Die Interpretation der Ergebnisse führt zu der Schlussfolgerung, dass die Weiterbildung an den befragten Hochschulen einer eigenen Identitätsbildung folgt, welche die institutionellen Bezüge aus Wissenschaft und Forschung zwar mitführt, aber nicht als vordergründige Handlungslogik priorisiert. Deutliche Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen lassen sich dabei nicht aufzeigen. Die in der Studie befragten Weiterbildungsverantwortlichen nehmen ihre Funktion verstärkt im Rückgriff auf Konventionen wahr, die mit dem Weiterbildungsmarkt und dessen Nachfrage korrespondieren. Im Fokus der Weiterbildungsplanung und -entwicklung stehen aktuelle Themen aus Berufspraxis und Gesellschaft. Dabei treffen die verantwortlichen Akteur:innen Planungsentscheide in der Weiterbildung teils unabhängig von den Schwerpunktsetzungen ihrer jeweiligen Hochschule respektive Fachbereiche in Wissenschaft und Forschung. Es wird mehrheitlich einem Qualitätsverständnis von wissenschaftlich reflektierter, jedoch prioritär berufspraktisch-anwendungsorientierter Weiterbildung gefolgt.

Für die Schweizer Hochschulweiterbildung werden Entwicklungsperspektiven aufgezeigt, welche von einer stärkeren Verschränkung von Handlungslogiken der Hochschule als Wissenschaftsinstitution und des Weiterbildungsmarktes ausgehen. Dabei zeigt sich eine zunehmende Professionalisierung von Planungsverantwortlichen im Umgang mit unternehmerischen Herausforderungen der Hochschulweiterbildung (vgl. Zimmermann und Fischer, 2016; Fischer, 2014; Fischer und Zimmermann, 2016). Hieraus ergeben sich wiederum Hinweise auf eine zunehmende Autonomie der Hochschulweiterbildung (vgl. Weber, 2014), die möglicherweise deren Identitätsbildung im «System Hochschule» unterstützt. Die hier gewonnen Daten zeigen eine deutliche Aussenorientierung der Weiterbildungsplanung und -entwicklung auf, welche sich von dem Verständnis der Hochschulen als prototypisch angebotsorientierten Einrichtungen (vgl. Wolter, 2011) unterscheidet. Hochschulweiterbildungen würden in diesem Sinne ihre Angebote an den Referenzsystemen Wissenschaft und Forschung ausrichten. In der hier vorliegenden Studie zeigt sich jedoch, dass auch Planungsverantwortliche, die aufgrund ihrer Binnenfunktion innerhalb der Hochschule eine Rückbindung an wissenschaftliche Lehre und Forschung aufweisen, in der Hochschulweiterbildung für die Planung und -entwicklung von Weiterbildungsangeboten eine stärker an Nachfrage und Berufspraxis orientierte Haltung einnehmen. Interpretativ lassen sich hier gegebenenfalls Ökonomisierungseffekte vermuten, wenn man der Definition folgt, dass Ökonomisierung zu einer Überformung vormals nicht ökonomischer Bereiche durch betriebswirtschaftliche Handlungslogiken führt (vgl. Schmid und Wilkesmann, 2020; Schimank und Volkmann, 2017; Zastrow, 2013; Bellmann, 2001). Wie dieser Rollenwechsel jedoch auf der Ebene der planungsverantwortlichen Akteur:innen gelingt, welche strukturellen Voraussetzungen solch einen Rollenwechsel unterstützen oder welche Konflikte hierbei für die Weiterbildungsverantwortlichen entstehen, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Eine qualitative Folgestudie könnte hier weitere Erkenntnisse bieten. Welche Gewichtung das Argument der Wissenschaftlichkeit in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Hochschulen künftig erhalten wird, scheint einem dynamischen Entwicklungsprozess unterworfen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Wissenschaftlichkeit als Paradigma eine gewisse Unabhängigkeit beibehält, womit auch ein gesellschaftlicher Auftrag von Bildung angesprochen wäre, der nicht primär marktlich-ökonomischen Abwägungen unterliegt. Oder, ob die Betonung von Wissenschaftlichkeit in den