Der Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen liegt auf den institutionell vermittelten Anforderungen an die handelnden Akteur:innen im Kontext der Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Hochschulen. Als institutionelle Anforderungen werden zum einen die internen Ansprüche der Wissenschaftsinstitution, zum anderen die unmittelbar auf die Hochschulen einwirkenden Einflüsse des Weiterbildungsmarktes einbezogen.

Folgt man Fleige et al. (2019: 22 ff.), so erscheint für den Kontext der Weiterbildungsplanung und -entwicklung eine begriffliche Unterscheidung zwischen Programm und Angebot relevant, wobei einer Strukturierung nach Ebenen der Erwachsenen- und Weiterbildung gefolgt wird. Auf der Mesoebene der Organisation entsteht das Programm als konzeptioneller und inhaltlicher Ausdruck eines Lehr-Lern-Konzepts. Auf der Mikroebene wird das Angebot in Form von konkreten Lernangeboten, als Gegenstand erwachsenenpädagogischen und mikrodidaktischen Handelns, vermittelt. Eine akteurszentrierte Betrachtung, wie sie hier vorgenommen wird, legt den Blickpunkt jedoch auf konkrete Planungssituationen. Wie bereits in  Kap. 3.3 dargelegt, findet die Konventionenökonomie einen anderen Umgang mit Mehrebenenkonstrukten, indem Ebenen als wechselseitig durchlässig verstanden werden. Auf der Mikroebene spiegeln sich die Gegebenheiten nächsthöherer Ebenen (vgl. Barthe et al., 2016: 206 f.). Eine fachterminologische Unterscheidung zwischen Programm und Angebot (vgl. Fleige et al., 2019) unter Berücksichtigung der Weiterbildung als Mehrebenensystem (vgl. Schrader, 2008), ist für die vorliegende Untersuchung also nicht zweckdienlich. Hinzu kommt, dass der Begriff «Angebot» eine ökonomische Komponente mitführt. In Märkten vollziehen sich Transaktionen auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage. Zwar ist immer noch die erwachsenenpädagogische und mikrodidaktische Gestaltung Grundbestandteil eines Weiterbildungsangebotes. Jedoch nimmt in der vorliegenden Arbeit das Zusammenspiel von planungsverantwortlichen Akteur:innen in der Hochschulweiterbildung und den Nachfrager:innen nach Weiterbildungsangeboten einen wichtigen Platz ein. Weiterbildungsangebote sind also auch Gegenstand von Transaktionen am Weiterbildungsmarkt. Jedoch sind sowohl Programm als auch Angebot nicht Gegenstand dieser Untersuchung, sondern die handelnden Akteurinnen und Akteure, die im Rahmen der Weiterbildungsplanung und -entwicklung institutionelle Anforderungen im Rückgriff auf Konventionen bedienen oder möglicherweise auch verändern. Der in der vorliegenden Arbeit verwendete Terminus der «Weiterbildungsplanung und -entwicklung» folgt also einer eigenen Definition, welche sich argumentativ an die Konventionenökonomie anlehnt: Die Weiterbildungsplanung und -entwicklung ist eine Form von situativem Handeln, welches die Anforderungen unterschiedlicher institutioneller Legitimationskontexte mitführt und sich im Rückgriff auf Konventionen vollzieht. Situatives Handeln in möglicherweise widersprüchlichen institutionellen Kontexten, wie sie für die Hochschulweiterbildung aus ihrer mehrfachen Systembindung resultieren (vgl. Kap. 3), bedarf jedoch der Angleichung von divergierenden Ansprüchen durch die handelnden Akteur:innen. Zum Angleichungshandeln finden sich in der erwachsenenbildnerischen Programmplanungsforschung (vgl. Kap. 4.1) entsprechende Auseinandersetzungen.

4.1 Angleichungshandeln im Verständnis der Programmplanungsforschung

Planungsverantwortliche Akteur:innen in der Hochschulweiterbildung müssen abweichende Wertvorstellungen unterschiedlicher institutioneller Kontexte im Mehrebenensystem aus- respektive aneinander angleichen (vgl. Kap. 2). Ökonomisch geprägte Wertvorstellungen stehen dabei in möglicher Konkurrenz zu institutionellen Erwartungshaltungen der Referenzsysteme Hochschule und Wissenschaft, welche miteinander in Einklang zu bringen sind.

