Um festzustellen, aus welchen Gründen Japanerinnen und Japaner in der Gegenwart nach Deutschland migrieren und inwieweit permanent ansässige Japanerinnen und Japaner in die deutsche Gesellschaft integriert sind, wurde eine qualitativ-empirische Fallstudie mit Leitfadeninterviews durchgeführt. Die Integrationsindikatoren, die die Grundlage für den Leitfaden bilden, leiten sich aus dem in Abschnitt 1.2 wiedergegebenen Forschungsstand zur Migration und Integration japanischer Migrantinnen und Migranten, aus der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Eingliederung von Zugewanderten in Deutschland und aus den normativ-politischen Konzepten ab (Abschnitt 2.3). Nachfolgend werden sowohl Methodik als auch Methodologie der qualitativen Studie erläutert.

4.1 Zielgruppe

Über permanent ansässige Japanerinnen und Japaner in Deutschland liegt noch keine Forschung vor. Um sich dieser Gruppe explorativ zu nähern und Antworten auf die dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragen zu finden, wurde eine Leitfaden gestützte qualitative Studie mit insgesamt 47 Teilnehmenden erstellt. Von diesen 47 Interviews waren 39 (n = 39) auswertbar. Die Teilnahme an den Interviews war freiwillig und fand im Zeitraum von April 2017 bis November 2018 in den fünf größten japanischen Gemeinden in Deutschland statt. In der ersten Interviewphase wurden Teilnehmende in Düsseldorf befragt. Düsseldorf nimmt eine Sonderposition unter den japanischen Gemeinden ein, da hier, im Gegensatz zu anderen deutschen Städten, die japanische Zugewanderte beherbergen, eine hohe Anzahl von Expatriates lebt. Diese Dominanz der temporär ansässigen Japanerinnen und Japaner spiegelt sich auch in den Statistiken des Annual Report of Statistics on Japanese Nationals Overseas des Japanischen Außenministeriums wider.Footnote 1 Wie aus den Zahlen hervorgeht, leben in Düsseldorf zum einen mehr temporär Ansässige sowie überwiegend männliche japanische Migranten, während in den übrigen communities Japanerinnen überwiegen, die zudem permanent ansässig sind.Footnote 2 Zum anderen zeigen die Statistiken, dass die Geschlechterproportion in der Gruppe der permanent Ansässigen unausgeglichen ist und von Frauen dominiert wird. Hier liegt im Falle von Düsseldorf eine Verzerrung vor, da dies durch die hohe Anzahl von Expatriates, die zumeist männlich sind, in der Statistik nicht zum Ausdruck kommt. Aufgrund dieser Eigenheiten der Düsseldorfer community wurde die qualitative Studie zwischen Juni 2018 und November 2018 um die Städte München, Berlin, Frankfurt und Hamburg erweitert. Insgesamt wurden somit 9 Interviews mit Personen aus Düsseldorf, 8 mit Personen aus München, 15 mit Personen aus Berlin, 4 mit Personen aus Frankfurt und 11 mit Personen aus Hamburg geführt.

Die Auswahl der Interviewpersonen erfolgte mithilfe von zuvor festgelegten Kriterien (Akremi 2014: 268). Flick (2010: 260) bezeichnet dies als „kriteriengeleitete bewusste Auswahlstrategie“, die eine theoretische Generalisierbarkeit zum Ziel hat. Es wurden japanische Migrantinnen und Migranten gesucht, die

  1. a)

    in Japan geboren wurden – sogenannte issei –,

  2. b)

    über 18 Jahre alt sind und

  3. c)

    vorhaben, dauerhaft in Deutschland zu leben.

Diese Kriterien wurden den potenziell Teilnehmenden bei der Kontaktaufnahme mitgeteilt. Sie ergeben sich aus dem bestehenden Forschungsstand zu Japanerinnen und Japanern in Deutschland sowie aus den Erkenntnissen der Migrations- und Integrationsforschung. Wie aus dem Forschungsstand aus Abschnitt 1.2 dieser Arbeit hervorgeht, konzentrierte sich die Forschung zu Japanerinnen und Japanern in Deutschland auf die japanischen Expatriates in Düsseldorf. Bei diesen Personen handelt es sich um solche, die in Japan geboren wurden und über 18 Jahre alt sind. Um einen Vergleich zu ermöglichen, sollen auch die in dieser Studie untersuchten Personen in Japan geboren worden und über 18 Jahre alt sein. Aus der Integrationsforschung geht zudem hervor, dass Personen, die sich temporär im Gastland aufhalten, eine geringere Integrationsmotivation mit sich bringen als Personen, die vorhaben, sich dauerhaft im Aufnahmeland niederzulassen. Dieser Aspekt wird auch immer wieder in der betrachteten wissenschaftlichen Forschung zu den japanischen Expatriates in Düsseldorf als Grund für ihre unzureichende Integration angeführt (vgl. Kapitel 1). In dieser Studie sollen allerdings Personen betrachtet werden, die selbstinitiiert, also aus eigenem Willen, migriert sind und vorhaben, dauerhaft in Deutschland zu leben, weshalb Kinder oder unterschiedliche Generationen Zugewanderter in dieser wissenschaftlichen Untersuchung keine Berücksichtigung finden.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich eine Interviewteilnehmerin (IP 17) bereits als Kind sechs Jahre in Deutschland aufhielt, ihre Jugend dann in Japan verbrachte und schließlich während des Studiums entschied, nach Deutschland zu migrieren. Eine weitere Teilnehmerin (IP 27) verbrachte ihre Kindheit in der Schweiz. Die Interviewauswertung dieser beiden Teilnehmerinnen erfolgt im Rahmen der vorabdefinierten Zielgruppe. Neben diesen Teilnehmerinnen enthielt die Stichprobe zunächst zwei Personen, die zwar in Japan geboren worden waren, aber sich seit ihrer Kindheit aufgrund der Arbeit ihrer Väter in Deutschland aufhielten und somit nicht selbstinitiiert ausgewandert waren. Diese beiden Personen sowie drei weitere, die außerhalb von Japan geboren wurden und dort aufwuchsen, sind in der Auswertung nicht enthalten. Da zwei Teilnehmerinnen ihre Einwilligung zur Verwendung der Interviews zurückzogen und ein weiteres Interview aufgrund von technischen Problemen nicht ausgewertet werden kann, besteht das Sample somit aus 29 Frauen und 10 Männern, die die oben genannten Kriterien erfüllen. Die Mehrheit der interviewten Personen (10) befand sich in ihren 70ern, jeweils acht Personen in ihren 30ern und 40ern, fünf in ihren 50ern, vier in ihren 20ern, drei Personen in ihren 60ern und eine Person in ihren 80ern. Die Mehrzahl der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer (28) ist verheiratet. Vier Personen sind liiert, sieben ledig. 21 der Befragten haben Kinder. 29 Personen gehen einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung nach. Sechs Personen beziehen Rente, eine Person Frührente. Außerdem gibt es in der Stichprobe zwei Studierende und eine Hausfrau. 32 Personen besitzen einen Hochschulabschluss. Ihre finanzielle Situation lässt sich aus Tabelle 4.1 entnehmen. 16 interviewte Personen machten keine Angaben zu ihrem Nettoeinkommen. Die übrigen ordneten sich selbst Kategorien zu, die aus Tabelle 4.1 entnommen werden können.

