d. Verf.] und die Leute dort haben ziemlich starke Verbindungen, die japanische community ist ziemlich zuverlässig. Nun, ich höre oft von Leuten, dass es nützlich ist, weil sie Spaß haben und man sich in schweren Zeiten gegenseitig hilft. (IP 29, Z. 583–584, 589–595)

IP 28 selbst arbeitet in diesem Bereich und hilft Neuankömmlingen bei der Orientierung. Aus der Internetseite der Stadt München geht hervor, dass auch München bemüht ist, die japanische Infrastruktur auszubauen, um für japanische Firmen attraktiv zu werden. IP 8 beschreibt die Münchener community zum Zeitpunkt des Interviews allerdings noch als sehr lose und meint, dass sich kaum Japaner in der Stadt befänden und diese höchstens im japanischen Supermarkt anzutreffen seien. Die japanischen Unternehmen kämen wegen der großen OEMs (Original Equipment Manufacturer) her. Auf die Frage, ob es in München eine japanische community gebe, fällt es IP 9 schwer zu antworten. Sie kennt nur einzelne Japaner, die sie irgendwo gesehen hat und dann wiedererkennt (IP 9, Z. 458–467), während IP 11 und IP 12 einige Organisationen und Vereine nennen. IP 13 verweist darauf, dass es in München keine „allgemeine community“ (Z. 592), aber eine „japanische Müttercommunity“ (Z. 592–593) gebe. Auch IP 14 gibt an, dass sie die japanische community nicht kenne und nur durch ihr Kind Kontakt zu japanischen Müttern habe (Z. 593–600). Die Berliner community wird ähnlich als „chaotisch“ (IP 23, Z. 339) und auch als „eng“ (IP 20, Z. 523) und „kompliziert“ (IP 20, Z. 523) beschrieben. IP 15 sieht in Hinblick auf die japanischen Organisationen und Vereine das Problem des fehlenden Nachwuchses, wodurch das Durchschnittsalter unter den Mitgliedern steige und es ihnen schwerfalle, junge Mitglieder zu gewinnen (Z. 482). Außerdem fänden sich in Berlin zahlreiche japanische Kunstschaffende und linksorienterte Personen (IP 7, Z. 12–13; IP 19, Z. 1087–1103).

Im Zusammenhang mit Migrationsnetzwerken muss noch das Interview von IP 21 erwähnt werden. In diesem erzählt IP 21 davon, dass ihm die Kirche als Zufluchtsort zur Verfügung gestanden und so den Akkulturationsstress abgemildert habe. IP 21 führt in Zusammenhang mit seinem Integrationsverständnis aus, dass er es als seine Aufgabe in Deutschland wahrgenommen habe, sich an die deutsche Gesellschaft anzupassen (IP 21, Z. 354–357). Zunächst habe er in der Aufnahmegesellschaft einen Kulturschock erfahren, bei dessen Bewältigung ihm seine Kirchenmitgliedschaft geholfen habe: „[A]ls ich hier frisch ankam, war es alles [ein] Kulturschock für mich. Eine einzige Ausnahme war in der katholischen Kirche. (…) [A]ls ich hier in Deutschland [an]kam, war die einzige [Zuflucht] die Kirche“ (IP 21, Z. 373–375). Die Sprache sei zwar nicht dieselbe gewesen, doch habe er den Gebeten und Liedern folgen können, da sie in Japan auf Lateinisch gebetet und die Melodien der Lieder übernommen hätten (IP 21, Z. 376–388).

5.3 Vom temporären zum dauerhaften Aufenthalt

Durch die Betrachtung der Angaben zu den Migrationsanlässen wird deutlich, dass der Aufenthalt nicht immer als permanent geplant war oder angesehen wurde. Dies bestätigt sich auch durch die Analyse der Interviews. Aus 12 Interviews geht hervor, dass die Befragten den Aufenthalt zunächst nur für einen bestimmten Zeitraum geplant hatten. Dies trifft insbesondere auf Studienaufenthalte zu, welche zunächst (per definitionem) temporär angelegt sind (vgl. Abschnitt 2.1.1). Aus den Erzählungen geht allerdings hervor, dass die zeitliche Dimension relativ ist. IP 1 kam zunächst für einen Forschungsaufenthalt von einem Jahr an eine Partneruniversität nach Deutschland. Während ihres Studiums bekam sie aber ein Jobangebot und lernte ihren zukünftigen und jetzigen Ehemann kennen (IP 1, Z. 48–49; 52–61). Das Studium war also der ursprüngliche Anlass, nach Deutschland zu kommen, doch nach und nach verlagerte sich ihr Lebensmittelpunkt ins Gastland. Ähnlich verhält es sich auch bei IP 8, die in München Geschichte studierte und anschließend in Deutschland blieb. An der Universität lernte sie ihren zukünftigen und jetzigen Ehemann kennen, den sie im Anschluss an das Studium heiratete. Zu dieser Zeit fühlte sie sich in Deutschland nicht wohl und überlegte, gemeinsam mit ihrem Mann nach Japan zurückzukehren. Aus ihrem Praktikum nach Abschluss des Studiums entwickelte sich allerdings ein langjähriger Arbeitsvertrag und schließlich fühlte sie sich durch die Geburt ihrer Kinder in Deutschland verwurzelt. In ihrer Lebensgeschichte zeigen sich deutlich ambivalente Gefühle bezüglich ihres permanenten Aufenthalts in Deutschland, dennoch entwickelte sich durch ihre Lebensumstände aus ihrem zunächst temporär angedachten Studienaufenthalt ein dauerhafter Aufenthalt. Auch bei IP 25 zeigt sich, dass Lebensereignisse zum Verbleib in der Aufnahmegesellschaft führen:

Und da habe ich auch, wie gesagt, im selben Jahr wie mein Studienabschluss geheiratet und dann war es klar, dass wir erstmal in Düsseldorf bleiben und die Kinder hier groß werden und hier zur Schule gehen. Das ist auch dann irgendwie selbstverständlich. Das war also nicht so, dass ich plötzlich gesagt hätte: ‚Jetzt bleibe ich in Deutschland.‘ Sondern das war so immer wieder so Schritte. (Z. 487–494)

Die Abfolge der Lebensereignisse Heirat, Arbeit und Geburt der Kinder führt auch bei weiteren Personen zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts nach Deutschland. Kinder spielen eine wichtige Rolle für die Entscheidung über die Dauer des Aufenthalts oder ein Zielland, wie aus dem Interview mit IP 10 hervorgeht: „Ich bleibe da, wo meine Kinder sind“ (Z. 398–399).

Während sich bei den zuvorgenannten Personen die Niederlassung und Verlagerung des Lebensmittelpunkts durch aufeinanderfolgende Lebensereignisse ergab, setzte sich IP 20 den Aufbau eines Lebens in der Aufnahmegesellschaft sogar zum Ziel:

Ich komme dann auf jeden Fall bis 30 zurück, wenn ich nichts finde oder wenn ich dann kein Geld mehr habe oder [den Aufenthalt: Anm. d. Verf.] nicht mehr selbst finanzieren kann. Aber mit 28 hatte ich dann schon einen festen Job und ich hatte dann schon eine eigene Wohnung und so. […] Das nächste Ziel war, diese Niederlassungserlaubnis zu bekommen. Und dann muss man schon 5 Jahre arbeiten. Dann habe ich gearbeitet und dann Rente eingezahlt […]. Wenn man 60 Monate eingezahlt hat, kann man [sie] beantragen und ich habe dann beantragt und dann habe ich die Niederlassungserlaubnis [bekommen]. (Z. 260–274)

Während der Studienaufenthalt zwar in den meisten Fällen zunächst temporär gedacht ist, nutzte IP 17 bereits ihr Promotionsstudium, um in Deutschland Fuß zu fassen. Sie kam als Kind aufgrund der Arbeit ihres Vaters nach Deutschland. Nach sechs Jahren kehrte die Familie allerdings wieder nach Japan zurück. Sie durchlief dort die japanische Schullaufbahn und absolvierte während des Studiums ein Austauschjahr in Deutschland. Im Rahmen ihrer Promotion gelangte sie schließlich zur Forschung nach Deutschland, brach ihre Promotion ab und fand Arbeit in Deutschland. Hierzu sagt sie:

Also, ich habe das ja bewusst gewählt, ich wollte hier in Deutschland bleiben und wollte auch hier arbeiten und deswegen hatte ich auch nach Jobs gesucht und hatte mich ein Jahr erstmal als Dolmetscherin so’n bisschen über Wasser gehalten. Und hatte dann auch hier die Arbeit bekommen und deswegen war das klasse. Das passte genau. (IP 17, Z. 45–51)

An diesem Beispiel zeigt sich, dass der Studienaufenthalt genutzt wurde, um sich in Deutschland niederzulassen.

Aus den Interviews von 14 Personen geht hervor, dass der Aufenthalt dauerhaft vorgesehen war, wobei unter diesen 7 Personen aufgrund einer Heirat oder der Beziehung zu ihrem Ehemann nach Deutschland kamen. Sie berichten, dass sie den Gedanken hegen, nach Japan zurückzukehren oder einige Monate im Jahr in Japan und die übrigen in Deutschland zu verbringen.

Im Gegensatz zu den Personen, die zunächst nur einen temporären Aufenthalt geplant hatten, zeigt sich auch, dass manche Personen zwischen Herkunftsland und Aufnahmeland hin und hergerissen sind bzw. beide Länder für ihre Zukunft berücksichtigen. Ebenso gibt es solche, die im Verlauf des Interviews offenbaren, dass sie mit dem Gedanken spielen in Zukunft nach Japan zurückzukehren.

Es wird auch deutlich, dass die Bleibeabsicht von Faktoren wie dem Alter und den Lebensumständen abhängt. Bereits Mizukami (1993: 60) ging darauf ein, dass Personen, die einen temporären Aufenthalt geplant hatten, sich im Aufnahmeland niederlassen konnten und solche, die bleiben wollten, möglicherweise zurückkehren.

5.4 Die japanischen Migrantinnen und Migranten als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen

In Kapitel 3 wurde der Migrationskontext vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Japans nach dem Zweiten Weltkrieg bis in das neue Jahrtausend dargelegt. In ihren Interviews gehen die Befragten auf die Situation im Herkunftsland zum Zeitpunkt ihrer Abreise ein. Darunter gibt es Erzählungen, die Bezüge zur politischen und sozioökonomischen Entwicklung im Herkunftsland herstellen und solche, bei denen die Beweggründe zur Auswanderung mit den politischen und sozioökonomischen Ereignissen in Verbindung stehen.

Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer gelangten seit den 1960er Jahren über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten, bis in die 2010er Jahre, nach Deutschland. Abgesehen von den 1960er Jahren und den 80ern sind die Befragten nahezu gleichmäßig auf die Jahrzehnte verteilt. Neun Personen kamen in den 1970er Jahren und jeweils acht Personen von den 1990er bis zu den 2010er Jahre in der Bundesrepublik an. Lediglich zwei Personen aus der Stichprobe gelangten in den 1960er Jahren nach Deutschland und vier in den 80ern.

Die Migration von IP 33, der in den 1960er Jahren nach Deutschland gelangte, lässt sich mit den wirtschaftlichen Entwicklungen der damaligen Zeit in Verbindung setzen. Wie in Abschnitt 3.1 dargestellt, befand sich Japan ebenso wie Deutschland in den 1960er Jahren in einer Zeit der wirtschaftlichen Hochkonjunktur. Diese ging mit florierenden Exporten und hohen Auslandsinvestitionen einher. In diesem Zusammenhang kann auch die Migration von IP 33 gesehen werden, der nach seinem Studienabschluss die Arbeit in einer Auslandsniederlassung eines japanischen Großkonzerns aufnahm. Ebenso wie IP 33 kam auch IP 4 in den 1970er Jahren aufgrund der Firma nach Deutschland. Er verbrachte zunächst einige Jahre als Expatriate im europäischen Ausland (Deutschland, Schweiz, Österreich), bis er zu Beginn des neuen Jahrtausends entschied, sich als Selbstständiger dauerhaft in Deutschland niederzulassen. Wie bereits in Abschnitt 1.2 erläutert, gelangten aufgrund der wirtschaftlichen Hochkonjunktur bis in die 1980er Jahre zahlreiche Expatriates nach Düsseldorf. Zu diesen zählt auch der frühere Ehemann von IP 38. IP 38 hielt sich durch ihn bereits in den 1960er Jahren für einen Zeitraum von vier Jahren in Deutschland auf und befand sich schließlich in den 1980er Jahren aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und nach zwei weiteren Auslandsaufenthalten wieder in Deutschland. Die gesellschaftliche Situation Japans zur damaligen Zeit nahm Einfluss auf ihre Entscheidung, auch nach ihrer Trennung weiterhin in Deutschland zu leben (vgl. Abschnitt 5.1).

Auch in den Interviews von IP 27 und IP 28 spiegelt sich die wirtschaftliche Lage Japans zum Zeitpunkt ihrer Auswanderung wider. IP 28 berichtet davon, dass zu Beginn des neuen Jahrtausends die wirtschaftliche Konjunktur schlecht war, sodass er sich nach je zwei Jahren Arbeit in der Gastronomie und in einem Computergeschäft dazu entschied, zunächst für ein Jahr nach Deutschland zu gehen, woraus ein dauerhafter Aufenthalt wurde. Auch IP 27, die einige Jahre nach IP 28 nach Deutschland gelangte, nämlich in den 2010ern, berichtet davon, dass es sich als schwierig erwies, in Japan Arbeit zu finden, insbesondere, wenn diese mit der deutschen Sprache zu tun haben sollte (Z. 11–12, 26–30). Im Gegensatz dazu geht IP 12, die zu Beginn der 90er Jahre nach Deutschland gelangte, darauf ein, dass kurz nach der Wende eine hohe Nachfrage nach Personen mit Deutschkenntnissen bestand.

Neben wirtschaftlichen Faktoren spielen auch Zeitgeistmoden eine Rolle als Migrationsanlass, wie bei IP 24. Sie gelangte in den 70er Jahren nach Deutschland und berichtet, dass es in den 60er Jahren, als sie die Mittelschule besuchte, in Japan Mode war, alleine mit dem Schiff von Yokohama nach Tukka zu fahren und dann von Wladiwostok mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Europa zu reisen, um zum Beispiel nach Berlin zu gelangen und von dort nach Skandinavien oder in den Süden aufzubrechen (IP 24, Z. 43–52). Zur damaligen Zeit gab es noch kein Internet und keine Sozialen Medien; Reiseberichte und Bilder gelangten per Post zu den Daheimgebliebenen. Was heute von sogenannten Influencerinnen und Influencern über Blogs verbreitet wird, kommunizierten die damaligen Reisenden in analoger Form und schufen so eine Sehnsucht nach der Ferne. Diese wurde durch das Aufkommen des Fernsehens verstärkt. Mit dem seit den 1960er Jahren steigenden Lebensstandard und den nun für den bürgerlichen Haushalt erschwinglichen sogenannten drei Kronjuwelen (vgl. Abschnitt 3.1), zu denen auch der Farbfernseher zählte, nahm der Sehnsuchtsort Gestalt an: „Damals hatte ich nur deutsches Fernsehen, also amerikanisches Familiendrama gesehen. […] Vater, Mutter, zwei Kinder, ein großer Hund, ein Riesenhaus. Und meine Vorstellung war, dass alle Menschen so leben“ (IP 24, Z. 55–61). IP 24 beschreibt hier, was bei Fujita (2004) als imagined West bezeichnet wird und ein langebestehendes Konzept ist. Schon zu früheren Zeiten berichteten ausgewanderte Personen beflügelt von der neuen Heimat – um den zurückgebliebenen Familienmitgliedern keine Sorgen zu bereiten, um sich nicht die Blöße des Scheiterns zu geben oder um sich nicht einzugestehen, dass Realität und Vorstellung des Sehnsuchtsortes zu weit auseinanderklaffen. Soziale Missstände finden sich auch heute nicht unbedingt in den Urlaubsfotos und Reiseblogs wieder, gezeigt werden meist die schönen Seiten des Urlaubsparadieses. So führt auch IP 24 (Z. 61–62) fort: „Und ich wusste nicht, dass es Bettler gibt“. Sie ging davon aus, dass in den Vereinigten Staaten und Europa alles sauber sei und jeder ein gutes Leben führe (IP 24, Z. 63–64). Beeinflusst von diesen Bildern und von Abenteuerlust gepackt, ging sie ins Ausland und gelangte über verschiedene Zwischenstopps nach Deutschland. Die von IP 24 beschriebene Reiselust der 60er Jahre findet sich auch im Interview von IP 31 wieder. IP 31 wurde von seinem Arzt vor die Wahl einer Operation oder des Auskurierens der Krankheit durch Aussteigertum gestellt. Er entschied sich dafür, seine Arbeit ruhen zu lassen und seinen Freund auf Hawaii zu besuchen, wodurch er ein Jahr später und über mehrere Aufenthalte in den USA per Schiff in Deutschland ankam.

Romantisierte Vorstellungen seiner Aufenthaltsorte finden sich in seinen Schilderungen nicht, er geht nur darauf ein, dass New York „nichts für ihn war“ (IP 31, Z. 133), da er sich inmitten von Hochhäusern ohne Blick auf den blauen Himmel nicht wohlfühlte. Dies lässt darauf schließen, dass er seine Entscheidungen bezüglich des Aufenthaltsortes aus lebensstilorienterten Gründen traf. Bezüge zu einem imagined West hingegen finden sich auch vier Jahrzehnte nach der von IP 24 geschilderten Zeitperiode in den Aussagen von IP 9 wieder. IP 9 gelangte zunächst für einen kurzen Zeitraum in den 2000ern nach Deutschland und beschreibt ihren vorherigen Aufenthaltsort unter Bezugnahme auf dessen schöne alte Gebäude: „[D]as war wirklich wie Japaner sich vorstellen, wie Deutschland ist oder wie europäische Länder sind“ (IP 9, Z. 89–91). Aufgrund dieses positiven Bildes ist es ihr ein äußerstes Verlangen, nach Deutschland zurückzukehren, um sich dieses Mal längere Zeit dort aufzuhalten (IP 9, Z. 79–83). Dies setzt sie acht Jahre nach ihrem ersten Aufenthalt um.

IP 15, die ebenfalls zu Beginn des neuen Jahrtausends nach Deutschland migrierte, berichtet, dass sie zunächst nach London ging, um dort Englisch zu lernen, und von dort aus aufgrund ihrer Beziehung nach Deutschland gelangte. In ihrem Interview findet sich wieder, was Fujita (2008b: 62) bereits in ihrer Studie zu den bunka imin in New York und London herausgefunden hatte, nämlich dass Englisch zu lernen und zu sprechen von jungen Japanerinnen und Japanern als distinguierendes Merkmal empfunden wurde.

Auch der politische Zeitgeist der 60er und 70er Jahre findet sich in den Interviews wieder. IP 7, die in den 1970er Jahren nach Deutschland gelangte, bezeichnet sich selbst als „Überlebende der 68er“ (Z. 123) und meinte, dass sie als solche „irgendwie was machen“ (Z. 123–124) wollte. Das außereheliche Zusammenleben mit ihrem damaligen Freund und zukünftigen Ehemann zu Beginn ihrer Beziehung in Japan in den 1960er Jahren bezeichnet sie als „kleine Protestbewegung“ (IP 7, Z. 120). Ihr weiteres gemeinsames Zusammenleben bis zur heutigen Zeit kann auch im Sinne des spirits of the 60s gesehen werden. Um ihre Kinder nicht der sogenannten shiken jigoku, der Prüfungshölle, aussetzen zu müssen, entschieden sie sich nach Deutschland auszuwandern. Dort nahm ihr Mann ein Studium auf, während sie für das Einkommen sorgte. Nachdem ihre Kinder die Schule abgeschlossen hatten, kamen sie zu dem Entschluss, dass sie „mit der Kindererziehung fertig“ (IP 7, 149) wären: „Und wir haben uns entschlossen, wir machen, was wir wollen, bis zu unserem Tod“ (IP 7, 149–151). Daher ging ihr Mann nach Japan, um sich dort in traditionellen Künsten weiterzubilden, und sie blieb in Deutschland, da sie hier sehr gerne arbeite (IP 7, Z. 151–154). Aufgrund dieses Lebensstils bezeichnet sie sich als „Minorität der Japaner“ (IP 7, Z. 169–170) vor Ort. Neben ihrer Arbeit geht sie noch politisch-sozialen Engagements nach. Diese werden von IP 11, IP 24 und IP 26 teilweise geteilt, die ebenfalls in den 1970er Jahren auswanderten. Ebenfalls in die 1970er Jahre fällt die Ankunft von IP 19, der auch von der shiken jigoku berichtet und die Prüfungshölle als Grund nennt, weshalb er sich dagegen entschied, mit seiner deutschen Frau und den Kindern nach Japan zurückzukehren (Z. 278–279). Ebenso geht er in Bezug auf seinen Freundeskreis auf die 68er Bewegung ein und sagt, dass er Personen, mit denen er nicht Freud und Leid, wie zu der 68er Zeit, geteilt hätte, nicht als Freundinnen oder Freunde bezeichnen kann (IP 19, Z. 527–532).

Bei der Betrachtung der Migrationsgründe vor dem Hintergrund der Geschehnisse im Heimatland mag erwartet werden, dass Personen die Dreifachkatastrophe in Fukushima im März 2011 als Grund nennen, doch wird dieser Vorfall, wie bereits in Abschnitt 5.1 erläutert, lediglich als Referenzpunkt für die Berechnung der Aufenthaltsdauer verwendet.

5.5 Analyse der Antworten zum persönlichen Integrationsverständnis

Nach der Betrachtung und Interpretation der Ergebnisse in Hinblick auf die Migrationsgründe und das Migrationsverhalten der permanent ansässigen Japanerinnen und Japaner werden in diesem Kapitel die Ergebnisse der Studie zum persönlichen Integrationsverständnis der Befragten dargelegt.

Aus den Antworten der Teilnehmenden geht hervor, dass die persönlichen Definitionen von Integration variieren. IP 7 antwortet auf die Frage, was sie unter „Integration“ verstehe, Folgendes: „Also ganz normal in dieser Gesellschaft zusammenleben. Nicht extra daran zu denken, das heißt Integration“ (Z. 383–385). IP 9 meint, dass Integration bedeute, die andere Kultur zu verstehen (Z. 573–574), während IP 17 (Z. 648–655) ihre Begriffsdefinition etwas weiter ausführt: „Integration bedeutet für mich, dass […] ich mich in der Gesellschaft, in der ich lebe, zurechtfinden kann. Dass ich die Strukturen kenne, dass ich weiß, welche Regeln es gibt und dass mir auch bewusst ist, dass es auch ungeschriebene Gesetze gibt“. IP 24 vertritt die Ansicht, dass „integrieren“ synonym für das Anpassen an die Aufnahmegesellschaft steht (Z. 484–486).

Bei der Durchsicht der Interviews unter Zuhilfenahme einer induktiven Herangehensweise wird deutlich, dass die Befragten Integration als „Bringschuld“ der Zugewanderten, als Aufgabe der Aufnahmegesellschaft oder als beidseitige Leistung empfinden. IP 14 (Z. 421–428) zitiert in ihrer Antwort die Forderungen deutscher Politiker, die von Zugewanderten erwarteten, die deutsche Sprache zu lernen, Geld zu verdienen und Ordnung zu halten. Sie könne diese Forderungen nachvollziehen und teile ihre Meinung (IP 14, Z. 429, 449–457). Ebenso hält sie den Einbürgerungstest für sinnvoll und meint, dass noch sehr viel mehr Personen diesen Test machen sollten (IP 14, Z. 466–475). IP 10 (Z. 703) gibt zwar an, dass Integration ihrer Meinung nach auf Gegenseitigkeit beruht, erläutert im weiteren Verlauf ihrer Erzählung aber, dass „wenn jemand kommen möchte, […] hier wohnen möchte“ (IP 10, Z. 745–746), sie sich dann anpassen sollten. Die Anpassung erfolge in erster Linie über das Beherrschen der Sprache des Aufnahmelandes (IP 10, Z. 709–711). Außerdem falle japanischen Personen die Anpassung leichter, da sie nicht so eine „starke“ (IP 10, Z. 707) Religion hätten, wie zum Beispiel Moslems. Jedoch bräuchten Zugewanderte laut IP 10 (Z. 747–748) ihre Identität nicht aufgeben, sollten allerdings zeigen, dass sie gerne in Deutschland lebten und Deutschland dankbar seien (IP 10, Z. 712–715). Es wird deutlich, dass sie die „Bringschuld“ bei den Zugewanderten sieht. IP 19 (Z. 680–684) formuliert dies im Folgenden eindeutig: „Ich muss mich [als] Japaner hier [an] die deutsche Gesellschaft anpassen. Nicht umgekehrt, sondern ich muss aktiv, zum Anpassen hier in Deutschland leben“. Den Begriff Integration lehnt er vehement ab und ersetzt ihn durch Anpassung (IP 19, 586–589, 678–680). Anpassung erfolge durch das Beobachten des Verhaltens der Mehrheitsbevölkerung. Dies könne ein triviales Ereignis wie der Besuch im Supermarkt sein. Als Zugewanderte müsse man wissen, wie man sich dort verhält (IP 19, Z. 689–697). Außerdem hebt er hervor, dass er als Gast im Aufnahmeland verweile und daher nicht auffallen dürfe: „Und in dem Fall darf ich nicht irgendwie extrem sein. Ich bin immer noch Gast hier in gewissem Sinne. [Gäste] müssen sehr ordentlich sein. [Die] [d]eutsche Atmosphäre darf [man] nicht kaputt machen. […] [Man darf sich] [n]icht immer so stark präsentieren, sondern ganz normal, durchschnittlich“ (IP 19, Z. 700–708). Im Gegensatz zu IP 14, IP 10 und IP 19 liegt der Fokus in der Antwort von IP 7 auf der Aufnahmegesellschaft. Sie sehe, dass ein Großteil der deutschen Mehrheitsbevölkerung humanitäre, christliche Gedanken verinnerlicht habe und unterstütze und die Gesellschaft aufgrund dessen Migration und Flüchtlingen offen gegenüberstünde (IP 7, Z. 420–452). Deutschland sei ein stückweit vorbildhaft für Japan und ihre gelungene Integration vonseiten der Aufnahmegesellschaft erkenne sie darin, dass sie auf der Straße von Deutschen nach dem Weg gefragt werde, obwohl sie offensichtlich aufgrund ihres Äußeren eine Ausländerin sei (IP 7, Z. 372–374, 376–382). Dies sei in Japan nicht so. Dort sei man Flüchtlingen gegenüber verschlossen, auch würde man trotz Bedarf ausländische Arbeitskräfte meiden (IP 7, Z. 396–401). Die unterschiedlichen Einstellungen zwischen Japan und Deutschland in Bezug auf Migrantinnen und Migranten führt sie auf die geographische Lage und religiöse Gegebenheiten zurück. Europa sei schon seit jeher Ziel und Ausgangspunkt von Migration gewesen, während sich Japan aufgrund seiner Insellage in Isolation befand (IP 7, Z. 390–396, 415–418). Sie schlussfolgert: „Also ganz normal in dieser Gesellschaft zusammenleben. Nicht extra daran zu denken, das heißt Integration, denke ich“ (IP 7, Z. 383–386). Im Gegensatz zu Japan sei Deutschland bemüht, ausländische Personen zu integrieren, arbeiten und Steuern zahlen zu lassen (IP 7, Z. 410–413). Auch IP 8 betont, dass die Aufnahmegesellschaft Migration und Integration gegenüber eine offene Haltung einnehmen muss, indem sie meint, dass die Schuld für eine misslungene Integration nicht allein den Zugewanderten nachgesagt werden könnte, indem sie als integrationsunfähig angesehen werden, sondern, dass Integration als beidseitiger Prozess angesehen werden soll, der sowohl vonseiten der Zugewanderten als auch vonseiten der Aufnahmegesellschaft erfolgen muss. Dem schließen sich IP 36 und IP 37 an, indem sie betonen, dass es sich um einen beidseitigen Prozess handelt, der nicht nur passiv, im Sinne, dass mit den Zugewanderten etwas geschieht, sie also von der Aufnahmegesellschaft akzeptiert werden, sondern dass die Zugewanderten auch selbst aktiv Teil dieser Aufnahmegesellschaft sein möchten (IP 36, Z. 308–311). Wenn man gegen den eigenen Willen „integriert“ würde, könne nicht von Integration gesprochen werden (IP 36, Z. 311–314). Es sei nicht einfach so, dass man als Zugewanderte in die Aufnahmegesellschaft eintrete, sondern die Deutschen die Zugewanderten auch als Gesellschaftsmitglieder anerkennen müssten. Wenn man sich gegenseitig anerkennen könne, gelinge wohl auch Integration (IP 37, Z. 201–203, 216–218). Auch IP 27 (Z. 606–609) teilt die Ansicht, dass Integration bedeute, Teil der Gesellschaft zu sein, sich in dieser wohl zu fühlen, nicht ausgegrenzt zu werden, sondern sich als Mitwirkender zu beteiligen. IP 17 (Z. 709–715) sagt diesbezüglich: „Also wenn wir so ein Privileg haben, uns entscheiden zu dürfen, wo wir leben wollen, dann wäre es für mich auch wichtig, dass ich bewusst entscheiden kann, in welcher Gesellschaftsform ich leben möchte, wo ich mich einbringen kann und auch will und Integration, ja, klar, bedeutet für mich auch, ich bin Teil einer Gesellschaft“. Als Teil der Gesellschaft müsse man sich bewusst sein, dass man diese auch mittrage und für ihre Gestaltung verantwortlich sei: „[W]enn man in der Lage ist, seine Bürgerrechte [und auch Bürgerpflichten auszuüben], wenn man soweit ist, dann ist es wirklich sehr gut, aber um da hinzukommen, braucht man die Sprache, das Wissen, wie funktioniert diese Gesellschaft, welche Regeln, welche Gesetze. Ja, wie ticken die Menschen“ (IP 17, Z. 748–753).