Eine systematische Auseinandersetzung mit dem Angleichungshandeln der zumeist pädagogischen Akteur:innen findet sich in der Programmplanungsforschung (vgl. Fleige et al., 2019; von Hippel, 2013, 2011; Schäffter, 2013; Gieseke, 2003, 2006, 2008a, 2008b). Eine Betrachtung von Weiterbildungsplanung an Hochschulen sollte dabei vor dem Hintergrund der besonderen Struktur- und auch Handlungslogiken des Systems Hochschule erfolgen (vgl. Reich-Claassen, 2020). Ein Modell, welches sowohl einer berufspraktischen als auch einer wissenschaftlichen Handlungsorientierung in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung Rechnung trägt, zeigen Weber und Neureuther (2017: 12). In diesem Modell werden Erfahrungswissen aus der beruflichen Praxis sowie disziplinäres Fachwissen und Metawissen aus der Wissenschaft als Ressourcen für die Angebotsentwicklung miteinander kombiniert. Durch die Berücksichtigung von gleichermassen berufspraktischen wie auch wissenschaftlichen Bezügen als Variablen für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung, werden in diesem Modell Bezugsgrössen präsentiert, für die zumindest implizit ein Angleichungshandeln der beteiligten Akteur:innen eine Voraussetzung wäre: Hochschulische Weiterbildungsangebote, die auf inhaltlicher Ebene sowohl berufliches Erfahrungswissen als auch den Wissenschaftsbezug adressieren, orientieren sich sowohl an berufspraktischen Lernbedarfen zur Steigerung und Erhaltung der Employability ihrer Absolvent:innen, als auch zumeist an einer forschungsmethodischen Systematik (vgl. Tremp, 2020: 126). Hiermit ist ein Zusammenhang aufgegriffen, welcher den unterschiedlichen Systembindungen der Hochschulweiterbildung Rechnung trägt und zugleich den hybriden Charakter der Hochschulweiterbildung widerspiegelt, welche neben der wissenschaftlichen Fundierung ihrer Angebote auch marktförmige Leistungsbeziehungen im Sinne der Nachfrageorientierung gestalten muss (vgl. Seitter, 2014: 148 f.). Jedoch bleibt auf der Individualebene der handelnden Akteur:innen unbeantwortet, wie sich diese hybriden Handlungslogiken in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung tatsächlich niederschlagen und die Handlungskoordination zwischen den Akteur:innen beeinflussen.

Folgt man den Ausführungen von (Gieseke, 2008a: 133), so ist Planungshandeln immer auch Angleichungshandeln, da in der Erwachsenenbildung «vor allem Anforderungen und keine Lehrpläne» berücksichtigt werden sollen. Die Programmplanung erfüllt eine mesodidaktische Funktion, indem sie zwischen dem Lehren und Lernen auf Mikroebene, und den ökonomischen, bildungspolitischen und institutionellen Ansprüchen (Makroebene) vermittelt (vgl. Siebert, 1982: 110). Dabei müssen unterschiedliche Ansprüche und Einflüsse zwischen Entscheidungsinstanzen durch professionelles und situationsadäquates Handeln einen Ausgleich erfahren (vgl. Gieseke, 2008b: 47). Diese Lesart hat sich insbesondere in der Erwachsenenbildung etabliert und macht deutlich, dass sich Programmplanungshandeln in einem Spannungsfeld aus Abhängigkeiten und Einflussnahmen bewegt. Von Hippel et al. (2019: 29) definieren dieses Spannungsfeld als eine «aktive Auseinandersetzung mit institutionellen Erwartungsstrukturen, bei der eine Balance hergestellt werden muss zwischen unterschiedlichen und z. T. divergierenden Ansprüchen». Die Abstimmungsprozesse, die aus der Auseinandersetzung mit divergierenden institutionellen Erwartungsstrukturen resultieren, entsprechen einem Angleichungshandeln (vgl. Wittpoth, 2007; von Hippel und Röbel, 2016). Damit folgen die genannten Vertreter:innen der Programmplanungsforschung zumindest implizit einer Sichtweise, die Parallelen zum institutionellen und umweltbezogenen Isomorphismus des soziologischen Neo-Institutionalismus aufweist (vgl. Kap. 3.2). Angleichungshandeln ist dabei häufig geprägt von logischen Widersprüchen (Antinomien), bei denen sich unterschiedliche Erwartungen scheinbar gleichberechtigt begründen lassen (Fleige et al., 2019: 55).

Vielfach adressiert die Programmplanungsforschung die institutionellen Rahmenbedingungen der Programmplanung sehr viel häufiger als die individuelle Handlungsebene der planungsverantwortlichen Akteur:innen. Dies zeigen verschiedenen Planungsmodelle der Programmplanungsforschung. Eine theoretische Übersicht zu den Perspektiven auf Programmplanung mit den jeweiligen, diesen Perspektiven zuordnungsfähigen Modellen findet sich bei von Hippel (2017). Programmplanungsmodelle unterscheiden sich in ihrer Zuordnung zu den Ebenen des erwachsenenbildnerischen Handelns (Mikro-, Meso- und Makroebene). Planungsmodelle mit einer übergreifenden Betrachtung dieser Ebenen finden sich in der deutschsprachigen Erwachsenenbildung bei Siebert (1982), oder auch bei Gieseke (2009), Fleige (2011) und Schrader (2011). Eine Fokussierung auf die mesodidaktische Ebene wird wiederum bei Gieseke (2002) sowie bei von Hippel (2011) vorgenommen. Ebenfalls Erwähnung finden sollten Planungsmodelle, welche im Kern Deutungs- und Interpretationsmuster als Leitgedanken mitführen, wie bei Cervero und Wilson (1994), Dollhausen (2008), von Hippel und Röbel (2016).

Bei Caffarella und Daffron (2013: 184) werden im Modell des «Interactive Program Planning» die Erwartungsstrukturen im Planungshandeln um Komponenten erweitert, die einen Einbezug handlungsrelevanter Aspekte auf der Mikroebene zumindest im Ansatz ermöglichen. Für das Programmplanungshandeln wird aus der Mesoebene heraus ein Spannungsfeld skizziert, welches die Einflussdimensionen «Macht» und «Interessen» einbezieht und zudem als weitere Einflüsse die Dimensionen «Aufbau von Beziehungen», «kulturelle Differenzen», «Erwachsenenlernen» sowie «Technologie» berücksichtigt. Es werden Handlungsbereiche für die Programmplanung aufgezeigt, die zum einen relevante Restriktionen (Budgets, Technology) darstellen, und zum anderen Bedürfniskategorien verschiedener Anspruchsgruppen (Needs, Goals and Objectives, Learning Transfer) widerspiegeln. Mit dem Modell nach Caffarella und Daffron (2013) lässt sich ein potenzielles Bild der konkreten praktischen Herausforderungen und Rollen der handelnden Akteur:innen skizzieren, die in ihrer Vielfalt berücksichtigt und ausgeglichen werden müssen.