Tabelle 4.1 Nettoeinkommen der Befragten

4.2 Interviewform und -aufbau

Die Wahl des Leitfadeninterviews ist gegenstandsangemessen und zielgruppenorientiert (Helfferich 2011: 13; 46), da ein rein narratives Interview nicht garantieren würde, dass alle relevanten Integrationsindikatoren zur Sprache kämen und ein Fragebogen bestimmte Integrationsindikatoren nicht zuverlässig erheben kann: „Der Leitfaden beruht auf der bewussten methodologischen Entscheidung, eine maximale Offenheit […] aus Gründen des Forschungsinteresses oder der Forschungspragmatik einzuschränken. Die Erstellung eines Leitfadens folgt dem Prinzip ‚So offen wie möglich, so strukturierend wie nötig‘“ (Helfferich 2014: 560–574). Die Erstellung der Fragen für den Leitfaden erfolgte nach der SPSS-Methode Helfferichs (2011: 182–187). Mithilfe des problemorientierten Leitfadeninterviews werden themenfeldbezogene Sinn- und Deutungsmuster untersucht und Erfahrungen sowie subjektive Problemsichten offengelegt. Es interessieren die persönliche Perspektive und die Erfahrungen mit dem zu untersuchenden Phänomen (vgl. Baur und Blasius 2014: 52). Hierbei ist zu beachten, dass es eine „implizite Prämisse qualitativer Einzelinterviews ist […], dass das Erzählen über sich selbst eine sinnvolle Tätigkeit ist. Die Interviewform lenkt die Aufmerksamkeit auf das Individuelle und Besondere. Nicht alle Kulturen und Befragten teilen diese Prämisse“ (Helfferich 2011: 58). Hierzu lässt sich allerdings sagen, dass das biographische Interview auch in Japan eine reguläre Form der qualitativen Forschung darstellt (vgl. Shimada 2006). Dies wiederum lässt den Schluss zu, dass im Falle eines Ablehnens der Prämisse dies individuell erfolgt. In Anlehnung an Thomas und Znaniecki wird auch die Migrationsgeschichte der interviewten Person berücksichtigt, da

die sozialen Probleme von Einwanderern nicht nur aus der Perspektive der „objektiven“ Rahmenbedingungen, sondern auch auf der Basis der „subjektiven“ Sichtweisen der MigrantInnen sowie ihrer lebensgeschichtlichen Erfahrungen – vor und nach der Einwanderung – zu untersuchen seien. (Rosenthal 2014: 510)

Dieser biographietheoretische Ansatz ist als Teildisziplin mit einer eigenen Theoriegrundlage und Methodologie im Ansatz des Sozialkonstruktivismus nach Berger und Luckmann etabliert:

Biographie wird also nicht als etwas rein Individuelles oder bloß Subjektives, sondern als ein soziales Konstrukt verstanden, das auf kollektive Regeln, Diskurse und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verweist und sowohl in seiner Entwicklung als auch im deutenden Rückblick immer beides zugleich ist: ein individuelles und ein kollektives Produkt. (Rosenthal 2014: 511)

Das Interview beginnt mit einer Einleitung, in der kurz erläutert wird, wer diese Untersuchung durchführt, welchem Zweck sie dient und wie lange das Interview ungefähr dauern wird. Bei vorheriger Kontaktaufnahme wurden den Teilnehmenden diese Informationen auch bereits zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt. Ebenfalls erfolgt der Hinweis, dass es keine falschen oder richtigen Antworten gibt, sondern dass gerade die persönlichen Gedanken und Meinungen der befragten Personen von Interesse sind. Außerdem vergewissert sich die Interviewerin, dass eine Aufnahme des Interviews gestattet ist.

Der Leitfaden besteht aus drei Teilbereichen. Der erste Bereich enthält eine an die Teilnehmenden gewandte Erzählaufforderung, die wie folgt lautet: „Schildern Sie bitte Ihre Situation in Japan, bevor Sie nach Deutschland kamen“. Mit diesem Impuls begann in der Regel auch die Aufnahme des Interviews. Durch diese Methode wird den Interviewten ein erleichterter Einstieg in die Interviewsituation ermöglicht, der ihnen gleichzeitig die Möglichkeit bietet, eigene Schwerpunkte zu setzen. Mit dieser Erzählaufforderung sollen Fragen zur Situation vor der Migration sowie solche zur Migrationsentscheidung bzw. zu ihrem Anlass geklärt werden. Die offene Erzählaufforderung gibt den Befragten ganz nach Helfferichs (2011: 24) zweitem Grundprinzip qualitativer Interviews, „Offenheit“, die Möglichkeit, „ihren ‚Sinn‘ – der ein anderer sein kann als der der Forschenden – entfalten [zu] können. Dazu brauchen sie einen offenen Äußerungsraum, der gefüllt werden kann mit dem, was für sie selbst wichtig ist, und in der Art und Weise, wie sie selbst sich ausdrücken möchten“ (Helfferich 2011: 24). Laut Helfferich (2011: 22) sind diese „Deutungen oder dieser Sinn […] nicht ‚objektiv‘ gegeben, sondern werden in der Interaktion der Menschen gebildet. Die soziale Wirklichkeit, so die Grundposition, ist also immer schon interpretierte, gedeutete und damit interaktiv ‚hergestellte‘ und konstruierte Wirklichkeit“. Auf die einführende Erzählaufforderung folgt eine Spontanerzählung, die unterschiedlich gestaltet ist. Hier wird deutlich, dass die Übergänge zwischen dem narrativen und teil-narrativen Interview fließend sind, da sich erst in der Praxis mit der Interviewdurchführung zeigt, in welchem Umfang sich das Interview tatsächlich narrativ gestaltet: Manche Teilnehmende erzählen Stunden, manche nur einige Minuten.