Angebotsstrukturen der Hochschulweiterbildung nicht letztlich auch dem Markt als vordergründiger Steuerungsinstanz dient, indem hierdurch eine akademisch- wissenschaftlich affine Zielgruppe angesprochen werden soll. Die Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen hat mit ihrem Eckwertepapier (swissuniversities, 2020) ihre Vorstellungen zur Rolle und zum Auftrag der Hochschulweiterbildung bereits dargelegt: «Mit ihren Weiterbildungsangeboten unterstützen die Hochschulen Personen, die bereits in der Berufspraxis stehen, sich laufend weiter zu qualifizieren. Damit bewegen sich die Hochschulen mit ihren Weiterbildungsangeboten nahe an Berufswelt und Gesellschaft. Gegenüber anderen Angeboten im Weiterbildungsmarkt unterscheidet sich die Hochschulweiterbildung durch ihre Nähe zu Studium und Forschung der Hochschulen. Es gehört zu ihrem Selbstverständnis, ein Teil der Hochschulbildung und im Wissenschaftssystem verortet zu sein und sich gleichzeitig am Praxisfeld zu orientieren.» In den Hochschulen scheint dieser Vorsatz bereits angekommen, bezieht man die Datenanalyse der hier realisierten Stichprobe an neun Schweizer Hochschulen in die Betrachtung mit ein. Wie sich der geforderte Ausgleich zwischen Berufswelt- und Gesellschaftsorientierung und Nähe zu Studium und Forschung der Hochschulen in den nächsten Jahren ausbalancieren wird, bleibt abzuwarten und kann gegebenenfalls durch eine vergleichende Längsschnittsanalyse zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden.

Trotz Priorisierung der Konventionenökonomie als Zugang für die hier durchgeführte theoretisch-empirische Analyse, ergeben sich auch aus der theoretischen Diskussion des soziologischen Neo-Institutionalismus Diskursanregungen auf der Grundlage der hier gewonnen Daten. Im soziologischen Neo-Institutionalismus folgen Institutionen umweltbezogenen Herausforderungen, indem sie vor allem nach legitimen (und weniger effizienzgetriebenen) Lösungen suchen (vgl. Meyer und Rowan, 2009; DiMaggio und Powell, 2009). Es geht in diesem Sinne also um Angleichungsbemühungen zwischen Umwelt und Institution, welche zugleich auch charakteristisch sind für das Handeln von Planungsverantwortlichen im Sinne der erwachsenenbildnerisch orientierten Programmplanungsforschung. Derartige Angleichungsbemühungen werden in der hier durchgeführten Untersuchung ebenfalls sichtbar, wenn auch auf der Basis von Konventionen und situativer Handlungskoordination. Gleichzeitig drückt die verstärkte Aussenorientierung der Akteur:innen in Richtung Berufsfeld und Weiterbildungsmarkt eine fortschreitende Professionalisierung aus, die Kenntnisse der Programmplanung sowie allgemeine betriebsökonomische Kenntnisse miteinschliesst (vgl. Lehmann und Vierzigmann, 2022:13). Scheinbar unterscheiden die Planungsverantwortlichen in der Hochschulweiterbildung ihre jeweilige Rolle, je nachdem, ob sie in den Kernleistungsbereichen der Hochschule (hier vor allem in der Forschung) oder in der Hochschulweiterbildung agieren. Zumindest deuten die Daten der hier analysierten Stichprobe darauf hin, da auch Akteur:innen mit höherer Rückbindung an die Kernuniversität in der Hochschulweiterbildung einer verstärkten Orientierung an Nachfrage und Berufsfeld zustimmen. Aus neo-institutionalistischer Sicht ist hier eine Angleichung durch normativen Druck (vgl. Ansätze eines umweltbezogenen Isomorphismus; DiMaggio und Powell, 2009) ein möglicher Erklärungsansatz, indem professionelle Standards unter den jeweiligen Umweltbedingungen neu legitimiert werden. Allerdings vollziehen sich solche Angleichungen im soziologischen Neo-Institutionalismus entlang der Struktur des organisationalen Feldes, welches nach DiMaggio und Powell (2009) als Aggregat von Organisationen