Die genannten Beiträge der Programmplanungsforschung leisten einen Beitrag für die Analyse von Spannungsfeldern und den logischen Widersprüchen (Antinomien), welche in diesen Spannungsfeldern entstehen und durch die handelnden Akteur:innen bearbeitet werden müssen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Handeln von Akteur:innen in einem mikrosoziologischen Verständnis, welches deren Handlungsbegründungen aus einer institutionellen Perspektive zu erklären vermag, ist jedoch kaum zu verzeichnen (vgl. Dollhausen und Lattke, 2020). Professionelle Akteur:innen in der Hochschulweiterbildung haben es mit Herausforderungen zu tun, deren Erklärungsversuche in einem tiefgreifenden Zusammenhang mit ihrer organisationalen und institutionellen Einbindung in das System Hochschule stehen (vgl. Dörner, 2020: 22; Kondratjuk, 2017), als auch mit der Passung von Angebot und Nachfrage hochschulischer Weiterbildungen (vgl. Seitter, 2017: 211). Die spezifische Sichtweise auf die Programmplanung als eine besondere Form des Angleichungshandeln als situationsspezifisches und professionelles Aushandeln von Lösungen erscheint insbesondere für die Hochschulweiterbildung in einem besonderen Maße zutreffend (vgl. Reich-Claassen, 2020: 292). Im Kontext der Hochschulweiterbildung und deren Erforschung fehlt jedoch ein grundlegendes Verständnis institutioneller Referenzsysteme und deren Koordinationswirkung, indem handelnde Akteur:innen ihre Absichten und Präferenzen im Rückgriff auf divergente Werthaltungen rechtfertigen (vgl. Dollhausen und Lattke, 2020: 102).

Einen alternativen theoretischen Zugang für die Analyse von Handlungen und Handlungskoordination in wirtschaftlichen Institutionen bietet auch hier die Konventionenökonomie, welche einer primär akteursbezogenen Sichtweise folgt und die interaktive Bearbeitung von Mehrdeutigkeit im organisationalen Feld entlang wandlungsfähiger Rechtfertigungsordnungen versteht (vgl. Diaz-Bone, 2017: 83; Leemann, 2019: 284; Knoll, 2012: 60). Es stellt sich die Frage, inwieweit konventionsbezogene Widersprüche, welche Akteur:innen bei der Planung und Entwicklung von Weiterbildung wahrnehmen, zu Angleichungsprozessen in institutionell geprägten Handlungsräumen im Sinne einer veränderten Handlungskoordination führen.

4.2 Situative Handlungskoordination aus Sicht der Konventionenökonomie

Die Konventionenökonomie leistet als Forschungsrichtung einen handlungstheoretischen Beitrag, indem sie aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Perspektive einen Zugang zu den Grundlagen von Koordination, verallgemeinerungsfähigen Handlungslogiken sowie deren Zuordnung zu Rechtfertigungsordnungen ermöglicht (vgl. Diaz-Bone, 2011a: 18 ff.; Boltanski und Thévenot, 2018: 54 f.; Gonon, 2019: 374). Ihr Fokus liegt auf einem situationsbezogenen, handlungstheoretischen Verständnis, nach welchem Akteur:innen in Situationen unter Rückgriff auf Konventionen ihre Handlungen koordinieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen (vgl. Diaz-Bone und Thévenot, 2010: 4). Dabei folgt die Konventionenökonomie einer transdisziplinären Sichtweise bei der theoretischen Analyse von Institutionen, welche vor allem eine Verschränkung von Perspektiven der Soziologie und der Ökonomie adressiert (vgl. Diaz-Bone, 2011a: 11; Boltanski und Thévenot, 2018: 45 ff.). Sie dient einerseits als Basis für die «empirische Analyse der ökonomischen Koordination und den darin erfolgenden Konstruktionen von Wertigkeiten» (vgl. Diaz-Bone, 2018b: 2). Es wird argumentiert, dass radikale Unsicherheiten im Zusammenhang mit ökonomischen Entscheidungen durch geteilte Konventionen reduziert werden, weil Akteur:innen im Rückgriff auf Konventionen übereinstimmend interpretieren und handeln (vgl. Diaz-Bone, 2018a: 182; Boltanski und Thévenot, 2018: 54–56; Diaz-Bone und Salais, 2011; Salais, 2007). Andererseits bricht die Konventionenökonomie, verglichen mit den holistischen Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus (vgl. Kap. 3.2) mit einer dualistischen Trennung von Markt und Organisation (vgl. Diaz-Bone, 2018a: 181; Eymard-Duvernay, 2011). Handeln wird auf der Individualebene sowohl durch den Markt als auch durch die Organisation gleichermaßen beeinflusst. Markt und Organisation sind Teil übergeordneter Einflussgrößen, die in konkreten Situationen Handlungen durch die Bereitstellung von Qualitätskonventionen beeinflussen (vgl. Diaz-Bone, 2018a; Knoll, 2015; Thévenot, 2001). Dabei erhebt die Konventionenökonomie keinen Anspruch auf ein eigenständiges Organisationskonzept. Stattdessen werden Organisationen als Dispositive für die kollektive Koordination und die komplexe Handhabung pluralistischer Bewertungsmassstäbe verstanden. An dieser Stelle sei zum Vergleich nochmals auf die rational-ökonomische Sichtweise der Neuen Institutionenökonomie verwiesen (vgl.  Kap. 2.1), welche Handlungslogiken aus einer rein individualistischen Perspektive mit dem Ziel der Nutzenoptimierung rezipiert (vgl. Diaz-Bone, 2018a: 185; Williamson, 2000: 595; Diaz-Bone und Thévenot, 2010: 6). Im (neoklassischen) ökonomischen Verständnis sind Organisationen sowie Institutionen als exogene Variable dazu gedacht, Transaktionskosten zu senken. Im Sinne des Verzichts einer dualistischen Trennung von Markt und Organisation sind in der Konventionenökonomie Institutionen hingegen endogen (vgl. Bessy, 2011; Bessy und Favereau, 2003; Salais, 2007). Sie sind somit Teil marktlicher Transaktionen, da sich aufgrund der Pluralität von Bewertungsmassstäben, welche marktliche Konventionen ebenso wie Qualitätskonventionen umfassen, die Grenzen zwischen Markt und Organisation auflösen (vgl. Boltanski und Thévenot, 2018).