Die Formulierung „Teil der Gesellschaft zu sein“ findet auch wörtlich oder sinngemäß Erwähnung in den Interviews von IP 12 und IP 13. IP 13 (Z. 492–494) sagt: „[I]ch bin jetzt in Deutschland, dann möchte [ich zur] deutsche[n] Gesellschaft dazugehören“. Das bedeute für sie, dass sie zwar nicht die deutsche Kultur, die Religion der Mehrheitsbevölkerung oder die deutsche Sprache übernehmen muss, aber diese zumindest verstehen und respektieren sollte (IP 13, Z. 495–499). Für Integration sei es wichtig, die gesellschaftlichen Regeln zu befolgen und Verständnis für die deutsche Mentalität zu haben (IP 13, Z. 516–519). „Aber Integration bedeutet nicht, dass ich Deutscher werden muss“ (IP 13, Z. 500–501), denn die Sozialisation, in ihren Worten die „bisherige Geschichte und [der] Lebenslauf“ (IP 13, Z. 506), lassen sich nicht auslöschen. Auf die Sozialisation geht auch IP 12 (Z. 931–937) ein und führt aus, dass es für Erwachsene im Ausland vermutlich schwierig sei, während Kinder günstigere Bedingungen hätten, sich in die neue Gesellschaft einzugliedern, da sie die Schule besuchen und dort bereits „alles mitnehmen“ (IP 12, Z. 934) würden. Diese Ansicht teilt auch IP 9 (Z. 573–576), für die Integration bedeute, die andere Kultur und die Denkweise der Mehrheitsbevölkerung zu verstehen. Aufgrund unterschiedlicher Denk- und Verhaltensweisen sei es bereits zu Missverständnissen gekommen, denn „automatisch“ (IP 9, Z. 583–584) mache sie „irgendwas anders als Deutsche“ (IP 9, Z. 584–585). Dies hatte in der Vergangenheit zu Akkulturationsstress geführt, da sie von einem assimilatorischen Integrationsverständnis ausging, weil sie dachte, Integration hieße, sie müsse sich „komplett anpassen“ (IP 9, Z. 587) und sich so verhalten wie eine Deutsche. Inzwischen denke sie aber, dass sie das aufgrund ihrer Sozialisation niemals umsetzen kann, weshalb sie versuche, Missverständnisse zu akzeptieren und herauszufinden, wie diese zustande gekommen sind (IP 9, Z. 589–592). Auch IP 24 (Z. 433–444) weist ein assimilatorisches Verständnis von Integration auf und führt aus, dass bedingt durch die Sozialisation eine Integration nicht möglich sei:

[M]eine Identität ist natürlich japanisch, es geht nicht weg. Obwohl ich in Deutschland länger gelebt habe als in Japan. Fast […] doppelt so lange habe ich hier gelebt. Das ist anders, ob man hier geboren ist, auch als fremde[r] Mensch und [die] ganze Gesellschaft mitbekommen [hat] oder, [ob] man von [einer ganz] andere[n] Kultur einfach als Erwachsener hergekommen ist. Kann man nie integrieren. Geht nicht. Das Wort „integrieren“ heißt ja nur „Anpassung“. „Anpassen lassen“, glaube ich, das ist nichts weiter. Alle Leute, die mit [einer] andere[n] Kultur hergekommen sind, wollen doch ihre eigene Kultur [behalten].

IP 26 (Z. 686–693; Übers. d. Verf.) weist ein ähnliches Verständnis von Integration auf: „[S]ich vollkommen zu integrieren, ist ziemlich schwer. Japaner sind Japaner, Chinesen sind Chinesen, Türken sind Türken […]. Ich denke, dass sie sich gänzlich von in Deutschland geborenen Deutschen unterscheiden. Insbesondere solche wie wir, die auf unserem Lebensweg irgendwann hierherkamen“. Es müsse hervorgehoben werden, dass es trotz unterschiedlicher Kulturen und einer lediglich geringfügigen Anpassung der kulturellen Gepflogenheiten über den Lauf der Zeit, zu keinen Reibungen mit anderen Menschen in der deutschen Gesellschaft gekommen sei. Den Grund dafür sehe sie darin, dass man, wenn man in der deutschen Gesellschaft lebt, selbstverständlich die Gesetze der Bundesstaaten befolgen, eine demokratische Einstellung besitzen und gut zusammenleben wollen sollte (IP 26, Z. 697–702). Dies veranschaulicht sie am Beispiel der Japanerinnen und Japaner in Düsseldorf, die nicht in die deutsche Gesellschaft integriert seien, eine Integration ablehnten, aber „damit in der deutschen Gesellschaft [durch dieses Verhalten: Anm. d. Verf.] keine Reibungen entstehen, haben sie die Einstellung, dass sie die deutsche Gesellschaft verstehen und in Einklang mit ihr leben“ (IP 26, Z. 720–722; Übers. d. Verf.).

Von diesen Antworten unterscheiden sich die Aussagen von IP 1, IP 2 und IP 5. Aus ihren Interviews lässt sich entnehmen, dass ihr Verständnis von Integration darin besteht, eine Segregation zu vermeiden. Sie merken an, dass die japanischen Expatriates in Düsseldorf nicht integriert seien, sondern sich segregiert hätten. Um eine Segregation zu vermeiden, sei es wichtig, die Sprache des Gastlandes zu erlernen und zu beherrschen. Die Sprache des Gastlandes benötige man für den Alltag und zur Vermeidung einer oberflächlichen Teilhabe am Leben im Aufnahmeland (IP 1 Z. 1222–1238). Für IP 5 gehört der Gang zum Ausländeramt sowie das Beantragen des Visums zum „Auslandsalltag wirklicher Migranten“. Jedoch würden die Expatriates im Umgang mit den Institutionen von der Firma unterstützt und müssten daher ihre Behördengänge nicht persönlich erledigen (IP 5, Z. 472–478). Es geht aus ihrer Erzählung hervor, dass die japanische Infrastruktur in Düsseldorf eine Segregation begünstige. Die Unterstützung vonseiten bestimmter Institutionen, die Teil des Migrationsnetzwerkes sind, geht auch aus dem Interview von IP 39 hervor. Auf die Frage, was er unter „Integration“ verstehe, antwortet er: „[D]as ist [eine] schwierige Frage […], weil ich immer noch Student [bin]. [D]ie Hochschule beschützt mich [sozusagen], ne?“ (IP 39, Z. 367–369). Erst wenn er das Studium abgeschlossen habe, müsse er „wirklich“ (IP 39, Z. 371) selbstständig sein und alles ohne Unterstützung erledigen. Daher könne er die Frage nicht beantworten (IP 39, Z. 373–374).

IP 6 erläutert, dass Zugewanderte im privaten Bereich die eigene oder auch ethnische Identität bewahren könnten, sich aber im öffentlichen Bereich so verhalten sollten, wie Deutsche es erwarten würden. Dafür müsse man sich gesellschaftliche Normen aneignen. Sie veranschaulicht ihr Verständnis von Integration am Beispiel der Religion. Sollten Zugewanderte dem Islam oder, um dies deutlicher hervorzuheben, sogar einer „afrikanische[n] Voodookultur“ (IP 6, Z. 1168–1183) angehören, bestünde damit kein Problem, solange sie diese Religion oder Kultur zuhause ausüben würden. Im Integrationsverständnis von IP 6 zeigt sich eine Scheinassimilation im öffentlichen Bereich bei zeitgleicher Segregation im privaten Raum. Dieses Verständnis zeigt sich auch in der Antwort von IP 20, die unter Integration „anpassen“ versteht und die Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft zur Konfliktvermeidung verwendet. Sie fügt an, dass „Integration“ für sie ein schwieriges Thema sei, da sie als Erwachsene nach Deutschland kam und aufgrund ihrer japanischen Sozialisation nicht die entsprechenden Vorgänge in der deutschen Gesellschaft kennt. So sei es auch für ihr Kind in der Kindertagesstätte schwierig, da sie nicht in Deutschland aufgewachsen sei und sich daher nicht vorstellen könne, was die alltäglichen Abläufe in einer deutschen Kindertagesstätte sind (IP 20, Z. 434–440). Sie merkt aber an: „Aber ich muss mich irgendwie anpassen, weil wir sonst irgendwann ein Problem haben. […] Und deswegen […] schaue ich da erstmal, wie sie sind, wie sie es machen und dann, egal, ob ich möchte oder nicht […], passe ich mich einfach an“ (IP 20, Z. 441–447). IP 18 geht ebenfalls auf die Trennung des privaten und öffentlichen Bereiches ein. Integration bedeute für sie, miteinander zu leben und einander zu verstehen. Integration bedeute nicht, Deutsch zu werden, doch solange sich Zugewanderte in Deutschland aufhielten, sollten sie die Deutschen verstehen und akzeptieren (IP 18, Z. 850–854). Da jede Person eine eigene Meinung besitzt, sei es unmöglich immer einer Meinung zu sein, doch eben zu akzeptieren, dass „dieser Mensch diese Meinung hat, das zu erkennen und zu akzeptieren“ (IP 18, Z. 860–861), das sei Integration. Sie greift die Kopftuchdebatte auf und äußert sich dazu insofern, als sie das Tragen eines Kopftuchs als Privatsache empfindet, was im privaten Bereich unproblematisch ist, bei der Arbeit aber nicht akzeptiert werden kann, da es sich dort um den öffentlichen Bereich handelt (IP 18, Z. 866–895). Vor dem Hintergrund von Terroranschlägen in Europa und der Debatte um das Verbot der Burka sagt sie, dass es besser sei, eine Burka abzulegen, wenn der Anblick dieser im öffentlichen Raum für Angst um die eigene Sicherheit sorge. Dies zu tun, auch wenn es möglicherweise unangenehm ist, sei Integration (IP 18, Z. 895–902). Für sie bedeutet Integration miteinander zu leben und auszukommen, auch wenn man unterschiedliche Ansichten oder Gepflogenheiten besitzt. So spiele es für sie keine Rolle, welche Religion ihr Nachbar besitze, solange sie miteinander auskommen. Dabei sei es wichtig, dass man dies privat halte und niemanden aufdränge. Sie selbst habe gelegentlich unangenehme Situationen geschaffen und erlebt, indem sie anderen Personen mithilfe ihres Glaubens Trost spenden wollte, indem sie feststellen musste, dass wenn diese Personen ihren Glauben nicht teilten, trostspendende Worte aus der Bibel größeren Schaden verursachen könnten (IP 18, Z. 906–958).

Gänzlich von den genannten Antworten weicht die Aussage von IP 25 ab. Sie hätte „Integration“ in dem Kontext, in dem sie lebt, gar nicht durchdacht (IP 25, Z. 500–501). Sie verbindet den Begriff in erster Linie mit der Integrationsproblematik von Personen, die unfreiwillig nach Deutschland gekommen seien und werde davon nur insofern berührt, als sie eine entsprechende Schule für ihre Kinder aussuchen müsste, in der die Vermittlung von Bildung nicht durch Migrantenkinder, die kein Deutsch sprechen könnten, beeinträchtigt würde und so dazu führe, dass ihre Kinder ein geringeres Humankapitel akkumulieren könnten (IP 25, Z. 562–596). Ihre Aussagen legen nahe, dass sie sich bereits als Mitglied der Mehrheitsbevölkerung sieht und sich mit dieser identifiziert. Eine weitere Problematik, die im Zusammenhang mit Integration steht, wird von IP 11Footnote 1 angeführt. Sie geht auf die Situation der in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken ein sowie ihre Instrumentalisierung zu politischen Zwecken vonseiten des Heimatlandes. Dass Herkunftsstaaten das Fortbestehen von Beziehungen zwischen Heimatland und Zugewanderten gelegentlich fördern, da sie die Transmigrantinnen und -migranten als Ressource und Wählerpotential betrachten, wurde bereits in Abschnitt 2.2.5 erläutert.

5.6 Analyse der Integrationsindikatoren

Abschließend werden in den folgenden Kapiteln die Ergebnisse aus den Interviews der qualitativen Studie in Hinblick auf die Integrationsindikatoren analysiert. Dabei wird zuerst die soziale, dann die strukturelle, kulturelle und abschließend die identifikative Dimension mit ihren jeweiligen Indikatoren betrachtet.

5.6.1 Soziale Dimension

Die soziale Integrationsdimension sowie ihre Indikatoren wurden bereits in Abschnitt 2.3.2 ausführlich dargestellt. Unter 4.4.3 wurden dann hinsichtlich der entsprechenden Indikatoren die Bedingungen, unter welchen eine Person als integriert gilt, aufgeführt. Hier werden nun die Interviewdaten unter der Berücksichtigung der Angaben in Abschnitt 4.4.3 in Hinblick auf die ausgewählten Indikatoren „interethnische Eheschließung“, „interethnische Freundschaften“, „Partizipation in Organisationen und Mitgliedschaft in Vereinen“ sowie „Inanspruchnahme der ethnischen community“ ausgewertet.

5.6.1.1 Interethnische Eheschließung

Wie in Abschnitt 2.3.2 beschrieben, versteht man unter einer interethnischen Ehe oder Partnerschaft eine Ehe oder Partnerschaft, die zwischen einer Person mit deutscher Staatsbürgerschaft ohne Migrationshintergrund und einer zugewanderten Person, in diesem Fall einer Japanerin oder einem Japaner, geschlossen wurde. Ehen oder Partnerschaften zwischen Zugewanderten gelten als intraethnisch, auch wenn die Personen unterschiedliche ethnische Wurzeln aufweisen mögen. Die Auswertung der Interviews hat diesbezüglich ergeben, dass sich von den 28 verheirateten Personen, wie aus Tabelle 5.2 ersichtlich, 21 Personen (75 %) in einer interethnischen Ehe befinden. Wie in Abschnitt 2.3.2 dargelegt, werden neben interethnischen Ehen auch interethnische Partnerschaften betrachtet. Vier Personen (10,3 %) befinden sich in einer Partnerschaft mit einer deutschen Partnerin oder einem deutschen Partner. Insgesamt leben somit 25 Befragte in einer interethnischen Beziehung. Keiner der Befragten befindet sich in einer intraethnischen Partnerschaft, doch haben sieben Personen eine intraethnische Ehe geschlossen, wobei vier Personen (14,3 %) mit einer Japanerin bzw. einem Japaner und drei weitere Personen (10,7 %) mit einer Person anderer Nationalität verheiratet sind.

Tabelle 5.2 Inter- und Intraethnische Beziehungen der Befragten

Zusätzlich zu den oben genannten Ergebnissen ging aus dem qualitativen Forschungsmaterial hervor, dass sich fünf Personen (12,8 %) von einem Partner scheiden ließen. Hierunter fallen IP 10 und IP 16, die sich zuvor von einem Deutschen scheiden ließen und nun erneut mit einem Deutschen verheiratet sind. IP 23 ließ sich von einem Deutschen scheiden und ist zum Zeitpunkt des Interviews erneut mit einem Deutschen liiert. IP 5 ließ sich von einem Japaner scheiden und IP 38 hatte sich sowohl von einem Japaner als auch zu einem späteren Zeitpunkt von einem Deutschen scheiden lassen. Beide zuletzt genannten Personen sind zurzeit des Interviews ledig.

In Hinblick auf die Anmerkungen von Haug (2006) und Rother (2008) (vgl. Abschnitt 2.3.2) geht aus dem vorliegenden Material hervor, dass von den 21 Personen, die sich in einer interethnischen Ehe befinden, 66,7 % (n = 14) ihre Partnerin bzw. ihren Partner in Deutschland kennengelernt haben. 28,6 % (n = 6) trafen ihre zukünftige Ehefrau bzw. ihren zukünftigen Ehemann in Japan und eine Person (4,8 %) in einem anderen Land außerhalb Deutschlands und Japans. 85,7 % (n = 18) gingen in Deutschland die Ehe ein, 14,3 % (n = 3) heirateten in Japan.

5.6.1.2 Interethnische Freundschaften

Von den 39 Interviews konnten bezüglich des Indikators „Interethnische Freundschaften“ 36 ausgewertet werden. Tabelle 5.3 veranschaulicht die Verteilung von inter- und intraethnischen Freundschaften der Befragten. Wie aus den Erläuterungen in Abschnitt 4.4.3 hervorgeht, zählen sowohl freundschaftliche Beziehungen zu Deutschen als auch zu Personen anderer Nationalität zu interethnischen Freundschaften. Bestehen ausschließlich Freundschaften zu Personen anderer Nationalität oder freundschaftliche Beziehungen zu derselben ethnischen Gruppe, sogenannte intraethnische Freundschaften, ist darauf zu achten, ob die befragte Person überwiegend freundschaftliche Kontakte zu Deutschen pflegt. Nur wenn sich der Freundeskreis aus überwiegend deutschen Personen zusammensetzt, gelten Zugewanderte mit freundschaftlichen Beziehungen zu Personen weiterer Nationalitäten als integriert (vgl. Abschnitt 2.3.2 und Abschnitt 4.4.3).

Die Auswertung der Interviews ergibt hinsichtlich inter- und intraethnischer Freundschaften folgendes Bild:

Tabelle 5.3 Inter- und Intraethnische Freundschaften der Befragten

Wie aus der Auflistung in Tabelle 5.3 ersichtlich, liegen lediglich bei drei Personen (8,3 %) Freundeskreise mit ausschließlich deutschen Personen vor. Weitere 19 Personen (52,8 %) nennen neben einer Mehrheit an Freundschaften zu deutschen auch Freundschaften zu japanischen Personen und 6 Personen (16,7 %) pflegen Freundschaften zu überwiegend deutschen Personen, aber auch Personen japanischer und weiterer Nationalitäten, während die Freundeskreise von sechs weiteren Teilnehmenden (16,7 %) ausschließlich aus japanischen Personen bestehen und somit intraethnisch sind. Zwei Personen (IP 23 und IP 39) gaben an, keine Freundinnen und Freunde zu haben, weshalb sie bei der Auswertung nicht berücksichtigt werden. IP 30 (Z. 196–197; Übers. d. Verf.) sagt ganz klar: „Ich denke, dass ich Freunde haben möchte, aber es gibt noch keine Personen, die ich Freunde nennen kann“. Durch ihren Fahrradclub konnte sie allerdings Bekanntschaften mit deutschen Personen schließen und sie ergänzt, dass sie sich „nicht übermäßig mit japanischen Personen“ (IP 30, Z. 301; Übers. d. Verf.) umgibt. IP 23 (Z. 212–218) sagt über ihren Freundeskreis: „[I]ch habe fast keine Freunde mehr […]. Ich habe mich entfernt oder entfremdet, kann man sagen, ja. Oder, wie soll ich sagen? Wir haben keine gemeinsamen Interessen“.

Wie bereits erwähnt, sind sechs Personen mit Personen anderer Nationalität als der deutschen oder japanischen befreundet. Aus den Interviews geht hervor, dass dies durchaus strukturell bedingt sein kann. So gehen beispielsweise drei Personen (IP 13, IP 16, IP 28) darauf ein, dass sie in der Sprachschule keine Möglichkeit hatten, Deutsche kennenzulernen. IP 13 (Z. 249–250) gibt an, dass ihre Freunde damals durchweg ausländisch waren, da sie als Sprachschülerin in der Sprachschule ausschließlich zu anderen ausländischen Sprachschülerinnen und Sprachschülern Kontakt hatte. Erst nach der Aufnahme eines Studiums im Anschluss an ihre bestandene Sprachprüfung beginnt sich ihr Freundeskreis, um deutsche Personen zu erweitern:

[E]s gibt jetzt mehr Deutsche in meinem Freundeskreis. [A]lso damals war ich einfach Sprachschülerin, dadurch kenne ich kaum Deutsche. Also in der Schule sind alle Ausländer. […] Und durch [das] Studium habe ich [mich] auch [mit] Deutsche[n] angefreundet […]. Dann in de[m] Kindergarten von [den] Kindern habe ich neue Freunde [gefunden], Eltern. Ja, also durch mein Kind, also ich habe dadurch mehr deutsche Freunde. Also ausländische Freunde natürlich auch. Und meine beste Freundin vom Sprachstudium ist Indonesierin. Und der Freundeskreis mein[es] Mann[es] ist jetzt auch mein Freundeskreis. […] Natürlich kenne ich dadurch viele Deutsche. (IP 13, Z. 554–581)

Ein ähnlicher Verlauf findet sich bei IP 16. Sie lernte zwar nach ihrer Ankunft die Freunde ihres Mannes kennen, betrachtete diese aber nicht als ihre eigenen Freunde. In der Sprachschule schloss sie dann zunächst Freundschaften mit ausländischen Personen, die später im Studium durch Freundschaften zu Deutschen ergänzt wurden:

[N]atürlich waren die Freunde meines Mannes nett zu mir, aber ich habe seine Freunde getroffen und dachte, es wären nicht meine Freunde. Deshalb habe ich als Erstes zunächst, nachdem ich an der Sprachschule war, dort eigene Freunde gefunden. Zuerst habe ich mich mit Ausländern, die selbst an die Sprachschule kamen, angefreundet […]. Und als ich zur Uni ging, konnte ich dieses Mal Freundschaften mit Deutschen schließen. (IP 16, Z. 372–382; Übers. d. Verf.)

Freundschaften zu Personen anderer Nationalität werden aber auch als Bereicherung wahrgenommen, so wie bei IP 10. Sie betont, dass sie ihre Freundschaften zu Personen anderer Nationalitäten pflegt, die bedingt durch den Besuch von Volkshochschulkursen zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland entstanden sind. Aus einer dieser Freundschaften ging zudem die Patenschaft zu einem ihrer Kinder hervor (IP 10, Z. 218–219). Zudem hat sie aufgrund diverser Umzüge innerhalb Deutschlands Freundinnen und Freunde in verschiedenen Städten (IP 10, Z. 156–160). Zu ihren Beziehungen zu Japanerinnen und Japanern sagt sie lachend: „Und dann mit den Japanern habe ich nicht so viel zu tun gehabt. Wollte ich nicht. Weil ich viel gehört habe. Ich bin extra nach Deutschland gekommen und warum muss ich, na, dieses japanische Ghetto kennenlernen?“ (IP 10, Z. 223–227). Aus ihrem Interview geht hervor, dass sie es genießt, in Deutschland Menschen verschiedener Nationalität zu begegnen und sich mit ihnen anzufreunden. Ihrer Meinung nach gebe es überall gute und schlechte Menschen (IP 10, Z. 868–870): „Deswegen sind Nationalitäten für mich rein formell, es spielt keine Rolle und ich habe hier auch sehr viele ausländische Freunde und Freundinnen. Also sowas kann ich in Japan nicht haben“ (IP 10, Z. 870–874).

Wie bereits oben an einigen Beispielen deutlich wurde, lassen sich aus den Interviews außerdem Informationen darüber entnehmen, wo die befragten Personen Freundinnen und Freunde gefunden haben. Neben der Sprachschule knüpften die meisten Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer (16) Freundschaften über die Arbeit. IP 14 sagt: „Anlass, hier Freundschaften zu schließen war, ähm, zuerst, am Anfang waren es Kollegen. Mit den Japanern, mit denen ich zusammengearbeitet hatte, habe ich mich gut angefreundet“ (Z. 376–378). IP 25 äußert sich ähnlich: „ja, gut, das sind ja Arbeitskollegen, Arbeitskolleginnen, aber zum Beispiel […] im Dolmetscherkreis und so da machen wir auch was privat zusammen. Ja, das sind dann auch Arbeitskollegen und gleichzeitig auch Freunde“ (Z. 656–661).

Mit jeweils neun Personen wurden am zweithäufigsten Freundschaften (a) über Hobbys, wie das Interesse an Musik und dem Theater bzw. durch die Teilnahme an Volkshochschul- und Sportkursen, und (b) über die Kinder geschlossen. Neun Personen lernten über Sport oder die Teilnahme an Volkshochschul-Kursen Freundinnen und Freunde kennen. Neun Japanerinnen geben an, dass sie über ihre Kinder Freundschaften geschlossen haben. Die Freundschaften, die japanische Mütter zu anderen japanischen Müttern aufbauen, werden auch als mama-tomo bezeichnet, was in etwa „befreundete Mütter“ bedeutet. Durch diese regelmäßigen Kontakte und die hieraus erwachsenen engen Beziehungen werden frühere Freundschaften, vor allem zu Deutschen, weniger intensiv gepflegt. IP 20 hat durch die Ergänzungsschule, die ihr Sohn besucht, bzw. durch ihr Kind im Allgemeinen ebenfalls mama-tomo gefunden. Dazu sagt sie: „Ich sehe sie dann ziemlich oft. Also deswegen treffe [ich] mich nicht mehr mit den deutsche[n] Freunde[n] […]“ (IP 20, Z. 395–397. IP 25 erläutert, dass sie über die Kinder Familien verschiedener Hintergründe, also Elternteile, die nach Deutschland versetzt wurden, oder Eltern, die sich selbstständig dazu entschieden haben, nach Deutschland zu kommen, sowie Eltern mit verschiedenen Berufen und aus verschiedenen Ländern kennengelernt hat. Sie habe über die Kinder, durch die Japanische Schule, „viele Freunde kennengelernt“ (IP 25, Z. 639): „[M]it einigen Müttern gehe ich dann auch abends, wenn Papas zuhause sind, ins Restaurant“ (IP 25, Z. 640–641). IP 36 sagt: „[J]etzt, seitdem ich Mutter geworden bin, habe ich mehrere Mütter, japanische Mütter als Freunde“ (Z. 147–150). Sie fügt hinzu: „Aber [im] Freundeskreis hatte ich generell auch sehr viel[e] Deutsche. Ich habe nicht immer japanische Freunde gesucht oder so, sondern fühlt[e] mich schon integriert und brauchte auch nicht unbedingt so Japanische Gesellschaft oder Verein oder sowas suchen. Aber durch die, ja, die Kinder“ (IP 36, Z. 145–156). Im Fall von IP 37 generieren mama-tomo ihren gesamten Freundeskreis.

Neben dem Umstand, Freundschaften durch Hobbys oder über die Kinder zu schließen, besteht auch die Möglichkeit, im Studium Freundschaften zu schließen. Dies war bei acht Teilnehmenden der Fall. Bei fünf Personen wurde der Freundeskreis durch den Besuch einer Sprachschule oder Summer School zum Zeitpunkt des letzten und somit andauernden Aufenthalts erweitert.

Aus den Interviews gehen weitere Arten, Freundschaften zu knüpfen, hervor. So setzen sich die Freundeskreise von IP 34 und IP 35 aus Personen zusammen, die sie beim Feiern kennengelernt haben. IP 32 (Z. 5–10) hatte einen ersten Kontakt zu Deutschland über einen Brieffreund, mit dem sie nach wie vor in Kontakt steht. In Deutschland war sie dann Mitglied in einer Tanzgruppe, durch die sie sich mit den japanischen Mitgliedern angefreundet hat (IP 32, Z. 156–175). IP 20 hatte zunächst Freunde durch ihre Tandempartnerin kennengelernt, doch diese zogen nach und nach weg. Später lernte sie jedoch ein „paar Japanerinnen oder Japaner“ (IP 20, Z. 390–391) kennen, wodurch sie einen größeren Freundeskreis erschließen konnte. Auch IP 22 lernte zunächst durch Bekannte neue Freundinnen und Freunde kennen: „Ursprünglich, bevor ich kam, habe ich mithilfe meiner Bekannten eine Person vorgestellt bekommen, die hier (Institution) arbeitet. Ich habe sie direkt getroffen, ja. Und weil wir gleich alt sind, haben wir uns ziemlich gut angefreundet“ (IP 22, Z. 91–95; Übers. d. Verf.). Außerdem fand sie über ihr damaliges Praktikum Freundinnen und Freunde, wodurch sich ihr Freundeskreis stetig vergrößerte (IP 22, Z. 99).

Eine weitere Möglichkeit, um Freundschaften zu schließen, führt IP 9 an. Sie nutzte hierfür das Internet:

Ich war so einsam. Deswegen habe ich auch im Internet viel gesucht. [A]lso es gibt verschiedene Seite[n], wo [sich] Japaner in Deutschland kennenlernen können. Genau. [D]a habe ich erst viele Freunde gesucht. Dann so viel kennengelernt. Dann langsam habe ich mehr Freunde bekommen. (IP 9, Z. 138–144)

Wie aus dem obigen Beispiel bereits hervorgeht, stellen einen weiteren wichtigen „Ort“ zum Kennenlernen die Möglichkeiten der Digitalisierung dar. Wie aus den Interviews hervorgeht, wird das Internet als ein weiterer Schlüssel zur Kontakterschließung bzw. zur Kontaktaufrechterhaltung mit Freundinnen und Freunden und Familie im Heimatland angesehen. Sieben Personen halten hierüber zudem Freundschaften zu Personen aufrecht, die sie vor ihrer Migration nach Deutschland in Japan oder in vorherigen Aufenthaltsländern kennengelernt hatten. Zu ihren Freundschaften in Japan sagt IP 12:

[I]n Japan hatte ich dann sowieso viele Freunde damals und wir haben immer noch Kontakt. [U]nd wenn ich wieder zurückkomme, dann treffen wir uns immer wieder mal so von der Grundschule, von der Uni, von der Mittelschule oder auch vom Sport oder weiß ich nicht. Also auf jeden Fall von vielen Gruppen. (IP 12, Z. 776–781)

Aufgrund der Wahl des Interviews als Erhebungsmethode lassen sich noch weitere Erkenntnisse aus dem Material generieren. Neben den beiden bereits genannten Personen, die angaben, dass sie keine Freundinnen und Freunde hätten, gab es darüber hinaus Personen, die sich mit Begriffen wie „Freunde“ oder „Freundschaft“ schwertaten. IP 2 merkt zunächst an, dass „viel“ oder „wenig“ subjektiv bewertete Begriffe sind: „‚viel‘Footnote 2 oder ‚wenig‘, schau‘, [ist] ‚relativ, ne‘? (IP 2, Z. 131–132; Übers. d. Verf.) „[E]s sind jetzt keine hundert Freunde, aber Freunde habe ich schon.“ (IP 2, Z. 133–136; Übers. d. Verf.). Sie führt weiter aus, dass sie über den Sport Personen kennengelernt hat, zu denen sich teilweise Freundschaften entwickelt haben (IP 2, Z. 143–148).

Auch IP 1 bewertet die Quantität der Freundschaften subjektiv, wie aus den folgenden Auszügen ihres Interviews deutlich wird: „Also zunächst: ich habe nicht so viele Freunde“ (IP 1, Z. 539–540). Sie nennt anschließend ihre „wichtigsten“ (IP 1, Z. 541) Freundinnen und Freunde, drei Japanerinnen, und führt fort: „[D]ann […] habe ich nur deutsche [Freunde]“ (IP 1, Z. 550–551). Sie fügt außerdem hinzu, dass sie unter ihren Kolleginnen und Kollegen noch Freundinnen und Freunde anderer Nationalitäten hat (IP 1, Z. 555).

Darüber hinaus werden auch Differenzierungen vorgenommen. IP 17 unterscheidet beispielsweise zwischen Bekannten, guten Bekannten und Freundinnen bzw. Freunden:

Also in Japan habe ich richtige Freundinnen vielleicht vier. […] Und sie besuchen mich manchmal auch hier […] und dann bleiben sie auch paar Tage bei mir und übernachten dann auch. Das sind so die japanischen Freundinnen. Und in Deutschland, da habe ich noch eine Freundin, die lebt leider jetzt [im Ausland: Anmerkung d. Verf.], ist aber eine Deutsche. […] Das ist wirklich eine gute Freundin. Ja, und sonst sind die anderen eher so über diesen beruflichen dann […]. Und da sind so ein paar wirklich auch als gute Freunde hängengeblieben. Und das sind alles Deutsche. […] Insofern bin ich da sehr zufrieden, aber japanische Freunde, einen japanischen Freundeskreis habe ich hier in Deutschland nicht. Sind eher so gute Bekannte. Also, ich unterscheide das dann schon. Ob das Freunde sind, oder Bekannte sind, und sehr gute Bekannte. (IP 17, Z. 534–535; 573–578)

Aus ihrer Schilderung geht zudem hervor, dass sie eine Unterscheidung nach dem Aufenthaltsort der Freundinnen und Freunde vornimmt, welche aber für die Bewertung der Integration keine Rolle spielt. Dies gilt auch für IP 4. Er gibt an, noch einige Beziehungen zu ehemaligen Kollegen aus der Zeit als Expatriate zu haben, die aber alle nach Japan zurückgekehrt seien (IP 4, Z. 692–693).