und deren wechselseitigen Abhängigkeitsbeziehungen verstanden wird, die wiederum institutionelles Handeln formen. Die Konventionenökonomie folgt hingegen einer akteurszentrierten Sichtweise, die Situationen als empirische Bezugsgrösse heranzieht und nicht primär die Struktur des organisationalen Feldes. In der Konventionenökonomie gelten Akteur:innen als kompetent, Zusammenhänge unter Verweis auf äussere Umstände zu relativieren. Institutionen sind insofern immer auch unvollständig und unterliegen einer situativen, aktiven Steuerbarkeit durch ihre Akteur:innen (vgl. Diaz-Bone, 2011a: 28, 2009; Diaz-Bone und Thévenot, 2010: 5; Bessy, 2011: 168). Gleichwohl zeigen sich aufgrund spezifischer Vereinbarungen innerhalb von Organisationen gewisse Restriktionen, wie die vorliegenden Daten insbesondere für die Vereinbarung finanzieller Erfolgsziele zeigen. Die Ausführungen in Worlds of Production von Storper und Salais (1997) bieten für die konventionenökonomische Analyse eine wertvolle Ergänzung, da diese die Konstruktion von Vereinbarungen zwischen Personen und Regeln für spontanes individuelles Handeln als Einflussgrössen für Konventionen einbeziehen.

In der Konventionenökonomie finden Akteur:innen auf der Grundlage von Qualitätskonventionen zu neuen, verallgemeinerungsfähigen Lösungen, die im weiteren als legitimierende Referenz für Handlungskoordination dienen. In der hier durchgeführten Studie wurden Weiterbildungsverantwortliche nach ihrer Zustimmung zu drei Kategorien von Qualitätskonventionen befragt (vgl. Abb. 4.3, Kap. 4.3). Die höchste Zustimmung durch die Proband:innen erhielt die «hybride» Kategorie, welche der Hochschulweiterbildung die Eigenschaft einer wissenschaftlich-reflektierten, berufsbezogenen Weiterbildung zuschreibt. Ob hier zu einer neuen, verallgemeinerungsfähigen Qualitätskonvention gefunden wurde, lässt sich im Rahmen dieser Studie nicht abschliessend beantworten. Für die Beurteilung von Veränderungen, die einen Neuigkeitsgrad beinhalten, bräuchte es eine Längsschnittbetrachtung für den «vorher-nachher»-Vergleich. Jedoch lässt sich auf der Grundlage der hier durchgeführten explorativen Datenanalyse zumindest festhalten, dass die befragten Planungsverantwortlichen einer Synthese von Wissenschaftsbezogenheit und berufspraktischer Ausrichtung im Vergleich zu den anderen beiden Qualitätskategorien den höchsten Stellenwert für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung zuschreiben. Die gleichberechtige Bezugnahme auf Markt- und Qualitätskonventionen führt nach Boltanski und Thévenot (2018) zu einer Auflösung der Grenzen zwischen Markt und Organisation. Institutionen gelten als endogen bzw. als Teil marktlicher Transaktionen (vgl. Bessy, 2011; Bessy und Favereau, 2003; Salais, 2007). In der hier durchgeführten Untersuchung wird sichtbar, dass eine Betrachtung weiterbildungsmarktbezogener Anforderungen als ausschliesslich exogene Grössen, für welche die Organisation gesamtheitlich Steuerungsantworten findet, nicht den in der Stichprobe analysierten Gegebenheiten entspricht. Vielmehr scheinen die planungsverantwortlichen Akteur:innen der Hochschulweiterbildung weiterbildungsmarktbezogene Anforderungen und Nachfrageorientierung als einen Teil ihrer Rolle zu internalisieren, und dies möglicherweise unabhängig von ihrer Rolle im Wissenschafts- und Forschungsbetrieb der Hochschule. Der Ansatz institutioneller Reichweiten der Konventionenökonomie schafft hier einen theoretischen Zugang, der zum einen die Institution Hochschule gedanklich um den Weiterbildungsmarkt erweitert, und zudem situationsbezogen die Wirksamkeit unterschiedlicher institutioneller Logiken im Innen- und Aussenverhältnis der Organisation für Analysen zugänglich macht.