Knoll (2012: 83) beschreibt die Konventionenökonomie als einen Ansatz, der einen ergänzenden Beitrag für die Mikrofundierung des neo-institutionalistischen Akteursverständnisses leisten kann. So wird in der Konventionenökonomie «Legitimation […] nicht vorausgesetzt, sondern als alltägliches situatives und interaktives Problem von Akteuren beobachtet, die in ihrem Arbeitsalltag von Mehrdeutigkeit, vagen Zielformulierungen und von Kompromissobjekten umgeben sind.» «Wirtschaftliches Handeln stellt sich dabei als prinzipiell ambivalent und prinzipiell begründungsbedürftig dar.» (Knoll, 2012: 83). Hierbei handelt es sich um eine wichtige Feststellung: Zum einen steht somit ein Gegenentwurf zum methodologischen Individualismus für die Erforschung von Fragestellungen im Bereich «Ökonomisierung und Bildung» zur Verfügung (vgl. Knoll, 2015: 23).Footnote 1 Zum anderen ist für die Erforschung von Handlungslogiken in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung in der Hochschulweiterbildung ein Zugangsweg erkennbar, der die Mechanismen einer Auseinandersetzung der handelnden Akteur:innen mit widerstreitenden institutionellen Logiken sowie marktlichen Anforderungen in den Fokus rückt. So schreibt Knoll (2012: 83): «Wirtschaftliche Akteure werden einerseits als strategiefähig, wollend, nach Rationalität strebend und kompetent gedacht, die andererseits in einem mehrfach theoriegeladenen Kontext von Situation zu Situation mit Anderen nach Koordination und Orientierung streben.» Hiermit sind zwei bedeutsame Grundannahmen der Konventionenökonomie für Handlungskoordination angesprochen (vgl. Knoll, 2012: 46 f.): (1.) Akteur:innen suchen in «mehrdeutigen Situationen nach Interpretation und Koordination», und (2.) Sachverhalte und Objekte können entlang voneinander abweichender Interpretationsmuster beurteilt und bearbeitet werden.

Verlaufen Interaktionen erfolgreich, werden Handlungsmuster zu inkorporierten Routinen. Die mit diesen Routinen verbunden Konventionen sind in das Handeln quasi eingelagert und somit Bestandteil eines überindividuellen Handlungsprinzips (vgl. Diaz-Bone, 2011b: 30; Storper und Salais, 1997: 16). Dennoch werden kompetente Akteur:innen bestehende Konventionen in Situationen hinterfragen, oder vor dem Hintergrund situativer Kontextbedingungen neu evaluieren (Boltanski und Thévenot, 2011: 45). Konventionen sind demzufolge in sozialen und ökonomischen Kontexten veränderbar: Falls es die Umstände erfordern, sind Akteur:innen bereit, von einer bestehenden Konvention auf eine andere zu wechseln. Es werden in der Folge neue Rechtfertigungen entwickelt und vorgebracht, um die Wertigkeit einer Lösung oder eines Produktes zu legitimieren (vgl. Knoll, 2015: 42; Eymard-Duvernay et al., 2011: 203–230; Diaz-Bone und Thévenot, 2010: 5). Darüber hinaus werden Konventionen für die Handlungskoordination nicht nur instrumentalisiert, sondern sind auch deren mögliches Resultat (vgl. Dodier, 2011: 82 ff.). Akteur:innen reflektieren die koordinative Wirksamkeit von Konventionen und erkennen diese als das Ergebnis kollektiv geteilter Erfahrungen.Footnote 2

4.3 Qualitätskonventionen in der Hochschulweiterbildung als Referenz für Handlungen

Institutionen der Hochschulweiterbildung befinden sich in einer dialektischen, Gegensätze ausgleichenden Beziehung mit den Referenzsystemen Weiterbildungsmarkt und Wissenschaft (vgl. Kap. 2). Aus diesem Umstand ergeben sich verschiedene Dilemmata, die dazu führen können, dass Akteur:innen in Situationen der Weiterbildungsplanung und -entwicklung kritische Standpunkte einnehmen und diese argumentativ verteidigen. Im Sinne der Konventionenökonomie unterliegen derartige Konfliktsituationen einem Rechtfertigungsimperativ: Personen müssen Rechtfertigungen produzieren, um die eigene Kritik zu stützen oder um ihr Handeln zu verteidigen. Dabei müssen die Rechtfertigungen den Regeln des Akzeptablen im Sinne eines common sense oder einer gemeinsamen Relativierung von Ansichten entsprechen (vgl. Boltanski und Thévenot, 2018: 46; 54–58; Boltanski und Thévenot, 2011: 44; Storper und Salais, 1997: 15 ff.).