Wie schon IP 17 betrachtet auch IP 38 den Freundschaftsbegriff differenzierter: „[A]lso Freund[e] gibt es ja eigentlich nicht so viel[e], ne? Finde ich. Also zusammen einkaufen gehen und dann blablabla. Das ist ja kein Freund, ne?“ (IP 38, Z. 395–398). Solche Kontakte empfindet sie als oberflächlich und misst ihnen geringen Wert zu: „Es gibt ja keine, also wirklich echte Freund[e], glaube ich. [D]em du wirklich alles erzählen oder [mit dem du] über Kunst reden [kannst] und so weiter, gibt es nicht“ (IP 38Z. 415–418). IP 19 sagt ebenfalls ganz deutlich:

Ich habe keine sozusagen echte[n] Freunde, japanische Freunde hier. Ich kenne sehr viele Japaner, wenn ich sie sehe und sie irgendwo treffe, begrüße ich ganz freundlich, ganz normal. Spreche ich, plaudere ich, aber Freunde habe ich nicht. Im gewissen, äh echten (I: Im engen Sinne?), ja? Freunde. Ich weiß es nicht. […] Ich habe noch einige deutsche Freunde, die in Japan leben. Wir haben in jüngeren Zeiten Freud und Leid zusammen erfahren, in den 68ern. Ohne solche gemeinsame[n] Erfahrungen kann ich nicht echte Freunde finden. Als echte Freunde bezeichnen. Kann ich nicht. So Trinkfreunde oder sowas gibt es. Aber ne, das sind dann keine echte[n] Freunde. (IP 19, Z. 517–534)

IP 31 geht ebenfalls auf dieses Thema ein:

In [deutsche Stadt] habe ich nur noch deutsche Freunde […]. Wir treffen uns regelmäßig. […] Japaner gar nicht mehr. Die sind entweder schon nach Japan gegangen. Wenn sie leben, meistens 80, 90, 100. Und Todesanzeige bekomme ich immer, ne? Und wenn sie hier leben, gehen sie auch nicht raus. (IP 31, Z. 1079–1085)

In diesem Zitat zeigt sich ein weiteres Thema, welches durch die Erzählungen offensichtlich wurde: Ältere interviewte Personen gehen darauf ein, dass Freundschaften aufgrund des hohen Alters und des damit einhergehenden Versterbens der Freundinnen bzw. Freunde zu Ende gehen. IP 4 sagt diesbezüglich: „Ja, ich habe noch Beziehungen, also alte Kollegen, aber viele sind schon gestorben. Ja? Leider. Alle sind also sehr alt geworden, nicht?“ (IP 4, Z. 684–687). Nicht nur durch das Alter kann der Freundeskreis schrumpfen, sondern auch durch den Wegzug der Freundinnen und Freunde. IP 5 gibt an, dass sie aus ihrer Studienzeit noch japanische Freundinnen und Freunde in Deutschland hatte, die dann, als sie nach Deutschland zurückkehrte, aber bereits wieder in Japan waren. Sie fügt hinzu, dass sie nach ihrer erneuten Ankunft in Deutschland kein großes Interesse hatte, Freundschaften zu schließen: „[I]ch bin widerwillig rausgegangen und hatte nicht vor, mich mit Japanern anzufreunden, weil ich sofort mit der Jobsuche angefangen und bei einer Firma angefangen habe“ (Z. 207–209; Übers. d. Verf.).

Des Weiteren geht aus den Interviews hervor, dass das Knüpfen von Freundschaften über die Mitgliedschaft in Vereinen und die Teilnahme an Vereinsaktivitäten erfolgreich verlaufen, aber auch scheitern kann. Dies zeigt sich insbesondere bei IP 29 und IP 33. IP 33 (Z. 428–429) gibt an, dass er über den Golfclub Freundschaften geschlossen habe. Er hätte bereits in Japan Golf gespielt und bezeichnet sich selbst als guten Spieler, weshalb er in Deutschland unter den Golfclub-Mitgliedern sofort akzeptiert worden wäre und Freundschaften knüpfen konnte (IP 33, Z. 428–432). IP 29 hatte bereits über die Arbeit Bekannte und Freundinnen bzw. Freunde gefunden, entschloss sich aber, sich darüber hinaus in einem Chor zu engagieren, um Kontakt zu deutschen Personen zu knüpfen:

Das kam daher, dass ich es machen wollte, natürlich, weil ich Musik mag. Das war der erste Grund. Wenn ich dort mitmache, dachte ich, dass ich abgesehen von den Firmenleuten, […] mich mit mehr Deutschen austauschen kann. Dass die Möglichkeit besteht, fand ich gut und begann deshalb. Das war der zweite Grund. (Z. 446–451; Übers. d. Verf.)

Er sagt aber selbst, dass er „nicht so sehr an den Gesprächen teilnehmen“ (IP 29, Z. 455–456; Übers. d. Verf.) könne, weshalb sein Unterfangen, Freundschaften zu deutschen Personen über die Mitgliedschaft im Chor zu knüpfen, bisher erfolglos verlief: „[O]bwohl ich seit 10 Jahren in dem gleichen Chor bin, habe ich abgesehen von Grüßen mit den Deutschen nichts ausgetauscht, zum Beispiel, dass wir zusammen ausgehen oder mich jemand besuchen kommt, solche Beziehungen sind nicht entstanden“ (IP 29, Z. 456–459; Übers. d. Verf.). Er fügt allerdings hinzu: „[V]or einigen Jahren habe ich das Fahrradfahren als Hobby verfolgt und es gab viele, nun, Expatriates von der anderen Firma, aber Personen, die keine Expatriates waren, waren auch zahlreich vorhanden. Ich konnte mich mit diesen, nun, ein wenig anfreunden“ (IP 29, Z. 585–589; Übers. d. Verf.).

In diesem Zusammenhang schildert IP 20 ein Erlebnis, das sie zum Rückzug von deutschen Personen bewegt haben könnte. Sie meint, dass sie in Deutschland ein paar japanische Freundinnen hat, die sie ab und zu trifft, doch fühlt sie sich beispielsweise in der Kita ihres Sohnes ausgeschlossen, da sie dort lediglich eine Mutter, die mit einem Japaner verheiratet ist, kennt, und zu den anderen Eltern keinen Kontakt hat. Hierzu sagt sie: „[I]ch weiß schon, dass sie dann schon untereinander immer sprechen und dann was unternehmen, aber natürlich dann niemand fragt mich und dann. Dann bin ich auch nicht so. Wenn jemand fragt, dann komme ich natürlich, aber ich bin nicht so mutig“ (IP 20, Z. 789–794).

Während bestimmte Umstände dazu führen können, dass sich die Befragten von Deutschen zurückziehen, kann das gemeinsame Erlebnis „Migration“ unter ihnen verbindend wirken, wie aus dem Interview von IP 12 hervorgeht:

[Ich habe] [v]iele japanische Freundinnen, würde ich sagen, ne? Die mit [einem] Deutsche[n] verheiratet sind oder verheiratet waren, ja. Ja, also als Japanerin in Deutschland weiterzukommen ist ja nicht so ganz einfach. Grade am Anfang hatten wir gemeinsame Schwierigkeiten. [Durch] diese Schwierigkeiten kann man relativ, ja, schnell, ja, wie sagt man? Befreundet [sein]. (IP 12, Z. 549–562)

Aus den Antworten von IP 3 und IP 39, zweier Kunstschaffender, geht hervor, dass für Kunstschaffende Sozialkapital in Form von Freundschaften sowie Netzwerken überlebenswichtig ist:

Weitere deutsche Bekannte, ja, sind Chormitglieder, aber wahrscheinlich habe ich eins, zwei, drei, vier, ungefähr 200 Bekannte, denke ich. Ja. Deshalb, deswegen, weil ich diese deutschen Bekannten durch die Musik habe. Nun, aber, ob man sie als Freunde bezeichnen kann, weiß ich nicht, aber es gibt auch Personen, die ich nun schon 20 Jahre so kenne. Nun, Bekannte. Mittlerweile gibt es auch gute Freunde, auch Leute, die insbesondere zu meinen „privat“ Stunden kommen, sie haben mir sehr geholfen, die Deutschen. (IP 3, Z. 177–187; Übers. d. Verf.)

Ähnliche Erfahrungen teilt auch IP 39, ein Musikstudent, der zu Beginn niemanden in Deutschland kannte und sich ein Netzwerk aufbauen musste, da dies für seine Karriere notwendig ist:

[I]ch möchte natürlich gerne als Musiker tätig sein und ich möchte gerne lieber in Deutschland bleiben, nicht nach Japan zurückkehren. […] Weil ich schon sehr gute Beziehungen hier in Deutschland habe und Freundschaft[en] auch. In Japan habe ich leider keine musikalischen Beziehungen. Deswegen für mich, [ist es] leichter, dass ich in Deutschland bleibe. (Z. 282–284, 287–291)

Nach der Betrachtung des Indikators der interethnischen Freundschaften sowie der Darlegung weiterer Erkenntnisse hierzu wird im Folgenden der Indikator „Partizipation in Organisationen und Mitgliedschaft in Vereinen“ ausgewertet.

5.6.1.3 Partizipation in Organisationen und Mitgliedschaft in Vereinen

Hinsichtlich der Partizipation in Organisationen und Mitgliedschaft in Vereinen liegen lediglich von 29 (74,4 %) der 39 Teilnehmenden verwertbare Angaben vor. Von diesen 29 Personen sind 13 Personen (44,8 %) Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Entsprechend muss von einer Binnenintegration, im Sinne der in Abschnitt 2.3.2 erläuterten binnenintegrativen Leistung von Vereinen, gesprochen werden. 16 Personen (55,2 %) besitzen keine Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Organisation.

Als weitere Erkenntnis geht aus den Interviews bei den genannten Vereinen und Organisationen eine landesspezifische Ausrichtung hervor. Unter den 13 Vereinsmitgliedern befinden sich 5 Personen (38,5 %), die Mitglied bei einem deutschlandbezogenen Verein sind. Zwei dieser Personen sind zusätzlich Mitglied in einem japanbezogenen Verein. Die übrigen acht Vereinsmitglieder (61,5 %) sind entweder Teil japanbezogener oder multikultureller Vereine bzw. Organisationen, die wie folgt ausgerichtet sind: ethnisch-kulturell (7), aber auch auf Sport ausgerichtet (5), sozial (1), sozial-politisch (1) und mit Bezug zur Musik (1). Darüber hinaus sind die Vereinsmitgliedschaften in zwei Fällen mit der Arbeit verbunden und bei drei Personen durch die Teilhabe an der japanischen community bedingt.

Überdies zeigt die Auswertung der Interviews, dass zwei Personen einst Mitglieder in einem Verein waren, dieses Engagement aber aus Zeitgründen nicht mehr aufrechterhalten können (IP 1, IP 38). Eine Person gibt an, zwar zurzeit kein Mitglied eines Vereins zu sein, sich aber, sobald sie in Rente ist, sozial engagieren zu wollen (IP 6, Z. 1096–1104).

Dass eine Vereinsmitgliedschaft aber nicht immer auch einen positiven Nutzen für die Integration mit sich bringt, wird anhand der Aussagen von IP 8 deutlich. Sie berichtet nämlich, dass sie vor ihrer Schwangerschaft eine leitende Position in einem japanbezogenen Verein innehatte und diese nach der Geburt ihres Kindes aufgeben musste. Sie sagt: „Was ist denn der Vorteil, wenn ich bei (japanischer Verein) mitmache? Es gibt keinen Vorteil. Einfach passiv mitmachen“Footnote 3. Sie wägt also Vor- und Nachteile einer aktiven Mitgliedschaft ab und kommt zu dem Schluss, dass sich eine passive Mitgliedschaft eher lohne als eine aktive. Es zeigt sich entsprechend, dass eine Mitgliedschaft vermerkt sein kann, diese aber nur „auf dem Papier“ stattfindet, wodurch die Aussagekraft dieses Indikators unterlaufen wird. Personen können offiziell in Vereine oder Organisationen eingebunden und auch ordentliche Mitglieder sein, aber abgesehen von einer finanziellen Unterstützung, in Form des zu überweisenden Mitgliedschaftsbeitrags, keinen Beitrag für den Verein erbringen und den Aktivitäten fernbleiben.

5.6.1.4 Inanspruchnahme der ethnischen community

Neben den Angeboten, welche die Aufnahmegesellschaft bereit hält, bietet auch die japanische community Dienstleistungen oder kulturelle Angebote an, die von Zugewanderten oder auch Personen der Mehrheitsbevölkerung in Anspruch genommen werden können. Insgesamt lassen sich aus 31 der 39 Interviews hierzu Informationen entnehmen. Nach den Erläuterungen in Abschnitt 2.3.2 und 4.4.3 wird in diesem Kapitel die Nutzung der gastronomischen Gegebenheiten, der kulturellen Angebote und Dienstleistungen der japanischen community durch die befragten Personen betrachtet. Innerhalb der ethnischen community werden in erster Linie kulinarische Angebote über japanische Restaurants oder Supermärkte in Anspruch genommen (23), es folgt das Wahrnehmen von kulturellen Angeboten (17), die Inanspruchnahme der ethnischen community aufgrund der Kinder (5) und die Teilnahme an Sportveranstaltungen innerhalb der ethnischen Gemeinde (2).

Die Nutzung der ethnischen community in Bezug auf die Kinder zeigt sich im Nutzen der auf Familien ausgerichteten Infrastruktur wie japanischer Spielgruppen, Kindergärten oder Schulen, die den Kindern beim Erlernen der japanischen Sprache und japanischer Gepflogenheiten behilflich sein sollen bzw. zur Vermittlung der japanischen Kultur dienen. Neben dem Nutzen japanischer Spielgruppen, Kindergärten und Schulen engagiert eine Person eine japanische Babysitterin (IP 20, 813–814). IP 13 sagt bezüglich der Nutzung der auf Familien ausgerichteten Infrastruktur: „ich möchte, dass meine Kinder Japanisch sprechen und sie [das Zubereiten von] japanische[m] Essen und die japanische Kultur von mir [er]lernen“ (IP 13, Z. 404–407).

Neben der Nutzung der familiären Infrastruktur wird die japanische community zu folgenden Zwecken genutzt: IP 3 nimmt die japanische community zu beruflichen Zwecken in Anspruch, in dem sie den japanischen Tempel als Veranstaltungsort ihrer Teezeremonien nutzt und am Japan-Tag beim Ankleiden des Kimonos hilft. Sowohl IP 18 als auch IP 26 nutzen die japanische community zu Recherchezwecken und verwenden sie für ihre literarischen Erzeugnisse. So veröffentlichen sie Artikel oder auch Bücher über die japanische community vor Ort bzw. zu Themen, die diese berühren.

In Hinblick auf die ethnische Gastronomie werden in unterschiedlichem Maße japanische Supermärkte und Restaurants aufgesucht. So sagt IP 2, dass sie etwa ein Mal die Woche japanisches Essen einkaufe, da sie „gerne japanische Sachen essen“ (IP 2, Z. 172) würde. Sie merkt an, dass sie nicht jeden Tag Japanisch essen müsse, sondern ein Mal die Woche reiche für sie aus (IP 2, Z. 173). Der Erzählung lässt sich entnehmen, dass sie nicht auf Reis verzichten möchte (IP 2, Z. 174). Sie geht auch gerne im Restaurant essen, verweist allerdings darauf, dass es nicht immer japanische Restaurants sein müssten (IP 2, Z. 186–189). IP 37 hingegen antwortet auf die Frage, ob sie zu japanischen Restaurants gehe, dass sie noch in keinem gewesen sei und immer nach Empfehlungen gefragt werde (IP 37, Z. 225–228). Stattdessen bereite sie zuhause japanisches Essen zu und brauche daher nicht außerhalb essen zu gehen (IP 37, Z. 230–231).

Aus den Interviews geht außerdem hervor, dass japanische Restaurants nicht unbedingt aus persönlichem Interesse aufgesucht werden bzw. japanisches Essen nicht immer aufgrund persönlicher Vorlieben zubereitet wird, sondern sowohl berufliche Gründe eine Rolle dafür spielen, aber auch auf Wunsch von Freundinnen und Freunden darauf zurückgegriffen wird. So merkt IP 1 an, dass sie manchmal für deutsche Freunde auf deren Wunsch koche (Z. 865–870). In diesem Fall bezieht sie die Zutaten dann aus der japanischen community in Deutschland (IP 1, Z. 870–871). IP 27 besucht japanische Restaurants zum einen wegen ihrer Freundinnen und Freunde als auch aus beruflichen Gründen (IP 27, Z. 356–369). Ihre Aussagen deuten darauf hin, dass sie persönlich wenig daran interessiert ist, in einem japanischen Restaurant zu essen, dies aber den Freundinnen und Freunden zuliebe tut bzw. durch die Arbeit darauf angewiesen ist. Sie sagt, dass sie zwar gelegentlich selbst Japanisch koche, sich aber an das deutsche Essen gewöhnt habe (IP 27, Z. 373–375). Auch IP 6 gibt an, dass sie japanische Restaurants aus privaten und beruflichen Gründen besucht. Zum einen gehe sie am Ende des Semesters immer mit jeder Klasse essen, zum anderen habe sie mit ihrer Familie ein Stammlokal (IP 6, Z. 619–620, Z. 639–640). Für IP 17 und IP 31 ist japanisches Essen mit persönlichem Wohlbefinden verbunden. So meint IP 17, dass sie sich japanisches Essen zubereitet, wenn es ihr nicht so gut gehe, und bezeichnet diese Mahlzeiten als „soul food“ (IP 17, Z. 443) und IP 31 isst umeboshi, in Salz eingelegte Pflaumen, um seine Gesundheit zu verbessern (IP 31, Z. 950). Im Gegensatz dazu gibt IP 34 an, dass er in Deutschland Würstchen und Döner esse (IP 34, Z. 410). Im Restaurant zu speisen, empfindet er als teuer und er bereitet sich stattdessen lieber Milchreis zu. Zum Verspeisen von Milchreis sagt er: „Das ist gewöhnlich ein japanisches Gefühl und ich koche im Reiskocher. Keinen japanischen Reis, ich esse deutschen ‚Milchreis‘“ (IP 34, Z. 502–504; Übers. d. Verf.). IP 3 beschreibt die Entwicklung der japanischen Restaurants in ihrer Stadt: „Früher, als ich ankam, war japanisches Essen teuer. Aber jetzt ist es nicht mehr so teuer. […] Das japanische „Lunch-Menü“ kostet ungefähr 10 bis 15 Euro. Und da sind die Getränke mit dabei“ (IP 3, Z. 207–209; 213–215; Übers. d. Verf.). Sie meint, dass die Preise erschwinglich sind und denen in Japan entsprechen und führt dies darauf zurück, dass sich immer mehr Deutsche für Japan und für japanisches Essen interessieren würden (IP 3, Z. 222–233). Auch IP 19 und IP 22 weisen darauf hin, dass die Anzahl an japanischen Restaurants in der Stadt, in der sie ansässig sind, zugenommen habe. IP 19 sagt: „Es gibt inzwischen genug [japanische Restaurants: Anm. d. Verf.]. Vor der Wende und nach der Wende kann man nicht mehr vergleichen. Es gibt genug wirklich“ (IP 19, Z. 968–970). Er fügt hinzu, dass japanische Restaurants in seiner Stadt nicht authentisch seien, weshalb er sie ganz selten aufsuche (IP 19, Z. 970–973). Aus seinem Interview geht hervor, dass er dennoch nicht darauf verzichten möchte und zur Erfüllung seiner Vorstellungen auf Beziehungen zurückgreift:

Vorspeise oder Vorvorspeise ist für mich sehr wichtig als Sakeliebhaber. [So ein] Restaurant zu finden, ist ja nicht so einfach. Obwohl es sehr viele neue japanische Restaurants gibt. […] Mein Freund ist Koch […]. Bei ihm kann ich wirklich alles Mögliche mal versuchen [mal probieren: Anm. d. Verf.]. Wenn ich bestelle, dann schafft er [es]. (IP 19, Z. 974–978; 980–981; 982–984)

IP 22 meint: „Als ich kam, gab es nicht so viele [japanische Restaurants; Anm. d. Verf.], aber wenn es welche gab, waren sie teuer und schlecht. […] In letzter Zeit sind viele dazugekommen und auch die Anzahl an Lieblingscafés und Restaurants ist angestiegen. Genau, das Essen, nun, ist ganz ok“ (IP 22, Z. 155–160). Da sie und ihre Familie nicht jeden Tag außerhalb essen können, bereite sie zuhause aber auch „Pseudo-Japanisches“ (IP 22, Z. 167) zu.

Es kann an dieser Stelle noch angemerkt werden, dass zwei Personen (IP 1, IP 10) nicht nur auf die japanische community vor Ort zurückgreifen, sondern auch Lebensmittel und Waren direkt aus Japan beziehen. Durch die technologischen und logistischen Entwicklungen ist es heutzutage kein Problem mehr auf Originalprodukte zurückzugreifen. In dieser Hinsicht wird die ethnische community sozusagen umgangen.

Neben dem Besuch der Gastronomie und ethnischen Supermärkten werden von den Teilnehmenden auch kulturelle Angebote wahrgenommen. Hier zeigt sich ebenfalls, dass der Besuch von kulturellen Veranstaltungen oder Festen mit beruflichen Pflichten verbunden ist. Manche Personen suchen kulturelle Veranstaltungen auf, um ihren Schülerinnen und Schülern die japanische Kultur näher zu bringen: „Ja, [das] Eko-Haus besuche ich mit meinen Schülern natürlich. Ich muss ihnen ja zeigen, wie eine japanische Wohnung aussieht. Oder ein Tempel. Das ist eine gute Gelegenheit“ (IP 1, Z. 335–338). Außerdem werden kulturelle Veranstaltungen besucht, um Freundinnen bzw. Freunde und/oder Familienmitglieder, die an diesen teilhaben, zu unterstützen. IP 2 sagt: „In der ersten Zeit gab es manchmal dieses Frühlingsfest […]. [W]eil unsere Freunde dort auftraten, sind wir zu dieser Zeit zum Beispiel dort hingegangen, um uns den Tanz anzusehen. In der letzten Zeit waren wir nicht mehr dort“ (IP 2, Z. 196–200; Übers. d. Verf.). Ähnlich verhielt es sich mit dem Japan-Tag. Diesen besuchte sie mit ihrem Ehemann, um ihren Sohn, der an Auftritten des Japanischen Kindergartens und später der Japanischen Schule teilnahm, auf der Bühne zu unterstützen:

Die Kinder des Japanischen Kindergartens singen immer Lieder auf der Bühne. Am Japan-Tag. Deswegen sind wir hingegangen. Weil unser Sohn auftritt. Danach sind wir auf dem Rückweg kurz an den Ständen vorbei, aber nun, jedes Jahr ist es dasselbe, und außerdem sind dort so viele Leute. […] Das Feuerwerk ist auch nichts Besonderes, glaube ich. Es ist viel schöner, es in Japan zu sehen. Ich gehe kaum hin. (IP 2, Z. 206–210; 216–217; Übers. d. Verf.)

Auch IP 6 gibt an, dass sie den Japan-Tag weniger „aus großem Interesse“ (Z. 587) besuchte, sondern um ihre Kinder oder Teilnehmende aus ihren Kursen auf der Bühne zu unterstützen (Z. 583–587). Auf die Frage, was sie vom Japan-Tag halte, antwortet sie:

Oh, das finde ich ganz nett, ne? […] Aber die Frage ist, ob das so jedes Jahr sein muss, ne? Das wiederholt sich ja immer, jedes Jahr. Ob das für die Leute so interessant sein kann? Jedes Mal wird erklärt, wie die Tische gemacht werden oder der Kimono, aber ja, da kommen immer neue Leute, denke ich mal. Also [es] ist ja immer voll, ne? Das wundert mich auch ein bisschen. Obwohl [sich die] Angebote nicht ändern. (IP 6, Z. 592–601)

Sie merke aber an ihren Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern, dass das Interesse an den Angeboten des Japan-Tages nach zwei, drei Besuchen nachlässt (IP 6, Z. 610–613). IP 15 sagt bezüglich des Besuches eines Festes zur Vermittlung von Kultur Folgendes: „Karneval der Kultur habe ich vor fünf oder zehn Jahren gemacht. Ich bin dafür [mittlerweile] zu alt. Und das ist eigentlich […] viel zu groß geworden. Das ist ein Festival. Das ist nicht so angenehm, ne? Also vor allem mit dem kleinen Kind“ (IP 15, Z. 522–526). IP 3 sagt: „Zum Beispiel zum „Japan-Tag“Footnote 4 gehe ich, um beim Ankleiden der Kimonos zu helfen. Dann gibt es dort auch ein „Orchester“, ne? Da bin ich kein Mitglied, aber ich schaue mir die Konzerte an, nun, weil Freunde Mitglieder sind“ (IP 3, Z. 198–202; Übers. d. Verf.). Außerdem gibt sie an, in einer japanischen Institution die Teekunst zu unterrichten. Sowohl zu dieser Gelegenheit als auch zum Sommerfest seien aber überwiegend deutsche Personen anwesend (IP 3, Z. 245–250).

Aus den Interviews geht zudem hervor, dass zwar nicht alle Personen die kulturellen Angebote nutzen, aber an diesen in gewisser Form mitwirken bzw. diese mitunter sogar generieren. So geben IP 3 und IP 24 ihr Wissen über Kimonos weiter, IP 3 hält zusätzlich Teezeremonien ab. IP 27 wirkte an einem japanischen Filmfestival mit und IP 31 organisierte verschiedene kulturelle Veranstaltungen.

Elf Personen geben an, durch ihre Kinder Bezug zur japanischen community zu haben, indem sie diese entweder zur japanischen Spielgruppe, zum japanischen Kindergarten oder zur Japanischen Schule bringen. Für IP 6 waren die Kinder sogar Anlass zum Umzug:

Nach Düsseldorf sind wir gekommen, weil unsere Kinder so langsam bisschen Japanisch lernen sollten und dann wollten wir [sie in den] japanische[n] Kindergarten bringen. Und am Anfang klappte das nicht und deswegen musste ich immer von (Stadt) nach Düsseldorf [fahren], um [sie] in den japanischen Kindergarten zu bringen. (IP 6, Z. 105–112)

IP 14 berichtet:

Ich kenne die japanische community nicht so sehr. Einfach, weil ich jetzt eine Tochter habe, […] habe ich verschiedene Mütter und ihre Kinder kennengelernt […]. Trotzdem denke ich, dass ich kaum Teil der japanischen community bin. […] Aber was ich jetzt möchte, was ich jetzt für notwendig halte, ist, dass meine Tochter in einer Umgebung, in der sie richtiges Japanisch-, Japanisch sprechen kann, ist, denke ich. Deshalb gibt es jetzt diese japanische „Spielgruppe“ von anderen Müttern und damit bin ich zufrieden. (IP 14, Z. 593–595; 597–598; 599–600; 601–606; Übers. d. Verf.)

IP 18 schildert ihre Erfahrungen mit der japanischen community in Bezug auf die japanischen Mütter. Sie erzählt, dass es zu der Zeit, als ihre Kinder geboren wurden, einen Babyboom in der Stadt gab, in der sie lebt (IP 18, Z. 262–266). Es gab sehr viele japanische Mütter, sodass ein Netzwerk von mama-tomo entstand. Dieser Gruppe gehörte sie ebenfalls an und nahm an regelmäßigen Treffen teil. Sie bezeichnet die mama-tomo als „sehr gefährlich“ (Z. 372) und erzählt von ihren negativen Erfahrungen im japanischen Kreis:

Also Japaner haben immer [so eine] komische Sitte. [Sie fragen:] „Was macht ihr Mann?“ und dann [sagen sie] „mein Mann ist Berater“ oder „mein Mann ist Angestellter einer großen Firma“. Sie nehmen eine hohe Position ein. Aber wir, [die Personen, die] mit einem Deutschen verheiratet sind, sind auf der niedrigsten Stufe. (IP 18, Z. 271–276)

Neben dieser Hierarchie habe der Kontakt und die aktive Teilnahme an der japanischen community auch den Nachteil, dass man Lästereien ausgesetzt sei. Dies habe in ihrem Fall dazu geführt, dass sie den japanischen Kreis verlassen habe (Z. 298–300). Sie gibt auch an, dass ein Großteil der Japanerinnen und Japaner, die schon lange in der Stadt leben, nicht mehr in die japanische community involviert sind und diese meiden (Z. 301–306). Sie bezeichnet sich selbst allerdings als „seltenen Fall“ (Z. 308), da sie sehr viele Verbindungen zum japanischen Kreis habe (Z. 309–310) und im Gegensatz zu den anderen, den Kontakt nicht ganz abbreche, sondern auf Distanz gehe:

Viele japanische Frauen haben einfach keinen Kontakt mehr mit denen [dem japanischen Kreis: Anm. d. Verf.]. Weil sie irgendwann mal so eine schlechte Sitte [aus] Japan auch in Berlin erlebt haben. Und dann verlassen sie alle den japanischen Kreis und kommen nie wieder zurück. Ich aber habe viel Kontakt. Wir haben Kontakt, aber wir sehen uns nicht regelmäßig. Wir haben einen sehr guten Abstand. Wir sind nicht zu nah. Dieser Abstand ist sehr wichtig für Japaner. Egal, wo. Wenn man sich zu sehr nähert, dann verletzt man entweder jemanden oder wird verletzt. (Z. 310–322)

Den Kindern zuliebe habe sie sich aber auf einen engeren Kontakt eingelassen:

Wenn man Kinder hat und wenn diese Kinder noch klein sind, dann ist es anders. Den Kindern zuliebe möchten die Mütter immer etwas machen. […] Solange [meine Kinder] noch klein waren, habe ich mir auch immer Mühe gegeben, also [das heißt,] im japanischen Kreis war ich auch immer dabei. […] Und viele Mütter […] haben zusammen Tee getrunken […]. Das habe ich irgendwann nicht mehr gemacht. Ich gehe fleißig zur [Ergänzungsschule] und bin immer dabei. Ich habe immer gelächelt und gesprochen, aber näher bin ich nicht gegangen. Also tiefer ging es nicht. So habe ich immer Abstand gehabt. (IP 18, Teil 2, Z. 345–348; 350–353; 353–361)

Auch IP 20 beschreibt die japanische community als „sehr eng“ (Z. 523) und dadurch als „kompliziert“ (Z. 572). Auf die Rückfrage, inwiefern sie sie als sehr kompliziert wahrnehme, schildert sie eine Problematik, die dadurch auftritt, dass jeder jeden kennt:

[I]ch hatte gerade ein Problem gehabt mit einer Japanerin, die meine Vertretung war. […] Ich hatte Elternzeit genommen. […] Jeder im Büro wusste, dass ich wieder zurückkomme. Aber sie wollte [das] wahrscheinlich nicht, weil [es] hier in [deutsche Stadt] keinen Job für Japaner gibt. Sie wollte wahrscheinlich diesen Job haben, aber ich komme wieder zurück und das hat ihr nicht gefallen und dann hat sie mich ignoriert oder sowas. […] Ich habe schon gesagt, dass ich wieder zurückkomme und so. Vernünftig gesagt, aber ich konnte [es] nicht so stark sagen, weil ich dann wusste, dass sie dann meine Freundin kennt und ich kannte sie dann durch meine Freunde […]. Aber das ist eigentlich nicht privat, sondern auf der Arbeit, [das] hat nichts [miteinander] zu tun, aber [es] ist schwierig. (Z. 527–538; 540–547)

Neben IP 18 berichtet auch IP 16 von einer Hierarchie, die sie in der japanischen community wahrgenommen hat:

[M]ir wurde gesagt, dass es eine community gibt, die „berurin fujin no kai“ [Gesellschaft der Berliner Hausfrauen: Anm. d. Verf.] heißt. Der Wortklang „fujin no kai“ ist irgendwie erschreckend und irgendwie, wenn man Hausfrau sagt, sind es verheiratete Japanerinnen und irgendwie ist mein Mann keine Person, die unbedingt in der Botschaft arbeitet, aber der Wortklang „fujin no kai“ ist irgendwie-. Zum Beispiel alle, ähm, es sind Ehemänner der gleichen Firma, arbeiten bei der gleichen Firma zum Beispiel, der Rang der Ehemänner ist höher als der meines Mannes, sie sind seine Vorgesetzten. Auch unter den Ehefrauen sind solche, die höher gestellt sind, als ich selbst, sie pflegen dieses Bild irgendwie aus eigenem Interesse. Ich denke, es ist unheimlich […]. Auch jetzt gehe ich nicht hin. (IP 16, Z. 156–167; Übers. d. Verf.)

