4.1 Reflexion des Forschungsprozesses

Die in Kapitel 3 beschriebene explorative Studie verfolgte das Ziel, aus den subjektiven Sichtweisen von Sachunterrichtslehrkräften ein breites Spektrum an Erkenntnissen zum Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht abzubilden. Die qualitativ-empirische Untersuchung im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie erfasste in drei Forschungszyklen über fokussierte Interviews die Aussagen von insgesamt 24 Volks- und Grundschullehrkräften zum audiovisuellen Medium im Kontext des Unterrichtsfachs Sachunterricht. Der iterative Charakter des Forschungsprozesses erlaubte es, neu gewonnene Erkenntnisse unmittelbar im Untersuchungsfeld anhand weiterführender Interviews zu überprüfen und damit schrittweise ein vertiefendes Verständnis der Rahmenbedingungen des Erklärvideoeinsatzes im Sachunterricht aus Sicht der Lehrkräfte zu erlangen. In der Zusammenschau der gesammelten Evidenzen konnten zentrale Faktoren hinsichtlich der Ursachen, Handlungsstrategien, intervenierenden Bedingungen und Konsequenzen der Nutzung von Erklärvideos durch die Lehrkraft beschrieben werden. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem Rahmenmodell zum Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht festgehalten.

Mit der Befragung von sowohl österreichischen Volksschullehrenden als auch deutschen Grundschullehrkräften mit unterschiedlichen Merkmalen hinsichtlich Dienstalter, Schulgröße, Ausbildungsstrukturen etc. wurde der Versuch unternommen, ein möglichst umfassendes Meinungsbild zu dem untersuchten Unterrichtsmedium darzustellen. Die gewählte Befragungsmethode, das fokussierte Interview, trug dazu bei, dass auch Lehrer*innen, die vorab wenig mit dem Begriff „Erklärvideo“ anzufangen wussten, schnell in das Thema einsteigen konnten. Als Limitation der vorliegenden Studie ist an dieser Stelle anzumerken, dass der Fokus auf der Abbildung möglichst vieler Facetten des Erklärvideoeinsatzes im Sachunterricht lag. Mit der Entscheidung für den Blick auf eine große inhaltliche Bandbreite ging auch einher, dass verborgene Denk- und Handlungsmuster, die dem Erklärvideoeinsatz zugrunde liegen, nicht tiefergehend beforscht wurden. Auch der Entschluss, im Rahmen der Untersuchung eine Gesamtschau vorzunehmen und nicht die individuellen Fälle des Erklärvideoeinsatzes im Einzelnen zu betrachten, hatte zur Konsequenz, dass keine Typenbildung hinsichtlich der persönlichen Zugangsweisen zur Nutzung des audiovisuellen Mediums vorgenommen wurde – dies entsprach jedoch auch nicht der Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung.

Der Kodiervorgang erwies sich als ressourcenintensiver Prozess, der vor allem zu Beginn der Untersuchungsphase – als noch keine Muster in den Daten erkennbar waren – viel Zeit in Anspruch nahm. Die Nutzung der QDA-Software Atlas.ti stellte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Unterstützung beim Kodierprozess dar und ermöglichte es, trotz der Vielzahl von Kodes und Konzepten den Überblick in den Daten nicht zu verlieren. Auch die Nachvollziehbarkeit und Transparenz hinsichtlich der Kategorienbildungen konnte durch die Nutzung der QDA-Software sichergestellt werden. Die von Strauss und Corbin (1996, S. 192) angeregten Diagramme bzw. grafischen Darstellungen, die den Kodierprozess begleiten und Ideen zu Beziehungen zwischen einzelnen Konzepten festhalten sollen, konnten ebenfalls direkt in Atlas.ti abgebildet werden. Das Forschungsmemo wurde für die vorliegende Untersuchung vor allem zum Protokollieren der einzelnen Forschungsschritte und zum Festhalten wichtiger Erkenntnisse bzw. sich daraus ergebender weiterer Fragestellungen für nachfolgende Interviewcluster genutzt. Zusammenfassende Notizen und Überlegungen zu entsprechenden Konzepten wurden nicht im Forschungsmemo, sondern direkt im Kommentarfeld einzelner Kodes und Kategorien in Atlas.ti festgehalten.

Die Notwendigkeit eines leicht adaptierten Vorgehens bei der Datenerhebung und -auswertung – die Einteilung der Interviewpartner*innen in mehrere Cluster zur Schaffung von Zeitfenstern für die Auswertung der Interviews – hatte für die Darstellung der Forschungsergebnisse in der vorliegenden Arbeit einen positiven Nebeneffekt: Die Beschreibungen der Forschungszyklen (Überlegungen und Vorgehen bei der Datenerhebung, Erkenntnisse aus dem Kodierprozess) konnten in drei Abschnitten erfolgen und mussten nicht für jedes Interview separat dargestellt werden. Damit wurde einerseits etwaigen Redundanzen entgegengewirkt, andererseits konnte eine bessere Übersichtlichkeit bei der Beschreibung des Forschungsprozesses erzielt werden. Trotz der Bündelung in drei Interviewcluster war es im Erhebungs- und Auswertungsprozess weitgehend möglich, den zyklischen Wechsel zwischen Datenerhebung und Datenauswertung auch innerhalb der Cluster einzuhalten. Im nächsten Kapitel sollen nun die Ergebnisse aus der empirischen Untersuchung mit den Erkenntnissen der theoretischen Aufarbeitung des aktuellen Forschungsgegenstandes zu Erklärvideos zusammenführend diskutiert werden.

4.2 Diskussion der Ergebnisse

Im Sinne von Salomons Forderung (1990, S. 521), wonach Forschende bei der wissenschaftlichen Untersuchung von Technologien im Schulkontext stets sowohl „the flute and the orchestra“ – also das Medium selbst und dessen Einbettung ins Unterrichtsgeschehen – betrachten sollen, wurde auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit versucht, beide Bereiche abzubilden. Dafür erfolgte zuerst die theoretische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln in Form der Aufbereitung sachunterrichtsdidaktischer Grundlagen und der Erkenntnisse zum Lehren und Lernen mit Medien. Auch diverse Facetten gegenwärtiger wissenschaftlicher Diskussionen zum Einsatz von Erklärvideos im Schulwesen wurden dargestellt. Ergänzend zur Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes wurde eine explorative qualitativ-empirische Studie zu den Sichtweisen von Lehrkräften auf den Umgang mit Erklärvideos im Sachunterricht durchgeführt – zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Studie bestand in diesem Bereich eine Forschungslücke. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt nun in zwei Teilen:

  • Erklärvideos als didaktisches Werkzeug

  • Erklärvideos als zeitgemäße Bildungsressource

4.2.1 Erklärvideos als didaktisches Werkzeug

In Abschnitt 2.1 wurde das Unterrichtsfach Sachunterricht mit seinem allgemeinbildenden Auftrag und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Zielsetzungen beschrieben. Die Vielfalt der Bezugsdisziplinen und infolgedessen auch der Themen und methodischen Verfahren machen den Sachunterricht zu einem herausfordernden Betätigungsfeld für Lehrer*innen. Unterstützende Verfahren, wie sie in Abschnitt 2.1.5 angesprochen wurden, können Lehrenden zwar helfen, eine begründete Auswahl der Inhalte und Methoden zu treffen, für eine kind- und sachgemäße Umsetzung der Unterrichtsinhalte sind sie jedoch auch auf qualitätsvolle und flexibel einsetzbare Unterrichtsmedien angewiesen. Diese gilt es wiederum, reflektiert auszuwählen oder zu gestalten und zielgerichtet einzusetzen, damit größtmöglicher Nutzen für die Lernprozesse der Schüler*innen erzielt werden kann.