Neben dem bereits angesprochenen Dilemma aus dem Verhältnis von Praxis- und Wissenschaftsorientierung in der Hochschulweiterbildung (vgl.  Kap. 1.1), beschreibt Wilkesmann (2010) drei weitere Dilemmata: (1.) Die organisationale-strukturelle Einbindung der Weiterbildung innerhalb der Hochschule, (2.) die unterschiedlichen Steuerungsmodi der «Kernuniversität» (Lehre und Forschung) sowie der Weiterbildung und (3.) ungleiche Motivatoren für Organisationsmitglieder, sich in der Weiterbildung und somit ausserhalb der «Kernuniversität» zu engagieren. So ist nach Cendon et al. (2020b: 32) oftmals deren mangelnde akademische Reputation ein möglicher Hinderungsgrund für die Weiterentwicklung der Hochschulweiterbildung als Kernaufgabe der Hochschulen. Durch eine verstärkte Marktorientierung erhält das Argument der Berufsbezogenheit hochschulischer Weiterbildungen ein stärkeres Gewicht (vgl. Kondratjuk, 2017: 136; Schulze, 2020: 152; Dörner, 2020: 27; Seitter, 2014). Das Dilemma «Praxis- versus Wissenschaftsorientierung» in der Hochschulweiterbildung wirkt sich nicht nur auf die Angebotsgestaltung aus, sondern hat auch gegebenenfalls unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Organisationsmitglieder ihre Rollen wahrnehmen und ausüben. So können Leitungspersonen der Hochschulweiterbildung, deren Erfolg wiederum mit einer erfolgreichen Positionierung ihrer Angebote am Weiterbildungsmarkt verbunden ist, einen Teil ihrer Rolle als Unternehmer:in verstehen (vgl. Fischer und Zimmermann, 2016). Auch kann hinsichtlich des Umgangs mit Wissen in der Hochschulweiterbildung ein stärker anwendungs- und erfahrungsbezogener Umgang relevant sein (vgl. Klages et al., 2020; Heufers und El-Mafaalani, 2011). Wilkesmann et al. (2020: 206) kommen im Rahmen einer quantitativ-empirischen Datenerhebung bei Studiengangleitenden in der wissenschaftlichen Weiterbildung an Hochschulen in Deutschland zu dem Ergebnis, dass die Motivation für Aktivitäten in der Hochschulweiterbildung eine deutliche Hierarchie aufweist: Am stärksten präferiert wird die Forschung, dann die grundständige Lehre und erst zum Schluss die Lehrtätigkeit in der wissenschaftlichen Weiterbildung. Fasst man die Hochschulweiterbildung aus einer soziologischen Perspektive als eine Entität im Hochschulsystem, so führt eine zunehmende Ökonomisierung im Verständnis der Konventionenökonomie möglicherweise zu deren veränderter Kategorisierung und Relevanzbehauptung. Werden Entitäten neu kategorisiert oder kommt es zu einer veränderten Relevanzbehauptung, so entsteht innerhalb einer «Welt» (oder zwischen mehreren «Welten») zumeist Kritik (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 64). Die Kategorisierung von Rechtfertigungsordnungen nach Welten spielt in der Konventionenökonomie eine zentrale Rolle und ist auf die Arbeiten von Boltanski und Thévenot (1991) zurückzuführen. So sind Rechtfertigungsordnungen kontextuell den nachfolgenden Welten zugehörig, die über konventionsbezogene Zuordnungen der Abstützung von Handlungen dienen: Die Welt der Inspiration, die häusliche Welt, die Welt der Meinung, die staatsbürgerliche Welt, die Welt des Marktes und die industrielle Welt (vgl. Tab. 4.1). Im Konflikt wird auf diese Welten als Repräsentationen von Rechtfertigungsordnungen durch die Akteur:innen zurückgegriffen (vgl. Boltanski und Thévenot, 2018: 182 ff.).Footnote 3 In der Folge streben die verantwortlichen Akteur:innen für ihr Handeln nach einer auf Konventionen basierenden Äquivalenz, die eine neue Ordnung zutage fördert. In einer kritikbeladenden Situation oder einem Konflikt suchen Akteur:innen nach Legitimität ihrer Handlungen und, unter Rückgriff auf Konventionen, nach einem neuen Äquivalenzregime (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 45 ff.). Zum besseren Verständnis des konventionen-ökonomischen Äquivalenzregimes wird auf ein stark vereinfachtes Beispiel zurückgegriffen (in Anlehnung an Boltanski und Thévenot, 2011: 46), welches einen alltäglichen Bezug aufweist und in dem es zu einer Kollision zweier Autos kommt. Beide Autofahrer sind mit einer ganzen Reihe von persönlichen Problemen und Herausforderungen konfrontiert. Der eine hat gestern seinen Arbeitsplatz verloren, der Sohn hat Probleme in der Schule und die finanzielle Situation steht auch nicht zum Besten. Der andere hat vor nicht allzu langer Zeit den Tod seiner Frau verkraften müssen und zudem am Vortrag von seiner Ärztin die Mitteilung erhalten, dass er selbst schwer erkrankt ist. Beide sind fürchterlich aufgebracht über den Unfall und fühlen sich als Leidtragende widriger Umstände. Beide sehen sich im Recht, werben um Anerkennung der besonderen persönlichen Erschwernisse. Nun wäre eine Klärung der Schuldfrage unter Verweis auf die widrigen Umstände in der Realität kaum möglich. Stattdessen muss hier die Strassenverkehrsordnung als eine allgemein weitgehend konsensfähige Äquivalenzordnung herangezogen werden. Diese Äquivalenzordnung erfüllt den Grundsatz der Legitimität: Eine Kritik oder eine Rechtfertigung kann in einer konkreten Situation als legitim gelten, wenn ein(e) Akteur:in an ihr festhalten kann, ganz gleich, welche sozialen Merkmale oder Argumente ein(e) andere(r) Akteur:in einbringt. Die Legitimierung von Kritik ist somit das Resultat eines Verallgemeinerungsprozesses (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 51 ff.). Im alltäglichen und gemeinsamen Handeln sind Äquivalenzregimes jedoch häufig nicht in gesetzlich verankerten Rechtsordnungen verfasst. Auch sind diese zumeist kein Gegenstand bewusster Reflexion. Sie halten vielmehr als implizite, konventionsbezogene Stützen Handlungen in Gang, ohne dass diese auf den Prüfstand gestellt werden. Erst wenn durch eine radikale Kritik die konventionenbezogenen Prinzipien einer der Konfliktparteien infragestellt werden, kommt es zu einer Auseinandersetzung. Die beteiligten Akteur:innen müssen dabei über die Kompetenz verfügen, unter gleichen Bedingungen von einer Form der Rechtfertigung auf eine andere zu wechseln. Eine Kompromisslösung liegt darin, dass ein neues Äquivalenzprinzip unter Rückgriff auf vorhandene Wertmassstäbe gefunden wird. Aus einer Situation «alter Ordnung» können so Situationen «neuer Ordnung» entstehen, die eine Re-Kategorisierung und Relevanzbehauptung von Objekten und Personen zulassen. Es kommt zu einer neuen und verallgemeinerungsfähigen Lösung. Die Abb. 4.1 veranschaulicht die Zusammenhänge auf der Basis des Modells von Diaz-Bone (2018c: 74) und unter Bezugnahme auf die Hochschulweiterbildung.