Aus verschiedenen Schilderungen geht hervor, dass sie sich nicht als Teil der community betrachten oder sogar sagen, dass sie die japanische community meiden. IP 7 erzählt diesbezüglich:

Ich lebe hier wohl, aber nicht ganz so mitten tief [drin: Anm. d. Verf.] in dieser community. Mittlerweile wohne ich schon seit 32 Jahren hier in Deutschland und die neuste Generation, die aus Japan kommt, ist schon fast wie meine Kinder. Da sehe ich natürlich bisschen Generationenunterschied oder andere Gedanken. Da habe ich immer weniger Kontakt mit der japanischen community hier. Außerdem in letzter Zeit ist ganz Japan, der japanische Staat ist politisch ganz nach rechts gekommen [gerückt: Anm. d. Verf.]. Das ist ein großer Grund, dass ich eher so [von] diese[r] [Stadt] community bisschen Abstand nehme, weil die Geschäftsleute ganz nah an dieser rechtsradikalen Regierung sind. Deshalb möchte ich gerne diesen kleinen Abstand für mich halten. (IP 7, Z. 231–247)

Da sich IP 7 und ihr Ehemann nach mehr Natur sehnten, zogen sie in eine ländlichere Umgebung, was gleichzeitig einen räumlichen Abstand zur japanischen community ermöglichte, den IP 7 bevorzugte:

Ich wollte nicht in [Stadt] wohnen. Weil es dort eine ziemlich dichte japanische community gibt. […] Das ist etwas lästig, wenn ich zum Beispiel einkaufen gehe, dann treffe ich die Eltern hier und so und dieses Gespräch muss ich ständig mitkalkulieren. Das ist [ein] bisschen zu viel, habe ich mir gedacht. Deshalb wollten wir unbedingt, wo keine Japaner sind, hinziehen. (IP 7, Z. 195–203)

Sie sagt explizit, dass sie Abstand zur japanischen community nimmt, allerdings wird in ihrem Interview auch deutlich, dass sie selbst aufgrund ihrer Arbeit und ihres sozialen Engagements eine wichtige Rolle in ihrer ethnischen community spielt, da sie das ethnische Angebot generiert und zur Sichtbarkeit der community beiträgt. Elf weitere Personen erschaffen theoretisch die ethnische community bzw. das ethnische Angebot und tragen zu ihrer Sichtbarkeit bei. Von diesen berichten drei, dass sie sich allerdings nicht mit der community identifizieren. Drei weitere Personen mögen zurzeit kein ethnisches Angebot generieren, können aber aufgrund weitläufiger Netzwerke und/oder Errungenschaften in der Vergangenheit als Schlüsselpersonen in der ethnischen community angesehen werden.

Das Eingebundensein in diese community bzw. die Existenz einer japanischen Infrastruktur ermöglicht es Mitgliedern, wie IP 5 und IP 37, den Alltag auf Japanisch zu bestreiten: „In Düsseldorf kann man gut leben. Weil es […] viele japanische Läden, […] japanische Cafés und alles [gibt]“ (IP 5, Z. 301–304). Über kulturelle Einrichtungen ist IP 5 (Z. 332–343) allerdings nicht informiert und einen großen japanischen Verein kennt sie nur vom Hörensagen. IP 4 (171–175, 195–201) erklärt, dass er sich aufgrund der japanischen Infrastruktur für Düsseldorf entschieden habe:

Nun, der Hauptpunkt, der für Düsseldorf spricht, ist, dass man Verschiedenes machen kann, glaub‘ ich. […] Früher war es recht schwer, an japanische Dinge zu kommen, […] aber jetzt gibt es viele verschiedene japanische Sachen, insbesondere Lebensmittel, ne? Weil es diese Annehmlichkeiten gibt, ist Düsseldorf nicht so schlecht, ne?

Nachdem nun die Auswertung des Indikators „Inanspruchnahme der ethnischen community“ anhand des Frequentierens von japanischen Restaurants und Supermärkten, dem Besuch von kulturellen Veranstaltungen und dem Nutzen der auf Familien ausgerichteten Infrastruktur erfolgte und weitere Erkenntnisse, die aus den Interviews hervorgingen, dargelegt wurden, befasst sich das nächste Kapitel mit der Auswertung der strukturellen Dimension.

5.6.2 Strukturelle Dimension

Im nachfolgenden Kapitel erfolgt die Auswertung der strukturellen Integrationsdimension mit den Indikatoren „Einbindung in den Arbeitsmarkt“, „Teilhabe am Bildungswesen“, „Einbindung in den Wohnungsmarkt“, „Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen“ und „Gesundheit“. Die strukturelle Dimension und ihre Bedeutung für Integration wurden bereits in Abschnitt 2.3.3 beschrieben. Wann eine Person in Hinblick auf die genannten Indikatoren als integriert gilt, ist in Abschnitt 4.4.3 dargelegt.

5.6.2.1 Einbindung in den Arbeitsmarkt

Die Beschäftigtenquote unter den befragten Personen liegt bei 74,4 % (n = 29). Unter diesen 29 Personen sind 23 Personen (79,3 %) Voll- und 6 Personen (20,7 %) Teilzeit abhängig beschäftigt. Bei 11 Personen (37,9 %) handelt es sich um selbstständig erwerbstätige Personen. Unter diesen elf Personen sind fünf (45,5 %) freischaffend tätig. Die übrigen zehn Personen (18 %) gehen aus unterschiedlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nach. So beziehen sieben Personen (70 %) und somit die Mehrzahl dieser Gruppe Rente oder Frührente, zwei Personen studieren (20 %) und eine weitere Person (10 %) ist Hausfrau.

Von den 29 Voll- und Teilzeitbeschäftigten sind 10 Personen als Angestellte in einem Betrieb tätig und 8 in einer Institution.

Unter den selbstständigen bzw. freischaffenden Personen befinden sich drei kunstschaffende Personen, zwei Lehrkräfte, zwei Personen besitzen ihre eigenen Geschäfte, zwei Personen arbeiten mit der japanischen Sprache als Übersetzerin, Lektorin und/oder Dolmetscherin, eine Person arbeitet als Trainerin für interkulturelle Kommunikation und eine Person führt auf die japanische community ausgerichtete Dienstleistungen aus.

Von den Personen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind, gehen sechs Personen mehreren Tätigkeiten nach. So ist IP 7 zugleich Leiterin einer Schule als auch Lehrerin dort. IP 15 arbeitet als Sekretärin als auch als Assistentin, IP 16 ist sowohl Lehrerin als auch Bibliothekarin und IP 22 ist ebenfalls sowohl Lehrerin und zudem auch Assistentin in einem angestellten Verhältnis. IP 20 ist selbstständig als Übersetzerin und Lektorin tätig. IP 25 steht sowohl in einem angestellten Verhältnis als Dozentin, ist aber auch selbstständige Dolmetscherin und Übersetzerin. IP 36 ist angestellt im Krankenhaus und selbstständig in ihrer eigenen Praxis tätig.

Aus den Interviews geht überdies hervor, dass von den sieben Personen, die Rente bzw. Frührente beziehen, zwei Personen (IP 12, IP 21) noch einer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen. Ebenso üben die beiden Studierenden neben ihrem Studium berufliche Nebentätigkeiten aus.

Zudem lässt sich den Interviews entnehmen, dass 38 Personen in Zusammenhang mit ihren ehemaligen oder derzeitigen beruflichen Tätigkeiten auf die japanische Sprache oder Kultur zurückgreifen bzw. zurückgriffen. So sprechen 33 Personen regelmäßig Japanisch im Rahmen ihrer Arbeit, aber auch Kenntnisse über japanisches Essen und Gepflogenheiten werden genutzt sowie die japanische Kultur vermittelt. Die Aussagen der Befragten geben auch Auskunft darüber, wie sie ihre Arbeitsstelle gefunden haben. 17 Personen berichteten, dass sie angesprochen wurden, ob sie dieser Tätigkeit nachgehen wollen oder über andere Personen wie zum Beispiel Freundinnen bzw. Freunde oder Bekannte von einer freien Stelle erfahren haben. So berichtet IP 16, dass sie die Arbeit über eine japanische PersonFootnote 5 gefunden habe, den oder die sie aus der Sprachschule kannte:

[Z]um Beispiel, was die hiesige Arbeit betrifft, hat mir ein Japaner [oder eine Japanerin: Anm. d. Verf.], den/die ich zufällig in der Sprachschule kennengelernt hatte, mitgeteilt, dass sie jemanden suchen, der hier arbeiten kann, wie soll ich sagen? Und als ich mal eben anrief, nun dann hieß es: „bitte fangen Sie direkt an“. (IP 16, Z. 316–321; Übers. d. Verf.)

Auch für eine weitere Arbeitstätigkeit wurde sie von Kolleginnen und Kollegen auf die Möglichkeit, wie sie in diesem Bereich tätig werden könne, aufmerksam gemacht:

[A]ls ich den Arbeitskräften hier davon erzählte, dass ich mit Kindern zusammenarbeiten möchte, […] wurde ich gefragt: „Wusstest du, dass es in [Stadt, in der sie lebt] auch eine [Schule] gibt?“ Und weil ich selber keine Kinder habe, wusste ich darüber nicht so Bescheid. Nun, weil sie sagten, dass es so eine Schule gibt, rief ich an und seitdem arbeite ich an der [Schule]. (IP 16, Z. 328–330, 332–337; Übers. d. Verf.)

Sie schließt daraus, dass sie daher eigentlich keine Erfahrung damit habe, „selbst etwas zu suchen, mit Bewerbungsunterlagen dorthin zu gehen, [sich] vorzustellen und die Arbeit zu bekommen“ (IP 16, Z. 337–338).

5.6.2.2 Teilhabe am Bildungswesen

Neben der Einbindung in den Arbeitsmarkt wird in dieser Untersuchung auch der Indikator „Teilhabe am Bildungswesen“ berücksichtigt. Dabei wird das Humankapital in Hinblick auf ihre Bildung einbezogen als auch die Inanspruchnahme des deutschen Bildungssystems durch Weiterbildungsmaßnahmen. In Abschnitt 5.2 wurde bereits dargelegt, dass 82,1 % der Befragten (n = 32) über ein hohes Humankapital in Form eines Hochschulabschlusses verfügen. Aus der Analyse der Interviews geht zudem hervor, dass drei Teilnehmende (7,69 %) zum Zeitpunkt der Interviewführung noch in das deutsche Bildungssystem eingebunden sind und dieses zu Studienzwecken nutzen.

Neun Personen (23,1 %) nahmen im Verlauf ihrer Migrationsbiographie am deutschen Bildungssystem teil. Von ihnen waren fünf für ein Studium an verschiedenen Universitäten immatrikuliert, jedoch beendeten dieses nicht alle. IP 6 erzählt bezüglich ihres Vorhabens zu studieren, dass damals ein zweijähriges Studium im Heimatland Voraussetzung dafür war, das Studium in Deutschland fortsetzen zu können. Da sie dort jedoch nur eineinhalb Jahre studiert hatte, musste sie am Studienkolleg eine Feststellungsprüfung ablegen. Anschließend wechselte sie ihr Fach von japanischer Literatur zu Betriebswirtschaftslehre (BWL) und studierte dies bis zur Geburt ihres ersten Kindes. Als das Kind dann älter war, absolvierte sie zusätzlich ein DaF-Studium. IP 20 war immatrikuliert, musste aber aufgrund von Schwierigkeiten beim Transfer ihrer in Japan erbrachten Studienleistungen ein Semester warten, um Japanologie zu studieren, und fand in der Zwischenzeit Arbeit, wodurch sie das Studium nicht mehr antrat (Z. 164–184).

Mit einem Blick auf die Wahl der Studienfächer fällt auf, dass überwiegend musikbezogene Studiengänge (Studium der Musikwissenschaft als Haupt- oder Nebenfach, Musiktherapie) belegt wurden. Lediglich zwei Personen studierten Sprachwissenschaften und jeweils eine Person studierte Geschichte, BWL, Philosophie, Psychologie oder Informatik. Deutsch als Fremdsprache wurde entweder als Vollzeitstudiengang (IP 9) oder als Nebenfach (IP 6, IP 25) studiert und IP 27 absolvierte einen deutsch-japanischen Dolmetscherstudiengang.

Neben dem Studium wurde das deutsche Bildungssystem außerdem von vier Personen zu beruflichen Ausbildungs- und Weiterbildungszwecken genutzt. Um ihre eigene Praxis eröffnen zu können, absolvierte IP 36 (Z. 116–120) nach Abschluss ihres Studiums in Musikwissenschaft eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. IP 25 (Z. 86–88) ließ sich nach ihrem Studium zur beeidigten Dolmetscherin und Übersetzerin ausbilden und IP 24 (Z. 184–186) hatte bereits vor ihrem Studium an einer deutschen Universität eine Lehre als Industriekauffrau in Deutschland abgeschlossen, während IP 12 eine Ausbildung zur Steuerfachwirtin machte. Sie meint hierzu:

Ich habe ja, wie gesagt, Sprache studiert und nicht BWL oder Jura. Und das japanische Studium ist sowieso nicht so anspruchsvoll wie das deutsche Studium. Dann hatte sich [bei der Arbeit: Anm. d. Verf.] herausgestellt, dass meine damalige Ausbildung [für den Job: Anm. d. Verf.] nicht ausreichte. Deswegen entschied man, dass ich im Alter von 31 [Jahren] eine Berufsausbildung als Fachangestellte machen sollte. (IP 12, Z. 189–195)

Sie merkt zudem an: „Am Anfang dachte ich: ‚Ja, ich habe schon studiert.‘ Aber im Nachhinein kann ich sagen, das war eine gute Entscheidung. Dann hatte ich eine ganz solide Basis. Und danach habe ich nie Probleme bei einem Stellenwechsel gehabt“ (IP 12, Z. 209–214). Sie schlussfolgert:

Letztendlich kann ich das auch anderen Japanern empfehlen […]. Ich weiß, dass viele Japanerinnen, die nach Deutschland gekommen sind, alleine oder wegen ihres Mannes, haben keine Ausbildung in Deutschland. Viele haben dann Schwierigkeiten beruflich weiterzukommen. Es sei denn, man hatte Glück, von daher kann ich anderen Japanerinnen empfehlen, besser eine Berufsausbildung zu machen. Egal, in welchem Bereich. (IP 12, Z. 234–244)

Auch IP 4 nutzte die Weiterbildungsmaßnahmen des deutschen Systems und besuchte ein Seminar zur Selbstständigkeit, das von der Industrie- und Handelskammer angeboten wurde.

Nach der Betrachtung der Ergebnisse zum Indikator der „Teilhabe am Bildungswesen“ werden im Folgenden die Ergebnisse des Indikators „Einbindung in den Wohnungsmarkt“ dargelegt.

5.6.2.3 Einbindung in den Wohnungsmarkt

Neben der „Einbindung in den Arbeitsmarkt“ und der „Teilhabe am Bildungswesen“ ist die „Einbindung in den Wohnungsmarkt“ ein weiterer Indikator der strukturellen Dimension. Hierbei wird untersucht, ob die Teilnehmenden, wie in Abschnitt 4.4.3 erläutert, in den deutschen Wohnungsmarkt eingebunden sind und wie sich ihre Wohnsituation darstellt.

Die Auswertung der Interviews ergibt, dass die überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer (84,6 %; n = 33) in Wohnungen lebt, während 15,4 % (n = 6) in Häusern wohnt. Insgesamt sechs Personen gaben an, dass sie selbst Wohneigentum besitzen.

Des Weiteren gehen aus den Interviews Angaben zur Unterstützung bei der Wohnungssuche hervor. Personen, die zu Arbeitszwecken nach Deutschland kamen und beispielsweise zunächst als Expatriates in Deutschland lebten, wurden von ihrer Firma bei der Wohnungssuche unterstützt (IP 4, IP 26, IP 32) oder bekamen eine Wohnung von ihrem Arbeitgeber gestellt (IP 12, IP 14, IP 29). Die Unterstützung der Firma äußerte sich im Fall von IP 25 (Z. 167–173) wie folgt:

[J]a, ich musste da selber suchen. Aber mein Arbeitgeber hat [mich] auch so ein bisschen unterstützt. Dass ich da in der Arbeitszeit auch so ein bisschen die Wohnungen besichtigen durfte oder dass ich auch Kolleginnen und Kollegen hatte, die sich besser auskennen.

Bei der Vermittlung von Wohnungen über die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber spielten aber auch persönliche Vorlieben und Wünsche eine Rolle, wie sich im Falle von IP 26 zeigt. Sie war beispielsweise mit den vorgeschlagenen Wohnungen nicht zufrieden, da sie eine Wohnung mit Badewanne bevorzugte. Aus diesem Grund lehnte sie das Angebot des Arbeitgebers ab und machte sich anschließend eigenständig auf die Suche (IP 26, Z. 862–890). Anders verhält es sich im Falle von IP 2, die aufgrund der Arbeit an einer Universität nach Deutschland kam und in den ersten Wochen in einem Zimmer der Universität wohnte. Im Anschluss bekam sie über einen Mitarbeiter einen Platz in einem Studentenwohnheim vermittelt. Dafür musste sie auch als Lehrkraft immatrikuliert sein. Anschließend zog sie auf Anfrage einer Mitarbeiterin mit dieser in eine Wohngemeinschaft und nach zwei Jahren dann mit ihrem Mann zusammen (IP 2, Z. 301–322).

Kamen die interviewten Personen zunächst als Studierende nach Deutschland, unterstützte sie die Universität bei der Wohnungssuche und brachte sie in Studentenwohnheimen unter (IP 1, IP 5, IP 25, IP 27). Im Falle eines Besuchs einer Sprachschule waren die befragten Personen auch in Gastfamilien untergebracht (IP 13, IP 19, IP 28, IP 31, IP 39). In Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Studentenwohnheimen und Gastfamilien wird von den Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmern besonders von den Auswirkungen auf ihre sprachlichen Fähigkeiten berichtet. So wird angemerkt, dass in den Wohnheimen keine deutschen Personen vorzufinden waren und es ihnen dadurch nicht möglich war, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. IP 1 weist darauf hin und löst dieses Problem mit einer Wohngemeinschaft:

Zuerst wurde hier natürlich eine Studentenwohnung besorgt. Von der Universität. Aber da waren so viele Ausländer, ausländische Studenten. Und dann hatte ich keine Möglichkeit, Deutsch zu sprechen und Deutsche kennenzulernen und deswegen bin ich hier so nach drei Monaten [in eine] WG [gezogen]. Sie war Deutsche […] und dadurch habe ich Stück für Stück das Leben [den deutschen Alltag: Anm. d. Verf.] gesehen, so wie sie [die Deutschen: Anm. d. Verf.] sind. (Z. 218–229)

Die Unterbringung in einer Gastfamilie wirkte sich hingegen positiv auf die sprachlichen Fähigkeiten der befragten Personen aus, da diese beim Zurechtfinden und dem Verbessern behilflich sein konnten, so wie im Falle von IP 39. Er merkt in diesem Zusammenhang nämlich an, dass ihm seine Gastmutter bei den sprachlichen Prüfungen behilflich war (IP 39, Z. 422–431).

Aus der Antwort von IP 25 geht hervor, dass sie durch die Teilnahme an einem Austauschprogramm einer Universität keine Schwierigkeiten hatte, im Rahmen ihres ersten Deutschlandaufenthaltes untergebracht zu werden, sich aber aufgrund persönlicher Wünsche dazu entschied, nur vorübergehend im Studentenwohnheim zu bleiben:

Also, als ich zum ersten Mal kam, war das so ein Austauschprogramm, sodass ich automatisch ein Zimmer im Studentenwohnheim bekommen habe. Aber das Zimmer gefiel mir überhaupt nicht. Und ich dachte, wenn ich jetzt sowieso nur ein Jahr in Deutschland als Austauschstudentin studiere, dann möchte ich was Besseres haben. Dann habe ich an der Uni am Schwarzen Brett so eine Anzeige gefunden, wo eine Frau, eine berufstätige Frau, ein Zimmer untervermieten wollte. Die habe ich angerufen und [dann bin ich] hingegangen und das hat mir viel besser gefallen als das Studentenwohnheim. (Z. 148–159)

Drei Personen hingegen fanden mithilfe der japanischen community eine Wohnung. IP 4 nutzte dafür das Schwarze Brett im Japan-Club. Des Weiteren wurden Zeitungen (IP 19) und Internetportale (IP 5, IP 28, IP 30) oder Immobilienmaklerinnen und -makler (IP 30, IP 37, IP 39) zur Wohnungssuche genutzt. Abgesehen von der japanischen community erweisen sich Beziehungen im Allgemeinen als vorteilhaft bei der Wohnungssuche (IP 16, IP 21, IP 36).

Neben diesen Unterstützungsmöglichkeiten berichtet die Mehrheit davon, dass sie zu ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner zogen. Wie im Fall von IP 25 kann es allerdings sein, dass dabei zuvor schon eigenständige Erfahrungen mit der Wohnungssuche gemacht wurden. Bei fünf Personen war es jedoch so, dass sie aufgrund der Heirat nach Deutschland kamen, bei ihren Ehemännern einzogen und so in den Prozess der Wohnungssuche nicht involviert waren bzw. diesen nicht durchlaufen mussten. Bedingt durch das Fehlen dieser Erfahrungen, ist es diesen Personen auch nicht möglich, über Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche zu berichten. IP 13 profitierte davon, dass ihr deutscher Ehemann Mitglied in einer Baugenossenschaft ist, wodurch sie während ihrer Schwangerschaft leichter eine größere Wohnung finden konnten (IP 13, Z. 301–311). IP 7 ging bereits vor ihrer Migration nach Deutschland die Ehe mit ihrem Mann ein und lebte zehn Jahre mit ihm in Japan. Da sich ihre Schwiegereltern aber vor ihrer Migration um eine Wohnung kümmerten, hatten IP 7 und ihr Ehemann mit dem Umzug keine Schwierigkeiten (IP 7, Z. 178–182).

Insgesamt traten beim Großteil der Interviewten keine Probleme bei der Wohnungssuche auf. Lediglich von IP 3, IP 5, IP 9, IP 27 und IP 39 wurden diese berichtet. IP 3 sagt hierzu, dass sie es aufgrund ihres Berufes als Musikerin schwierig findet, ein Zuhause zu finden, da es häufig nicht erwünscht ist, zu musizieren. Sie räumt aber ein, dass dies nicht daran liegt, dass sie Japanerin ist und es deutschen Musikern auch so geht, und schlussfolgert: „Aber das ist bei Deutschen gleich. Weil man Japaner ist, ist es nicht anders“ (IP 3, Z. 345–346; Übers. d. Verf.). IP 27 empfand es als problematisch, ein Zimmer im Studentenwohnheim zu erhalten. Sie musste die erste Zeit bei einer Bekannten wohnen, bis sie ein Zimmer vermittelt bekam. IP 15 nennt viele Mitbewerberinnen und Mitbewerber als Schwierigkeit bei der Wohnungssuche. Dies erwähnt auch IP 19 und sagt, dass er dem Vermieter einen „Liebesbrief“ (IP 19, Z. 245) geschrieben habe, um die Wohnung zu bekommen:

Es gab natürlich sehr viele Bewerber. Da habe ich einen Liebesbrief an den Vermieter geschrieben. Ich bin Japaner. Der letzte Japaner hier […]. Sehr zuverlässig. Und meine Arbeitsstelle ist da hinter dem Japanischen Generalkonsulat. […] Meine Frau ist Deutsche. Und so alles Mögliche reingeschrieben und beschrieben, da habe ich die Wohnung sofort bekommen. Es ging sehr schnell. (IP 19, Z. 243–252)

Neben diesen allgemeinen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche gehen sechs Personen auf die empfundene Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ein. IP 5 ist der Ansicht, dass drei Monate Wohnungssuche eine lange Wartezeit sind und führt dies darauf zurück, dass sie Ausländerin ist:

[Das] war bei [Internetportal]. Da habe ich jeden Tag geguckt, was es Neues gibt. Ich habe jeden Tag [eine] E-Mail geschrieben oder angerufen. Es hat sehr lange gedauert, bis ich eine Wohnung gefunden habe. […] Aber, weil ich Ausländerin bin und auch, wenn ich mich bewerbe oder E-Mail schreibe, bekomme ich ganz wenig Antwort. (IP 5, Z. 225–234)

IP 9 meint ebenfalls als Ausländerin schlechter behandelt zu werden: „Also ich als Ausländerin kann nicht so gut [eine] gute Wohnung finden. Deswegen sollte er [ihr Freund; Anm. d. Verf.] das besser machen“ (IP 9, Z. 364–367). Auf die Frage, warum sie nicht so gut eine Wohnung finden konnte, antwortet sie dann:

Also ich hatte kein dauerhaftes Visum. Ich hatte vorher auch schon versucht, eine Wohnung zu finden, wo ich alleine wohnen konnte. Ja, und ich habe viele E-Mails geschrieben. Genau, viel gesucht und ich hatte gar nichts gefunden. Genau. Ich glaube, ich habe zwei, drei Monate, also viel gesucht, aber ich habe einfach keine Antwort mehr bekommen und ja, ich musste immer sagen: „Ja, ich mache jetzt Working Holiday.“ Und ja, genau, mein Visum ging nur ein Jahr lang. Genau. Deswegen konnte ich nichts finden. (IP 9, Z. 378–390)

Auf die Nachfrage, ob ihr das einjährige Working-Holiday-Visum als Grund für eine Absage genannt wurde, antwortet sie:

Ja, ich glaube ein paar Mal. Ja, ich habe nur ein paar Mal E-Mails [als] Antwort bekommen. Und ja, ich glaube, sie haben gefragt, ob ich da länger wohnen kann. Und ich habe gesagt, ja, ich möchte eigentlich mein Visum verlängern, aber momentan [ist es] so, so, so. Und dann kam keine Antwort mehr. (IP 9, Z. 399–404)

Auch aus der Antwort von IP 39 geht hervor, dass er sich als Ausländer auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert gesehen hat, denn er erzählt:

[Z]um Beispiel, wenn ich eine Wohnung besichtige, gibt es momentan wieder so viele Kandidaten. Also ich bin Ausländer und die Vermieter möchten immer den deutschen Leuten ihre Wohnungen vermieten. Ich glaube das. Deswegen hatte ich keine guten Chancen, aber ich habe einfach diese Wohnung selber nicht gemocht. Es hat mir da nicht gefallen. Deswegen war das schwierig, [etwas] zu finden. Entweder der Vermieter mag mich nicht oder ich mag die Wohnung nicht. Das war halt so. Deswegen war es ziemlich schwierig, aber wie gesagt, ich habe die Maklerin kennengelernt und dann hatte sie mir sofort eine Wohnung gezeigt und ich habe sofort die Wohnung besichtigt, dann habe ich sofort entschieden, dort zu wohnen. (IP 39, Z. 105–119)

IP 24 berichtet, dass es bei ihrer Wohnungssuche, gemeinsam mit ihrem Mann, geheißen habe: „Die Ausländer wollen wir nicht haben“ (IP 24, Z. 158). Durch das Einschreiten ihres Mannes erhielten sie schließlich die Wohnung: „Dann hat mein Mann erzählt: ‚Ja, sie studiert ja gerade.‘ Und plötzlich wollte dieser Hausbesitzer uns auch noch eine andere Wohnung vermitteln. Akademiker. Sie haben gedacht, das ist ein sicheres Einkommen. Da kann man nochmal eine andere Wohnung vermieten oder so“ (Z. 159–164). IP 26 greift ebenfalls die Diskriminierung von Ausländern auf dem Wohnungsmarkt auf, meint aber, dass sie als Japanerin in einer besseren Situation sei: „Was Japaner betrifft, denke ich, dass sie nicht in so einer schwierigen, schrecklichen Situation sind wie Schwarze. Es ist wohl am anstrengendsten, Schwarzer zu sein“ (Z. 936–939; Übers. d. Verf.).

IP 26 gibt außerdem an, dass Ausländer früher nicht in bestimmten Stadtteilen wohnen durften, die jetzt allerdings eine erhöhte Ausländeranzahl aufweisen. Ein weiterer Aspekt, der bei der Wohnungssuche eine wichtige Rolle spielt, ist der Zeitpunkt eben dieser. IP 31 berichtet beispielsweise, dass er zur Zeit, als er seine Wohnung in Hamburg kaufte, diese im Vergleich zur heutigen Zeit noch „verhältnismäßig preisgünstig“ (IP 31, Z. 858) erhielt und sie „ziemlich einfach“ (IP 31, Z. 859) kaufen konnte, während IP 39 davon berichtet, dass es am Anfang sehr schwer war, eine Wohnung in Hamburg zu finden (IP 39, Z. 90–91). Er hätte zwanzig Wohnungen besichtigt, keine von diesen erhalten, bis ihm von einem Freund eine japanische Immobilienmaklerin empfohlen wurde, über die er schließlich eine Wohnung vermittelt bekam (IP 39, Z. 92–98).