Sollte die interviewte Person die Erzählung anschließend nicht fortsetzen, folgen im ersten Teilbereich des Leitfadens zwei Aufrechterhaltungsfragen. Die Frage „Wie erging es Ihnen nach Ihrer Ankunft in Deutschland?“ soll die Fortführung der Erzählung unterstützen und die Erfahrungen und Erlebnisse nach der erfolgten Migration in den Vordergrund rücken. „Wie hat sich Ihr Leben bis jetzt in Deutschland entwickelt?“ regt zur Fortsetzung der Erzählung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an. Es folgt eine Perspektivfrage, mit welcher der erste Teilbereich des Leitfadens abgeschlossen wird: „Wie sehen Sie Ihr Leben in zehn Jahren?“ Diese Frage soll Aufschluss über die Bleibeabsichten der Teilnehmenden geben sowie Identitätsaspekte beleuchten.

Im zweiten Teilbereich des Leitfadeninterviews werden die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer dazu aufgefordert, ihren Alltag zu schildern. In diesem Rahmen sollen Aspekte der sozialen und strukturellen Integration genannt werden. Hierunter können das Arbeitsleben oder Weiterbildungsmaßnahmen, soziale Kontakte sowie die Gestaltung der Freizeit, die beispielsweise Aufschluss über Vereinsmitgliedschaften geben kann, fallen.

Aus der Erprobung des Leitfadens ging hervor, dass die Frage „Was verstehen Sie unter ‚Integration‘?“ als schwer zu beantworten empfunden wurde, da sie einen hohen kognitiven Aufwand von der befragten Person erfordert. Daher wird sie erst gestellt, nachdem sich die Teilnehmenden im Zuge des ersten Teils des Interviews mit der Interviewsituation vertraut machen konnten und sich mit verwandten Themen bereits auseinandergesetzt haben. Hier ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass es keine richtigen oder falschen Antworten gibt, denn die Frage zielt darauf ab, die subjektive Definition von Integration aus Sicht der interviewten Person zu erfragen bzw. zu erfahren und ebenso positive wie negative Sichtweisen und Erfahrungen der Teilnehmenden zu erheben.

Aufgrund der Wahl der qualitativen Forschungsmethode konnte in weiteren Fällen das Forschungsdesign angepasst werden (Religion, Einkommen) (vgl. Baur und Blasius 2014: 50). Hierauf wird im Verlauf der Analyse der Interviewdaten näher eingegangen.

Im Bilanzierungsteil, dem dritten Teil des Leitfadens, folgen Fragen, die auf die jeweiligen Integrationsindikatoren abzielen und noch nicht beantwortet wurden. Sollte beispielsweise nicht auf die Staatsangehörigkeit eingegangen worden sein, kann dazu wie folgt nachgefragt werden: „Haben Sie vor, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen?“, „Welche Vorteile bzw. Nachteile sehen Sie darin?“ und, in Verbindung damit, „Nehmen Sie an der politischen Entscheidungsfindung teil?“ Als Orientierung für die Gestaltung des Bilanzierungsteils und seine Abarbeitung im Rahmen der Interviews dienten die sozialwissenschaftlichen und politischen Integrationskonzepte. Dabei wurden Modelle, wie das gesamtstädtische Integrationskonzept, um wissenschaftlich aussagekräftige Integrationsindikatoren ergänzt. Daher wird im Rahmen der Interviews auf die soziale, strukturelle, kulturelle und identifikative Dimension eingegangen. Während Indikatoren wie die interethnische Eheschließung auf der sozialen Ebene auch mit einem Fragebogen erhoben werden könnten, eignen sich insbesondere Indikatoren der kulturellen und identifikativen Ebene nur bedingt für standardisierte Befragungen. Sachverhalte im Zusammenhang mit Identität, Selbstbildern und Werten lassen sich kaum direkt erfragen, diesbezügliche Aussagen sind aber im Erzählmaterial implizit oder explizit enthalten und können mithilfe eines auf diesen Konzepten aufbauenden Suchrasters bei der Auswertung der Transkripte identifiziert werden.

Abschließend erfolgt eine offene Ausstiegsfrage, die verdeutlicht, dass die Interviewerin mit ihrem Leitfaden zum Ende gekommen ist und in der sie den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern die Möglichkeit gibt, Weiteres von ihrer Seite aus zu ergänzen. In diesem Rahmen wurden auch persönliche Fragen an die Interviewerin gestellt. Helfferich (2011: 137) sieht Rückfragen persönlicher Art als Machtdemonstration der Erzählperson, doch ließ die Interviewerin Fragen vonseiten der Teilnehmenden zum Ende des Interviews zu. Gelegentlich wurde sich in diesem Zusammenhang auch erkundigt, wie viele Interviews bereits geführt worden sind, und gefragt, ob noch weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer benötigt würden. Dies führte in manchen Fällen zur Vermittlung weiterer potenziell Partizipierender.

Am Ende des Interviews – im letzten Teil des Leitfadens – wurden die wichtigsten soziodemographischen Angaben erfragt. Dies sind Geburtsort, Geburtstag, Beruf, Einkommen und Familienstand. Nachdem sich bei den ersten Interviews ein Zögern, ein Ausweichen oder eine Verweigerung aufseiten der Erzählpersonen bei der Frage nach dem Nettoeinkommen einstellte, wurde die Beantwortung dieser Frage mithilfe einer Tabelle mit verschiedenen EinkommensspannenFootnote 3 erleichtert, denen Buchstaben zugeordnet sind, sodass die Befragten mit Nennung eines Buchstabens antworten konnten (vgl. Abschnitt 4.1). Die Interviewerin sendete den Befragten die Tabelle per E-Mail zu, sodass diese, falls sie ihr monatliches Nettoeinkommen im Interview nicht exakt angeben wollten oder konnten, auf eine Einkommensspanne verweisen konnten (Baur und Blasius 2014: 51).