In der vorliegenden Arbeit wurde mit den Erklärvideos ein Unterrichtsmedium in den Fokus gerückt, das bereits vor der Coronapandemie als beliebtes Medium für Bildungszwecke galt (Rummler & Wolf, 2012), durch Lockdowns und Schulschließungen seit Pandemiebeginn jedoch endgültig zu einem häufig genutzten Medium für die Vermittlung schulischer Inhalte wurde (F. Anders, 2020). Auch die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Notwendigkeit der Gestaltung von Fernunterricht als ein wesentlicher Beweggrund für die Nutzung von Erklärvideos im Sachunterricht beschrieben wurde – und für einige Lehrkräfte die ersten Berührungspunkte mit dem audiovisuellen Medium markierte.

In den Ergebnissen der empirischen Studie wird deutlich, dass die Lehrkräfte vielfältige Einsatzszenarien für Erklärvideos im Sachunterricht beschreiben (siehe Abschnitt 3.3.8). Eine Betrachtung der genannten Einsatzbereiche anhand des in Abschnitt 2.2.5 beschriebenen RAT-Frameworks (Hughes et al., 2006) oder SAMR-Stufenmodells (Puentedura, 2006) zeigt, dass viele der angesprochenen Zielsetzungen auf eine Erweiterung („Amplification“ bzw. „Modification“) sachunterrichtsdidaktischer Lehr- und Lernprozesse abzielen. So wollten interviewte Lehrer*innen mit Erklärvideos Themeneinführungen oder -wiederholungen zielführender bzw. ansprechender gestalten, komplexe Inhalte bzw. nicht-beobachtbare Phänomene veranschaulichen oder den Lernenden alternative Erkläransätze zu unterschiedlichen Themenfeldern anbieten. Auch erweiterte Möglichkeiten hinsichtlich der Differenzierung und Individualisierung bzw. der gezielten Unterstützung einzelner Schüler*innengruppen (z. B. Kinder mit nicht-deutscher Erstsprache) setzten Befragte mithilfe des Erklärvideoeinsatzes um. Die Gestaltung von Erklärvideos durch die Schüler*innen – eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit Erklärvideos, die von Interviewten beschrieben wurde – kann in den oben angesprochenen Modellen sogar der „Transformation“ bzw. „Redefinition“ sachunterrichtlicher Bildungsprozesse zugeordnet werden, da die Lernenden hierzu die zu erklärenden Inhalte zuerst tatsächlich verstanden haben müssen, damit sie diese dann auch entsprechend kommunizieren können. In diesem Zusammenhang können Lernende auch ihre Medienkompetenz und Medienkreativität erweitern – und damit Teilbereiche einer in Abschnitt 2.3.7 angesprochenen „new media literacy“ (Wolf & Kratzer, 2015) bzw. „digital literacy“ (Peschel, 2022) entwickeln.

Die Vielfalt der im Internet zugänglichen Erklärvideoangebote ermöglicht Lehrkräften das Aufgreifen von Inhalten oder Fragestellungen der Kinder, die sie sonst eventuell nicht im Sachunterricht bearbeiten würden – in einem Interview wurde dies z. B. bei Inhalten aus der technischen Perspektive berichtet. Andere Interviewpartner*innen sahen in dem großen Bestand sofort einsetzbarer Erklärvideos auch eine Unterstützung für die Umsetzung von Planarbeiten und Stationenbetrieben bzw. für eine angemessene Begegnung der Anforderungen an den Unterricht in Mehrstufenklassen. Einige interviewte Lehrkräfte beschrieben auch eine entlastende Wirkung des Einsatzes von Erklärvideos, wodurch z. B. frei werdende Zeitressourcen für andere pädagogische Aufgaben genutzt werden können oder mit denen sich auch körpereigene Ressourcen (z. B. die eigene Stimme) schonen lassen. Oft genannt wurden auch Möglichkeiten, die Erklärvideos für das eigenständige Erarbeiten neuer Lerninhalte durch die Schüler*innen eröffnen. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in der in Abschnitt 2.4.4 zitierten Aussage von Zander et al. (2020, S. 248) wider, wonach Erklärvideos eine „Individualisierung und Flexibilisierung von Bildungsinhalten“ ermöglichen würden. Um die Bereitstellung der Videos gelingend zu gestalten, beschrieben die befragten Lehrer*innen unterschiedliche Strategien, etwa das Zugänglichmachen über Lernplattformen oder das Ausgeben entsprechender QR-Codes. Auch P. Anders et al. (2019, S. 18) sehen einen unterrichtlichen Mehrwert der Erklärvideonutzung darin, dass das audiovisuelle Medium eine zeitliche und örtliche Flexibilisierung von Lernprozessen erlaubt – bzw. den Einsatz eines Videos, sobald „ein Erklärungsbedarf besteht“ (siehe Abschnitt 2.3.3). Auch die in Abschnitt 2.3.2 diskutierten Aussagen von Renkl et al. (2006) verdeutlichen, dass Erklärungen vor allem dann lernwirksam sind, wenn Kinder vorab danach fragen. Dem Timing einer Erklärung kommt demnach eine besondere Bedeutung für das Gelingen von Erklärprozessen zu. In der Betrachtung der Forschungsergebnisse wird jedoch deutlich, dass bei den Formen der didaktischen Einbettung von Erklärvideos in den allermeisten Fällen nicht die Lernenden darüber entscheiden, wann dieser Erklärungsbedarf besteht und ein Erklärvideo herangezogen wird, sondern die Lehrkräfte. Hier muss also, um den angesprochenen Möglichkeiten einer Flexibilisierung von Lernprozessen nachzukommen, der Blick auf die Lernenden und deren tatsächliche Bedürfnisse nach Erklärungen gerichtet werden. Dafür müssen unterrichtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen Kinder die Möglichkeit bekommen, flexibel aus einem Pool an verfügbaren Erklärvideos auszuwählen, sobald sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem individuellen Lernprozess eine Erklärung benötigen.

Die Nutzung von Erklärvideos für sachunterrichtliche Vorbereitungszwecke wurde von einigen interviewten Lehrkräften als Strategie beschrieben, um den Herausforderungen bei der Gestaltung eines vielfältigen und vielperspektivischen Sachunterrichts didaktisch angemessen zu begegnen. Ein solches Vorgehen wurde auch im Zuge der theoretischen Aufbereitung des Themas in Abschnitt 2.4.3 beschrieben, wonach Lehrer*innen Erklärvideos mitunter für das Zusammentragen didaktischer Ideen nutzen würden (Wolf & Kulgemeyer, 2016).