Bevor es zur Auswertung des nächsten Indikators übergeht, soll noch IP 25 zu Wort kommen, die berichtet, dass es zurzeit ihrer Wohnungssuche in Berlin noch keine Wohnungsnot gab (IP 25, Z. 160–164) und die Hauptstadt mit Düsseldorf vergleicht:

Das [die Wohnungssuche: Anm. d. Verf.] war aber schon ein bisschen schwieriger [in Düsseldorf: Anm. d. Verf.] als in Berlin, im Innenstadtbereich von Düsseldorf etwas zu finden, was preiswert ist und was einigermaßen schön ist. Und auch nicht in komischen Stadtteilen, Gegenden ist und auch ruhig und das alles zusammen konnte man kaum haben. Das fand ich schwierig damals in Düsseldorf. Schwieriger als in Berlin. Bin ich auch mehrmals umgezogen. (IP 25, Z. 173–181)

Auf die Frage, ob sie wegen des Wohnumfelds umgezogen sei, antwortet sie:

Ja, die erste Wohnung war nicht weit vom Hauptbahnhof und es war laut. Und in der Nähe vom Hauptbahnhof in Düsseldorf ist es da rundum nicht schön. Und die zweite Wohnung war ein bisschen weit weg von der Stadt. Das war dann irgendwann mal zu weit weg von der Stadt. Wenn die eine Straßenbahn nicht fährt, dann komme ich gar nicht weg, so. Ja? Und die dritte [Wohnung: Anm. d. Verf.] war auch ziemlich zentral gelegen, war aber auch dunkel und ja, etwas teurer als das, was ich vorher hatte. (IP 25, Z. 183–193)

Nach der Darlegung der Ergebnisse bezüglich des Indikators „Einbindung in den Wohnungsmarkt“ folgt nun im anschließenden Kapitel die Auswertung des Indikators „Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen“.

5.6.2.4 Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen

Der Indikator „Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen“ wird mithilfe der Inanspruchnahme des deutschen Sozialsystems eruiert. Hierbei wird der Schwerpunkt auf den Bezug von Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitssuchende, „Hartz IV“) und XII (Sozialhilfe, die Eingliederungshilfe ist hiervon ausgenommen) gelegt. Beziehen die befragten Personen Leistungen aus dem SGB II oder SGB XII gelten sie in Hinblick auf diesen Indikator als nicht integriert. Zahlen sie allerdings in das Versicherungssystem ein und sind somit Teil der Solidargemeinschaft, gelten sie als integriert.

Aus der Auswertung der Interviews geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung zwar keine der befragten Personen Leistungen aus dem SGB II bezog, aber eine Person Leistungen aus dem SGB XII in Anspruch nahm. IP 12 machte tiefergehende Erfahrungen mit dem deutschen Sozialsystem, von denen sie auch auf ihren Blog sowie bei Veranstaltungen berichtet. Während ihrer Zeit in Deutschland erkrankte sie schwer und erhielt daher Krankengeld, anschließend als Überbrückung zur Erwerbsminderungsrente Arbeitslosengeld und während der Zeit ihrer Rehabilitation Übergangsgeld.

Aus zwei weiteren Interviews geht zudem hervor, dass die interviewten Personen das deutsche Sozialsystem zu einem früheren Zeitpunkt in ihrer Migrationsbiographie in Anspruch genommen hatten. In einem dieser Fälle (IP 24, vgl. Abschnitt 5.6.2.2) erfolgte eine Umschulung durch das Arbeitsamt. IP 23, eine alleinerziehende Mutter, berichtet ausführlicher von ihren Erfahrungen mit dem deutschen Sozialsystem. Sie bekundet, dass das Sozialsystem zu ihrer Zeit sehr gut organisiert war (IP 23, Z. 45–47), und erzählt, dass sie als Alleinerziehende ihr Studium absolvieren konnte und sogar eine Tagesmutter an ihre Seite gestellt bekam. Aufgrund ihres Lebensstils, so erzählt sie, war es für sie finanziell immer schwierig, was sie sich aber so ausgesucht hatte (IP 23, Z. 80–86). Vonseiten ihrer Mutter wurde sie Zeit ihres Lebens finanziell unterstützt (IP 23, Z. 386–387). Sie ist Künstlerin und berichtet von den Schwierigkeiten, die diese Gruppe bei der sozialen Absicherung hat. Sie und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen hätten nicht genug in die Altersvorsorge einbezahlt, um im Alter durch eine Rente finanziell abgesichert zu sein. In den 60er und 70er Jahren hätten sie in den Tag hineingelebt. Sie habe dann sehr spät damit angefangen, in die Künstlersozialkasse einzuzahlen (IP 23, Z. 225–251).

Auch IP 7, die zwar selbst das Sozialsystem nie in Anspruch nehmen musste, hebt dieses positiv hervor. Sie nennt das Beispiel einer alleinerziehenden Mutter aus ihrem Bekanntenkreis: „[M]eine Bekannte ist single mother. Sie ist nach Deutschland gekommen und hat hier ein Kind geboren. Sie hat alles bekommen. Natürlich Kindergeld oder zum Arzt (oder die ärztliche Untersuchung; Anm. d. Verf.), die gesamte Unterstützung als single mother“ (IP 7, Z. 475–480). Sie sei zwar Japanerin, sei aber wie eine „ganz normale Deutsche“ (IP 7, Z. 483) unterstützt worden:

Obwohl sie Ausländerin ist. Japanerin ist. Ganz fair. Ganz normal. Es gibt, es gab keinen Unterschied zwischen Deutschen und Japanern, ne? Da war ich wirklich erstaunt. […] Sie hat sogar Deutschunterricht ganz umsonst bekommen. Und währenddessen müssen ihre Kinder woanders sein. Das Geld hat sie auch bekommen. Erstaunlich. Meiner Ansicht nach. (IP 7, Z. 483–492)

Aus den übrigen Interviews lassen sich keine Informationen bezüglich einer Inanspruchnahme des deutschen Sozialsystems entnehmen. In Hinblick auf Unterstützung von außen zeigt die Auswertung der Interviews, dass insbesondere soziale Netzwerke Unterstützung leisteten. Personen, die zunächst als Studierende nach Deutschland kamen, berichten, dass sie durch die in Japan ansässige Familie, ihren Professor oder die Gastfamilie unterstützt wurden. So sagt IP 5, die zunächst als Studentin nach Deutschland kam: „[F]ür den Lebensunterhalt sind meine Eltern netterweise aufgekommen, für die Studiengebühren habe ich selbst gespart“ (IP 5, Z. 32–33; Übers. d. Verf.). IP 17 war zunächst als Studentin in Deutschland. In dieser Zeit stand ihr ein Stipendium zur Verfügung und sie jobbte neben dem Studium. Dadurch konnte sie Kontakte knüpfen, die ihr regelmäßig Arbeit vermittelten. Außerdem wurde sie durch ihren Mentor, einen Professor, unterstützt, der schrieb, dass er alles bezahle, falls finanzielle Schwierigkeiten entstünden (IP 17, Z. 319–321). Auch IP 19 wurde zu Beginn durch seinen damaligen Professor unterstützt, der ihm ein Empfehlungsschreiben ausstellte, wodurch er ein Stipendium erhielt. Außerdem war er auf Einladung einer deutschen Familie nach Deutschland gekommen und sagt dazu: „Na ja, aber damals war es ein gewisses Privileg. Die Flüge hatte die Familie bezahlt“ (IP 19, Z. 57–59). Später arbeitete er für die japanische Regierung in Deutschland und sagte:

[A]ls Staatsdiener braucht man keine Steuern zahlen, ne? Hier in (deutsche Stadt). Sozialversicherung und so weiter braucht man auch nicht, weil wir Beamten in Japan alles erledigen. Steuern zahlen Beamte in Japan. Versicherung, Sozialversicherung bezahlen sie auch in Japan. Deshalb braucht man das nicht doppelt bezahlen. (geglättet) (Z. 852–858)

Auch IP 20 (Z. 279–282) wurde von ihrer Familie zu Beginn finanziell unterstützt: „[S]ie haben ab und zu finanziell unterstützt. Also wenn ich was so Großes einkaufen muss. Möbel oder sowas kaufen muss“. Außerdem setzte sie sich ihre soziale Absicherung sogar als Ziel:

Und dann habe ich gedacht: „Ok. Also bis dreißig muss ich so ein Ziel haben.“ Entweder Studium […] oder Arbeit oder irgendwas muss ich dann als Ziel haben. […] Ich komme dann auf jeden Fall bis dreißig zurück, wenn ich nichts finde oder wenn ich dann kein Geld mehr habe oder nicht mehr selbst finanzieren kann. Aber ich war schon 28 und hatte schon einen festen Job und ich hatte schon eine eigene Wohnung. Und das nächste Ziel war, ich wollte diese Niederlassungserlaubnis haben. Und dann muss man schon fünf Jahre arbeiten. Dann habe ich dann gearbeitet und dann Rente eingezahlt. Ja, wenn man sechzig Monate eingezahlt hat, kann man [die Niederlassungserlaubnis] schon beantragen und [die] habe ich dann beantragt. (IP 20, Z. 253–273)

IP 27 hatte als Kind schon einmal in der Schweiz gelebt und daher dort noch Freundinnen und Freunde. Dadurch war sie auch bereits mit dem europäischen Kulturraum vertraut. Ihr späterer Aufenthalt als Studentin wurde dann durch die Universität unterstützt, während IP 36 Unterstützung von der Familie erfuhr:

Sie haben mich eigentlich ganz gut unterstützt. Grundsätzlich war das so, wenn ich etwas klar gesagt habe, ich möchte etwas machen, dann haben sie das einfach unterstützt. Natürlich haben sie [auch] gesagt: „Ja, wenn du nicht möchtest oder wenn du merkst, du hast Heimweh, dann kannst du immer wieder zurückkommen“. (IP 36, Z. 84–89)

Im Gegensatz dazu hatte IP 9 Schwierigkeiten, nach Deutschland zu kommen, weil insbesondere ihre Mutter dagegen war und ihre Eltern ihr daher keine finanzielle Unterstützung zukommen ließen. Daher verzögerte sich ihre Abreise, weil sie zunächst „viel Geld“ (IP 9, Z. 35) sparen musste (IP 9, Z. 20–27).

Neben der Familie in Japan nehmen vor allem deutsche Ehepartnerinnen und -partner eine wichtige Rolle bei der Unterstützung insbesondere vor Ort ein. Aber auch bereits in Deutschland befindliche japanische Familienangehörige, wie beispielsweise im Fall von IP 8 und IP 21 die Geschwister, sind eine wichtige Hilfe. IP 13 kam durch das Working-Holiday-Visum nach Deutschland und lebte zunächst mit einer deutschen Familie zusammen, zog dann ins Wohnheim der Sprachschule und anschließend mit einer Freundin zusammen. Ihr späterer Mann erwies sich bei der Wohnungssuche als hilfreich, da er Mitglied bei einer Baugenossenschaft war und es für ihn deshalb leicht war, eine Wohnung zu finden. Im Gegensatz dazu berichtet IP 1 allerdings, dass ihr zukünftiger Mann sie damals in der Anfangszeit noch nicht vollständig unterstützen wollte (IP 1, Z. 82–84), weshalb sie ihr Promotionsvorhaben aufgab und sich auf die Arbeitssuche bzw. die Arbeit konzentrierte: „Deswegen hatte ich keine Kraft und keine Zeit mehr für [die] Forschung. […] Nur Japanisch unterrichten und sehr professionell werden [war] wichtig“ (IP 1, Z. 112–113; 115–116). Sie geht davon aus, bis zum Tod in Deutschland zu leben, da sie hier sozial abgesichert ist, insbesondere durch das Rentensystem (IP 1, Z. 192–200). Bei IP 15 nahm ihr damaliger Freund, auf dessen Bitte sie nach Deutschland gekommen war, diese unterstützende Rolle ein (IP 15, Z. 169–170). IP 24 ist in Deutschland zu ihrem Mann gezogen. Es ist unter den Erzählpersonen häufig der Fall, dass Personen mit Partner direkt oder nach einiger Zeit zu dieser Person ziehen und die deutschen Partner bei der Wohnungssuche behilflich sind (vgl. Abschnitt 5.6.2.3). Sie selbst bietet Hilfe für Japanerinnen und Japaner an, die nach Deutschland kommen (IP 24, Z. 491–495).

Darüber hinaus berichten ehemalige Expatriates von den Annehmlichkeiten und der Unterstützung vonseiten der Firma. IP 4 kam zunächst als Expatriate nach Deutschland und wurde deshalb unter anderem bei der Wohnungssuche durch die Firma unterstützt. Außerdem half die Sekretärin bei administrativen Angelegenheiten und bei der Kommunikation: „[N]un zu dieser Zeit schrieb sie zum Beispiel netterweise Briefe und las diese. Und ich bekam es dann auf Englisch erklärt, ich sprach dann auf Englisch und sie schrieb das dann als deutschen Brief“ (IP 4, Z. 120–124; Übers. d. Verf.). Als er dann seinen Status als Expatriate aufgab, fielen diese Annehmlichkeiten weg. Ebenso genoss IP 29 die Vorzüge als Expatriate, die er nun als lokal Angestellter nicht mehr besitzt: „Für mich selbst sind es positive Veränderungen, aber was das Geld betrifft, bekomme ich sicherlich nicht so viel wie zu der Zeit als Expatriate. Die Firma unterstützt Expatriates […] bei Sachen, die vermutlich anstrengend sind.“ (IP 29, Z. 166–170; Übers. d. Verf.). Auch IP 25 und IP 33 erhielten in der Anfangszeit, obwohl sie nicht als Expatriates herkamen, Unterstützung durch die Firma. Dies berichtet auch IP 34: „[W]ir wohnen an einem Ort, der von der Firma bezahlt wird“ (IP 34, Z. 69), die „Firma hat alles erledigt“ (IP 34, Z. 165).

Weitere soziale Sicherungssysteme zeigen sich bei IP 2 in der Arbeit: „Ah, nun, nach zehn Jahren, ja, ich weiß es nicht genau, ich habe hier diese Arbeit. Es ist eine unbefristete Anstellung. Ich denke, dass, wenn es die Gesundheit erlaubt, ich bis zum 65. Lebensjahr, bis zum Schluss arbeiten möchte“ (IP 2, Z. 82–87; Übers. d. Verf.). IP 3 wurde von Freunden Deutschland als Ort zum Niederlassen empfohlen, da es in Spanien keine geeignete Arbeit für sie als Sängerin gab und „Deutschland zu dieser Zeit noch ziemlich nett zu Künstlern war“ (IP 3, Z. 12–13; Übers. d. Verf.). „Es ist so, dass Deutschland sich um Musiker, um Künstler kümmert“ (IP 3, Z. 59–60; Übers. d. Verf.). Sie geht davon aus, dass es schwierig wäre, in Japan noch einmal von vorne anzufangen, da ihr Beruf auf Beziehungen basiert und sie sich mit Teezeremonien ein zweites Standbein für die finanzielle Absicherung im Alter aufgebaut hat:

[G]uck’ mal, hier ist doch ein Tatami-Boden, ne? Ich habe hier Teezeremonie unterrichtet, ne? […] Wie erwartet kann ich nicht so bis 70, 80 singen. […] Deswegen, wenn ich Tee mache, kann ich das länger machen. Tatsächlich, wenn ich allmählich etwas Japanisches mache, denke ich, dass es gut ist. Deshalb denke ich, dass ich hier wahrscheinlich, ja, durchgängig, so wie es ist, zum Beispiel Teezeremonie anbieten werde. (IP 3, Z. 128–136; Übers. d. Verf.)

Als ihre Eltern noch lebten, wurde sie von diesen finanziell unterstützt (IP 3, Z. 144–146).

IP 14 verweist auf das deutsche Versicherungssystem und fühlt sich durch dieses abgesichert, denn „wenn man richtig arbeitet, zahlt alles die Versicherungsfirma. Das ist, wie soll ich sagen? Es gibt keine Zukunftsangst, denke ich“ (IP 14, Z. 267–270; Übers. d. Verf.). Dabei wird, wie bei IP 26 ersichtlich wird, die Rente auch als Absicherung gesehen:

Weil ich mit 65 Jahren in Rente gegangen bin, genieße ich schon ziemlich das Rentnerleben. […] Nun, als ich bei (Firmenname) war, weil ich den Rentenbeitrag bezahlt habe, aber das, ohne bei der deutschen Rente gerade überhaupt zu arbeiten, bekommt man es und es lässt sich leben, nicht wahr? Deshalb bin ich glücklich. (IP 26, Z. 585–592)

Neben diesen Erkenntnissen zu verschiedenen Arten und Formen von Unterstützungsnetzwerken sagt IP 6, dass sie deutsche Personen allgemein als hilfsbereit wahrgenommen hat und nennt als Beispiel dafür die Zeit, als sich ihr Nachbar um sie kümmerte, weil ihr Schlüssel verloren gegangen war: „[D]en Schlüssel hatte ich verloren und dann hat der Nachbar sich richtig um mich gekümmert und ja, ich glaube, wenn jemand in Not ist, dann helfen Deutsche eher. Ja, glaube ich. Ja, ich habe auch oft von Bekannten gehört, dass die Deutschen auch sehr nett sein können“ (IP 6, Z. 208–214). Außerdem reflektiert sie die Zeit, als die Eltern ihrer Bekannten aufgrund ihres Alters Hilfe benötigten, und meint:

[I]rgendwann kommt der Zeitpunkt, dass irgendeine Hilfe-, dass die Tochter zum Beispiel wegen einer Pflegestelle telefoniert. Und das ist ja schon eine Hilfe, ne? Keine direkte Hilfe, aber so, ja, man weiß ja nie, wie man wird. Das habe ich immer wieder gesehen. Wenn die Kinder in der Nähe sind, ist auch nicht schlecht, ne?. (IP 6, Z. 513–524)

Außerdem hat ihr Mann die Wohnungs- bzw. Haussuche übernommen und den Hauskauf abgewickelt. Auch wenn ein Anruf beim Arzt notwendig ist, merkt sie an, dass er hilfreich sei, da er schneller Termine bekomme als sie. In Hinblick auf die Arbeitssuche sagt sie, dass sie nie aktiv gesucht habe, sondern sich immer eine Arbeitsmöglichkeit ergeben habe (IP 6, Z. 788–789).

IP 10 zog innerhalb von Deutschland um und sie war, nachdem sich ihr Mann und sie getrennt hatten, auf sich allein gestellt. Gerne wäre sie wieder zurückgezogen, da sie dort ihr soziales Unterstützungsnetzwerk hatte:

[U]nd wir wollten alle (ihre Kinder und sie; Anm. d. Verf.) nach (Stadt) zurückkehren, weil ich in (Stadt) meine Schwester habe. Ich habe lange da gewohnt. Ich habe meine Umgebung, meine Freunde, meine Bekannte, alles [dort]. […] Ich war alleine in (Stadt). Es war sehr hart, aber ich habe gearbeitet. Kaum angefangen, haben wir uns getrennt. Sehr gut, dass ich erstmal einen Job habe. Sonst wäre ich ein Sozialfall. (geglättet) (IP 10, Z. 169–177)

Auf die Frage, warum sie dann in der neuen Stadt geblieben und nicht zurückgekehrt ist, antwortet sie:

Ich konnte nicht aufhören, zu arbeiten. Ich musste die Miete zahlen. Wenn ich nach (Stadt) zurückkehre, dann muss ich eine Wohnung suchen. Wie? Mit zwei Kindern. Ich bin Ausländerin. Zwei Kinder. Und dann anfangen, zu arbeiten. Wie sollt’ ich das schaffen? Jetzt hab’ ich einen Job. Deswegen, die Arbeit ist sehr wichtig. (IP 10, Z. 295–301)

Außerdem möchte sie sich später einmal danach richten, wo ihre Kinder sind und geht davon aus, daher nicht nach Japan zurückzukehren (IP 10, Z. 396–398).

Nach der Darlegung der Ergebnisse des Indikators „Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen“ erfolgt im folgenden Kapitel die Auswertung des letzten Indikators der strukturellen Dimension.

5.6.2.5 Gesundheit

Wie in Abschnitt 4.4.3 beschrieben, wird in Hinblick auf den Indikator „Gesundheit“ in dieser Arbeit die Inanspruchnahme des deutschen Gesundheitssystems durch die befragten Personen sowie das Vorhandensein einer deutschen Krankenversicherung berücksichtigt. Von 34 Personen (87,2 %) liegen auswertbare Angaben vor. 33 Personen (97,1 %) geben demnach an, dass sie bereits Erfahrungen mit dem deutschen Gesundheitssystem gemacht haben. Nur eine Person bekundet, bis dato das Gesundheitssystem noch nicht genutzt zu haben (IP 38, Z. 568–569), da sie bis jetzt „Gott sei Dank“ (IP 38, Z. 571) gesund geblieben sei.

Die 34 Befragten, welche sich zum Gesundheitssystem geäußert haben, sind alle krankenversichert. Von diesen haben 15 Personen nähere Angaben gemacht. So sind elf Personen gesetzlich versichert, drei familien- und eine Person privat versichert. IP 1 äußert sich zur Krankenversicherung wie folgt:

Also viele Japaner sind ja privat versichert, glaube ich. Besonders diese Leute, die durch die Firmen gekommen sind. […] Weil im japanischen Geist gesagt wird [die japanische Mentalität: Anm. d. Verf.], dass die normale Krankenversicherung für arme Leute ist. [Sie sind] privat versichert und später [ist es wichtig, sich von] sehr bekannten, guten Ärzten behandeln zu lassen. Das sagen sie und deswegen sind sie normalerweise privat versichert. Und sie haben auch Geld, deswegen [ist das kein Problem für sie]. (Z. 1360–1369)

IP 1 selbst sei durch ihren Arbeitsgeber „normal versichert“ (IP 1, Z. 1371–1372) und drückt ihre Erleichterung über das deutsche Krankenversicherungssystem aus: „Und noch dazu diese Krankenversicherung. Also in Japan und hier ist es ja ganz anders. In Japan kann ich die Heilung der Krankheit nie bezahlen. Hier kann ich es bis zum Ende irgendwie schaffen, glaube ich“ (IP 1, Z. 200–205). IP 11 merkt in Hinblick auf das deutsche Krankenversicherungssystem allerdings kritisch an, dass sie ein einheitliches Krankenversicherungssystem, bei dem es keine Privatpatienten gibt, solidarischer fände.

Am häufigsten wurde das Gesundheitssystem in Hinblick auf Arztbesuche in Anspruch genommen. Neun Mal wurden Zahnarztbesuche genannt, gefolgt von Frauenarztbesuchen (5), dem Besuch beim Hausarzt (3) sowie dem Hautarzt (3). Außerdem wurden Ärzte in Hinblick auf eine Krebsvorsorge sowie aufgrund eines Fahrrad- und eines Autounfalls in Anspruch genommen. 17 Personen gaben einen Krankenhausaufenthalt an, wobei dieser mit 7 Nennungen am häufigsten aufgrund der Geburt erfolgte. Weitere Nennungen beinhalteten Krankheiten (1), Operationen (3) und Aufenthalte aufgrund eines Unfalls (3). 16 Personen geben an, dass sie bei Inanspruchnahme keinerlei Probleme mit dem Gesundheitssystem hatten. IP 2 sagt: „Nun, glücklicherweise bin ich einigermaßen gesund. Ja, aber, wenn ich so zum Arzt gehe, gibt es kaum Probleme“ (IP 2, Z. 256–258). Sie berichtet weiter, dass ihr Ehemann sie manchmal zum Arzt begleitete, fügt aber hinzu, dass es ohne ihn auch kein Problem wäre (IP 2, Z. 258–260). Im Gegensatz dazu berichtet IP 6, dass sie ihren Mann gelegentlich beim Arzt anrufen lässt, da sie sich am Telefon diskriminiert fühlt und den Eindruck hat, länger auf einen Termin warten zu müssen:

Ich hatte gar keine Probleme. Nur, wenn die Leute mich nicht sehen, so am Telefon, ne? Dann fällt natürlich auf, dass ich Ausländer bin und ich weiß nicht, ob ich nur so denke, aber manchmal habe ich das Gefühl, ob das stimmt oder nicht, dass ich möglicherweise nicht ganz so positiv behandelt werde. So das Gefühl hatte ich. Und seitdem, wenn ich irgendwas Ernsthaftes habe, dann soll mein Mann anrufen, ne? (IP 6, Z. 758–766)

Dass ihr Mann schneller einen Termin bekommt, führt sie darauf zurück, dass sie sich nicht gut ausdrücken kann (IP 6, Z. 767–777). Sechs weitere Personen merken die langen Wartezeiten für gesetzlich Versicherte an. IP 17 sagt: „Dadurch, dass ich als Studentin bei der Kranken-, also man muss sich ja krankenversichern. Und das habe ich einfach weiterlaufen lassen. Das lief alles problemlos. Gut, wenn man gesetzlich versichert ist, bekommt man vielleicht nicht so schnell einen Termin, als wenn man privat versichert ist“ (Z. 363–369). Sechs Personen nennen Schwierigkeiten aufgrund der sprachlichen Kompetenzen. Zwei Personen geben an, dass sie zunächst japanische Ärzte aufgesucht haben, um diese sprachlichen Schwierigkeiten zu umgehen: „Zuerst war ich bei einem japanischen Arzt, einer Frau. Ich konnte meine eigenen Symptome nicht wirklich erklären, auf Deutsch. Deshalb gab es eine japanische Ärztin in der Nähe meines Zuhauses. Dort bin ich hingegangen“ (IP 22, Z. 263–269). Auch IP 28 hatte zunächst aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse japanische Ärzte in Anspruch genommen. IP 29 sagt:

Nun, meine Sprache ist nicht so perfekt. Sie ist nicht perfekt, weil sie sehr nachlässig ist. Was das Erklären der Symptome betrifft, nun, weil ich es vorbereite, kann ich es erklären, aber im Gegensatz dazu, kann ich das, was mir alles erklärt wird, nun, nicht richtig verstehen. Ich denke, es reicht hier nicht aus, um entsprechend zu reden und zu antworten. (Z. 419–427; Übers. d. Verf.)

IP 35 wurde im Krankenhaus aufgrund seiner mangelnden sprachlichen Fähigkeiten geraten, mit einer Deutschen bzw. einem Deutschen wiederzukommen (Z. 197–199).

Des Weiteren merkten drei Personen an, dass sie gerne ausführlichere Informationen vom medizinischen Personal erhalten hätten, und sechs Personen, dass es schwierig für gesetzlich Versicherte sei, gute Ärzte zu finden, und sie lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten.

Nachdem nun die Ergebnisse der strukturellen Dimension dargelegt wurden, befasst sich das nächste Kapitel mit der Auswertung der kulturellen Dimension.

5.6.3 Kulturelle Dimension

In diesem Kapitel folgt die Auswertung der Interviews in Hinblick auf die Integrationsindikatoren der kulturellen Dimension. Dies sind „Sprachpräferenzen und -kompetenzen“, „Werteannäherung“, „Medienverhalten“ und „Religion“. Die kulturelle Dimension sowie ihre Integrationsindikatoren wurden bereits in Abschnitt 2.3.4 erläutert. Wann eine Person in Hinblick auf die genannten Indikatoren als integriert gilt, ist in Abschnitt 4.4.3 dargelegt.

5.6.3.1 Sprachpräferenzen und -kompetenzen

Den Interviewteilnehmenden stand es offen, das Interview auf Deutsch, Japanisch oder Englisch zu führen. Entsprechend hielten 26 Personen (66,7 %) das Interview auf Deutsch und 10 Personen (25,6 %) wählten Japanisch als Interviewsprache. Drei Personen (7,7 %) wiesen weitere sprachliche Präferenzen oder Praktiken auf, so ließ sich eine Person die Fragen auf Deutsch stellen und antwortete auf Japanisch. Auf die Frage, warum sie sich entschieden habe, das Interview auf Japanisch zu führen, antwortet sie:

Ich kann zwar Deutsch, aber am einfachsten ist doch Japanisch. […] Ich denke, dass ich manche Sachen eher auf Japanisch sagen würde. Und wenn ich es auf Deutsch gemacht hätte, hätte ich gedacht: „Ah, das ist schwierig, das lasse ich, also sage ich nicht.“ Ja, sowas, wenn es Japanisch wäre, könnte ich es ausdrücken. (IP 2, Z. 288–297; Übers. d. Verf.)

IP 4 wechselte für die letzten zwanzig Minuten seines Interviews zu Deutsch und IP 7 sprach mit der Interviewerin zunächst auf Japanisch, entschied sich dann aber nach den einleitenden Worten, das Interview auf Deutsch zu führen. IP 5 verwendete sowohl Japanisch als auch Deutsch. Deutsch sprach sie vor allem dann, wenn sie sich bei der Beantwortung der Fragen sicher fühlte. Darüber hinaus betrieben zwei Interviewteilnehmerinnen Code-Switching (vgl. Abschnitt 4.3). IP 3 wechselte während des Interviews vom Japanischen ins Deutsche, um der Interviewerin japanische Begriffe zu erklären. IP 18 hingegen führte das Interview auf Deutsch und verwendete gelegentlich japanische Wörter, Phrasen oder Satzteile. Dies geschah, wenn ihr die deutschen Begriffe nicht einfielen.

26 Personen (66,7 %) gaben an, eine Sprachschule oder einen Sprachkurs besucht zu haben. Eine Person absolvierte bereits vor ihrem ersten Deutschlandaufenthalt in den 1970er Jahren einen Deutschkurs im Radio. Sie gibt allerdings an, dass es sich dabei lediglich um Kenntnisse des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens A1 handelte, beispielsweise um Grußfloskeln. 11 Personen nannten außerdem ein Studium, das mit der deutschen Sprache verbunden war. Dies konnte Germanistik, Deutsch als Fremdsprache oder ein Dolmetscherstudiengang sein.