Abb. 4.1
figure 1

Core concept of economics of convention in higher continuing education (vgl. Diaz-Bone 2018c: 74); im Kontext der Hochschulweiterbildung modifizierte und erweiterte Darstellung

Wie zuvor angesprochen, sind in der Konventionenökonomie zulässige Kritiken, die durch die Akteur:innen vorgebracht werden, ebenso wie die als legitim bewerteten Lösungsfindungen an sogenannte Welten rückgebunden. Diese bilden, im Sinne von Wertordnungen, eine gedankliche Blaupause für verallgemeinerungsfähige Lösungen (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 51 ff.; Graß und Alke, 2019: 224). Insgesamt werden sechs solcher Ordnungen oder auch Welten unterschieden, die sich jeweils auf ein zentrales Prinzip beziehen lassen.

Tab. 4.1 Sechs Welten der Rechtfertigung nach Boltanski und Thévenot (2018: 222 ff.); in Anlehnung an Graß und Alke (2019: 224)

Für die konventionenökonomische Betrachtung des Handelns von Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Hochschulen stellen sich nun zwei Fragen, die nachfolgend beantwortet werden:

  1. 1.

    Welche «weltlichen» Repräsentationen sind in der Hochschulweiterbildung für die Zuschreibung von Qualität relevant?

  2. 2.

    Welcher theoretische Zusammenhang kann zwischen Markt- und Qualitätskonventionen in der Hochschulweiterbildung hergestellt werden?

Zu 1.) Welche «weltlichen» Repräsentationen sind in der Hochschulweiterbildung für die Zuschreibung von Qualität relevant?