Obgleich der Großteil der Lehrkräfte, die im Rahmen der Untersuchung für diese Arbeit interviewt wurden, auf fremderstellte Erklärvideos zurückgreift, konnten auch drei Gründe identifiziert werden, die Lehrer*innen zu einer eigenständigen Gestaltung von Erklärvideos für den Sachunterricht veranlassen:

  • Anpassung an die Lernvoraussetzungen der eigenen Klasse

  • Möglichkeiten für individuelle Schwerpunktsetzungen

  • Persönlicher/emotionaler Faktor der selbst erstellten Videos

Wie Schneider (2018, S. 206) in Hinblick auf selbst gestaltete Videos anmerkt (siehe Abschnitt 2.3.8), müssten der Nutzen und der Aufwand bei selbst erstellten Erklärvideos in einem vertretbaren Verhältnis stehen. Die Aussagen der Interviewpartner*innen, die bereits selbst Erklärvideos gestaltet haben, legen nahe, dass der Zeitaufwand den Nutzen in der Praxis aus deren Sicht nur in wenigen Fällen rechtfertigt, etwa dann, wenn zu bestimmten Themen keine passenden fremderstellten Videos gefunden werden oder wenn die Lehrkraft plant, eigene Videos auch künftig verwenden zu wollen. Ein erneutes Einsetzen von Erklärvideos kann jedoch mitunter schwierig sein, weil veränderte Lerngruppen wiederum andere Vorerfahrungen mitbringen, an die ein Video angepasst werden müsste.

Unabhängig von der Nutzung selbst gestalteter oder fremderstellter Videos wurde in den Interviews vielfach von der einfachen Handhabung der Erklärvideos im Unterrichtsgeschehen berichtet. Die entsprechenden technischen Rahmenbedingungen vorausgesetzt, lassen sich Erklärvideos den Befragten zufolge ohne großen Aufwand in den Unterricht einbinden – diese einfache Zugänglichkeit des Mediums wurde auch von Gach (2018) beschrieben (siehe Abschnitt 2.3.1). Eine Interviewpartnerin berichtete davon, Erklärvideos bereits spontan im Unterricht auf YouTube gesucht und direkt eingesetzt zu haben. Mit zunehmender Verbreitung dafür benötigter technischer Ausstattung (Tablets, WLAN, Smartboards etc.) könnten sich derartige Vorgehensweisen bei der Einbindung von Erklärvideos ins Unterrichtsgeschehen häufen. Gerade vor diesem Hintergrund ist ein kritisch-reflektierter Diskurs zu einem zweckmäßigen Einsatz des Unterrichtsmediums dringend erforderlich. Wie auch Pohlmann-Rother und Boelmann (2019) verdeutlichen (siehe Abschnitt 2.2.4), müssen Lehrkräfte bereits im Rahmen der Ausbildung auf einen lernförderlichen Einsatz unterschiedlicher Technologien vorbereitet werden. Dass Erklärvideos ein vergleichsweise junges Unterrichtsmedium für das Bildungswesen darstellen, zeigt sich auch darin, dass das audiovisuelle Medienformat nur bei wenigen der befragten Lehrer*innen im Rahmen der Lehramtsausbildung thematisiert wurde. Dabei wäre eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit dem Medium eine wesentliche Voraussetzung für einen gelingenden Einsatz. Um einen solchen zu ermöglichen, müssten die Lehrer*innen in zwei Handlungsfeldern (medien-)kompetent agieren:

  • Zuerst müssen sie anhand qualitätsbezogener Kriterien die für den entsprechenden Einsatzzweck passenden Videos aus der Vielzahl vorhandener Angebote auswählen bzw. gegebenenfalls selbst ein Video gestalten,

  • anschließend müssen sie die Erklärvideos gelingend in den Sachunterricht integrieren und für eine entsprechende Weiterverarbeitung der Inhalte aufseiten der Lernenden sorgen.

Die vorliegende Studie zeigt, dass personenbezogene Merkmale der Lehrkraft (z. B. das Interesse an Technologien und die individuelle Medienkompetenz) den Umgang mit Erklärvideos stark beeinflussen. Wie Gaubitz (2021) festhält (siehe Abschnitt 2.3.5), kommt Lehrkräften u. a. die Aufgabe zu, die Qualität der eingesetzten Unterrichtsmedien sicherzustellen. Fehlendes Wissen hinsichtlich relevanter Auswahlkriterien kann diese Aufgabe bedeutend erschweren. Hier zeigt sich die Wichtigkeit gezielter Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrer*innen, die auf den Erklärvideoeinsatz vorbereiten und damit zu einer überlegten Auswahl der Videos und zu einem angemessenen didaktischen Umgang mit dem audiovisuellen Medium beitragen können. In einem ersten Schritt sollte angehenden Sachunterrichtslehrkräften IP12 zufolge „ein Kriterienkatalog zur Verfügung gestellt werden“ (IP12, 47). Hier gibt es bereits eine Vielzahl potenzieller Kataloge für die Qualitätsbewertung von Erklärvideos, eine Auswahl davon wurde in Abschnitt 2.3.5 vorgestellt. Die Schwierigkeit für den Sachunterricht liegt dabei darin, dass bei der Medienwahl nicht nur allgemeinpädagogische, sondern aufgrund der vielfältigen Bezugsdisziplinen auch unterschiedliche domänenspezifische Kriterien beachtet werden müssen. Hier müssten also je nach Themenfeld unterschiedliche Kriterienkataloge zur Anwendung kommen. Viele der in dieser Arbeit vorgestellten Kataloge sind außerdem relativ umfangreich, was einer verbreiteten Verwendung im Zuge der Unterrichtsvorbereitung zusätzlich entgegenwirken könnte.

Für eine angemessene (medien-)didaktische Einbettung der Erklärvideos ins Unterrichtsgeschehen müssen aufseiten der Lehrkraft vielfältige Kompetenzen zusammenwirken. Das TPaCK-Modell von Mishra und Koehler (2006) bzw. das DPaCK-Modell von Huwer et al. (2019), die in Abschnitt 2.2.6 beschrieben wurden, geben Aufschluss darüber, welche Faktoren für einen gelingenden Einsatz von Unterrichtstechnologien bzw. einer pädagogisch angemessenen Begegnung digitalitätsbezogener Veränderungsprozesse zusammenspielen müssen. Zu einem situationsadäquaten Einsatz des audiovisuellen Mediums zählen auch die von Wolf und Kulgemeyer (2016, S. 40) angesprochenen „Transfer- und Übungsphasen“, die Lehrer*innen beim Einsatz von Erklärvideos einplanen sollten, um vertiefende Lernprozesse anzuregen. Wie schon in Abschnitt 2.3.7 angemerkt wurde, können bereits einfache Fragerunden im Anschluss an das Ansehen eines Videos zu einer intensiveren Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lerninhalten führen und damit eine unmittelbare kognitive Weiterverarbeitung der Informationen anregen. Weitere Rahmenaktivitäten und ergänzend zum Erklärvideo eingesetzte Medien konnten im Zuge der empirischen Untersuchung erhoben werden (siehe dazu Abschnitt 3.3.8). Im folgenden Kapitel wird nun thematisiert, warum das Unterrichtsmedium im gegenwärtigen Bildungsdiskurs und von interviewten Lehrkräften als eine für den Sachunterricht geeignete Bildungsressource angesehen wird.