IP 17 berichtet über ihre sprachlichen Fähigkeiten Folgendes: „Ich wusste, ich kann Deutsch, kein Erwachsenendeutsch, nur Kinderdeutsch, aber damals habe ich das nicht so richtig wahrgenommen“ (Z. 63–65). Sie lebte als Kind einige Jahre in Deutschland, weil ihr Vater ins Ausland entsandt worden war. In Japan durchlief sie anschließend die japanische Mittel- und Oberschule. Sie wählte Deutsch als erste Fremdsprache bei der Aufnahmeprüfung der Universität und führt aus: „Deswegen durfte ich bei meinem Deutschlehrer richtig pauken und da hat er mir schon gesagt, so wie du redest, redet kein erwachsener Mensch“ (IP 17, Z. 143–146). Sie lernte dort unter anderem den Konjunktiv kennen und führt dies auch als Beispiel für einen Unterschied zwischen „Kinderdeutsch“ und „erwachsenen Deutsch“ an: „Kinder reden nicht im Konjunktiv“ (IP 17, Z. 132). Außerdem erfuhr sie während ihres Studiums, dass man im förmlichen Kontext bevorzugt Hochdeutsch spricht:

Ich bin ja in (deutsche Stadt) zur Schule gegangen und ich kann auch sehr gut (deutschen Dialekt sprechen), aber da habe ich dann gemerkt: „Okay, während des Studiums spricht man Hochdeutsch.“ Zumindest die, die es können. Und ich bin mit meinem [Dialekt] sehr aufgefallen und ich wusste zuerst nicht, warum sie alle so schmunzeln und dann habe ich das dann irgendwann gefragt und dann sagten sie dann: „Na ja, du [sprichst den Dialekt] so lustig.“ Dann dachte ich: „Okay, das macht man auch nicht.“ Und dann habe ich dann auch gedacht: „Okay, Hochdeutsch kannst du eigentlich auch sprechen“, gut, mein [Dialekt] rutscht wahrscheinlich immer wieder so ein bisschen durch. Deswegen hört man das wahrscheinlich immer gleich, dass ich hier groß geworden bin. Aber ja, daran habe ich dann auch gemerkt: „Ok, als erwachsener Mensch spricht man Hochdeutsch.“. (IP 17, Z. 160–176)

IP 17 spricht zwar bei der Arbeit und im Alltag in ihrem Freundeskreis Japanisch und Deutsch, doch hat sie keine Schwierigkeiten, sich auf Deutsch auszudrücken, ebenso wie IP 25. Sie arbeitet als Dolmetscherin und Übersetzerin. Aus ihrem Interview geht hervor, dass sie den Ehrgeiz hat, die deutsche Sprache gut zu beherrschen, weshalb sie sich im Anschluss an ihr Germanistikstudium in Japan entschied, sich für einige Zeit in Deutschland niederzulassen (IP 25, Z. 443–446; 455–476, vgl. Abschnitt 5.1).

Auch IP 27 studierte in Japan Germanistik. Um Arbeit zu finden, bei der sie die Sprache anwenden konnte, kam sie nach Deutschland. Da es sich jedoch als schwierig erwies, eine entsprechende Arbeit zu finden, vertiefte sie ihre sprachlichen Fähigkeiten durch einen Dolmetscherstudiengang. Sie räumt ein, dass sie jeden Tag Japanisch spreche, weil sie für eine japanische Firma arbeite (IP 27, Z. 382–383), dennoch hat sie keine Schwierigkeiten im Alltag und bei der Arbeit auf Deutsch zu kommunizieren. IP 8 ging in Japan auf eine deutsche Schule und studierte anschließend in Deutschland. Es folgte ein Praktikum, aus dem sich schließlich eine langjährige Erwerbstätigkeit ergab. Ihr Kollegium setzt sich aus deutschen Personen zusammen, die Wert darauf legen, Deutsch zu sprechen. Sie hat keine Mühen, im Alltag und am Arbeitsplatz die deutsche Sprache zu verwenden. Sie berichtet allerdings von diskriminierenden Erlebnissen, denn sowohl vonseiten fremder Personen auf der Straße und im Supermarkt als auch vonseiten ihrer Arbeitskolleginnen und -kollegen ist sie im Zusammenhang mit dem Sprechen einer anderen Sprache sowie aufgrund ihrer Herkunft und/oder ihres Aussehens beleidigt oder angefeindet worden. Als Strategie zum Umgang mit solchen Erlebnissen empfiehlt sie, einen Witz daraus zu machen, weil man dann respektiert würde. So spricht sie gelegentlich absichtlich das „r“ nicht korrekt aus und sagt beispielsweise „Flühlingslolle“Footnote 6.

Auch IP 36 und IP 39 besitzen gute sprachliche Fähigkeiten und setzen diese sowohl im Alltag als auch bei der Arbeit bzw. dem Studium ein. Im Anschluss an ihr japanischsprachiges Studium hatte IP 36 vor, ein deutschsprachiges Studium anzuschließen, weshalb sie die sprachlichen Vorbereitungen schon während ihres ersten Studiums im Rahmen eines einjährigen Sprachaufenthalts aufnahm. Auch nach ihrer Ankunft beschäftigte sie sich weiter mit der deutschen Sprache und machte weitere Sprachprüfungen (IP 36, Z. 38–39). Auch beruflich benötigt sie je nach Tätigkeit gute Deutschkenntnisse. Bei ihrer ersten Arbeitsstelle im Krankenhaus wird Deutsch als Verkehrssprache gefordert. Die zweite Tätigkeit, der sie nachgeht, ist die Musiktherapie, die sie sowohl auf Deutsch als auch auf Japanisch anbietet. IP 36 argumentiert zudem, dass sich die Beziehung zu einem Deutschen günstig auf ihre sprachliche Integration ausgewirkt habe: „Für meine Integration oder sprachliche Integration hat damals geholfen, […] in einer Beziehung mit einem deutschen Freund [zu sein: Anm. d. Verf.]. Das hat natürlich sehr viel sprachliche Unterstützung gegeben. Dadurch konnte ich wirklich Vieles verstehen“ (IP 36, Z. 131–136). Im Gegensatz zu IP 36 gibt IP 39 (Z. 692) an, dass er jetzt „mehr oder weniger [Deutsch] sprechen“ kann. Als Vorbereitung auf sein Studium in Deutschland begann auch er, sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen und sich ausreichende sprachliche Fähigkeiten anzueignen. Nach seiner Ankunft in Deutschland bereitete er sich mithilfe seiner Gastmutter auf die Sprachprüfung zur Zulassung zum Studium vor. Er berichtet von einer Kluft zwischen dem „am Schreibtisch“ (IP 39, Z. 52) gelernten Deutsch in Japan und dem vor Ort im deutschen Alltag benötigten Deutsch. Seinen Lernprozess schildert er wie folgt:

Ich habe circa drei Jahre in Japan beim (Institutsname) nicht studiert, [sondern Deutsch] gelernt. Und ich habe auch gleichzeitig Privatunterricht besucht. Aber um ehrlich zu sagen, damals habe ich doch gelernt, aber das war nur auf dem Tisch sozusagen. […] Weil ich hatte keine deutschen Freunde in Japan zum Beispiel. Deswegen konnte ich damals nicht so gut spre-, ich habe immer gelernt. Deswegen kannte ich schon viele Wörter. Aber ich konnte nicht so gut sprechen. [Das] Sprechen habe ich zum ersten Mal in Deutschland trainiert.

Für den Zugang zur Hochschule wird der Nachweis einer sprachlichen Qualifikation benötigt. Um diese zu erhalten, hat die Gastmutter ihm bei den Prüfungsvorbereitungen geholfen. IP 39 hebt in seinem Interview hervor, dass das Lernen einer Sprache viel Eigeninitiative erfordert und ein ständiger Lernprozess ist (IP 39, Z. 428–436, Z. 683–692). Im Gegensatz zu IP 39 konnte IP 24 (Z. 153–154) jedoch zu Beginn ihres Aufenthaltes „kein Wort Deutsch“. Sie durchlief eine Umschulung sowie eine Ausbildung und fand schließlich bei einem deutschen Unternehmen Arbeit. Ihren Alltag bestreitet sie überwiegend auf Deutsch. Bei ihrer Arbeit kann sie sowohl auf Deutsch als auch auf Japanisch zurückgreifen. Entsprechend kann man davon sprechen, dass sie sprachlich in Alltag und Arbeitsplatz integriert ist.

IP 1 führt das Interview auf Deutsch und kommuniziert auch primär mit ihrem Mann auf Deutsch. Außerdem setzt sich ihr Freundeskreis aus deutschen und japanischen Personen zusammen und bei ihrer Arbeit ist sie auf die Vermittlung von Wissen mithilfe der deutschen Sprache angewiesen. Dies lässt darauf schließen, dass sie sowohl im Alltag als auch am Arbeitsplatz auf Deutschkenntnisse angewiesen ist und diese auch erfolgreich einbringt, dennoch erzählt sie bezüglich ihrer eigenen sprachlichen Fähigkeiten:

[W]enn ich Deutsch spreche, dann […] weiß ich ganz klar, das ist nicht meine Muttersprache. […] [I]ch bin ziemlich gebildet, glaube ich, aber so entsprechende Ausdrücke habe ich leider nicht. Und vielleicht soll ich ja noch fleißiger […] lernen, aber dazu habe ich auch keine Kraft und keine Zeit mehr. […] Das [Die Sprache: Anm. d. Verf.] ist nicht perfekt und so. Als Lehrerin auch peinlich manchmal. Das ist wirklich doof. (IP 1, Z. 696–698, 705–708, 713–715)

Aus ihrer Erzählung wird ihre Frustration über ihre sprachlichen Fähigkeiten deutlich und sie übt äußerste Selbstkritik: „Und dann auch in Hamburg und in Norddeutschland oder manchmal auch in Sachsen und so dieser Dialekt, ne? Dialekt [ist] noch dazu schwieriger. Natürlich kann ich [den Dialekt] ja schon einigermaßen verstehen, aber trotzdem [ist es] ärgerlich“ (IP 1, Z. 715–721). Das Transkript ihres Interviews zeigt zwar größere grammatikalische Mängel und einen ungeordneteren Redefluss als bei den beiden zu Beginn genannten Personen, IP 17 und IP 25, doch besitzt sie einen ausreichenden Wortschatz, um sich im Alltag zu verständigen. Auch IP 9 äußert sich kritisch hinsichtlich ihrer sprachlichen Fähigkeiten. Sie hatte bereits in Japan im Rahmen ihres Studiums Deutsch gelernt und setzte dies nach ihrem Aufenthalt mit einem Sprachschulbesuch fort. Sie merkt allerdings an: „Also wirklich wegen der Sprache hatte ich oft Schwierigkeiten. Ich kann eigentlich alles ausdrücken, was ich möchte oder was ich brauche, aber trotzdem habe ich ein bisschen Angst vor der Sprache, davor zu sprechen. Ja, und deswegen hatte ich […] oft Schwierigkeiten“ (IP 9, Z. 219–226). Es zeigt sich, dass nicht ihre sprachlichen Fähigkeiten Kern des Problems sind, sondern ihr Selbstbewusstsein. Dadurch dass sie sich nicht traut zu sprechen, hat sie Schwierigkeiten. Daher habe sie sich oft gedacht: „Ja, wenn ich in Japan wäre, dann könnte ich immer alles sagen. Oder, ja, da müsste ich keine Angst haben. Ja, deswegen ist das für mich immer noch schwierig“ (IP 9, Z. 226–229). Auch sie besitzt aber ausreichende Fähigkeiten, um im Alltag und bei Bedarf auch am Arbeitsplatz auf Deutsch zu kommunizieren. Auch IP 10, IP 11 und IP 12 haben Deutsch studiert. In den Interviews zeigt sich, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten sowohl den Anforderungen des Alltags als auch des Berufslebens gerecht werden. Sechs weitere Personen, IP 4, IP 6, IP 7, IP 15, IP 20 und IP 32 hatten zwar vor ihrer Migration kein Deutsch studiert, doch reichen auch ihre sprachlichen Fähigkeiten für den Alltag in Deutschland und ihren Beruf bzw. ihre frühere berufliche Tätigkeit aus.

IP 13 sagt hinsichtlich ihres Vorhabens, in Deutschland ansässigen Japanerinnen beim Zurechtfinden und dem Erlernen der Sprache behilflich zu sein, folgendes: „Mein Deutsch ist nicht perfekt, aber trotzdem kann ich helfen“ (IP 13, Z. 344–346). Sie führte das Interview auf Deutsch und erzählte, dass sie ohne Sprachkenntnisse aufgrund eines persönlichen Interesses an fremden Kulturen und Sprachen nach Deutschland kam. Nach ihrer Ankunft besuchte sie eine Sprachschule, wodurch ihr Interesse an der deutschen Sprache geweckt wurde. Da sie bereits Englisch beherrschte, verglich sie Japanisch, Englisch und Deutsch und war von der deutschen Sprache derart fasziniert, dass sie sich für ein Sprachstudium immatrikulierte. Durch ihre Schwangerschaft unterbrach sie das Studium und nun fünf Jahre später könnte sie es wiederaufnehmen, doch muss feststellen, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten nicht mehr ausreichen: „Ich habe eigentlich probiert, wieder voll zu studieren, aber zeitlich kann ich nicht und mein Deutsch, also ich habe auch gemerkt, ja, mein Deutsch ist auch nicht so gut“ (IP 13, Z. 84–87). Für ihr Sprachstudium mögen ihre Deutschkenntnisse nicht mehr ausreichen, doch für den Alltag und ihre berufliche Tätigkeit schon.

Auch IP 18, IP 19, IP 21, IP 23, IP 31, IP 33 und IP 38 führen das Interview auf Deutsch, obwohl sie beruflich nicht gänzlich auf die deutsche Sprache angewiesen sind bzw. waren und sie gemischtsprachliche und multikulturelle Freundeskreise haben. Während des Interviews und durch die Transkripte wird deutlich, dass grammatikalische Mängel bestehen und sie mit einem stärkeren Akzent sprechen als andere Teilnehmende. Dennoch sind sie in der Lage, sich im Alltag zu verständigen. Bei der Kommunikation an einem deutschen Arbeitsplatz könnte es allerdings zu Problemen kommen. IP 18 greift, wenn ihr die deutschen Begriffe oder Phrasen nicht einfallen, auf Japanisch zurück und betreibt somit, wie zu Beginn des Kapitels bereits angemerkt, Code-Switching. Dies macht auch IP 5, wobei ihr Redefluss flüssiger ist. Ebenso betreibt IP 33 Code-Switching. Hinsichtlich seiner Sprachpräferenzen gibt er an mit seiner deutschen Ehefrau bevorzugt Englisch zu sprechen und dies gelegentlich mit Deutsch und Französisch zu „mischen“ (IP 33, Z. 193–195). IP 23 (Z. 275–276) erzählt bezüglich der Einschätzung ihrer sprachlichen Fähigkeiten von ihrem Umfeld: „Ich habe jetzt einen Freund, der schimpft die ganze Zeit: ‚Ich bezahle dir, geh‘ mal zur Deutschsprachschule‘“, während IP 19 (Z. 62–63) anmerkt: „ich hätte noch intensiver Deutsch lernen müssen“.

Die sprachlichen Fähigkeiten von IP 30, IP 34, IP 35 und IP 37 hingegen reichen weder aus, um sich bei der Arbeit noch um sich im Alltag zu verständigen. IP 30 lernte während ihres Studiums ein halbes Jahr lang Deutsch, empfindet die Sprache aber als „mühselig“ (Z. 31; Übers. d. Verf.). Ihr sprachliches Niveau belief sich damals allerdings auf Anfängerniveau und da mittlerweile mehr als zehn Jahre vergangen seien, hätte sie es vollkommen vergessen (IP 30, Z. 39–42). IP 34 sagt, dass in Hinblick auf die Arbeit die „Sprache das größte Problem“ (IP 34, Z. 133–134; Übers. d. Verf.) sei. Weil er Deutsch noch nicht so gut könne, sei die gegenseitige Verständigung anstrengend (IP 34, Z. 76–78). Er räumt bezüglich seiner Anstrengungen, Deutsch zu lernen allerdings auch ein, dass seine Fähigkeiten noch ausbaufähig sind und antwortet auf die Frage, ob er an einem Deutschkurs teilgenommen habe: „Ich bin drei Monate hingegangen, habe es aufgegeben, bin wieder hingegangen, habe es aufgegeben. Weil es etwas schwer ist und ich leider aufgegeben habe, werde ich irgendwie nicht besser“ (IP 34, Z. 80–83; Übers. d. Verf.). Am anstrengendsten empfindet er im Alltag den Gang zur Bank und einen Besuch im Krankenhaus (IP 34, Z. 84). Im Gegensatz zu seinem vorherigen Aufenthaltsort Düsseldorf sieht er aber in seiner jetzigen Wahlheimat die Notwendigkeit, Deutsch zu sprechen als gegeben an (Z. 107–110). IP 35 sieht ebenfalls die Sprachbarriere am Arbeitsplatz als größtes Problem und sagt: „Weil ich noch nicht sprechen kann, können wir uns nicht gegenseitig verständigen“ (IP 34, Z. 236–237; Übers. d. Verf.). Zum Zeitpunkt des Interviews war er erst ein halbes Jahr in Deutschland und hatte zuvor Privatunterricht genommen. Sein erster Deutschkurs lag zum Zeitpunkt des Interviews noch einige Monate in der Zukunft (IP 34, Z. 159–180). Von sprachlichen Schwierigkeiten im Alltag berichtet auch IP 37. Ihr bereite seit der Ankunft in Deutschland die deutsche Sprache Mühe (IP 37, Z. 58–62). Sie hält Deutsch für schwierig und führt dies auf Unterschiede in Aussprache und Grammatik zur japanischen Sprache zurück (IP 37, Z. 67–69). Es gebe immer noch viel, was sie nicht verstehe (IP 37, Z. 71–72). Obwohl sie sich in derselben Stadt aufhält wie IP 34, erzählt sie, dass sich der Alltag vor Ort vollständig auf Japanisch führen lasse, was sich zum Nachteil auf ihre sprachlichen Fähigkeiten auswirke: „[Es] geht alles auf Japanisch und man kann den Alltag bestreiten. Mein Deutsch wird immer schlechter. Wenn ich Deutsch brauche, habe ich große Probleme“ (IP 37, Z. 73–74; Übers. d. Verf.). In Hinblick auf die sprachlichen Fähigkeiten ihres dreijährigen Kindes merkt sie selbstironisch an, dass sein Deutsch besser sei als ihres (IP 37, Z. 242–244). Entsprechend der hier dargelegten Sprachschwierigkeiten führten alle vier zuletzt genannten Personen das Interview auf Japanisch.

Auch weitere Interviewpartnerinnen und -partner berichten von Schwierigkeiten bei der Sprachanwendung bzw. dem Vorgang des Erlernens. Da sie das Interview auf Japanisch führten, lässt sich nur hermeneutisch erschließen, ob ihre sprachlichen Fähigkeiten für den deutschen Alltag und Arbeitsplatz ausreichen. Aus dem Interview von IP 14 (Z. 175–177) geht hervor, dass sie bemüht war, Deutsch zu lernen, da sie feststellte, dass die deutsche Sprache für den Alltag notwendig sei. Daher besuchte sie neben der Arbeit für kurze Zeit eine Sprachschule. Sie stellte bald fest, dass es für sie schwierig ist, sich neben der Arbeit auf das Erlernen der Sprache zu konzentrieren, weshalb sie aufhörte, zu arbeiten (IP 14, Z. 176–179; 182–184). Da sie das Interview auf Japanisch führte, einen intraethnischen Freundeskreis besitzt und zurzeit in Elternteilzeit ist, kann davon ausgegangen werden, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten nicht gut genug ausgeprägt sind, um ohne Probleme den Alltag sowie den Arbeitsalltag auf Deutsch zu bestreiten. Ähnlich verhält es sich bei IP 29. Er führt das Interview auf Japanisch und bietet zu Beginn an, die Fragen auf Deutsch gestellt zu bekommen, um sie dann auf Englisch zu beantworten. Er gibt an, dass sowohl seine Kontakte als auch sein Arbeitsalltag von der japanischen Sprache geprägt sind. IP 22 führte das Interview auf Japanisch und besitzt einen Freundeskreis, der aus japanischen und deutschen Personen besteht. Im Rahmen ihrer Arbeit greift sie hauptsächlich auf Japanisch zurück:

[E]s ist viel Japanisch im normalen Alltag. Ich spreche auch Japanisch mit meinem Mann. Ja, auch zuhause Japanisch. Genau. Und hier bei der Arbeit auch fast alles Japanisch. […] Ich benutze Deutsch höchstens, wenn ich kurz eine E-Mail auf Deutsch schreiben muss, dann korrigiert er [ihr Mann: Anm. d. Verf.] sie. […] Weil ich im Alltag auf Japanisch spreche, […] habe ich nicht das Gefühl, dass ich in Deutschland integriert bin. (IP 22, Z. 522–525, 529–531, 516–519)

IP 26 und IP 28 führten die Interviews ebenfalls auf Japanisch. IP 26 erzählte, dass sie Deutsch, als sie herkam, hasste. Sie hatte Deutsch zwar während ihres Studiums gelernt, bezeichnet sich aber als schlechte Schülerin und stellte bei der Arbeitssuche ihre Deutschkenntnisse nicht heraus. Im Anschluss an das Interview schickte sie der Interviewerin allerdings noch E-Mails auf Deutsch, die veranschaulichten, dass sie sich im Alltag auf Deutsch verständigen kann. IP 28 studierte Germanistik in Japan, doch reichten seine sprachlichen Fähigkeiten zu Beginn seines Aufenthalts nicht aus, um den Alltag zu bewältigen. Besonders Arztbesuche bereiteten ihm Schwierigkeiten, sodass er japanische Ärzte aufsuchte. Mit der Zeit und der Aufnahme eines zweiten Studiums in Deutschland verbesserten sich seine sprachlichen Fähigkeiten allmählich, weshalb ihm ein späterer Krankenhausbesuch sprachlich keine Schwierigkeiten mehr bereitete. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sprachkompetenz bei IP 26 und IP 28 für den Alltag ausreicht, ob sie für den deutschen Arbeitsalltag genügt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

IP 2 wurde bereits zu Beginn dieses Kapitels zitiert. Sie sagt selbst, dass sie Deutsch sprechen könne, bevorzugt aber Japanisch, da sie sonst mit sprachlichen Schwierigkeiten rechnet und diese dadurch umgeht, keine Antwort zu geben. IP 3 führt das Interview ebenfalls auf Japanisch und greift gelegentlich auf deutsche Wörter zurück. Unter Einbezug ihres Freundeskreises, ihres Medienverhaltens und der wenigen getätigten Worte und Sätze kann davon ausgegangen werden, dass ihre Sprachkompetenz nicht sonderlich ausgeprägt ist. Valide Aussagen zu den beiden zuletzt genannten Teilnehmerinnen lassen sich allerdings nicht treffen.

Zusammenfassend geht aus der obigen Analyse hervor, dass sich 18 Personen im Alltag und auch am Arbeitsplatz auf Deutsch verständen können, bei 9 Personen reichen die sprachlichen Fähigkeiten aus, um im Alltag auf Deutsch zurechtzukommen, und weitere 9 Personen besitzen keine ausreichende Sprachkompetenz. Im Anschluss folgt die Darlegung der Ergebnisse für den nächsten Indikator der kulturellen Dimension „Werteannäherung“.

5.6.3.2 Werteannäherung

Wie in Abschnitt 4.4.3 dargelegt, wird an dieser Stelle berücksichtigt, ob die Befragten die freiheitlich-demokratischen Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland anerkennen. Hierunter versteht man die Akzeptanz bestimmter Staatsstrukturen wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, die Religionsfreiheit, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit nicht die Rechte anderer verletzt werden, sowie die Abwesenheit von Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung, der Herkunft, der Hautfarbe, einer etwaigen Behinderung oder religiöser oder politischer Anschauungen (vgl. Abschnitt 2.2.1). Diesbezüglich ergibt die Auswertung der Interviews, dass keine der befragten Personen Äußerungen tätigt, die dieser entgegenlaufen. Im Gegenteil wird von IP 13 angemerkt, dass Japanerinnen und Japaner offen für andere Religionen seien. Auf die Frage, ob ihr Ehemann christlich aufgewachsen oder erzogen wurde, antwortet sie: „Nein, gar nicht. Mein Mann hat von Anfang an keine bestimmte Religion. Und er sagt, er wird nie irgendeine Religion haben oder so. Aber weil Japan so tolerant für Religionen ist, ist vielleicht mein Gedanke anders als seiner“ (IP 13, Z. 461–467). Sie führte zuvor ihre Einstellung zur Religion aus und hebt dabei ihre positive Einstellung gegenüber dem Christentum hervor:

Ich bin Buddhistin. (…) Aber ich bin (…) zu einer evangelischen Highschool gegangen. Obwohl ich keine evangelische Christin bin. Aber dadurch habe ich Kenntnisse und Wissen über die christliche Kultur gelernt und finde (…) Christentum ist eigentlich auch eine ganz nette Religion. Und in [Stadt] nehme ich an evangelisch-japanischen Mutter-Kind-Treffen teil. Wie gesagt, ich bin offiziell Buddhistin, aber ich bin auch nicht gegen andere Religionen. So denke ich manchmal, ich bin christlich oder evangelisch. (IP 13, Z. 440–457)

IP 20 (Z. 471–473) geht ebenfalls auf dieses Thema ein, indem sie zunächst sagt: „Ich bin Buddhistin, aber ich bin überhaupt nicht so, wie wahrscheinlich andere Japaner. Wir sind überhaupt nicht so religiös“. Auch sie hat einen Ehemann, der keiner Religion angehört, und führt dazu aus:

Mein Mann ist nicht gläubig. Aber das ist für mich auch so eine Art von so-, er hat da so eine starke Meinung, dass es keinen Gott gibt und sowas. Und für mich ist es eigentlich egal, ob Allah oder sowas hilft, dann ist es auch ok. (…) Für mich ist es, wenn das schön ist, dann ist das schön. Deswegen mein Sohn muss nicht unbedingt so viel nachdenken. Also er kann sich dann selbst, was fühlen [der Religion nachgehen, zu der er sich hingezogen fühlt: Anm. d. Verf.]. (IP 20, Z. 475–484)

In Hinblick auf ihre Einstellung bezüglich eigener religiöser Praktiken zeigt sich eine religiöse Vielfalt:

In Japan gehen wir dann immer noch an Neujahr zum Schrein. Aber ich bin eigentlich Buddhistin. Und wir feiern auch Weihnachten und, zum Beispiel meine Tandempartnerin ist auch religiös und ich bin auch mit ihr zusammen zum Gottesdienst gegangen. War auch schon lustig. Aber war auch nicht so ein Problem. Für mich war es kein Problem. (IP 20, Z. 488–495)

Dies wird auch von IP 27 aufgegriffen:

[I]ch glaube, bei meiner Familie wird meist so buddhistisch beerdigt, aber wir gehen auch zu Schreinen. Also, ich glaube, ganz durchschnittlich japanisch, Shintoismus und Buddhismus, würde ich sagen. Wir sind auch nicht christlich, aber Weihnachten feiern wir trotzdem. So in diese Richtung. (IP 27, Z. 833–839)

IP 21 erläutert, dass Buddhismus keine strenge Religion sei und japanische Buddhisten keinen Tempel benötigten, um ihren Glauben auszuleben. Dies sei jedoch deutschen Personen, die sich zum Buddhismus bekennen, wichtig (IP 21, Z. 1007–1013).

IP 6 erzählt, dass sie aufgrund der Familie ihres Mannes regelmäßig die Kirche besucht hätte. Dies wäre in der Familie üblich gewesen und sie ging davon aus, dass sich dies in Deutschland gehöre: „[J]eden Sonntag sind wir in die Kirche gegangen, ohne dass ich wusste, dass das nicht unbedingt sein muss, aber ich habe gedacht damals, das gehört zu Deutschland. Aber nach einem Jahr habe ich von vielen Bekannten erfahren, dass es nicht unbedingt zu Deutschland gehört“ (IP 6, Z. 1018–1023). Daher geht sie dieser Gewohnheit nicht mehr nach, sagt aber bezüglich ihrer Einstellung zum Christentum mit Hinblick auf die Geburt ihrer Kinder:

[A]ber ich bin auch nicht gegen christliche Sache. [E]s gibt ja viele gute Sachen. Auch im christlichen Bereich und die Kinder gehören auch irgendwo hin. Und Deutschland ist ja ein christliches Land, so wie ich mitgekriegt habe. Und das sollte man auch mal machen, ne? Weil Moralunterricht ist ja nicht so. Hier. Ich weiß nicht, wie das jetzt ist, damals haben wir nicht mitgekriegt, dass da so ein Moralunterricht [ist]. Wir hatten ja immer Moralunterricht. Japaner hatten immer Moralunterricht und ich glaube, man lernt dadurch viel, […] was [man] gesellschaftlich braucht, ne? Und [bei der] Sozialisation braucht man irgendwas und dann auch, wenn dann Religion ist, wenn es Gutes erzählt wird, dann dachten wir gar nicht-, oder dachte ich, auch nicht schlecht. Und sie sind deswegen auch christlich getauft und christlich auch so bisschen nebenbei erzogen. (IP 6, Z. 1028–1047)

IP 29 kann als Beispiel dafür angeführt werden, dass sich viele der befragten Personen für das Christentum interessieren, auch wenn sie diesem nicht angehören, konvertiert sind oder zu diesem konvertieren möchten:

[I]ch habe großes Interesse am Christentum. Das heißt nicht, dass ich ein Gläubiger bin, und ich habe Interesse an christlichen Beziehungen zu Außenstehenden, die keine Gläubigen sind, und zum Beispiel habe ich auch Interesse an christlicher Kultur und am Studium, wie es ist [das Christentum: Anm. d. Verf.]. Wenn ich von Studium spreche, meine ich, dass ich höchstens japanische Bücher lese. Genau, ich interessiere mich für das Christentum, und habe auf meine Weise ein Verbundenheitsgefühl. (Z. 568–576; Übers. d. Verf.)