4.3 Interviewdurchführung

Durch die in Abschnitt 4.1 genannten Kriterien liegt eine relative Homogenität der Stichprobe vor, was auch als Konzentrationsprinzip bezeichnet wird. Doch soll das Sample möglichst heterogen sein, also dem Streuungsprinzip unterliegen, um der Vielfalt der in einem Untersuchungsfeld vorhandenen Konstellationen Rechnung zu tragen (Akremi 2014: 274). Daher wurden verschiedene Zugänge gewählt. Es fanden gestufte und kombinierte Verfahren wie das Ausmachen von Schlüsselpersonen, sogenannten Gatekeepern, und das Schneeballsystem Anwendung. So wurden die beiden ersten Teilnehmerinnen über einen Gatekeeper rekrutiert. Berücksichtigt wurde dabei Geschlecht und Alter der Interviewerin, denn „Erzählperson und Interviewende treten einander immer als Frauen oder Männer, als Angehörige einer bestimmten Alterskohorte und als Angehörige einer bestimmten Kultur gegenüber“ (Helfferich 2011: 123, vgl. auch El-Menouar 2014: 793). Daher wurde der Interviewerin zunächst vom Gatekeeper zu Personen desselben Geschlechts und ähnlichen Alters geraten. Darüber hinaus wurden verschiedene direkte Recherchestrategien herangezogen, um erstens über unterschiedliche Zugangswege unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen und um zweitens Verzerrungen durch die jeweilige Rekrutierungsstrategie auszugleichen (Kruse 2015: 252).

In den meisten Fällen erfolgte die erste Kontaktaufnahme per E-Mail. Hier erhielten die potentiellen Interviewkandidatinnen und -kandidaten eine kurze Vorstellung der Interviewerin und des Projekts sowie die wichtigsten Informationen zur Durchführung, wie die Dauer des Interviews, der Umgang mit den Daten und die Möglichkeit der Sprachauswahl.

30 der 39 Interviews fanden persönlich vor Ort statt, 8 per Telefon und eines über Skype. Vor der Teilnahme wurden die teilnehmenden Personen um ihr Einverständnis zur Aufnahme des Interviews gebeten. Eine Teilnehmerin (IP 8) lehnte die Aufnahme ab, sodass ein schriftliches Protokoll des Interviews entstand. Drei weitere Interviews (IP 11, IP 28, IP 32) wurden aufgrund technischer Schwierigkeiten vor Ort schriftlich festgehalten.

Die Wahl des Interviewortes blieb den Teilnehmerinnen und Teilnehmern überlassen. Dadurch kam eine Vielzahl an „natürlichen“ und „künstlichen“ Befragungsorten zustande (Helfferich 2011: 42). Die Interviews fanden bei den befragten Personen zuhause, am Arbeitsplatz, im Café, Restaurant, beim Japanfest im Münchener Englischen Garten sowie in der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Hamburg und dem Japanisch-Deutschen Zentrum in Berlin statt. Der Vorteil davon, die Teilnehmenden den Interviewort selbst auswählen zu lassen, liegt darin, dass sie sich an den von ihnen gewählten Orten sicher und wohlfühlen. Dies wiederum kann den Rapport zwischen Teilnehmenden und Interviewerin begünstigen und zur Vertrauensbildung beitragen, was insbesondere aufgrund der Möglichkeit wichtig ist, dass die Teilnehmenden der Interviewerin aufgrund eines fehlenden ethnischen Matchings zunächst skeptisch gegenüberstehen können. Darüber hinaus kann die Ortswahl als Erkenntnismittel dienen und Aufschluss auf die Persönlichkeit oder das Selbstbild der interviewten Person geben (Helfferich 2011: 177).

Geschlecht und ethnische Herkunft der interviewenden Person sind wichtige Faktoren, um Zugang zu den Zielpersonen zu erhalten (El-Menouar 2014: 793). Hierbei spielt ein Prinzip qualitativer Interviews eine wichtige Rolle: das Prinzip der Reflexivität. Reflexivität bedeutet, die eigene Vorgeprägtheit zu berücksichtigen. In diesem Fall musste sich die Interviewerin des Umstands bewusst werden, dass kein ethnisches Matching vorliegt und reflektieren, was ihre Kontaktaufnahme bzw. ihre Anwesenheit bewirkt. Um es mit Helfferichs (2011: 24) Worten zu sagen: „Das Prinzip der Reflexivität beinhaltet die Reflexion des eigenen Parts im situativen Verstehensprozess während des Interviews und die Reflexion der Texterzeugung im rekonstruierenden Verstehensprozess während der Interpretation“. Reflexivität beinhaltet damit auch, sich bei Treffen Notizen zu machen, um die Dichte der Eindrücke festzuhalten und so reflektieren zu können. Diese Eindrücke sind in den Postskripten notiert.

Neben dem Grundprinzip der Reflexivität spielt bei diesem Forschungsdesign ein weiteres Grundprinzip bei der Führung von Interviews eine wichtige Rolle: der Umgang mit Vertrautheit und Fremdheit. Vor dem Hintergrund der Migrationserfahrung und der kulturellen Unterschiede zwischen Interviewerin und Zielgruppe kommt diesem besondere Bedeutung zu. Helfferich (2011: 24) sagt hierzu:

Fremdheit bedeutet hier [im Kontext der Interviewführung; Anm. d. Verf.] die Anerkennung der Differenz und der wechselseitigen Fremdheit der Sinnsysteme von Interviewenden und Erzählenden; „Fremdheit“ steht hier als Gegenbegriff für „vertraut“, „schon bekannt“ und „sich von selbst verstehend“. Sich auf diese „Fremdheitsannahme“ einzulassen, bedeutet auch, alles das, was im eigenen Denken als selbstverständlich geltende Normalität abgelagert ist, nicht als für die Erzählperson ebenfalls gültig zu übertragen.