4.2.2 Erklärvideos als zeitgemäße Bildungsressource

In Abschnitt 2.2.2 wurde Gervé (2022, S. 524) zitiert, demzufolge Unterrichtsmedien für den Sachunterricht „am Nutzen für die sach- und personenbezogene Kompetenzentwicklung bzw. an der Bedeutung für grundlegende Bildung“ gemessen werden sollten. Hier wurde im Verlauf der empirischen Untersuchung deutlich, dass viele der befragten Lehrer*innen in Erklärvideos eine zeitgemäße und zielgruppengerechte Form der Vermittlung von Lerninhalten für den Sachunterricht sehen. Das audiovisuelle Medium würde Kindern eine ansprechende und lustbetonte Art der medienvermittelten Sachbegegnung ermöglichen, womit sich auch ein positiver Bezug zu Unterrichtsinhalten herstellen ließe – was von Einsiedler (2000) als zentrale Aufgabe des Sachunterrichts beschrieben wird (siehe Abschnitt 2.1.2). Auch die Betrachtung von Kahlerts Ansprüchen (2022, S. 26) an den Sachunterricht (ebenfalls in Abschnitt 2.1.2) im Kontext der Erklärvideonutzung zeigt, wo das Unterrichtsmedium eine Unterstützung der Lernenden bei der Erschließung ihrer Lebenswelt darstellen könnte:

  • „Über Bestehendes aufklären – Verstehen unterstützen“: Die Aussagen der befragten Lehrkräfte zu ihren Einsatzbereichen für Erklärvideos (z. B. deren Nutzung zur Einführung in ein neues Thema oder zur Wiederholung von Lerninhalten) legen nahe, dass gut aufbereitete Erklärvideos die Kinder – aus Sicht der Lehrer*innen – beim Verstehen unterschiedlicher Inhalte und Zusammenhänge unterstützen können.

  • „Für Neues öffnen – Interessen entwickeln“: Auch hier verdeutlichen die Wortmeldungen von Interviewten, dass der herausfordernden Aufgabe, Kinder für Neues zu begeistern, unter anderem mit dem Einsatz geeigneter Erklärvideos begegnet wird. Der in diesem Zusammenhang angesprochene Motivationscharakter der Videos soll die Kinder auch dazu anregen, neu entdeckte Interessen weiterzuverfolgen.

  • „Sinnvolle Zugangsweisen zu Wissen und Können aufbauen – Sachlichkeit fördern“: Erklärvideos werden den Untersuchungsergebnissen dieser Arbeit zufolge auch dazu genutzt, komplexe Themen zu veranschaulichen bzw. verborgene Phänomene und Sachverhalte für die Lernenden visuell und akustisch wahrnehmbar und in weiterer Folge nachvollziehbar bzw. verstehbar zu machen.

  • „Zum Handeln und Lernen ermutigen – Kompetenzerfahrung ermöglichen“: In den entsprechenden didaktischen Rahmen eingebettet und um passende weiterführende Aktivitäten ergänzt können Erklärvideos Bestandteile von Lernumgebungen darstellen, die Kinder auch zur handelnden Auseinandersetzung mit Lerngegenständen ermutigen. Aussagen der interviewten Lehrer*innen zu vielfältigen Aktivitäten, die den Einsatz von Erklärvideos begleiten, zeigen, dass ein Großteil der Befragten handlungsorientierte und kognitiv-aktivierende Tätigkeiten vorsieht, die den Kompetenzaufbau bei den Kindern fördern sollen.

Zusätzlich könnte mit Erklärvideos ein Beitrag zum Verstehenlernen geleistet werden, indem Lernende mittels Erklärvideos im Aufbau der Fähigkeit unterstützt werden – wie Köhnlein (2022a, S. 108) es formuliert (siehe Abschnitt 2.1.2) –, „medial vermittelte Kenntnisse in ein verstandenes Wissen zu integrieren“. Auch für das Anbahnen perspektivenübergreifender Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen (GDSU, 2013), wie etwa das eigenständige Erarbeiten von Inhalten, oder das Aufzeigen vielperspektivischer Zugänge zu einem Thema könnten Erklärvideos den Kindern als Teil eines vielfältigen Medienangebots zur Verfügung gestellt werden, wodurch das Medium zu einem gegenständlichen – wie Gervé und Peschel (2013, S. 61) es bezeichnen – „[Werkzeug] zur Welterschließung“ gemacht wird.

Die von Preuß und Kauffeld (2019, S. 407) befürchtete Passivität der Lernenden beim Einsatz von Erklärvideos (siehe Abschnitt 2.3.8) konnte im Rahmen der empirischen Untersuchung in den Aussagen der Lehrkräfte nicht nachgewiesen werden. Hier berichteten Lehrer*innen eher vom Gegenteil, nämlich von Wahrnehmungen gesteigerter Aufmerksamkeit bei den Lernenden, sofern die Erklärvideos entsprechend ins Unterrichtsgeschehen eingebettet wurden (Schaffung passender Rahmenbedingungen, Anbieten ergänzender bzw. weiterführender Aufgabenstellungen zu den Inhalten der Erklärvideos etc.). Zur Frage nach der Bewertung einer möglichen beobachteten Passivität beim Videoschauen kann auch eine Feststellung von Einsiedler (2015, S. 391) herangezogen werden, wonach „nicht die äußeren Aktivitäten das Entscheidende sind, sondern die Initiierung und Aufrechterhaltung kognitiver Prozesse“.

Der Anspruch des Sachunterrichts, Lernenden eine grundlegende Allgemeinbildung zu ermöglichen, verlangt mitunter nach bildungswirksamen Unterrichtsmedien. Die bereits in Abschnitt 2.4.4 aufgeworfene Frage, ob es sich bei Erklärvideos um eine solche lernförderliche Bildungstechnologie handle, konnte im Zuge der Aufarbeitung der Erkenntnisse zum multimedialen Lernen grundsätzlich mit Ja beantwortet werden. Audiovisuelle Medien wie Erklärvideos können Informationen sowohl visuell als auch auditiv zielgruppengerecht darstellen und verfügen damit über das Potenzial, die Lernenden über eine multimodale Ansprache zu komplexen kognitiven Prozessen anzuregen. Dennoch muss – wie bei anderen Unterrichtsmedien auch – einschränkend festgehalten werden, dass Erklärvideos nicht per se lernwirksam sind (Wolf & Kulgemeyer, 2016, S. 39). Dem widerspräche auch die in Abschnitt 2.3.2 diskutierte Forderung, wonach Erklärungen im Unterricht – um lernförderlich zu wirken – so minimalistisch wie möglich gestaltet werden sollten, damit die Lernenden „Kompetenzen weitestgehend selbst […] erarbeiten“ können (Renkl et al., 2006, S. 213). Ein Erklärvideo sollte also nicht im Glauben eingesetzt werden, den kindlichen Lernprozess damit vollständig abzudecken. Erst ein didaktisch überlegter Einsatz des Mediums mit einer Weiterverarbeitung der im Video vermittelten Informationen durch die Lernenden macht das Erklärvideo zu einer geeigneten und zeitgemäßen Bildungsressource für den Sachunterricht.

Nachdem nun Theorie und Empirie zum Erklärvideoeinsatz zusammenführend diskutiert wurden, soll im nächsten Kapitel ein Resümee gezogen und Antworten auf die Forschungsfrage dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt werden. Im Anschluss daran wird ein Ausblick auf sich daraus ergebende Anknüpfungspunkte für weiterführende Forschungsvorhaben gegeben, zusätzlich werden Handlungsfelder für die Didaktik des Sachunterrichts aufgezeigt.