Betrachtet man die Beziehung zwischen Hochschulweiterbildung und Markt, so ist aus der konventionenökonomischen Perspektive eine der relevanten Welten bereits angesprochen, nämlich die des Marktes. In der Welt des Marktes sind die wichtigen Akteur:innen Käufer:innen und Verkäufer:innen. Beziehungen untereinander unterhalten diese Akteur:innen durch den Wettbewerb. Opportunistisches Verhalten dient dazu, die Möglichkeiten des Marktes im Sinne der eigenen Optimierung zu nutzen. Dabei ist die Welt des Marktes in der Konventionenökonomie nicht allein mit ökonomischen Beziehungen gleichzusetzen (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 61 f.). Der Fokus liegt vielmehr auf der soziologischen Perspektive von Handlungen und Koordination in dem Sinne, «[…] dass wirtschaftliches Handeln auf mindestens zwei Grundformen der Koordination beruht, nämlich der des Marktes und der einer industriellen Ordnung, und dass jede von Ihnen eine eigene Prüfung vorsieht» (Boltanski und Thévenot, 2018: 264). Zentral ist dabei der Grundgedanke, dass eine isolierte Betrachtung von Handlungen, die nur die Koordination von Marktgütern in den Blick nimmt, relevante Beurteilungsmassstäbe aus anderen Welten vernachlässigt. Es geht um den Status, den Objekte in anderen Lebensbereichen einnehmen, die wiederum nach bestimmten Welten kategorisiert werden. Boltanski und Thévenot (2018: 271) stellen kritisch, dass «die Ökonomie unter den Sozialwissenschaften diejenige Wissenschaft ist, die den Objekten den breitesten Raum zumisst, ohne dass sie freilich den Status dieser Objekte in der Theorie jemals geklärt hätte». Was bedeutet dies wiederum für die Planung und Ausgestaltung von Angeboten der Hochschulweiterbildung, die sich in Konkurrenz mit anderen am Weiterbildungsmarkt behaupten sollen? In der marktlichen Welt ist das Handeln von Individuen vor allem durch Bedürfnisse motiviert. Rivalität und Konkurrenz regeln Uneinigkeiten durch die Zuschreibung eines Marktwertes, primär also den Preis (vgl. Boltanski und Thévenot: 268). Die eigentliche Zuschreibung von Wert zu einem Produkt bezieht aber die Wertordnungen anderer Sphären mit ein. Wie lassen sich nun Wertordnungen, die der Welt der Wissenschaft zuzuschreiben sind, aus konventionenökonomischer Perspektive theoretisch einordnen? In den weltlichen Repräsentationen von Qualitätskonventionen nach Boltanski und Thévenot (2018) (vgl. Tab. 4.1) findet sich augenscheinlich keine unmittelbare Passung für Studienangebote der Hochschulweiterbildung, die als intellektuelle Produkte gegen einen angemessenen Preis (reguliert durch Angebot und Nachfrage) und zu einer angemessenen Qualität vertrieben werden. Allenfalls in der industriellen Welt, also der Welt der technischen und wissenschaftlichen Objekte, wäre eine gewisse Analogie denkbar. Jedoch führen die Grundgedanken zur industriellen Welt gemäß Boltanski und Thévenot (2018: 276 f.) in eine andere Richtung. In der industriellen Welt finden Beurteilungen der Qualität industrieller Objekte (u. a.) anhand ihrer wissenschaftlichen Belege statt. Oder die Beurteilungen von Qualität stützen sich auf das Renommée oder das Markenansehen der Produktanbieter:innen. An dieser Stelle hilft in Ergänzung ein weiterer theoretischer Ansatz, und zwar der Ansatz der «four possible worlds of production» nach Storper und Salais (1997). Für konventionenökonomische Betrachtungen im Feld der Hochschulweiterbildung ist der Ansatz nach Storper und Salais (1997) deutlich naheliegender, da hier eine direkte Bezugnahme auf eine Welt der intellektuellen Ressourcen möglich ist (vgl. Storper und Salais, 1997: 36).

Mit ihrer Monografie Worlds of Production stellen Storper und Salais (1997) ein weiteres Grundlagenwerk der Konventionenökonomie. Storper und Salais unterscheiden vier verschiedene Produktionswelten mit den dazugehörenden Koordinationslogiken, die man als weitreichende Kategorien von Konventionen auffassen kann (vgl. Diaz-Bone, 2021: 349; Diaz-Bone und de Larquier, 2022: 15 ff.). Diese Produktionswelten werden danach unterschieden, ob ihre Produkte bestimmten Abnehmer:innen gewidmet sind, oder ob für eine Allgemeinheit produziert wird. Zudem findet eine Unterscheidung nach spezialisierten und standardisierten Produkten statt (vgl. Storper und Salais, 1997: 33). Es werden vier Produktionswelten abgeleitet: 1. Die Marktwelt, 2. die interpersonelle Welt, 3. die Welt der intellektuellen Ressourcen und 4. die industrielle Welt. Das Modell der Produktionswelten lässt sich gedanklich auf die bereits dargelegten Dilemmata der Hochschulweiterbildung an der Schnittstelle von Praxis-, Wissenschafts- und auch Marktorientierung übertragen. Der Kernbereich Lehre an Hochschulen «produziert», hier bereits als gedankliche Übertragung auf das Modell der Produktionswelten nach Storper und Salais (1997), generische Produkte für eine Allgemeinheit. Dies entspricht der Produktionswelt der intellektuellen Ressourcen (vgl. Abb. 4.2). Durch die Nachfrageorientierung der Hochschulweiterbildung (vgl. Seitter, 2017, 2014; Wolter, 2017) sind deren Produkte an bestimmte Abnehmer:innen gerichtet. Die Marktwelt liefert Standards aus Sicht der Nachfrager:innen in Form von Qualitätserwartungen (vgl. Storper und Salais, 1997: 33). Je stärker sich die Produktentwicklung von Studiengängen zudem an den Bedürfnissen einzelner Nachfrager:innen ausrichtet, ist neben der Marktwelt auch noch die interpersonelle Welt angesprochen. Die Art und Weise, in welcher ein Produkt designed ist, generiert zugleich einen spezifischen Mix an Qualität (vgl. Storper und Salais, 1997: 10). Die Produktionswelten nach Storper und Salais (1997: 32–37) unterscheiden sich durch die Grundlage, auf welcher sich Wettbewerb entfaltet und den dahinterliegenden Evaluationskriterien für Qualität. So sind in der Marktwelt Standards, welche die Nachfrager:innen erwarten, Basis für die Evaluation von Qualität. Aus der interpersonellen Welt kommt der Preis als mögliches Evaluationskriterium hinzu. In der Welt der intellektuellen Ressourcen dienen wissenschaftliche Methoden als Basis für die Beurteilung von Qualität. Die Unterscheidung zwischen generischen und spezifischen Produkten adressiert, überträgt man dieses Modell auf die Hochschulweiterbildung, ein mögliches weiteres Spannungsfeld. Hochschulen dienen einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag und mobilisieren durch das, was sie lehren, gegebenenfalls soziale und gesellschaftliche Veränderungen (vgl. Schofer et al., 2021: 3). Je spezifischer Weiterbildungsprodukte auf bestimmte Abnehmer:innen ausgerichtet werden, desto mehr verlieren diese möglicherweise an Bildungsnutzen für die Allgemeinheit, indem nur noch Themen aufgegriffen werden, die aus Sicht der Abnehmer:innen einer unmittelbaren berufspraktischen Verwertungslogik folgen.