Ein weiterer Aspekt der Werteannäherung, die Entfaltung der Persönlichkeit, die sich in der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen ausdrücken kann, wird von IP 10 angesprochen:

[I]ch bin neugierig, ich mache viele neue Sachen und ich finde es gut, dass in Europa alles irgendwie offen ist. Für mich passt das besser. […] Meine Mutter war furchtbar: „Du musst das anziehen. Was denken die Leute? Das ist ja komisch.“ Ja, ich möchte anders sein. Sowas [wie das Beispiel ihrer Mutter: Anm. d. Verf.] gibt es hier nicht. Jeder macht hier, was man will. (IP 10, Z. 860–867)

IP 16 nennt ein weiteres Beispiel zur Entfaltung der Persönlichkeit, indem sie auf die Rollenzuschreibungen für Frauen in Japan eingeht. Von diesen werde erwartet, dass sie heiraten und Kinder gebären, während sie es in Deutschland so empfunden habe, dass man zumindest in der Stadt, in der sie lebt, ein Leben führen könne, „wie man selber mag“ (Z. 117–118). Der Lebensweg sei nicht vorgegeben (Z. 111–120). IP 20 geht ebenfalls darauf ein, dass die Lebensart hier „viel, viel lockerer“ (IP 20, Z. 662–663) sei. Man müsse sich nicht wie in Japan mit anderen vergleichen, weshalb sie zunächst mit ihrem Freund zusammengelebt hätte, dann ihr gemeinsames Kind bekam und anschließend geheiratet hätte (IP 20, Z. 663–666). In Japan sei es so, dass man zunächst zusammenziehe, dann heirate und dann ein gemeinsames Kind bekäme (IP 20, Z.667–668): „Das hätte ich dann wahrscheinlich in Japan nicht gemacht. Deswegen fand ich dann alles locker“ (IP 20, Z. 669–671). IP 36 empfindet auch, dass sie ihre Persönlichkeit in Deutschland besser entfalten kann, indem sie über ihre Verwandtschaftsbesuche und Urlaube in Japan folgendes berichtet: „Ja, ich erlebe dann so die Enge und zu viel Höflichkeit und zu viel Zurückhaltung […]. Für mich ist [es] hier leichter“ (IP 36, Z. 345–349). IP 38 erzählt ebenfalls, dass sie sich in Japan eingeengt fühle, führt das auf ihre, im Vergleich zu Tokyo, traditionellere (vermutlich konservativere) Heimat zurück und sagt, dass sie sich in Japan nicht so wohl, aber in Deutschland freier fühle (Z. 99–108). IP 39 (Z. 645–657) erzählt:

[A]ls ich in der Schule war, ich bin der Typ, der immer seine Meinung sagen möchte, aber in Japan ist es ab und zu schwierig. Und deswegen, du musst immer mit anderen Leuten harmonisieren. Deswegen hatte ich oft Probleme mit dem Lehrer und so weiter. Aber hier in Deutschland musst du immer deine Meinung sagen. […] Also dann irgendwie mein Charakter passt sehr gut hier in Deutschland und ich fühle mich viel angenehmer mit meinem Charakter zu leben, in Deutschland. Ja, das kann ich sagen, wenn ich [Deutschland und Japan] vergleiche.

Neben der Entfaltung der Persönlichkeit gehen die Befragten im Rahmen der Frage nach ihrem persönlichen Integrationsverständnis bereits auf Aspekte ein, welche ein friedliches Zusammenleben und das Befolgen von Gesetzen und gesellschaftlichen Normen berühren (vgl. auch Abschnitt 5.5).

Darüber hinaus gehen zwölf Personen auf arbeitsbezogene Normen, Werte und Verhaltensweisen ein und vergleichen dabei die als „deutsch“ und als „japanisch“ empfundene Arbeitsweise, Arbeitseinstellungen sowie das Arbeitsumfeld. In Abschnitt 5.1, in dem auch schon die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, Aspekte der Entfaltung der Persönlichkeit und der Wunsch nach einem diskriminierungsfreien Leben als Grund für die Migration genannt wurden, wurde ebenfalls bereits darauf eingegangen, dass einige der befragten Personen die Work-Life-Balance in Deutschland als besser empfinden und sich daher zur Migration entschieden haben. IP 5 schildert in diesem Zusammenhang die in Japan empfundene Einstellung zu Überstunden und vergleicht die von ihr empfundenen Arbeitseinstellungen in beiden Ländern miteinander:

In Japan ist es selbstverständlich, Überstunden zu machen. Es ist seltsam, wenn es jemand nicht macht. In Deutschland ist es komisch, wenn man Überstunden macht. Wenn man Überstunden macht, wird angenommen, dass man seinen Job irgendwie nicht kann. Für Deutsche ist es normal, pünktlich zu einer bestimmten Uhrzeit nach Hause zu gehen. Wenn man nicht fertig ist, macht man es am nächsten Tag. Das zu machen, ist deutsche Mentalität. Japaner gehen nicht nach Hause, wenn an dem Tag nicht alles erledigt ist. Aber weil es da keine Freizeit gibt und ich denke, dass Deutschland ein Land ist, in dem es geschätzt wird, private Zeit zu haben, finde ich die deutsche Art und Weise besser. (IP 5, Z. 285–295; Übers. d. Verf.)

IP 12 führt den Mangel an Urlaub in Japan darauf zurück, dass es dort keine Lohnfortsatzzahlungen gibt und die Bezahlung nicht zugunsten der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers geregelt ist. IP 14 berichtet unter anderem über die Arbeitszeiten in der Gastronomie. Sowohl in Japan als auch in Deutschland gäbe es lange Arbeitstage, ebenso gehört es dazu am Wochenende zu arbeiten, doch sei es ihr in Deutschland im Gegensatz zu Japan möglich, „unverdrossen Urlaub“ (Z. 244; Übers. d. Verf.) zu nehmen: „In der Situation, in der ich Urlaub bekommen habe, kann ich machen, was ich möchte. Das ist sehr reizvoll“ (Z. 246; Übers. d. Verf.). Sie führt allerdings aus, dass sie in Japan eine höhere Position im gastronomischen Betrieb innegehabt und ein höheres Gehalt erhalten hätte (Z. 247–258). Sie schließt aber damit, dass für sie mehr Freizeit kostbarer sei als Geld: „Mein Gehalt ist niedriger als in Japan, aber ich denke, dass es ein Gewinn ist, hier zu sein. Ich denke, dass ich mehr Zeit zur freien Verfügung habe. [M]ehr freie Zeit zu haben, ist wertvoll. Wertvoller als Geld, denke ich“ (Z.258–262; Übers. d. Verf.).

Die Auswertung der Interviews hinsichtlich der Werteannäherung ergibt, dass 18 Personen eine Annäherung an als „deutsch“ verstandene Normen und Lebensweisen aufweisen und 5 Personen noch überwiegend japanische Normen und Lebensweisen verinnerlichen bzw. diese betonen. Die übrigen Personen dienen als Beispiele dafür, dass in manchen Lebensbereichen deutsche bzw. japanische Normen und Lebensweisen bevorzugt werden. So genießt IP 20 einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben und lebt eine liberale Rollenverteilung, berücksichtigt bei der Erziehung ihres Kindes allerdings japanische Wertvorstellungen (IP 20, Z. 453–468). Interessant ist auch, dass sie deutschen Personen Pünktlichkeit abspricht (IP 20, Z. 674–677). Sie hingegen sei durch den Alltag in Deutschland geduldiger geworden (IP 20, Z.671–684). Nach der Darlegung der Ergebnisse des Indikators „Werteannäherung“ befasst sich das nächste Kapitel mit der Analyse der Ergebnisse des Indikators „Medienverhalten“.

5.6.3.3 Medienverhalten

Für die Analyse des Indikators „Medienverhalten“ ist, wie in Abschnitt 2.3.4 und in Abschnitt 4.4.3 bereits ausgeführt, vor allem relevant, in welcher Sprache die Medien genutzt werden. Insgesamt können 84,6 % (n = 33) der Interviews für die Auswertung dieses Indikators genutzt werden. Für sechs Interviewteilnehmende liegen keine Angaben vor. Die Mediennutzung erfolgt in acht Fällen (24,2 %) ausschließlich auf Deutsch und in sechs Fällen (18,2 %) auf Japanisch. 19 Personen (57,6 %) verwenden sowohl deutsch- als auch japanischsprachige Medien.

Darüber hinaus können aus den Interviews weitere Rückschlüsse bezüglich der sprachlichen Nutzung gezogen werden. So geben zwei Personen an, Medien neben Deutsch und Japanisch auch auf Englisch zu nutzen oder den Google-Translator zum Übersetzen der Texte vom Deutschen ins Japanische zu verwenden. So berichtet IP 29 über sein Medienverhalten:

[I]ch persönlich höre Radio, seitdem der Fernseher vor einigen Jahren kaputt gegangen ist, schauen wir zuhause kein Fernsehen mehr. Ja. Und meine Informationsquelle ist das Internet, nun, ich denke, das Fernsehprogramm, was ich unbedingt sehen möchte, sehe ich im Internet. […] Soweit möglich lese ich im Internet manchmal die „Frankfurter Allgemeine“. Und dann noch, wenn es Nachrichten gibt, an denen ich irgendwie Interesse habe, recherchiere ich, aber ich recherchiere eher auf Japanisch. [E]s erscheinen wirklich nicht so viele Nachrichten auf Japanisch und mich erreichen mit Mühe und Not deutsche Nachrichten und ich fange an, sie zu lesen, aber es dauert etwas und Google Translator überträgt sie ins Englische und ich lese sie dann. (IP 29, Z. 537–552; Übers. d. Verf.)

Eine Person fügt hinzu, dass sie die Medien zwar auf Deutsch nutze, ihr der Inhalt der Nachrichten aber beispielsweise von ihrem Ehemann in „leichter Sprache“ (IP 14, Z. 505) erklärt werde:

[W]eil mein Mann Deutscher ist, schaue ich sie [die Nachrichten: Anm. d. Verf.] zusammen mit meinem Mann, aber ich kann nicht alles verstehen. Tatsächlich kann ich die Worte noch überwiegend verstehen. [I]ch verstehe nicht alles, denke ich. Nun, aber mein Mann erklärt mir alles leicht. (IP 14, Z. 500–505)

Außerdem lassen sich aus den Interviews zusätzliche Informationen bezüglich des bevorzugten Mediums und der Nutzungsmotive entnehmen. Das Internet ist mit 24 Nennungen mit Abstand das meistgenutzte Medium unter den befragten Personen. IP 27 sagt: „Ich habe zwar keinen Fernseher, aber ich sehe alles, was ich brauche und möchte dann über Internet“ (Z. 641–642). Bezüglich der Nutzungsmotive nennen 17 Personen das Lesen von Online-Zeitungen oder das Lesen bzw. Schauen von Nachrichten. Drei Personen nennen explizit das Handy als häufig verwendetes Endgerät, um im Internet oder über Apps Zeitungsartikel zu lesen bzw. Nachrichten über das Geschehen in Deutschland, Japan und in der Welt zu erhalten. Nur drei Personen geben an, Zeitungen in Papierform zu lesen bzw. zu bevorzugen.

Mit 19 und 18 Nennungen folgen auf die Nutzung des Internets respektive das Radio bzw. das Fernsehen. Auf das Handy als Endgerät wird explizit von acht Personen verwiesen.

Bezüglich der Nutzungsmotive verweisen 24 Personen auf das Informationsangebot in Form von Nachrichten. Der Großteil, 16 Personen, informiert sich dabei über Geschehnisse in Japan und Deutschland. Aus drei Interviews geht hervor, dass die befragten Personen nur Nachrichten aus Deutschland im Fernsehen verfolgen oder per Push-Nachrichten erhalten, wobei in diesem Fall auch Nachrichten über Japan enthalten sein mögen, wenn diese von internationalem Interesse sind. Fünf Interviews geben Aufschluss darüber, dass die Personen ausschließlich japanische Nachrichtenprogramme schauen bzw. japanische Zeitungsartikel lesen. Dies bedeutet, dass sie in erster Linie Informationen über die Geschehnisse in Japan erhalten und die Berichterstattung aus japanischer Sicht erfolgt.

Acht Personen nutzen die Medien zu anderen Zwecken; dies sind bei sechs Personen Unterhaltungszwecke und bei zwei Personen Bildungsgründe. Dabei werden im Falle der Unterhaltungszwecke drei Mal kulturelle Programme sowohl im Fernsehen als auch im Radio und vier Mal Unterhaltung durch Filme, Sportveranstaltungen oder Musik genannt. In Hinblick auf die Bildungsgründe gibt eine Person an, im Internet Fachartikel bezüglich ihres Berufes zu lesen und eine Person informiert sich so über die Erziehung ihres Kindes. Bezüglich ersterem sagte IP 36:

[W]enn es um fachliche Literatur geht, dann lese ich Japanisch zum Vergleich, aber in letzter Zeit lese ich meistens nur Deutsch. […] [W]enn es um fachliche Wörter geht und so therapeutische Sachen, dann suche ich manchmal so die Übersetzung. [W]eil ich alles auf Deutsch gelernt habe. Manchmal fehlt mir so ein Gespür, wie ich das ausdrücke auf Japanisch. Und dann suche ich so Alternativen. [O]der wie wird das dann übersetzt diese Literatur? (Z. 259–272)

Das Internet wird, wie bereits in Abschnitt 5.6.1.2 angemerkt, auch genutzt, um mit Personen in Deutschland, Japan oder der Welt in Kontakt zu bleiben. So nutzen die Befragten das Internet, um mit Freundinnen und Freunden, den Eltern oder anderweitigen Verwandten in Kontakt zu bleiben. Nach der Auswertung des Indikators „Mediennutzung“ erfolgt im nächsten Kapitel die Darlegung der Ergebnisse des Indikators „Religion“.

5.6.3.4 Religion

Abschließend wird in diesem Kapitel der Indikator „Religion“ betrachtet. Wie aus Abschnitt 2.3.4 und Abschnitt 4.4.3 hervorgeht, ist im Rahmen von Integration die kulturelle Distanz von Interesse, sodass an dieser Stelle lediglich überprüft werden soll, ob sich die befragten Personen einer Religion – Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Shintoismus und Daoismus – zuordnen lassen und welche Religion dies ist, und zwar unabhängig davon, wie religiös sie sich selbst empfinden. Tabelle 5.4 veranschaulicht die Zuordnung der Teilnehmenden zu einer der genannten Religionen, dabei waren auch Mehrfachnennungen, wie in Abschnitt 2.3.4 erläutert, möglich.

Tabelle 5.4 Religionszugehörigkeit der Befragten

Durch die Berücksichtigung der Regeln aus dem Kodierleitfaden ließen sich 28 Personen einer Religion zuordnen. Aus den Interviews von IP 4, IP 16, IP 26 und IP 32 gingen keine Angaben bezüglich ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer religiösen Ansichten hervor. Die Aussagen von IP 23 ließen weder einen Schluss auf eine Religionszugehörigkeit zu, noch schließen sie diese aus. Ungeachtet religionsbezogener Überzeugungen, wie beispielsweise des Atheismus, werden die Ausübung religiöser Praktiken und das Befolgen religiöser Traditionen in dieser Arbeit als aktive Teilnahme an der entsprechenden Religion und somit als Religionszugehörigkeit gewertet. Das Maß oder der Grad der Gläubigkeit bzw. der gelebten Religionszugehörigkeit mag variieren, doch soll an dieser Stelle zunächst nur entschieden werden, ob sich die befragte Person überhaupt einer Religion zuordnen lässt. Dies wird daran festgemacht, ob sie sich selbst aktiv einer Religion zuordnet oder trotz der Bekundung, konfessions- bzw. religionslos oder atheistisch zu sein, anmerkt dennoch an religiösen Praktiken teilzunehmen. Ein besonderer Fall liegt vor, wenn die Befragten Buddhismus und Shintoismus nicht als Religionen betrachten, aber an deren Riten und Praktiken teilnehmen oder sich als buddhistisch oder shintoistisch identifizieren; in diesen Fällen wurde aufgrund der Nachfrage eine entsprechende Einordnung vorgenommen. So geht aus den Interviews hervor, dass sich 18 Personen einer Religion zugehörig fühlen. Davon nannten zehn Personen den Buddhismus, fünf das Christentum und drei den Shintoismus, wobei zwei Personen Shintoismus neben Buddhismus praktizieren. Beim Christentum wird zwischen evangelisch (2) und katholisch (3) unterschieden. Die Zuordnung stützt sich auf Äußerungen wie „ich bin, ehrlich gesagt, katholisch“ (IP 3, Z. 284) und „also ich bin Buddhistin. Also offiziell, meine Familienreligion ist Buddhist“ (IP 13, Z. 440–442). IP 15 lässt sich eindeutig dem Buddhismus und dem Shintoismus zuordnen, da sie auf die Frage, welcher Religion sie angehöre, die Auskunft gibt: „Buddhist. Ja, das ist ganz interessant. Ich habe auch zuhause so einen buddhistischen Altar“ (IP 15, Z. 539–541). Sie ergänzt: „Und dann auch Shinto-Schrein […]. Aber persönlich finde ich, dass ich Shintoistin, ich glaube, dass ich Shintoistin bin“ (IP 15, Z. 546–548).

Etwas abweichend von diesen 17 Personen ordnen sich IP 9, IP 12, IP 14 und IP 20 zwar einer Religion zu, geben aber an, nicht sehr gläubig zu sein. Im Kodierleitfaden wurde nachträglich vermerkt, dass die Zuordnung aufgrund der persönlichen Zuordnung vorgenommen wird und der Grad der Gläubigkeit dabei keine Rolle spielt. So sagt IP 20 (Z. 471–473) zwar: „Ich bin Buddhistin, aber ich bin überhaupt nicht so-, wahrscheinlich wie andere Japaner. Wir sind überhaupt nicht so religiös“. Aufgrund ihrer persönlichen Zuordnung als Buddhistin wurde sie aber ebenfalls in die Kategorie „Religionszugehörigkeit“ aufgenommen. Der Verweis auf den Grad der Gläubigkeit bzw. Religiosität spielt im weiteren Verlauf der Auswertung eine wichtige Rolle, da es zum einen Personen gab, die den Buddhismus oder den Shintoismus nicht als Religion auffassen oder sich keiner Religion zugehörig fühlten, da sie individuell oder „wie fast 90 % der Japaner“ (IP 24, Z. 662) nicht sehr religiös seien. IP 1 war diese Problematik wohl schon bewusst, sodass sie sich selbst bereits dem Shintoismus mit den Worten zuordnete, „wenn ich gefragt werde, sage ich Shintoismus“ (IP 1, Z. 613–614). Anschließend führt sie fort: „[I]ch habe keine, also so wie normale Japaner. Also eigentlich keine. Aber wenn ich so [nach] meinem Gefühl [gehe], wozu so näher bin (ich eher tendiere; Anm. der Verf.), dann [bin ich] shintoistisch, glaube ich“ (IP 1, Z. 614–618). In diesem Zusammenhang ging aus dem Interviewmaterial hervor, dass IP 29, IP 30 und IP 34 auf die Frage, welcher Religion sie angehörten, antworteten, dass sie religionslos seien, IP 17 und IP 39, dass sie atheistisch seien oder erzogen wurden, und IP 2, IP 10, IP 24, IP 33, IP 35 und IP 36, dass sie keine Religion hätten.

Wie in Abschnitt 2.3.4 und 4.4.3 bereits genannt, werden in dieser Arbeit auch Buddhismus und Shintoismus als Religionen betrachtet, auch wenn dies einer westlichen Perspektive entspricht. Um diese kulturelle Definitionsproblematik zu lösen, fragte die Interviewerin bei der Angabe der Religionslosigkeit nach, ob sich die Befragten auch nicht dem Buddhismus oder Shintoismus zuordnen. IP 39 (Z. 439) antwortete auf die Frage, ob er einer Religion angehöre, sofort damit, dass er Atheist sei, führte dann aber von sich aus:

Aber bestimmt weißt du, dass die Mehrheit in Japan Atheist ist. Aber wir haben doch Religion in der Tradition. Zum Beispiel, wenn jemand stirbt, dann machst du [eine] Totenwache bei [dem] buddhistischen Tempel. Und zum Beispiel, kennst du diese Kinderzeremonie? Shichi-go-san heißt die. Das macht man bei Shintoistischen. Also im Alltag oder in der Tradition haben wir doch Religion, aber wir besuchen nicht zum Beispiel jeden Sonntag die Kirche. (IP 39, Z. 440–449)

Er schließt dann allerdings an: „Also meine Beziehung zu Religion ist einfach so in der Tradition, ich bin einfach Atheist“ (IP 39, Z. 450–452). Aufgrund näherer Nachfrage der Interviewerin gaben elf Personen an, sich dem Buddhismus oder Shintoismus zugehörig zu fühlen (IP 6, IP 10, IP 29, IP 33), vom Shintoismus oder Buddhismus beeinflusst zu sein (IP 36) oder an buddhistischen und shintoistischen Ritualen, Traditionen oder Praktiken teilzunehmen (IP 2, IP 17, IP 24, IP 30, IP 34, IP 35, IP 39). Bei diesen Personen muss daher eine Religionszugehörigkeit vermerkt werden. Um welche es sich handelt, hängt von den jeweiligen Ausführungen der Personen ab. So lassen sich IP 10 und IP 33 dem Shintoismus zuordnen, IP 17, IP 29, IP 30 und IP 35 dem Buddhismus und IP 2, IP 6, IP 24, IP 34, IP 36 sowie IP 39 sowohl dem Buddhismus als auch dem Shintoismus. IP 35 (Z. 186; 188) antwortet auf die Frage, ob er einen buddhistischen Tempel besucht habe, dass er dies tat, stellt aber zu Recht in Frage, ob dies schon als Religionsausübung bezeichnet werden könne. Denn auch wenn IP 35 nicht gläubig sein sollte, war der Indikator nicht darauf ausgelegt, die Gläubigkeit festzustellen. Auch wenn er nur ab und zu oder selten den Tempel aufsucht, ist doch ein gewisser buddhistischer Einfluss gegeben, da er diesen Besuch nicht wie IP 25 weiter unten zum Beispiel mit Interesse an Architektur oder Kunst in Verbindung setzt.

Die verbliebenen vier Personen (IP 5, IP 22, IP 25, IP 28) gehören keiner Religion an. IP 5 (Z. 419–422) antwortet auf die Frage, welcher Religion sie angehöre, dass sie keine habe, und bestätigt dies noch einmal, bevor sie auch die Nachfrage nach einer Zugehörigkeit zum Buddhismus und Shintoismus verneint. IP 22 weist daraufhin, dass sie aus Tokyo komme und daher religionslos sei. Ihre Vorfahren wären Buddhisten gewesen, aber nur selten zum Tempel gegangen (IP 22, Z. 290–294). IP 25 erzählt, dass ihre Großeltern evangelisch waren, sie es aber ihren Nachkommen überlassen wollten, sich für eine Religion zu entscheiden. Shintoismus spreche sie als Tradition und als Kultur an: „Shintoismus finde ich als Tradition oder als Teil japanischer Kultur sehr schön, aber eher so ästhetisch, finde ich das so schön, wie die Schreine sind oder wie die Zeremonien so ablaufen. Das finde ich so ästhetisch schön“ (IP 25, Z. 331–335). Mit dem Buddhismus habe sie zu wenig Kontakt gehabt und verbinde wohl auch deshalb Negatives mit ihm, da sich die Kontakte mit buddhistischen Riten auf Bestattungen beschränken, wobei sie als Kind das Chanten der Priester mit ihren tiefen Stimmen als unheimlich wahrgenommen habe (IP 25, Z. 337–351).

Nachdem mit dem Indikator „Religion“ die Auswertung der Interviews hinsichtlich des letzten Indikators in der kulturellen Dimension erfolgte, werden im nächsten Kapitel die Ergebnisse für die identifikative Dimension dargelegt.

5.6.4 Identifikative Dimension

Abschließend werden die Ergebnisse der Interviewauswertung in Hinblick auf die Indikatoren der identifikativen Dimension dargelegt. Die identifikative Dimension mit ihren Indikatoren „Subjektive Zugehörigkeitsgefühle“, „Einbürgerung“ und „Politische Partizipation“ wurde in Abschnitt 2.3.5 ausführlich erläutert. Unter welchen Bedingungen eine Person in Hinblick auf die Indikatoren als integriert gilt, wurde in Abschnitt 4.4.3 ausgeführt.

5.6.4.1 Subjektive Zugehörigkeitsgefühle

Wie in Abschnitt 4.4.3 dargelegt, gilt eine Person in Hinblick auf den Indikator „Subjektive Zugehörigkeitsgefühle“ als integriert, wenn sie eine duale Identifizierung oder Zugehörigkeitsgefühle zu Deutschland hegt. Die Aussagen von 33 Personen (87,2 %) sind diesbezüglich auswertbar. Aus 29 Interviews (87,9 %) geht hervor, dass sich die befragten Personen als Japanerin bzw. Japaner identifizieren. So werden von 16 Personen Äußerungen wie „ich bin durch und durch Japaner“ (IP 38, Z. 660) oder „dass ich selbst Japaner bin, macht mich ziemlich stolz“ (IP 29, Z. 479–480) und „Japan ist für mich immer noch das Land, wo ich mich richtig wohlfühle“ (IP 6, Z. 487–489) getätigt. IP 6 führt dies vertiefend aus und geht darauf ein, dass der Mensch in einen bestimmten Kulturkreis und in ein bestimmtes Umfeld sozialisiert wird und sich das Erlernte nicht ändern lässt:

Ich glaube, wie der Mensch wird, hängt sehr stark [damit] zusammen, wie man groß geworden ist. […] [W]ie ich geworden bin, durch diese[s] ganze Drumherum, da[s] kann ich nicht mehr weglöschen [auslöschen: Anm. d. Verf.]. […] [M]an kann selbst mit eigene Initiative Gedanken ändern, aber was man so geworden ist, kann man nicht ändern. Deswegen [fühle ich] mich japanisch. (IP 6, Z. 1112–1114, 1118–1120, 1123–1126)

Auch IP 13 (Z. 393; 410) meint, „meine Identität ist auch so Japanerin […], meine Heimat ist immer noch Japan“, und IP 24 (Z. 433) sagt trotz Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit: „meine Identität ist natürlich japanisch“. IP 27 (Z. 126–138) äußert sich dagegen zunächst so als würde sie sich Japan nicht zugehörig fühlen, indem sie sagt:

Und ich hatte auch das Gefühl, dass ich zwar japanisch aussehe und in Japan lebe, aber anfangs war es schon so ein Kulturschock gewesen, als ich von [Europa] nach Japan zurückgekommen bin. Und dieses Gefühl hat mich eigentlich-, also nach einer Weile gewöhnt man sich zwar dran, aber, wenn man zu lange, äh so für mich, wenn ich zu lange nur in Japan wohne, dann habe ich das Gefühl, dass ich irgendwie raus muss und das war vielleicht auch der Grund, warum ich erstmal das Praktikum gemacht habe in Deutschland und danach auch entschieden habe, länger in Deutschland zu wohnen.

Zu einem späteren Zeitpunkt sagt sie allerdings: „Aber ich denke, dadurch dass ich im Ausland wohne, kann ich auch die japanische Situation von einem anderen Blickwinkel sehen und ich fühle mich schon japanisch“ (IP 27, Z. 626–629).

Bei 13 Personen lässt sich aus dem Kontext bzw. aus vereinzelten oder allgemeineren Äußerungen entnehmen, dass sie sich als Japanerin bzw. Japaner sehen. In diesen Fällen wird nicht explizit ausgesagt, dass sie sich japanisch fühlen, sondern im Gespräch werden Formulierungen verwendet, aus denen diese Annahme abgeleitet werden kann. Hierzu gehören Aussagen wie „wir Japaner (Übers. d. Verf.)“ (IP 35, Z. 277), „für meine Landsleute“ (IP 12, Z. 500) oder „als Japaner (Übers. d. Verf.)“ (IP 34, Z. 267). Lediglich eine Person, IP 39, weist eine duale Identifizierung auf, da er sagt:

[I]ch fühle mich jetzt so, dass [deutsche Stadt] wirklich meine zweite Heimat [ist]. Ich lebe sieben Jahre hier und […] ich habe alleine angefangen. Ich kannte keinen Menschen hier, aber ich habe jetzt so viele Freunde, […] ich kenne so viele Leute, deswegen ist [deutsche Stadt] meine zweite Heimat. Weil ich hier angefangen habe. Und ich fühle mich ziemlich wohl hier. Ich habe kein Heimweh zum Beispiel. Also ich genieße mein Leben in Deutschland. (Z. 256–269)

Während sich der Großteil der befragten Personen (n = 29) mit ihrem Heimatland bzw. als Japanerin oder Japaner identifiziert, lässt sich lediglich aus den Interviews von IP 8, IP 22 und IP 36 erschließen, dass sie sich weder eindeutig mit Deutschland noch mit Japan identifizieren können. IP 8 fühlt sich durch ihre Heirat mit einem Deutschen und der Geburt der Kinder in Deutschland verwurzelt, machte aber zahlreiche Diskriminierungserfahrungen, die sie dazu brachten, die Rückkehr nach Japan in Betracht zu ziehen. Von diesen Erfahrungen sind auch ihre Aussagen bezüglich der deutschen Staatsangehörigkeit geprägt. Sie besitzt den japanischen Pass und führt aus: „Und ich werde den auch nicht hergeben. Aus dem gleichen Grund. Ich denke, es ist noch trauriger, wenn man den deutschen Pass hat und trotzdem als Ausländer angesehen wird. Da möchte ich Japanerin bleiben“Footnote 7. Sie fügt hinzu, dass man in Deutschland immer als Ausländerin bzw. Ausländer behandelt und niemals als gleichberechtigt wahrgenommen werde, sondern die Stellung und Selbstwahrnehmung eines Gasts im Aufnahmeland habe. Die Diskriminierung, die sie erfahre, führt sie auf die politische Situation zurück. Zu ihrem Schutz habe ihr Freundeskreis ihr geraten, teuer aussehende Kleidung zu tragen, um nicht als arme Ausländerin oder Sozialhilfeempfängerin wahrgenommen zu werden. Dies mache sie angreifbar, insofern dann geschlussfolgert werden könne, dass sie „schmarotze“ (IP 8, schriftliches Protokoll). Während IP 8 vornehmlich wegen erfahrener Diskriminierungen Schwierigkeiten hat, sich mit Deutschland zu identifizieren, zeigt sich bei IP 22 eine innere Zerrissenheit:

[I]rgendwie bin ich eine Japanerin, aber ich hatte stark den Eindruck, dass ich ‚eine Japanerin bin, die im Ausland lebt‘. Aber nun, je länger ich in Japan bin, desto eher kehre ich nach Japan zurück, und umgekehrt, wenn ich nach Deutschland zurückkehrte, war es so: „Huch, irgendwie muss ich wieder von vorne beginnen?“ So, jedes Mal, wenn ich zurückkehrte, wie soll ich sagen? Hat sich meine Identität gewandelt. (I: „torn apart“.) Ja, genau. So ist es. […] [I]m Vergleich zu den Personen, die völlig in die deutsche Gesellschaft eintauchen, […] ich denke, weil ich Japanisch lehre-, weil ich im Alltag auf Japanisch spreche, deshalb habe ich nicht das Gefühl, dass ich in Deutschland integriert bin. (IP 22, Z. 504–519; Übers. d. Verf.)

IP 36 (Z. 349–351) hat das Gefühl, in Japan nicht mehr zuhause, sondern Gast zu sein. Sie fühlt sich dort eingeengt und ist mit der Höflichkeit und Zurückhaltung überfordert (IP 36, Z. 345–347). Daher lasse es sich in Deutschland leichter leben (IP 36, Z. 348–349).

Aus den Interviews von IP 2, IP 16, IP 25, IP 28, IP 31 und IP 37 gehen keine direkten Aussagen zur Identität hervor, auch verwenden sie im Gespräch keine Formulierungen, die darauf schließen lassen, dass sie sich eher als deutsche oder japanische Person fühlen. IP 2, IP 16 und IP 37 erwähnen aber, dass sie mit dem Gedanken spielen, irgendwann nach Japan zurückzukehren. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass sie nach Japan orientiert sind und sich mit ihrem Ursprungsland identifikatorisch verbunden fühlen.