4.3 Resümee – Der Umgang mit Erklärvideos im Sachunterricht

Für die Betrachtung von Bildungstechnologien ist Weidenmann zufolge (2006, S. 427) mitunter von Bedeutung, welche „Handlungsmöglichkeiten […] das Medium und das mediale Angebot eröffnen“. Wie in der Diskussion deutlich wurde, können Erklärvideos im Sachunterricht ein flexibel nutzbares didaktisches Werkzeug für die Lehrkräfte und eine motivierende Lernressource für die Kinder darstellen und sich für unterschiedliche didaktische Zielsetzungen und Unterrichtszwecke eignen. Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautete: Wie gehen Lehrkräfte mit dem audiovisuellen Unterrichtsmedium Erklärvideo im Sachunterricht um?

Über die Erhebung und Auswertung der Sichtweisen von 24 Volks- bzw. Grundschullehrkräften auf das Medium Erklärvideo wurde ein Rahmenmodell entwickelt, das ein breites Spektrum an Antworten auf diese Frage liefert und zeigt, welche Faktoren den Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht beeinflussen. Abbildung 4.1 stellt das Rahmenmodell zum Erklärvideoeinsatz mit beispielhaften Aussagen der Lehrkräfte dar.

Abbildung 4.1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Rahmenmodell zum Erklärvideoeinsatz im Sachunterricht mit beispielhaften Aussagen von Lehrkräften.

In der Zusammenschau der Ergebnisse ist an dieser Stelle festzuhalten, dass der Umgang mit dem Bildungsauftrag des Sachunterrichts als Motiv für den Einsatz von Erklärvideos nicht in allen Fällen einer sachunterrichtsdidaktischen Zweckhaftigkeit im Sinne der Aufgaben und Ziele des Fachs zu folgen scheint. Teilweise wurden von den befragten Lehrkräften auch Beweggründe für den Einsatz von Erklärvideos genannt, die nicht auf die Unterrichtsqualität abzielen, sondern z. B. auf eine Zeitersparnis in der Vorbereitung oder die spontane Verfügbarkeit im Unterrichtsgeschehen. Es wurde aber auch deutlich, dass Erklärvideos aus Sicht der Lehrer*innen durchaus einen Beitrag zur Erfüllung des sachunterrichtlichen Bildungsauftrags leisten können, etwa um Kindern Inhalte altersgemäß zu veranschaulichen oder ihnen erweiterte Möglichkeiten zu geben, sich Themenfelder selbstständig zu erschließen. Dass YouTube dabei von fast allen Befragten als erste Anlaufstelle für Erklärvideos für den Sachunterricht genannt wurde – und die Videos auch im Unterrichtsgeschehen über diese Plattform abgespielt bzw. zur Verfügung gestellt werden –, ist durchaus kritisch zu betrachten. Zwar sprechen die einfache Zugänglichkeit und die große Menge und Vielfalt potenziell einsetzbarer Videos für den Sachunterricht grundsätzlich für die Videoplattform, die kommerzielle Ausrichtung und die Vielzahl der dort abrufbaren Videos ohne pädagogische Bezüge, auf die z. B. am Ende eines Erklärvideos hingewiesen wird bzw. die in der Vorschlagsleiste hervorgehoben werden, verdeutlichen jedoch, dass YouTube von Lehrkräften nicht unreflektiert wie eine Lernumgebung behandelt werden sollte.

Die Ergebnisse aus den Befragungen der Lehrer*innen legen nahe, dass Erklärvideos – nicht zuletzt bedingt durch die Fernunterrichtsphasen während der Coronapandemie – auch im Sachunterricht verstärkt eingesetzt werden. Quantifizierbare Aussagen können zwar aufgrund des qualitativen Charakters der vorliegenden Untersuchung nicht abgeleitet werden, aber es scheint, als würden – zumindest den Befragten zufolge – Lehrkräfte im Zuge der Unterrichtsplanung vermehrt auch nach passenden Erklärvideos suchen, die dann auf unterschiedliche Weise in den Unterricht integriert werden. Bei den im Rahmen dieser Studie befragten Lehrenden wurde dabei vor allem auf fremderstellte Videos zurückgegriffen. Zwar berichteten einige auch davon, selbst Erklärvideos für den Sachunterricht angefertigt zu haben, der damit verbundene große Zeitaufwand hinderte manche jedoch daran, wiederholt derartige Videos zu gestalten. Anders verhielt sich das bei einigen Befragten hinsichtlich des Deutsch- und Mathematikunterrichts, wo Lehrkräfte im Zuge der Interviews erwähnten, dass sie dort gerade in Fernunterrichtsphasen auch des Öfteren selbst Videos produziert hätten, weil „da braucht es das richtige Wording“ (IP7, 27). Eine solche Aussage impliziert, dass die genaue Wortwahl für Lehrkräfte bei Sachunterrichtsvideos eine andere Relevanz besitzt, als es z. B. beim Erklären der Zehnerüberschreitung in Mathematik oder der Buchstabenerarbeitung im Deutschunterricht der Fall ist. Eine ernüchternde Erklärung dafür, warum in der Coronapandemie vor allem für den Deutsch- und Mathematikunterricht Videos selbst erstellt wurden und für den Sachunterricht auf fremderstelltes Material zurückgegriffen wurde, berichtete IP13:

„Na ja, es war vor allem wohl der zeitliche Aufwand, der das so … der letztlich dazu geführt hat, dass ich es jetzt nur auf Deutsch und Mathe beschränkt habe, dass der nicht gegeben war, um jetzt auch noch für die anderen Fächer Videos zu gestalten. Und in meinem Fall war es einfach so in der Coronazeit, der Fokus war auf den Hauptfächern, also in dem Fall im ersten Schuljahr dann auf Deutsch und Mathe, und, ja, dadurch hab ich dann zuerst daran und nicht an Sachunterricht gedacht.“ (IP13, 83)

Die Nutzung von vorwiegend fremderstellten Erklärvideos für den Sachunterricht macht die eingehende Betrachtung des Vorgehens der Lehrkräfte beim Auswahlprozess der Videos notwendig. Von Interesse war im Zuge der empirischen Untersuchung neben den genutzten Quellen für Erklärvideos vor allem, welche Kriterien die Befragten bei der Auswahl der Videos überprüfen. Hier wurde deutlich, dass Auswahlkriterien teilweise sehr undifferenziert bzw. unspezifisch benannt wurden. Die Nutzung eines der in Abschnitt 2.3.5 beschriebenen Kriterienkataloge wurde von keiner befragten Lehrer*innen erwähnt. Dabei wäre für eine lernförderliche Wirkung des Mediums entscheidend, dass Lehrkräfte beispielsweise nicht vorrangig auf die Dauer eines Videos achten, sondern auf eine kohärente, auf das Wesentliche reduzierte und adressiertengerechte Darstellung der Inhalte.