In diesem Kontext muss insbesondere sprachlichen Aspekten und kulturellen Unterschieden besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Werden im Allgemeinen von Erzählpersonen bestimmte Reaktionen vonseiten der Interviewerin erwartet (Helfferich 2011: 99), kann diese Erwartung durch den kulturellen Hintergrund verstärkt sein. In der japanischen Sprache werden sogenannte aizuchi verwendet, um dem Sprechenden zu vermitteln, dass man zuhört und der Erzählung folgt. Aizuchi sind bestätigende Laute oder Worte, manchmal auch Ausrufe, die gewöhnlich häufiger Anwendung finden, als dies in Gesprächen zwischen Deutschen üblich ist, und deutsche Muttersprachlerinnen und -sprachler möglicherweise irritieren können. Sollten diese in der Kommunikation mit einer Japanerin oder einem Japaner fehlen, kann bei ihnen der Eindruck entstehen, dass das Gegenüber sie nicht verstehe oder ihrer Erzählung nicht folge. Die Verwendung von aizuchi durch die das Interview führende Person steht allerdings im Widerspruch zu dem für Interviews gängigen Gebot, sich zurückzunehmen und keine Laute von sich zu geben, die als Bestätigung oder Wertung des Gesagten verstanden werden können. Da die Interviewerin im Verlauf der Interviews feststellen musste, dass fehlende aizuchi die Kommunikation behindern, ist sie dazu übergegangen, diese ausreichend ins Gespräch einfließen zu lassen.

Durch die Zusammensetzung der Zielgruppe rücken auch weitere Aspekte in den Vordergrund. So ist es notwendig, die sprachlichen Fähigkeiten individuell zu berücksichtigen. Den Teilnehmenden war es freigestellt, zwischen Deutsch, Japanisch oder auch Englisch als Interviewsprache zu wählen, wodurch zum einen die Bereitschaft zur Teilnahme erhöht werden sollte, zum anderen sollte hiermit auch eine Komfortsituation geschaffen werden, indem den Teilnehmenden überlassen wird, in der Sprache zu antworten, in der sie sich wohlfühlen und am besten ausdrücken können. Entsprechend führten 26 Personen das Interview auf Deutsch und 10 auf Japanisch. Drei Personen nutzten die japanische und deutsche Sprache im Interview. Dabei ließ sich eine Person die Fragen auf Deutsch stellen und antwortete auf Japanisch, eine wechselte zwischen Deutsch und Japanisch im Gespräch, was auch als Code-Switching bezeichnet wird (vgl. Gardner-Chloros 2009), und eine Person wechselte zum Ende des Interviews von der japanischen zur deutschen Sprache.

Ein weiterer Aspekt, der allgemein und in interkulturellen Kontexten verstärkt berücksichtigt werden muss, ist der, dass Fragestellungen „oft eine Problemdefinition voraus[setzen]. Es kommt vor, dass Befragte aus verschiedenen Gründen diese Problem-Sicht nicht teilen“ (Helfferich 2011: 58). So kann die offene Erzählung bzw. die Erzählaufforderung auch als Last empfunden werden und die Befragten verunsichern (Helfferich 2011: 68). Aus den Interviewsituationen selbst gingen verschiedene Strategien zum Umgang mit diesen Problemen hervor. Manche Befragte legten ihre Unsicherheit offen, indem sie diese anmerkten oder sich vergewisserten, ob sie eine Frage ausreichend bzw. korrekt beantworten. In diesen Fällen verwies die Interviewerin erneut darauf, dass es bei der Beantwortung der Fragen kein Richtig oder Falsch gibt und es nur um die Meinung oder das Empfinden des Gegenübers geht.

4.4 Auswertung der Daten

Bei dem zu untersuchenden Material handelt es sich um 35 transkribierte Interviews und vier schriftliche Protokolle, also 39 Einzelfälle. IP 8 wünschte keine Aufnahme ihres Interviews, weshalb vor Ort ein schriftliches Protokoll angefertigt wurde, aufgrund von technischen Schwierigkeiten bei der Aufnahme der Interviews von IP 11, IP 28 und IP 32 wurde in diesen Fällen ebenfalls ein Protokoll angefertigt. Die Aufnahme der Interviews erfolgte mithilfe der Sprachmemo-Funktion eines iPhones, die der Telefoninterviews mithilfe einer App zum Aufnehmen von Anrufen. Eine Transkription unter Verwendung des Programms „f4transkript“ erwies sich für die japanische Sprache als ungeeignet, weshalb diese in Microsoft Word erfolgte.

Die Transkripte sind mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet worden. Die auszuwertenden Redebeiträge beginnen mit Start der Aufnahme.

Für die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, inwiefern sich die japanischen Migrantinnen und Migranten in die deutsche Gesellschaft eingliedern, bietet sich eine strukturierende Inhaltsanalyse mit deduktiver Kategorienanwendung als geeigneter Ansatz an. Grund für die Wahl der strukturierenden Inhaltsanalyse mit deduktiver Kategorienanwendung ist, dass bereits „vorher festgelegte, theoretisch begründete Auswertungsaspekte“ (Mayring 2015: 85) vorliegen. Diese finden sich in Form der aus der Forschung zur Integration im Allgemeinen und zur Integration von Japanerinnen und Japanern sowie den normativ-politischen Integrationskonzepten abgeleiteten Integrationsdimensionen und Integrationsindikatoren wieder. Mithilfe der strukturierenden Inhaltsanalyse werden den Kategorien die entsprechenden Textstellen zugeordnet. Die jeweiligen Integrationsindikatoren repräsentieren jeweils eine Kategorie. Laut Meier (2014) ist die Kodierung eines Textabschnittes mit mehreren Kategorien zulässig, da in derselben Textstelle verschiedene Themen angesprochen werden können.Footnote 4

Aus den theoretischen Erläuterungen in Kapitel 2 lassen sich die Definitionen der vorgegebenen Kategorien ableiten und inhaltsanalytische Regeln festlegen, nach denen ihnen eine Textstelle zugeordnet werden kann. Dies ist im sogenannten Kodierleitfaden schriftlich festgehalten. Dieses Vorgehen wird für die vorliegende Arbeit im folgenden Kapitel (Abschnitt 4.4.1) für die Migrationsanlässe und –gründe der Befragten vollzogen. Die anschließenden Kapitel enthalten den Kodierleitfaden zum persönlichen Integrationsverständnis der Befragten (Abschnitt 4.4.2) und zu den Integrationsindikatoren der sozialen, strukturellen, kulturellen und identifikativen Dimension (Abschnitt 4.4.3).