Aus den Interviews geht zudem hervor, welche Eigenschaften, Merkmale oder Verhaltensweisen von den befragten Personen als „japanisch“ angesehen werden. IP 1 machte ihre Identifikation durch den Satz „Ich bin natürlich total Japanerin, also das ist ganz klar“ (Z. 667–668) deutlich. Auf die Nachfrage, was sie an sich als „total japanisch“ (IP 1, Z. 669; 684) sehe, erfolgt sowohl eine Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes als auch gewisser Einstellungen: „Zuerst so ganz klar, großer Kopf und kurze Beine und Arme“ (IP 1, Z. 687–688) und dann „Neujahr, Silvester so ganz schmutzig werden und Neujahr nur schlafen, das mag ich nicht, zum Beispiel“ (IP 1, Z. 691–693). Außerdem empfindet sie ihr Hobby, das Fotografieren, als „total japanisch“ (IP 1, Z. 288–290). Hinzukommt, dass sie von ihrer Umgebung in Deutschland als Japanerin wahrgenommen wird: „[A]lso, sie denken, dass ich wirklich ganz Japanerin bin. Also niemand denkt, […] dass ich Deutsche bin. Und auch mein Mann sagt: ‚Oh, Japan!‘ oder ‚oh, japanisch!‘ oder so. Also [das ist] natürlich immer Thema. Niemand denkt, dass ich Deutsche bin“ (IP 1, Z. 726–732). IP 11 fügt zu den als „japanisch“ empfundenen Verhaltensweisen das Zeitungslesen hinzu und führt ihre Schwierigkeiten mit freiem und flüssigem Reden darauf zurück, dass sie eine Japanerin ist. IP 7 merkt an, dass sie als „typisch[e] Japanerin“ (IP 7, Z. 79) nicht nein sagen konnte (IP 7, Z. 79–80). Auch IP 18 macht das „Japanisch-Sein“ am Aussehen und Verhalten fest, während IP 9 auf die Mentalität verweist, um zu begründen, dass sie Japanerin und keine Deutsche ist; sie empfindet Deutsche mental stärker als japanische Personen:

[I]ch merke schon, dass ich wirklich anders bin. Weiß nicht. Zum Beispiel Deutsche, deutsche Leute sind stärker als Japaner, also mental. Ich weiß nicht, also für mich, finde ich, [dass sie] selbstbewusster und stärker und selbstständiger [sind] und Japaner sind eher so ein bisschen, also nicht schwächer, aber ein bisschen abhängiger. (IP 9, Z. 599–605)

Des Weiteren fügt IP 17 hinzu, dass sie sich mit Japan verbunden fühlt, weil ihre Eltern in Japan sind, sie in Japan geboren wurde und Miso-Suppe für sie „Soul-Food“ (IP 17, Z. 443) sei. Auf die Frage, woran sie festmache, dass ihre Seele japanisch sei, antwortet sie:

Also ich finde schon, dass jeder Mensch wissen sollte, wo seine Wurzeln sind. Und die sind bei mir in Japan. Also meine Eltern sind Japaner und ich bin in Japan geboren. Bin dort jetzt nur noch ein Teil meines Lebens, also ich bin jetzt mehr hier […], in Deutschland als in Japan. Aber es gibt so Verhaltensweisen, Denkweisen oder wenn ich an das Essen denke. Miso-Suppe ist für mich ein Soul-Food. Weißer Reis und Miso-Suppe. Und wenn es mir schlecht geht, dann koche ich mir eine Miso-Suppe und dann geht es mir gut. (IP 17, Z. 435–445)

Neben der Identität als Japanerin oder Japaner versehen sich sieben Befragte mit weiteren Zuschreibungen oder Rollen. IP 10, IP 18 und IP 32 sehen sich nicht nur als Japanerin bzw. Japaner, sondern auch als Ausländerin bzw. Ausländer. Dies wird beispielsweise im Interview von IP 10 dadurch deutlich, dass sie sich der Gruppe der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland zuordnet: „[I]n Deutschland ist das so normal, dass wir Ausländer hier sind“ (IP 10, Z. 953–955). IP 18 (Z. 1457–1458) sagt: „Aber ich bin immer noch Ausländer. Also ich bin kein Deutscher“. IP 23 sieht sich zwar auch als Japanerin, identifiziert sich aber auch als Ausländerin, Alleinstehende, Künstlerin, Mutter (IP 23, Z. 97–98; Z. 224–225) und sieht sich auch als „Halbmensch“ (IP 23, Z. 456–457) (vgl. Abschnitt 5.6.4.2). IP 19 empfindet sich als Gast und führt hierzu aus:

[I]ch habe immer noch das Gefühl: ich bin kein Deutscher. Ich bin praktisch ein Gast. Deshalb darf ich nicht so Vieles sagen. Gegen Deutsche, gegen [die] deutsche Gesellschaft oder so. Weil ich Gast bin. Gäste, o-kyaku-san, in Japan müssen immer ganz ruhig [sein], sehr artig. Anständig leben. Das Gefühl habe ich immer noch. In dem Sinne habe ich wirklich sehr starke Unterschiede entdeckt, hier in Deutschland. In Europa ist eine Gesellschaft des Rechtes. Das Recht, eigenes Recht zu verlangen. Laut zu erklären, sprechen. Aber wir Japaner sind ja umgekehrt. Oft kommt zunächst die Pflicht. Unsere japanische Gesellschaft leitet nicht das Recht erst, sondern [die] Pflicht. Und dieses Gefühl, diese Mentalität bleibt und blieb bis heute. Das lasse ich mich hier so fühlen, so ich bin immer noch ein Gast, ich bin kein richtiger Einwohner. Das Gefühl habe ich immer noch. Das heißt, in mehreren Sachen musste ich und muss ich zurückhaltend sein. […] Ich bin Gast, ich bin Ausländer hier. (IP 19, Z. 605–627)

Ein weiterer interessanter Aspekt ergibt sich aus der Analyse der Interviews von IP 1, IP 5, IP 13, IP 17, IP 24 und IP 38. Sie erwähnen nämlich, dass sie in Japan bzw. von ihren japanischen Freundinnen und Freunden nicht mehr als Japanerin oder Japaner wahrgenommen werden. IP 5 meint hierzu:

[I]ch denke, dass ich selbst total japanisch bin, aber meine japanischen Freunde sagen, dass ich Deutsch bin. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich im Alter von 19, 20 Jahren nach Deutschland gekommen bin. Ich denke, dass ich wahrscheinlich diesen Einfluss habe und meine Denkweise einen gewissen Anteil von Deutschen hat, weil ich mit 20 Jahren wahrscheinlich noch jung bin und zu dieser Zeit das Studentenleben im Ausland erlebt habe, aber ich selbst denke, dass die Japanerin in mir selbstverständlich stärker ist. (IP 5, Z. 532–539)

Auf die Nachfrage, woran ihre Freundinnen und Freunde festmachten, dass sie deutsch sei, antwortet sie:

Wahrscheinlich zum Beispiel [daran], dass ich meine Meinung klar und deutlich äußere. Zum Beispiel daran, dass ich mein eigenes Tempo habe. Irgendwie lassen sich Japaner selten etwas anmerken, auch sagen sie nichts, denke ich, also ihre wahre Absicht. Ich bin jemand, der sich ziemlich klar äußert, also was ich selbst denke. Ich denke, daran machen sie es fest, wahrscheinlich. (IP 5, Z. 542–547)

IP 13 verneint ebenfalls, dass sie in Japan als Japanerin wahrgenommen wird, und begründet dies ebenfalls mit der Dauer, die sie bereits nicht mehr in Japan lebt. Sie führt weitere Beispiele dafür auf, weshalb sie dort nicht als Japanerin betrachtet werde: „Also ich bin schon seit zehn Jahren in Deutschland und ich bin zu direkt für Japaner in Japan zum Beispiel. Und ich bin nicht mehr so höflich oder ich sage so problemlos ‚nein‘. […] Und meine Familie sagt auch, das ist nicht so japanische Art und Weise“ (IP 13, Z. 415–421). IP 17 betont, dass sie Japanerin und ihre Heimat Japan sei, räumt im Verlauf ihrer Erzählung aber ein, dass sie wohl auch deutsche Verhaltensweisen übernommen habe:

[I]ch merke dann eben auch, wenn ich dienstlich in Japan bin, dass ich dann sofort in die Japanerinnenrolle reinschlüpfen kann, obwohl ich sicherlich nicht mehr ganz japanisch bin, wenn ich drüben bin, weil ich wahrscheinlich auch schon viele deutsche Verhaltensweisen verinnerlicht habe, was ich nicht mehr merke. (IP 17, Z. 458–465)

Sie fügt hinzu, dass sie in Japan darauf achtet, nicht (zu) deutsch zu erscheinen:

[J]etzt, wo ich bewusster damit umgehe, versuche ich auch, nicht zu deutsch zu sein, sondern auch, na ja, wir reden doch immer so zwischen den Zeilen […], also diese high context/low context-Geschichte und Japan ist ja sehr high context und das berücksichtige ich auch und dann versuche ich, auch um die Ecke zu denken und verstehe dann auch viele Botschaften anders, als wenn man aus einem kompletten low context-Bezug kommt. Weil das Gesagte nicht nur das Gesagte ist, [sondern] alles noch, was dahintersteckt und so. Aber früher bin ich, glaube ich, so ein bisschen angeeckt. (IP 17, Z. 468–480)

IP 24 merkt ebenfalls an, dass sie in Japan nicht mehr als Japanerin betrachtet wird. Als Grund nennt sie, dass sie mit einem Deutschen verheiratet ist. Es wird auch deutlich, dass ihre Einordnung als Nichtjapanerin durch andere nicht als Kritik gemeint ist, sondern als reine Feststellung verstanden wird: „Wenn ich nach Japan [zurückkehre, heißt es:] ‚Ach, du bist schon deutsch geworden.‘ Ohne Papier. Das ist doch Quatsch. Nur weil ich noch mit einem Deutschen verheiratet bin, [heißt es], du gehörst nicht mehr zu uns. So denken die“ (IP 24, Z. 533–537).

Neben einer Beschreibung dessen, was die Befragten selbst als „japanisch“ wahrnehmen, weiteren Eigen- und Fremdzuschreibungen geht IP 24 auch drauf ein, dass die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit, an ihrem Zugehörigkeitsgefühl nichts geändert hätte. Sie trennt diesen Vorgang vom subjektiven Zugehörigkeitsgefühl bzw. der empfundenen Identität und führt aus:

Diese Staatsangehörigkeit [zu] haben, heißt ja nicht, dass wir unsere Identität zu Japan verlieren. Das kann kein Mensch wegnehmen, auch wenn ich [es] loswerden will, es geht einfach nicht weg. Das heißt [nur: Anm. der Verf.], durch diese Staatsangehörigkeit habe ich das Wahlrecht bekommen. […] Also viele Menschen können das nicht trennen […]. Identität gleich Staatsangehörigkeit, so denken sie. Für mich ist es egal, welches Papier ich bekommen habe. […] Ich kann trennen. (IP 24, Z. 457–462; 463–464; 465–467; 469)

Im Gegensatz dazu setzt IP 17 die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem Verlust des Bezugs zur Heimat gleich:

Und wenn ich dann in Japan bin, ja, klar, dann regt man sich halt auf oder freut sich über irgendwelche neuen Sachen, aber da denke ich dann: ‚Ja, mein Lebensmittelpunkt ist hier‘. Bloß meine Seele ist dann vielleicht doch eine Japanerin. Und dann ist es halt komisch, dass man dann das, was einen bis jetzt so als Identität ausgemacht hat, abzugeben und dann eine andere Staatsangehörigkeit anzunehmen. (IP 17, Z. 402–410)

Sie räumt aber ein:

Ich weiß nicht, also da habe ich, glaube ich, so eine Schranke im Kopf. Man kann es ja auch ganz pragmatisch sehen. Du lebst hier, du zahlst auch Steuern hier und willst hier auch Rente bekommen. Also kannst du ja auch hier wählen gehen und das hier mitgestalten, aber dafür braucht man halt einen deutschen Pass. Und ich glaube, ich würde den ja auch bekommen, weil ich mich bis jetzt polizeilich auch nicht auffällig verhalten habe und immer brav Steuern zahle, aber […] ich glaube, ich gehöre noch zu der Generation, bei denen dieses Aussehen auch was ausmacht, diese Herkunft. (IP 17, Z. 402–422)

IP 24 ist die Einzige, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, worauf im folgenden Kapitel, welches die Auswertung des Indikators „Einbürgerung“ beinhaltet, näher eingegangen wird.

5.6.4.2 Einbürgerung

Im Rahmen des Indikators „Einbürgerung“ ist für die Integration von Migrantinnen und Migranten, wie aus Abschnitt 2.3.5 und 4.4.3 hervorgeht, von Interesse, welche Staatsangehörigkeit die Zugewanderten besitzen. 97,4 % oder 38 der 39 befragten PersonenFootnote 8 geben an, den japanischen Pass zu besitzen. Von diesen besitzt eine Person neben der japanischen Staatsangehörigkeit auch eine US-amerikanische Green Card. Lediglich IP 24 hat, wie in Abschnitt 5.6.4.1 erwähnt, die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Sie begründet dies damit, dass der Besitz einer Staatsangehörigkeit Schutz bedeute und sie in Deutschland zur Wahl gehen möchte:

Wir müssen eine Staatsangehörigkeit haben, sonst schützt mich kein Staat. Ich habe natürlich [die] deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, weil ich zur Wahl gehen will. Das ist doch in [einer] Demokratie Nummer 1. Was soll ich denn in Japan tun, ich kenne ja keinen Politiker mehr so richtig. Ich weiß ja auch nicht, wie das alles funktioniert, in der Gesellschaft. Dafür kann ich niemals mein Wahlrecht gebrauchen. (IP 24, Z. 423–432)

Sie ist der Überzeugung, dass weder die Annahme der deutschen noch die einer anderen Staatsangehörigkeit das Zugehörigkeitsgefühl beeinflusse und man auch nicht seine Identität als Japanerin oder Japaner verliere (IP 24, Z. 457–458):

Obwohl ich hier sehr lange bin und sogar einen deutschen Pass habe, heißt [das] ja längst nicht, dass ich Deutsch bin. Ich habe diese Werte als Kind nicht [vermittelt] bekommen, sondern [erst], als ich erwachsen war. Auch wenn ich nicht japanische Seite haben will (auch wenn ich nicht japanisch sein will; Anm. d. Verf.), geht [es] nicht weg. Oder auch umgekehrt: mit meinem Gesicht, wer denkt da, dass ich eine Deutsche bin? Das heißt, einmal Staatsangehörigkeit zu haben und Deutschsein, ist [etwas] anderes. (IP 24, Z. 414–422)

Die Auswertung der Interviews hat zudem ergeben, dass zehn Personen über die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft bereits nachgedacht haben bzw. nachdenken. Als Grund hierfür wird in erster Linie die mit der deutschen Staatsbürgerschaft einhergehende Möglichkeit zur Beteiligung an der Bundestagswahl und anderen Wahlen (5) und die politische Situation in Japan (2) genannt. IP 25 (Z. 309–313) sieht im Wahlrecht den einzigen Vorteil für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. IP 15 und IP 23 äußern ihren Unmut darüber, dass sie nicht wie deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger an den Wahlen teilnehmen können, weshalb IP 15 es in Betracht zieht, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen: „Ja, es ärgert mich, dass ich sozusagen kein Wahlrecht habe. Das ist ein Nachteil“ (IP 15, Z. 293–294). Sie merkt zwar an, dass es ansonsten keine Nachteile gebe (IP 15, Z. 294–296), überlegt aber, den deutschen Pass zu beantragen, wenn ihre Eltern verstorben sind (IP 15, Z. 296–299). IP 23 (Z. 440–443) verweist darauf, dass Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union das Wahlrecht nach fünf Jahren bekämen, und weist auf Folgendes hin: „Aber ich lebe ja schon 40 Jahre in Deutschland und ich habe noch kein Wahlrecht. Dann fühle ich mich schon [wie ein] Halbmensch, weil ich sehr viel Sozialarbeit mache. […] Aber wählen darf ich hier nicht“ (IP 23, Z. 443–451). Aus dem Zitat geht hervor, dass sie sich dadurch benachteiligt fühlt. Im Gegensatz dazu empfindet IP 12 (Z. 801–805) den Mangel eines Wahlrechts nicht als Nachteil: „Gut, ich kann ja nicht politisch wählen, aber von deutscher Politik verstehe ich sowieso nicht so viel und daher brauche ich das [die deutsche Staatsangehörigkeit; Anm. der Verf.] nicht unbedingt“.

IP 1 und IP 26 führen als Grund für ihre Überlegung, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, die politische Situation in Japan an. IP 1 äußert sich dementsprechend: „Also wegen des heutigen politischen Zustandes mag ich Japan eigentlich nicht so. Deswegen habe ich viel darüber nachgedacht, ob ich vielleicht den deutschen Pass annehmen soll“ (IP 1, Z. 643–646). Dass sie diesen noch nicht angenommen hat, liegt vielmehr daran, dass ihr Mann dagegen ist (IP 1, Z. 646). Er hat sie auf die aktuelle politische Situation in Deutschland aufmerksam gemacht und befürchtet, dass „Deutschland vielleicht wieder Nazi werden“ (IP 1, Z. 647–648) kann. Auch IP 23 nennt unter anderem die „Tendenz zur fremdenfeindlichen Situation“ als Grund, die Staatsangehörigkeit zurzeit nicht zu wechseln:

Es ist auch nicht nur Heimatliebe, sondern […] diese antisemitische und fremdenfeindliche Situation […], diese ganz langsam, schleichende AFD-Bewegung […]. Wenn ich überlege, ist es eine potentielle Gefahr für Ausländer, die in Deutschland leben. Das ist auch ein sehr großer Grund, warum ich die deutsche Staatsbürgerschaft nicht beantrage. (IP 23, Z. 461–472)

IP 26 hingegen sieht den damaligen Premierminister Abe Shinzō und seine Politik als Anlass, auf die japanische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die deutsche anzunehmen: „Weil Abe verschiedene sehr grausame Sachen gemacht hat, kam es dazu, dass ich Japan hasse, und als Abe Premierminister wurde, dachte ich sehr darüber nach, die japanische Staatsangehörigkeit wegzuwerfen und die deutsche anzunehmen“ (IP 26, Z. 600–604). Als Grund, dies doch nicht getan zu haben, führt sie aus:

Aber, wenn man Japan kritisiert, ist es besser, das als Japaner zu tun. Besser als zu kritisieren, nachdem man Ausländer geworden ist. Deshalb dachte ich, die Japaner wie sie sind, die japanische Regierung zu kritisieren. Das machte ich, aber zweitens kam es, dass Abe wieder verschiedene grässliche Dinge machte und wirklich, was das Japanisch-Sein anging, hatte ich vor, es aufzugeben. Ich dachte, dass ich die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen möchte. (IP 26, Z. 605–613; Übers. d. Verf.)

Einen weiteren Grund für die Entscheidung nicht die japanische Staatsbürgerschaft abzulegen, sieht sie zudem in ihren mangelnden Sprachkenntnissen und dem Umstand, dass sie als gebürtige Japanerin eigentlich keine Nachteile in Deutschland habe (IP 26, Z. 612–619).

Die induktiv erschlossene Motivation für das Behalten der japanischen Staatsangehörigkeit zeigt Tabelle 5.5. Dabei muss angemerkt werden, dass nicht jede Person einen Grund angab, gleichzeitig aber auch Mehrfachnennungen erfolgten.

Tabelle 5.5 Motive für den Erhalt der japanischen Staatsangehörigkeit

Mit 21 Nennungen sieht die Mehrheit der befragten Personen keine ausreichenden Vorteile durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. keine Nachteile durch den Besitz der japanischen Staatsbürgerschaft in Deutschland. Acht Personen bedauern, dass sie keine doppelte Staatsbürgerschaft annehmen können und somit die japanische aufgeben müssten. Sechs Personen lehnen die deutsche Staatsbürgerschaft aufgrund ihres Phänotypens ab, indem sie anführen, dass sie nicht „Deutsch“ aussehen würden und ebenfalls sechs Personen sehen mit der deutschen Staatsbürgerschaft Schwierigkeiten in Japan auf sie zukommen, weshalb sie diese nicht annehmen wollen. Jeweils sechs Mal wurde als Grund für den Besitz der japanischen Staatsangehörigkeit genannt, dass sie sich nicht Deutsch fühlen oder die deutsche Sprache nicht beherrschen. Schließlich wurde drei Mal als Grund für die Ablehnung der deutschen Staatsangehörigkeit die politische Situation in Deutschland genannt. Was den am meisten genannten Grund betrifft, sagt IP 22 (Z. 365–369) beispielsweise: „Weil ich die Aufenthaltserlaubnis habe, ist es kein Problem, mich in Deutschland aufzuhalten. Ich denke: ‚Ich brauche nicht extra meine Staatsangehörigkeit wechseln‘“. Auch aus der Schilderung von IP 2 geht hervor, dass es sich bei der Entscheidung für oder wider eine Einbürgerung um eine Kosten-Nutzen-Kalkulation handeln kann, indem sie erklärt: „Ich denke, dass ich sie wahrscheinlich nicht annehmen werde. Weil es keine besonderen Nachteile durch die japanische gibt. Es ist nicht so, dass es hier wirkliche Nachteile gibt, wenn ich nicht Deutsche werde“ (IP 22, Z. 277–278). IP 6 (Z. 1070–1074) bedauert, dass eine doppelte Staatsangehörigkeit ausgeschlossen ist: „Einbürgerung käme dann in Frage, wenn ich beide Pässe behalten könnte. Aber weil das nicht möglich ist, kommt auch nie in Frage, dass ich [den] japanischen Pass aufgeben werde. Denn ich fühle mich nicht als Deutsche, ne?“.

Des Weiteren wurden als „sonstige Gründe“ von einer Person der Einbürgerungstest als Hindernis genannt. IP 5 gibt als Grund an, dass sie früher zwar darüber nachgedacht habe, die Staatsangehörigkeit zu wechseln, in letzter Zeit aber in Erwägung ziehe, später nach Japan zurückzukehren (Z. 413–415). Und IP 9 meint, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht annehmen wolle, weil sie dann die japanische verliere (Z. 441–442). Auf die Frage, weshalb sie die japanische Staatsangehörigkeit behalten wolle, antwortet sie ebenfalls, dass sie sich die Möglichkeit, im hohen Alter in Japan zu leben, offenhalten möchte: „[I]ch möchte vielleicht irgendwann wieder in Japan leben, aber ich weiß nicht, was passiert. Deswegen möchte ich [das] nicht machen. Vielleicht, wenn ich ganz alt werde [bin; Anm. der Verf.], dann möchte ich vielleicht doch in meine Heimat zurück“ (IP 9, Z. 447–451). Das Zitat zeigt darüber hinaus das subjektive Zugehörigkeitsgefühl auf. Hierneben wird auch die ethnische Zugehörigkeit thematisiert. So sagt IP 13 (Z. 391–395): „[I]ch mag Deutschland. Ich mag (deutsche Stadt) und mein Mann ist Deutscher, aber ich bin in Japan geboren und meine Identität ist [die einer] Japanerin. Und ich möchte weiter Japanerin bleiben“. Sie schlussfolgert, dass es für sie nicht sehr wichtig sei, „wirklich Deutsche“ (IP 13, Z. 397) zu werden. IP 18 hingegen verbindet wie IP 24 mit der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit keine Änderung der Identität (Z. 901–904). Für sie ist das „nur auf dem Papier“ (IP 18, Z. 903). Identitätsaspekte nennt auch IP 36 (Z. 180–184): „Meine Nationalität bleibt japanisch. Es kann natürlich auch irgendwann unpraktisch werden, aber das ist irgendwie auch so das Einzige, was ich dann so als japanisch ein stückweit behalten kann“. Sie führt weiter aus, dass sie mit der Heirat bereits den Nachnamen ihres Mannes angenommen habe und daher in Deutschland nur diesen Nachnamen führe, in Japan allerdings noch ihren Geburtsnamen verwende (IP 36, Z. 184–191). Aus ihrer Schilderung geht hervor, dass sie dadurch das Gefühl hat, bereits einen Teil ihrer japanischen Identität verloren bzw. aufgegeben zu haben. Auch für IP 38 ist die Identität an die Staatsangehörigkeit gekoppelt. Sie sagt: „[W]enn ich ein Mal [den] japanischen Pass aufgebe, kann ich nie wieder Japaner werden“ (IP 38, Z. 649–650). IP 8 hatte zunächst Diskriminierungserfahrungen geschildert und sagt dann deutlich: „Und ich werde den [den japanischen Pass; Anm. der Verf.] auch nicht hergeben. Aus dem gleichen Grund. Ich denke, es ist noch trauriger, wenn man den deutschen Pass hat und trotzdem als Ausländer angesehen wird. Da möchte ich Japanerin bleiben“Footnote 9.

Nach der Darlegung der Erkenntnisse des Indikators „Einbürgerung“ befasst sich das nächste Kapitel mit dem letzten Indikator dieser Dimension und schließt damit die Analyse der Ergebnisse ab.

5.6.4.3 Politische Partizipation

Nach den Ergebnissen des Indikators „Einbürgerung“ folgt in diesem Kapitel die Darlegung der Ergebnisse für den Indikator „Politische Partizipation“. Aus den Interviews geht hervor, dass sich lediglich 7 der 39 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer politisch engagieren. Von diesen ist der Großteil (85,7 %, n = 6) japanbezogen aktiv, wobei vier dieser Personen an den Parlamentswahlen in Japan teilnehmen. Eine Person ist Mitglied einer japanbezogenen Bürgerinitiative und aktiv in politisch ausgerichtete Vereine involviert. Eine weitere Person hat eine auf japanbezogene politisch motivierte Website ins Leben gerufen, die sie ehrenamtlich mit einer Gruppe von interessierten Personen betreibt. IP 24, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, nimmt als Einzige an den deutschen Wahlen teil. Sie ist zudem in japanbezogenen Vereinen bzw. Organisationen politisch engagiert. Die übrigen 32 Personen weisen keine politischen Aktivitäten nach.

Das Interviewmaterial gibt dabei neben den Angaben zu den jeweiligen politischen Aktivitäten zudem Auskunft über die Einstellungen der befragten Personen bezüglich Politik bzw. politischen Interessen. Dabei geht aus den Interviews von 13 Personen hervor, dass sie zwar nicht aktiv politisch engagiert sind, aber doch ein gewisses Interesse an Politik aufweisen. IP 6 hat aufgrund des fehlenden Wahlrechts das Gefühl, die deutsche Politik nicht beeinflussen zu können, möchte aber nicht gänzlich untätig sein und sich daher, sobald sie in Rente ist, sozial engagieren:

Aber mich interessiert natürlich, wo ich wohne, die deutsche Politik eher. Aber weil ich kein Wahlrecht habe, kann ich nicht wählen, ne? […] Und wenn ich das nicht beeinflussen kann, durch mein Wahlverhalten, dann, glaube ich, kann ich so allgemein helfen oder sowas. Das kann ich mir vorstellen, ja? Für die Zukunft, wenn ich weniger zu tun habe. Zum Beispiel im sozialen Bereich. […] Oder im Tierschutzbereich. […] Aber so aktiv gegen einen politischen Gedanken zum Beispiel demonstrieren, dazu bin ich nicht in der Lage. (IP 6, Z. 1087–1106)

IP 14 (Z. 492–497) drückt ihr Interesse durch das Schauen der Nachrichten aus, hält es aber nicht für notwendig, wählen zu gehen:

Selbstverständlich schaue ich unter anderem Nachrichten, aber ich brauche nicht unbedingt zur Wahl gehen, denke ich. Mein Mann ist auch nicht gegangen. Ich dachte, es wäre gut zu gehen, aber, ich dachte, es ist vom jetzigen Standpunkt aus in Ordnung, wenn ich nicht zur Wahl gehe.

Neben IP 6 bedauert auch IP 1, dass sie mit der japanischen Staatsangehörigkeit nicht an den deutschen Wahlen teilnehmen kann und bekundet mit dieser Aussage ein gewisses politisches Interesse. Auch IP 36 (Z. 319–326) würde gerne durch ihre Wählerstimme am Politikgeschehen teilhaben, doch ist ihr das Behalten ihrer Staatsangehörigkeit wichtiger: „Es wäre schön, wenn es eine Möglichkeit gäbe, ohne die deutsche Nationalität anzunehmen, [sich] irgendwie an [den] Wahl[en] beteiligen zu dürfen. Das wäre natürlich schön. Aber dann, [wenn ich abwäge], was für mich jetzt besser ist, dann ist die Teilnahme an Politik eher niedrig bei mir“. Im Gegensatz dazu kritisiert IP 29 (Z. 513–520; Übers. d. Verf.) die japanische Politik und erwägt bei einer Verschlechterung der Lage, eines Tages die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Er scheint aber nicht nur über das japanische Politikgeschehen informiert zu sein, sondern auch über das deutsche, wie die nachfolgenden Ausführungen verdeutlichen:

Die AFD hat zugelegt. Aber mit meinen Augen gesehen, ist in Deutschland noch dauerhaft Menschenverstand vorhanden. Der gesunde Menschenverstand besetzt die Mehrheitsfraktion. Natürlich gibt es viele Leute, die Ausländer hassen, während sie prinzipiell sagen, dass sie es gut finden, Ausländer aufzunehmen, aber es gibt viele Leute, die sie in Wirklichkeit nicht sonderlich mögen, denke ich. Im Vergleich zu Japan wird diese Ansicht aber gut beschützt. Deshalb machen […] die Ausländer in Deutschland, im Vergleich zu Ausländern, die in Japan sind, einen bei weitem sichereren Eindruck. (IP 29, Z.522–532; Übers. d. Verf.)

Interesse an der japanischen wie auch der deutschen Politik hat auch IP 23 und würde gerne aktiv durch Wahlen daran teilnehmen. Allerdings kann sie weder in Japan noch in Deutschland wählen. In Deutschland ist eine politische Partizipation in Form der Wahl nicht möglich, da sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, und in Japan kann sie nicht wählen, weil sie dort nicht gemeldet ist bzw. keinen Wohnsitz hat (IP 23, Z. 455).

Bei sechs Personen liegt weder politisches Engagement noch Interesse vor. So sagt IP 30 (Z. 280) lapidar: „Ah, über die Wahlen mache ich mir keine großen Gedanken“.

Nachdem nun in diesem Kapitel die Ergebnisse in Bezug auf die Integrationsindikatoren dargelegt wurden, erfolgt im nächsten Kapitel die Interpretation der Ergebnisse in Hinblick auf die Fragestellung der Arbeit.