Neben dem Vorgehen bei der Auswahl des audiovisuellen Erklärmediums waren auch Strategien bei der didaktischen Einbettung von Erklärvideos ins Unterrichtsgeschehen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Hier konnten unterschiedliche didaktische Zielsetzungen und Umgangsformen erfasst werden (eine Zusammenschau aller genannten Aspekte findet sich in Abschnitt 3.3.8). Auch Einflussfaktoren, die den Erklärvideoeinsatz im Sachunterricht begünstigen oder behindern, konnten identifiziert werden. Das Vorhandensein entsprechender technischer Ausstattung etwa wurde in diesem Zusammenhang mehrfach als Grundbedingung für den Erklärvideoeinsatz genannt, wobei einige Befragte auch berichteten, wie sie trotz fehlender technischer Rahmenbedingungen den Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht gelingend gestalten konnten (z. B. über das Abspielen der Videos in Kleingruppensettings auf den eigenen Tablets oder Smartphones). Das Vorhandensein passender Videos für den Sachunterricht wurde von den Lehrkräften auch – abhängig davon, zu welchen Themenfeldern Videos gesucht wurden – sehr unterschiedlich bewertet.

Als wichtiger Einflussfaktor auf den Erklärvideoeinsatz wurden personenbezogene Merkmale der Lehrkraft identifiziert, etwa das (fehlende) Interesse dem Medium gegenüber oder (fehlende) Kompetenzen im Umgang damit. Hier kann auch eine Verbindung zum „Technology Acceptance Model“ (siehe Abschnitt 2.2.6) gezogen werden, wonach die wahrgenommene Benutzendenfreundlichkeit und – vor allem – die empfundene Nützlichkeit eines Mediums ausschlaggebend sind, ob eine Lehrkraft ein Medium auch tatsächlich einsetzt (Scherer & Teo, 2019). Bei den befragten Lehrkräften konnten weitgehend Wahrnehmungen eines hohen empfundenen Nutzens des Mediums Erklärvideo für den Sachunterricht festgestellt werden. Wesentlich für eine gelungene Einbindung von Erklärvideos in den Sachunterricht sind in weiterer Folge entsprechende (qualitätsvolle) Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote, durch die Lehrer*innen auf einen didaktisch zweckmäßigen Einsatz diverser Unterrichtsmedien vorbereitet werden. Im Falle des Erklärvideoeinsatzes waren derartige Angebote den Aussagen der Interviewpartner*innen zufolge zum Untersuchungszeitpunkt nicht weitverbreitet – hier besteht folglich Handlungsbedarf bei den pädagogischen Hochschulen und Universitäten.

Die in den Interviews beschriebenen Zielsetzungen und Umgangsformen beim Erklärvideoeinsatz im Sachunterricht fielen sehr vielfältig aus, einen gemeinsamen Nenner stellt dabei das Anbieten begleitender Unterrichtsaktivitäten dar, durch die die Lernenden dazu angehalten werden, die Inhalte der Erklärvideos weiterzuverarbeiten. Damit wird – zumindest in den untersuchten Fällen – der Forderung von Wolf und Kulgemeyer (2016, S. 40) nachgekommen, wonach Erklärvideos im Lernprozess niemals allein stehen sollten, sondern durch entsprechende Übungsaufgaben begleitet werden müssen. Über Erklärvideos als Lehrmittel im Sachunterricht kann festgehalten werden, dass das Medium für Lehrkräfte eine Unterstützung in ihrem didaktischen Handeln darstellen kann. So berichteten Lehrer*innen davon, mithilfe der Videos etwa die Themenvielfalt im Sachunterricht zu fördern. In diesem Zusammenhang könnte durch Erklärvideos auch den „Besonderheiten des Sachunterrichts als vielperspektivisch angelegtes Grundschulfach“ (GDSU, 2019, S. 25) Rechnung getragen werden, indem der Einsatz des audiovisuellen Mediums vielperspektivische Betrachtungsweisen auf ein Thema eröffnet. Für einen solchen Einsatzzweck von Erklärvideos im Sachunterricht bedarf es neben medienpädagogischen Fertigkeiten im Umgang mit Erklärvideos jedoch vor allem eines allgemeinen Verständnisses für das leitende Moment der Vielperspektivität (GDSU, 2019).

Von Interesse für die Betrachtung des didaktischen Potenzials von Erklärvideos ist auch, was das beforschte Medium als Lernmittel zu leisten vermag. Die Zusammenschau der theoretischen Befunde und empirischen Erkenntnisse zeigt, dass Erklärvideos dazu beitragen können, Kindern eine größere Flexibilität und Vielfalt bei der Auswahl unterschiedlicher Lernmedien zu bieten. Die verfügbaren Erklärvideoangebote lassen dies für einen Teil potenzieller sachunterrichtlicher Themenfelder jedenfalls zu. Damit könnten die Lernenden auch zunehmend dazu befähigt werden, sich über Erklärvideos selbstständig neue Informationen zu erschließen, Interessen zu entwickeln bzw. zu verfolgen und sich in verschiedene Lerngegenstände zu vertiefen. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit bleibt die Frage offen, über welche Plattformen die Kinder selbstständig auf einen nach transparent ausgewählten Kriterien gesichteten Pool an qualitätsvollen Erklärvideos zugreifen können, ohne auch mit jenen Videos konfrontiert zu werden, die falsche Informationen vermitteln oder deren Gestaltung keinerlei Didaktisierung aufweist. YouTube eignet sich allein aufgrund des kommerziellen Charakters, mit Werbung vor bzw. während der Videos, und der vielen Angebote, die keinen Bezug zum Sachunterricht haben, nicht für derartige Zwecke. Geeignete – nicht-kommerzielle bzw. frei zugängliche und entsprechend kuratierte – Plattformen müssen erst geschaffen werden.

Im Sinne einer konstruktivistischen Sicht auf das Lernen (siehe Abschnitt 2.2.2) können Erklärvideos – das entsprechende didaktische Setting vorausgesetzt – den Kindern als Werkzeuge für das selbst gesteuerte Lernen dienen. Da die Lernenden aufgrund ihrer individuellen Vorerfahrungen den Videos unterschiedliche Informationen entnehmen und daraus eigene – mitunter wissenschaftlich nicht tragfähige – mentale Modelle aufbauen, muss im Unterricht auch genügend Raum für gemeinsame Reflexionsprozesse geschaffen werden. Die Aussagen von Lehrkräften im Rahmen der empirischen Untersuchung legen nahe, dass dies in der Praxis auch geschieht. Erst durch die Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit dem, was Kinder aus einem Erklärvideo tatsächlich mitnehmen, kann erkannt werden, ob Inhalte korrekt verstanden wurden. Die Rückmeldungen der Kinder können in Form von Nachbesprechungen oder über die Bearbeitung vielfältiger weiterführender Aktivitäten (Ausfüllen von Arbeitsblättern, Gestalten von Präsentationen etc.) erfolgen.

Eine Spezialform der Unterrichtsarbeit mit Erklärvideos stellt die Gestaltung von Erklärvideos durch die Lernenden dar. Auch hierzu wurden im Laufe der qualitativen Studie Aussagen gesammelt, die verdeutlichen, warum Lehrkräfte diese methodische Vorgehensweise wählen, etwa um die Kinder zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit Inhalten anzuregen. Neben einem tieferen Verständnis der Inhalte müssen Kinder diese auch entsprechend kommunizieren können, was die Kommunikationskompetenz schult. Zusätzlich wird medienkompetentes und medienkreatives Handeln gefördert. Abgesehen von der Strategie, den Prozess der Erklärvideogestaltung fächerübergreifend anzulegen, um weniger Zeitressourcen im Sachunterricht zu binden, wurde der große Zeitaufwand als hinderlicher Faktor dafür genannt, derartige Unterrichtsideen in der Praxis umzusetzen. Die wenigen verfügbaren Sachunterrichtswochenstunden scheinen hier ein Grund zu sein, der einen verstärkten Einsatz eines solchen methodischen Vorgehens behindert.