4.4.1 Kodierleitfaden zu Migrationsanlässen und -gründen

In Hinblick auf die Frage nach den Migrationsgründen und -anlässen wird ebenfalls nach der deduktiven Kategorienbildung vorgegangen. Die folgende Liste enthält die aus Kapitel 2 abgeleiteten Kategorien wie auch durch Klammern gekennzeichnete induktiv aus dem Material entwickelte Kategorien:

  1. 1.

    Arbeit

  2. 2.

    Heirat

  3. 3.

    Studium

  4. 4.

    Lifestyle-Faktoren

  5. 5.

    (Liebe/Beziehung)

  6. 6.

    (Arbeit einer/eines Angehörigen)

Die erste Kategorie „Arbeit“ lehnt sich an die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung des Begriffs der Arbeitsmigration an, der die „Aus- und Einwanderung von Menschen, um in einem anderen als ihrem Herkunftsland eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen“Footnote 5, bezeichnet. Das „Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache“ (dwds) definiert als Arbeitsmigranten „jmd., der seine Heimat verlässt, um in einem anderen Land (oder einer anderen Region) mit deutlich besseren Verdienst- und Arbeitsbedingungen eine Beschäftigung zu suchen“Footnote 6. Bei der Auswertung der Interviews erfolgt die Zuordnung zur Kategorie „Arbeit“ in den Fällen, in denen die Person angibt, aufgrund der Arbeit oder eines Arbeitsangebotes nach Deutschland gekommen zu sein. Sollten andere Gründe genannt werden, wie der Wunsch nach mehr Freizeit, muss hier aus dem Kontext erschlossen werden, welcher Aspekt als Hauptanlass verstanden werden kann.

In Hinblick auf die Kategorie „Heirat“ werden Personen als Heiratsmigrantinnen und -migranten verstanden, die zum Zweck des Heiratens auswandern. In ihrer Studie zur Heiratsmigration schreibt Wolbert (1984: 17): „‚Heirats-Migration‘ ist also ein spezieller Fall von Migration, der eine Heirat voraussetzt; Bedingung für die Eheschließung selbst ist die Bereitschaft zur Übersiedlung ins Ausland“. Bei Beer (1996: 31) ist Heiratsmigration als „Migration im Zusammenhang mit Heirat“ definiert und umfasst „geographische und soziale Mobilität“ (Beer 1996: 31). Migration ist in diesem Kontext mit dem Hauptziel Heirat verbunden, wobei andere Zielsetzungen wie Arbeitssuche oder ökonomische Verbesserung kaum Berücksichtigung finden. Auch wenn Beers Begriff soziale Mobilität einschließt, scheint diese nach ihren Ausführungen eher ein Nebeneffekt zu sein, der mit Heirat einhergehen kann, als der Zweck einer Heirat. Thadani und Todaro (1984: 45) beziehen in ihrer Rahmenkonzeption für Migrationsanalysen die Statusverbesserung von Frauen durch die Heiratsentscheidung ein. Aufgrund von Heirat erfolgte Migration ist bei ihnen Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen und sozialen Verbesserung (Ruenkaew 2003: 35). Heiratsmigration wird in der vorliegenden Arbeit allerdings im Sinne von Wolbert und Beer verstanden. Sollte die Heirat nur erfolgt sein, um sich in Deutschland niederlassen zu können, kann die Analyse in den Texten beispielsweise Lifestyle-Faktoren identifizieren. Sollte eine erfolgte Heirat keinen wesentlichen Grund für die Migration darstellen und der Ortswechsel beispielsweise durch ein Arbeitsangebot ausgelöst sein, wird die Migration der Kategorie „Arbeit“ zugeordnet.

Die Kategorie „Studium“ beinhaltet Migrationsbewegungen zu Studienzwecken. Dabei kann es sich um ein Erststudium, ein Zweitstudium oder die Fortsetzung eines Studiums handeln. Auch der Aufenthalt zum Studium der deutschen Sprache wird hierzu gezählt, wenn dieser Sachverhalt innerhalb dieser Kategorie auch separat gekennzeichnet wird. Eindeutig ist hier die Antwort von IP 39, der in Hinblick auf die Erzählaufforderung zu Beginn des Interviews sagt: „Das ist zum Studieren. [Z]um Musikstudieren“ (Z. 5–6).

Unter Lifestyle-Faktoren zählen Angaben zu Freizeit, Wohnumfeld, Klima, Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder, Genderaspekte, Interesse am Leben im Ausland, abweichende Wertvorstellungen und die Möglichkeit, diese im Ausland erfüllt zu sehen.

Bei der Auswertung zeigte sich, dass sich nicht alle Fälle einer der vorgegebenen Kategorien zu ordnen ließen. So ergab eine anschließende induktive Kategorienfindung zwei weitere Kategorien: Liebe/Beziehung und Arbeit einer/eines Angehörigen.

4.4.2 Kodierleitfaden zum Verständnis von Integration

In Hinblick auf das persönliche Integrationsverständnis der Befragten, welches insbesondere mit der Frage „Was verstehen Sie unter Integration?“ erhoben wurde, wird eine zusammenfassende Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung angewandt.

Das gesamte Material wird auf Textstellen durchgesehen, die Aussagen über die subjektive Definition von Integration, die Einstellung der Befragten zu Integration oder auch lediglich Aussagen hinsichtlich Integration enthalten. Bei der Auswertung dieser Textstellen werden Kategorien zum Integrationsverständnis der Befragten gebildet.

4.4.3 Kodierleitfaden zu den Integrationsindikatoren

Aus der in Kapitel 2 erläuterten Theorie zur Eingliederung von Migrantinnen und Migranten gehen für die soziale Dimension folgende Kategorien hervor:

  1. 1.

    Interethnische Eheschließung

  2. 2.

    Interethnische Freundschaften

  3. 3.

    Partizipation in Organisationen und Vereinsmitgliedschaften

  4. 4.

    Inanspruchnahme der ethnischen community

Aus den Erläuterungen in Abschnitt 2.3.2 geht hervor, dass ein Indikator für Integration in der sozialen Dimension die interethnische Eheschließung (1) ist. Daher wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Aufschluss darüber geben, ob die Erzählperson mit einer deutschen Person verheiratet ist. Ist die befragte Person mit einer deutschen verheiratet, liegt eine interethnische Ehe vor. Dies wiederum bedeutet, dass die befragte Person in Hinblick auf diesen Indikator als integriert gilt.