In der Einleitung zu dieser Arbeit wurde Schneider (2018, S. 199) zitiert, der konstatiert, dass neuen Bildungstechnologien oft mit übersteigerten Erwartungshaltungen begegnet werde, die kaum erfüllbar seien. In diesem Zusammenhang ist auch die in Abschnitt 2.4.5 aufgeworfene Frage von Dorgerloh und Wolf (2019, S. 7) zu sehen, ob die hohen Erwartungen an das Medium Erklärvideo zu einer schnellen Ernüchterung führen würden. In der Betrachtung der Sichtweisen von Lehrkräften auf das Unterrichtsmedium Erklärvideo kann festgehalten werden, dass das audiovisuelle Medium in verschiedenen Bereichen durchaus eine Unterstützung bei der Erfüllung des sachunterrichtlichen Bildungsauftrags sein kann, sofern die Videos qualitätsvoll gestaltet und didaktisch reflektiert in den Unterricht integriert werden. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Umgang mit Erklärvideos aus Sicht der Sachunterrichtslehrer*innen aufzuzeigen und damit einen Beitrag zu einem kritisch-konstruktiven Diskurs in der Beforschung des Unterrichtsmediums zu leisten bzw. einen zunehmend reflektierten Einsatz des Mediums in der schulischen Praxis anzuregen. Das entwickelte Rahmenmodell zum Erklärvideoeinsatz verdeutlicht, welche Einflussfaktoren hinsichtlich eines professionellen Handelns mit Erklärvideos in den Blick genommen werden müssen, damit ein zweckmäßiger Einsatz des audiovisuellen Mediums im Sachunterricht gefördert wird. Hier kommt vor allem einem Teilbereich der Ausbildung von Lehrkräften besondere Bedeutung zu, nämlich bereits während des Studiums entsprechende Kompetenzen angehender Lehrer*innen im sachgemäßen Umgang mit Unterrichtsmedien – im konkreten Fall mit dem Medium Erklärvideo – anzubahnen. Ein reflektierter Umgang mit Erklärvideos kann den Untersuchungsergebnissen zufolge erweiterte Handlungsspielräume für die Lehrkräfte im Sachunterricht schaffen und ein hilfreiches Werkzeug bei der Umsetzung sachunterrichtlicher Aufgaben- und Zielsetzungen darstellen.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung von Erklärvideos im Sachunterricht müssen auch die Grenzen eines didaktisch sinnvollen Einsatzes des Mediums abgesteckt werden. Aus der empirischen Untersuchung geht hervor, dass ein maßvoller Einsatz von Erklärvideos wichtig ist, um (mögliche) sinnliche Erfahrungen, die Lernende im Sachunterricht machen sollen, nicht vorwegzunehmen. In Rückbezug auf die Aussage von Gervé (2022, S. 524) in Abschnitt 2.2 wird deutlich, dass mit dem Einsatz digitaler Medien auch das „Risiko eines simplifizierenden Verlustes der sinnstiftenden Verbindung zum Phänomen“ einhergehen kann. Deshalb muss bereits während der didaktischen Planung des Sachunterrichts überlegt werden, wo Realbegegnungen möglich und sinnvoll sind und welche Sachbegegnungen im Unterricht über diverse Lehr- und Lernmedien abgebildet werden können oder – z. B. aufgrund fehlender Zugangsmöglichkeiten – müssen. Sinnliche Erfahrungen sollten grundsätzlich die Basis für die Begegnung mit sachunterrichtlichen Themen darstellen, wie z. B. Faust-Siel et al. (1996, S. 71) in ihrem Suchraster verdeutlichen (siehe Abschnitt 2.1.5). Diese sinnlichen Erfahrungen müssen für den Sachunterricht wesentlich mehr umfassen als visuelle und auditive Reize in Form von Erklärvideos. Doch gerade in Hinblick auf die Frage nach der Darstellbarkeit und Zugänglichkeit einer Thematik – wie Klafki (2007) sie in seiner didaktischen Analyse vorsieht (ebenfalls in Abschnitt 2.1.5 behandelt) – kann das Unterrichtsmedium Erklärvideo als Teil eines vielfältigen Medienangebots einen Beitrag zu einem zunehmend kompetenzorientierten, vielperspektivischen und – in Bezug auf erweiterte Differenzierungs- und Individualisierungsmöglichkeiten – inklusiven Sachunterricht leisten.

4.4 Ausblick

Die explorative Studie in dieser Arbeit verfolgte das Ziel, ein möglichst breites Spektrum an Sichtweisen von Lehrer*innen auf das Medium Erklärvideo zu erheben. Für weiterführende Forschungsvorhaben bieten sich am Ende dieser Untersuchung vielfältige Anknüpfungspunkte:

  • Wie in Abschnitt 2.3.5 dargestellt wurde, existieren bereits viele – auch empirisch beforschte – Kriterienkataloge zur Erklärvideobewertung. Die qualitative Studie hat jedoch gezeigt, dass die interviewten Lehrkräfte keinen der aktuell vorhandenen Kriterienkataloge für die Bewertung von Erklärvideos einsetzen. Hier wäre eine breit angelegte Fragebogenerhebung von Interesse, um zu betrachten, wie andere Sachunterrichtslehrer*innen bei der Auswahl von Erklärvideos vorgehen und ob (bzw. in welcher Form) gewisse Kriterienkataloge eine praktikable Möglichkeit darstellen können, den Auswahlprozess zu systematisieren und zu professionalisieren.

  • Hinsichtlich der personenbezogenen Merkmale von Lehrkräften, die den Einsatz von Erklärvideos beeinflussen, könnte ein weiterführendes Forschungsvorhaben untersuchen, über welche Kompetenzen (angehende) Lehrkräfte in Hinblick auf den gelingenden Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht (am Ende ihres Studiums) verfügen sollten.

  • Die vorliegende Studie hat den Erklärvideoeinsatz ausschließlich über die subjektiven Sichtweisen von Lehrkräften beforscht. Ein Forschungsdesiderat wäre an dieser Stelle auch eine Erhebung bei Lehramtsstudierenden bzw. den Lernenden hinsichtlich ihrer Sichtweisen auf Erklärvideos. Reaktionsmuster der Kinder auf den Einsatz von Erklärvideos wurden in dieser Arbeit ausschließlich über die Beschreibungen der Lehrer*innen betrachtet. Hier wäre eine unmittelbare Untersuchung der Wirkung von Erklärvideos auf die Lernenden im Sachunterricht von Relevanz.

  • Durch eine quantitative Beforschung unterschiedlicher Facetten des Erklärvideoeinsatzes könnte z. B. Klarheit über tatsächliche Verteilungen hinsichtlich der für den Sachunterricht genutzten Erklärvideoquellen gewonnen werden bzw. könnte gezeigt werden, welche Zielsetzungen durch die Erklärvideonutzung im Sachunterricht vorrangig verfolgt werden. Hier konnten zwar vielfältige Aspekte identifiziert werden, aufgrund des qualitativen Charakters der vorliegenden Untersuchung können aber keine quantifizierbaren Aussagen (z. B. hinsichtlich bevorzugt verfolgter Zielsetzungen) abgeleitet werden.

  • Eine vertiefende Beforschung des Erklärvideoeinsatzes und dessen Auswirkungen auf das Unterrichtsgeschehen könnte auch über die Aktionsforschung (Altrichter et al., 2018) durch die Lehrer*innen selbst erfolgen. Dabei könnten Lehrkräfte systematisch die Folgen des Erklärvideoeinsatzes auf die Lernenden bzw. die eigene Unterrichtspraxis dokumentieren und potenziell zielführende Umgangsformen mit dem audiovisuellen Medium identifizieren und beschreiben.

Neben den hier skizzierten Ideen für Forschungsvorhaben, die an die Erkenntnisse der vorliegenden Studie anknüpfen bzw. bestimmte Teilaspekte vertiefend untersuchen, soll in diesem Ausblick auch eine Forderung hinsichtlich der Weiterentwicklung einer kritisch-reflektierten Mediendidaktik im Sachunterricht – nicht nur in Bezug auf das beforschte Unterrichtsmedium – formuliert werden: Die zunehmende Verwendung von multimedialen Inhalten für sachunterrichtliche Lehr- und Lernprozesse sollte innerhalb der GDSU zum Anlass genommen werden, dem professionellen Umgang von Lehrkräften mit diversen Unterrichtsmedien verstärkt Beachtung zu schenken. Im GDSU-Jahresband 2023 (Schmeinck et al., 2023) schreiben Gervé et al. (2023, S. 38), dass Unterrichtstechnologien „[f]ür eine lernförderliche und/oder kompetenzfördernde Nutzbarmachung […] von den Lehrkräften jeweils zielgerichtet, altersangemessen und unter Berücksichtigung pädagogischer und didaktischer Fragestellungen eingesetzt werden“ müssen. Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen beispielhaft, dass dieser Forderung in der Praxis nicht immer nachgekommen wird. Hier besteht Handlungsbedarf für die fachdidaktische Forschung und für die Ausbildung von Sachunterrichtslehrkräften gleichermaßen – etwa in Hinblick auf eine nachvollziehbare und kriteriengeleitete Auswahl von Unterrichtsmedien bzw. das weitere Beforschen und Offenlegen wirksamer Einsatzstrategien unterschiedlicher Lehr- und Lernmedien. Vor diesem Hintergrund müsste auch der „Qualitätsrahmen Lehrerbildung Sachunterricht und seine Didaktik“ (GDSU, 2019) dringend weiterentwickelt werden, indem das darin vorgeschlagene Qualifikationsmodell für Sachunterrichtslehrkräfte um mediendidaktische Qualifikationsziele ergänzt wird. Ein wesentliches Ziel müsste dabei sein, Lehrkräfte zu befähigen, kontextabhängig entscheiden zu können, „wann und wo der Einsatz digitaler [bzw. analoger, S. M.] Medien unterrichtliche Lehr-Lern-Prozesse sinnvoll unterstützen kann“ (Gervé et al., 2023, S. 38). Ein durchdachter und sinnvoller Einsatz von Unterrichtsmedien ist bedeutsam für einen angemessenen Umgang mit dem umfangreichen sachunterrichtlichen Bildungsauftrag.

Es wäre zu wünschen, dass durch eine stärkere Fokussierung auf fachgerechte mediendidaktische Handlungsstrategien der Lehrkräfte (z. B. im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten) auch der Einsatz von Erklärvideos im methodischen Instrumentarium des Sachunterrichts zunehmend jenen Platz einnimmt, der die Potenziale des audiovisuellen Mediums für das fachliche Lehren und Lernen bestmöglich nutzbar macht. Folgt der Einsatz von Erklärvideos nämlich keiner fachlich begründeten didaktischen Zweckmäßigkeit, kann das Unterrichtsmedium auch negative Auswirkungen auf den Lernerfolg haben, wie z. B. eine Untersuchung von Giest (2023) zum Erklärvideoeinsatz beim Experimentieren an Lernstationen zeigt. In diesem Unterrichtssetting führte die Nutzung von Erklärvideos im Vergleich zu anderen methodischen Herangehensweisen „zu negativen Lerneffekten“ (Giest, 2023, S. 11). Die negativen Folgen eines nicht sachgemäßen Einsatzes von Erklärvideos dürfen vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung des audiovisuellen Mediums für sachunterrichtliche Bildungsprozesse nicht ignoriert werden. Umso bedeutsamer ist deshalb eine evidenzbasierte fach- bzw. mediendidaktische Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsmedium Erklärvideo, aus der sich auch Handlungsempfehlungen für einen sinnvollen Umgang mit dem Medium im Unterrichtsgeschehen ableiten lassen. Das gegenstandsbezogene Rahmenmodell zum Einsatz von Erklärvideos im Sachunterricht, das im Zuge des Forschungsvorhabens dieser Arbeit entwickelt wurde, zeigt bereits mögliche Leitlinien auf. Das Modell soll jedoch nicht bloß als theoretische Beschreibung des untersuchten Phänomens genutzt werden, sondern könnte auch zur Verortung von weiteren Forschungsvorhaben in diesem Themenfeld dienen. Damit könnte ein besserer Überblick über aktuell in unterschiedlichen Kontexten stattfindende wissenschaftliche Diskurse zu Erklärvideos im Sachunterricht gewonnen werden.

Mit dem Aufzeigen didaktischer Möglichkeiten und Grenzen eines sinnvollen Einsatzes des audiovisuellen Mediums in dieser Arbeit soll ein evidenzbasierter Beitrag zum anhaltenden Trend der Erklärvideonutzung im Unterrichtsfach Sachunterricht geleistet werden. Damit soll einerseits der wissenschaftliche Diskurs zu Erklärvideos gefördert werden – bzw. eine stärkere Auseinandersetzung mit konkreten mediendidaktischen Fragestellungen innerhalb der GDSU angeregt werden –, andererseits sollen die Erkenntnisse dieser Arbeit auch für die unterrichtliche Praxis genutzt werden können und zu einem kritisch-reflektiert(er)en Umgang von Lehrkräften mit dem Unterrichtsmedium im Sachunterricht beitragen. Daraus resultierend sollen auch etwaige übersteigerte Erwartungen an das „[bedeutsame] Bildungsmedium des 21. Jahrhunderts“ (Sailer & Figas, 2015, S. 93) einer realistischeren Betrachtung zugeführt werden. Um dem umfassenden Auftrag einer grundlegenden Allgemeinbildung im Sachunterricht gerecht zu werden, braucht es in erster Linie die fachwissenschaftlich und fach- bzw. mediendidaktisch kompetente Lehrkraft, die Themen aus der Lebenswelt der Lernenden über vielperspektivische Bezüge und im Zusammenspiel unterschiedlicher didaktischer Methoden und Medien kind- und sachgemäß aufbereitet, den Kindern Erfahrungen mit allen Sinnen ermöglicht und sie bei der sachbezogenen Erschließung ihrer Lebenswelt begleitet. Wie Kulgemeyer (2019, S. 75) es bereits treffend formulierte: „Diese Verantwortung nimmt einer Lehrkraft auch das beste Video nicht ab.“