In Hinblick auf den Aspekt der „interethnischen Freundschaften“ (2) wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Aufschluss über den Freundeskreis der interviewten Personen geben. Relevant ist in diesem Fall für die Beurteilung des Integrationsgrades, ob der Freundeskreis inter- oder intraethnisch gefärbt ist. Setzt sich der Freundeskreis ausschließlich aus deutschen Personen zusammen, liegt ein interethnischer Freundeskreis vor. Die Person gilt somit im Kontext der Aufnahmegesellschaft als sozial integriert.

Nach einer ersten Durchsicht des Materials mithilfe der zuvor erläuterten Kodierregeln für den Indikator „Interethnische Freundschaften“ müssen folgende Regeln ergänzt werden: Gibt die interviewte Person an, keine Freundschaften zu besitzen, wird dieser Fall aus der Auswertung ausgeschlossen. Außerdem können interethnische Freundschaften zu Personen anderer Nationalität bestehen. Haug (2003: 726) spricht in diesem Zusammenhang von „multikulturell gemischten Freundesnetzwerken“. In Hinblick auf einen integrationsorientierten Ansatz können Freundschaften zur eigenen ethnischen Gruppe bei gleichzeitiger Existenz von Freundschaften zu Deutschen gepflegt werden (Haug 2003: 719). Überwiegen die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschen, gilt die befragte Person ebenfalls als integriert. Werden ausschließlich intraethnische Freundschaften gepflegt, ist dies als Segregation zu werten (Haug 2003: 718).

Bei der Auswertung des Indikators „Partizipation in Organisationen und Mitgliedschaft in Vereinen“ werden die Textstellen markiert, die Aufschluss darüber geben, ob die befragte Person in Organisationen oder Vereinen Mitglied oder in ihnen tätig ist. Bei der Bewertung dieses Indikators in Hinblick auf die Fragestellung nach der Eingliederung der befragten Personen ist unter Berücksichtigung der binnenintegrativen Leistung von Vereinen anzunehmen, dass Personen, die Mitglied in einem Verein oder einer Organisation sind, gleichzeitig sozial in die jeweilige Wahlgemeinschaft integriert seien.

Was den letzten Indikator „Inanspruchnahme der ethnischen community“ (4) betrifft, wird der Text auf Stellen durchgesehen, die Aufschluss darüber geben, ob die befragte Person, die Angebote der ethnischen community nutzt. Eine solche Nutzung kann sich im Frequentieren von Restaurants, dem Aufsuchen japanischen medizinischen Personals oder der Inanspruchnahme weiterer ethnischer Dienstleistungen sowie in der Anmeldung der Kinder im japanischen Kindergarten oder der Japanischen Schule manifestieren. Wie bereits in Kapitel 2 erläutert, ist ein gewisser Grad an Nutzung der community im Rahmen der Integration vertretbar und unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer auszuwerten.

Nach der Darlegung der Kodierregeln für die soziale Dimension werden nun die Kodierregeln für die strukturelle Dimension aufgeführt. Für die strukturelle Dimension liegen folgende Kategorien vor:

  1. 1.

    Einbindung in den Arbeitsmarkt

  2. 2.

    Teilhabe am Bildungswesen

  3. 3.

    Einbindung in den Wohnungsmarkt

  4. 4.

    Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen

  5. 5.

    Gesundheit

Die Auswertung des Aspektes „Einbindung in den Arbeitsmarkt“ (1) berücksichtigt alle Textstellen, an denen Aussagen zum Beruf bzw. zur beruflichen Tätigkeit getroffen werden. Dabei ist zu bewerten, ob die befragte Person zum Zeitpunkt des Interviews berufstätig und in das deutsche Arbeitssystem eingebunden ist. Wenn dies der Fall ist, gilt dies als ein Zeichen der Integration dieser Person.

In Hinblick auf den Aspekt der „Teilhabe am Bildungswesen“ (2) wird der Text auf Stellen durchgesehen, die Auskunft über den Besuch von Bildungsinstitutionen geben. Da die japanischen Migrantinnen und Migranten in dieser Studie mindestens 18 Jahre alt sein müssen und die jüngste Person in dieser Studie 21 Jahre alt ist, müssen sie einer Schulpflicht nicht mehr nachkommen. So stellt sich in Hinblick auf diesen Indikator die Frage, nach der Bildungsbiographie der Zugewanderten, einschließlich Weiterbildungsmaßnahmen. Es wird also das Humankapital der Zugewanderten im Bereich Bildung betrachtet und überprüft, ob sie an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen und beispielsweise ein Studium beginnen, eines fortsetzen oder sich in einer beruflichen Ausbildung oder Umschulung befinden. Ein hohes Humankapital, dass einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht im Wege stehen sollte, wird als Erfüllung dieses Indikators betrachtet.

Bei der Auswertung des Textes mit Rücksicht auf den Indikator „Einbindung in den Wohnungsmarkt“ (3) wird das Material auf Stellen durchgesehen, die Auskunft über die Wohnsituation und die Wohnungssuche geben. Die Befragten sind in den Wohnungsmarkt eingebunden und integriert, wenn sie eine Unterkunft vorweisen können, die der deutschen Mehrheitsbevölkerung entspricht, und auf dem Wohnungsmarkt nicht diskriminiert werden.

Zur Auswertung des Indikators „Soziale Sicherung und Hilfe in Problemlagen“ (4) werden alle Textstellen herangezogen, die Auskunft darüber geben, ob die befragte Person das deutsche Sozialsystem bezüglich SGB II- und/oder SGB XII-Leistungen in Anspruch nimmt (vgl. Abschnitt 2.3.3). Die Person gilt als integriert, wenn sie in das Versicherungssystem eingebunden ist und keine Sozialleistungen in Anspruch nimmt.

Beim Indikator „Gesundheit“ (5) werden alle Textstellen markiert, die Auskunft über Krankheiten, den Umgang mit diesen, Krankenversicherung und die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems sowie Erfahrungen mit diesem geben. Die Person gilt als integriert, wenn sie krankenversichert ist.

Nach den Kodierregeln für die strukturelle Dimension werden nun die Kodierregeln für die kulturelle Dimension dargelegt. Die kulturelle Ebene wird mit folgenden Kategorien erfasst:

  1. 1.

    Sprachpräferenzen und -kompetenzen

  2. 2.

    Werteannäherung

  3. 3.

    Medienverhalten

  4. 4.

    Religion

Zur Analyse des Indikators „Sprachpräferenzen und -kompetenzen“ (1) wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Auskunft über die im Alltag und am Arbeitsplatz verwendete Sprache, die Einstellung zur Mutter- und Aufnahmelandsprache und die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten geben. Es soll festgestellt werden, in welchem Umfang die befragte Person die Gastlandsprache beherrscht und zu welchen Gelegenheiten sie sie verwendet. Außerdem wird berücksichtigt, ob die Gastlandsprache ohne Zurückhaltung verwendet wird und die befragte Person das Gefühl hat, sich in der Gastlandsprache ausdrücken und verständigen zu können. Bei der Auswertung wird auch die Sprachauswahl bei der Interviewdurchführung berücksichtigt.

Bei der Analyse des Indikators „Werteannährung“ (2) wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Auskunft über die Werte der befragten Person und ihre Einstellung zu den Werten Deutschlands und Japans geben. Eine Person gilt in diesem Fall als integriert, wenn Verhaltensweisen, Normen und Werte auf Grundlage des deutschen Grundgesetzes basieren. Das bedeutet beispielsweise, dass die befragte Person aufgrund der Religionsfreiheit nicht dem christlichen Glauben angehören muss, um als in die deutsche Gesellschaft integriert betrachtet zu werden, jedoch muss sie im Sinne der Religionsfreiheit die Existenz anders gläubiger Personen in der Aufnahmegesellschaft akzeptieren.

Um Aussagen über den Indikator „Medienverhalten“ (3) treffen zu können, werden alle Textstellen markiert, die Auskunft über den Gebrauch der Medien vonseiten der befragten Person geben. Hierbei wird berücksichtigt, in welcher Sprache die Medien verwendet werden bzw. ob in erster Linie ethnische Medien konsumiert werden. Die Personen gelten in Hinblick auf diesen Indikator als integriert, wenn sie deutschsprachige Medien konsumieren.

Im Rahmen des Integrationsindikators „Religion“ (4) wird darauf geachtet, ob die migrierten Personen einer Religionsgemeinschaft angehören und um welche es sich handelt. In Hinblick auf Integration wird hierbei im Sinne der kulturellen Distanz darauf geachtet, ob sie die Religion des Aufnahmelandes angenommen oder schon besessen haben. Es werden alle Textstellen im Material markiert, die Aufschluss hierüber und über ihre Ansichten bezüglich Religion geben. Dabei richtet sich die Definition von „Religion“ nach den Welt- (Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Judentum) und Volksreligionen, zu denen gelegentlich auch Hinduismus und Judentum, aber auch Daoismus und Shintoismus gezählt werden. Selbstaussagen über eine Religionszugehörigkeit oder über Religiosität werden als Religionsangehörigkeit vermerkt und die Person der entsprechenden Religion zugeordnet. Verneint eine Person die Frage, ob sie religiös sei oder einer Religion angehöre, auch bei Nennung von Buddhismus und Shintoismus vonseiten der Interviewerin, wird die Person als religionslos vermerkt. Gibt eine Person an, religionslos zu sein, erzählt dann aber weiter, dass sie wie sehr viele Japanerinnen und Japaner an bestimmten religiösen Traditionen oder Praktiken teilnimmt, wird die Person als religionsangehörig im Rahmen der Religion der genannten Praktiken vermerkt. Sollten sich Interviewte dahingehend äußern, dass sie eine bestimmte Religion respektieren, sich aber als religionslos bezeichnen, werden sie als religionslos vermerkt. Eine Mehrfachnennung ist möglich, da insbesondere in Japan sowohl buddhistischen als auch shintoistischen Praktiken parallel nachgegangen wird. So ist es üblich, dass eine Befragung zur Religionszugehörigkeit unter der Bevölkerung zu einem Ergebnis von mehr als 100 % führt, da viele Personen sich sowohl dem Buddhismus als auch dem Shintoismus zuordnen (vgl. Roemer 2012).

Abschließend werden nun die Kodierregeln für die identifikative Dimension dargelegt. Die identifikative Ebene umfasst folgende Kategorien:

  1. 1.

    Subjektive Zugehörigkeitsgefühle

  2. 2.

    Einbürgerung

  3. 3.

    Politische Partizipation

In Hinblick auf den Indikator „Subjektive Zugehörigkeitsgefühle“ (1) wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Aufschluss über die Zugehörigkeitsgefühle der befragten Person geben. Im Rahmen der Integration ist eine ausschließliche Identifizierung mit der Aufnahmegesellschaft nicht notwendig (vgl. Abschnitt 2.2.1), eine duale Identifizierung (vgl. Abschnitt 2.3.5) reicht aus, um als integriert zu gelten.

Beim Indikator „Einbürgerung“ (2) wird das Material auf Textstellen durchgesehen, die Auskunft darüber geben, welche Staatsangehörigkeit die befragte Person besitzt. Eine Übernahme der deutschen Staatsangehörigkeit gilt immer noch vielfach als Abschluss des Integrationsprozesses.

Die Auswertung des Indikators „Politische Partizipation“ (3) berücksichtigt alle Textstellen, in denen Aussagen darüber getroffen werden, ob die befragte Person politisch aktiv ist und inwiefern sie an der politischen Meinungsbildung teilnimmt. Eine Person gilt in Hinblick auf diesen Indikator als integriert, wenn sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der politischen Meinungsbildung teilnimmt. Zunächst wird dabei berücksichtigt, ob die befragte Person an den Kommunalwahlen in Deutschland teilnimmt. An den Bundes- und Landtagswahlen kann sie nur teilnehmen, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Anschließend wird überprüft, ob sie anderweitig politisch aktiv ist. Hierbei werden Protestaktionen, Demonstrationen, Unterschriftensammelaktionen und Ähnliches berücksichtigt. Sollte sie an den japanischen Wahlen teilnehmen, ist sie zwar politisch aktiv, allerdings bildet diese Aktivität keine Integration in der deutschen Gesellschaft ab.