Das Dilemma der Hochschulweiterbildung aufgrund unterschiedlicher Systembindungen, wie es die Weiterbildungsforschung kennt (vgl. Kap. 3), lässt sich auf der Grundlage der «Produktionswelten» von Storper und Salais (1997) nun auch konventionenökonomisch einordnen. Mit steigender Nachfrageorientierung werden Weiterbildungsangebote spezifischer auf die Bedürfnisse bestimmter Abnehmer:innen ausgerichtet (vgl. Seitter, 2014: 146). Konventionen, die ihre Argumente aus einer der drei Produktionswelten nach Storper und Salais (1997) beziehen, befinden sich zwischen den beiden Polen generischer und spezifischer Weiterbildungsprodukte. Abb. 4.2 veranschaulicht den Zusammenhang grafisch.

Abb. 4.2
figure 2

«Produktionswelten» der Hochschulweiterbildung in Anlehnung an Storper und Salais 1997; eigene Darstellung

Zu 2.) Welcher theoretische Zusammenhang kann zwischen Markt- und Qualitätskonventionen in der Hochschulweiterbildung hergestellt werden?

Für die Hochschulweiterbildung wird die zunehmende Orientierung an Marktkonventionen als eine Situation gewertet, die mögliche Kategorisierungen und Relevanzzuschreibungen der Hochschule als Wissenschaftsinstitution auf den Prüfstand stellt. Eine Weiterbildungsplanung und -entwicklung, welche in erster Linie den Konventionen marktlicher Koordination folgt, dürfte den Fokus vorzugsweise auf die Erfüllung folgender Kriterien setzen: Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit von Studienangeboten, Erfüllung von Kundenbedürfnissen, Sicherung oder Ausbau von Marktanteilen respektive Wettbewerbsvorteilen usw.. In diesem Sinne würden die für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung verantwortlichen Akteur:innen wohlmöglich rein nachfrageorientiert agieren (vgl. Dick, 2010: 16). Beachtet man die unterstellte Pluralität von Bewertungsmassstäben, die aus der Sphäre der wissenschaftsbezogenen Handlungslogiken gegebenenfalls davon abweichende, qualitätsbezogene Konventionen bereithält, resultieren Legitimierungszwänge für die handelnden Akteur:innen. Der mögliche Charakter der Hochschulweiterbildung als wissenschaftlicher Weiterbildung kann wiederum zu einer Forderung nach einer stärkeren Wissenschafts- und Forschungsorientierung führen, die es in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung zu berücksichtigen gilt. Dies geschieht im Rückgriff auf qualitätsbezogene Konventionen, die der Hochschulweiterbildung Qualität durch eine ausgewiesene Wissenschaftlichkeit ihrer Angebote zuschreiben. Die Weiterbildungsplanung und -entwicklung würde dann möglicherweise stärker angebotsorientiert agieren, indem sie ausgehend von den Forschungsfeldern und wissenschaftlichen Schwerpunkten der Hochschule Angebote entwickelt (vgl. Tremp, 2020: 133; Reich-Claassen, 2020: 286, 2017; Dick, 2010: 16).

Die Qualitätswahrnehmung als bedeutsame Voraussetzung für ökonomische Koordination ist jedoch aufgrund ihrer mangelnden Objektivierbarkeit nicht unproblematisch. Güter und Produkte erhalten erst in einer  konventionenbasierten Betrachtung eine kollektiv wahrgenommene Qualität, die Koordinationswirkung für eine Gruppe von Akteur:innen entfalten kann (vgl. Diaz-Bone, 2018a: 181 f., 2010). In der Hochschulweiterbildung treten Studienangebote an die Stelle von Produkten und Dienstleistungen, die in einer marktförmigen Tauschbeziehung von Angebot und Nachfrage vertrieben werden. Zuschreibungen von Qualität können dabei an den unterschiedlichsten Punkten erfolgen. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich Qualitätswahrnehmung und Qualitätszuschreibung aus der Perspektive der Teilnehmenden an hochschulischen Weiterbildungen lediglich auf das das Studienangebots und dessen Inhalte beziehen. Oder, ob im erweiterten Sinne andere Kontextfaktoren einer erfolgreich gestalteten Kundenbeziehung die Qualitätswahrnehmung und -beurteilung ergänzend beeinflussen. Hierzu können beispielsweise Aspekte von Flexibilität in der Ausgestaltung des Studiums sowie innovative Weiterbildungsformate zählen, die Trends und Themen spezifischer Zielgruppen aus der Berufswelt aufgreifen (vgl. Cendon et al., 2020b). Aus Sicht der verantwortlichen Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung stellt sich  somit die Herausforderung, einerseits hochschulische Lernangebote bereitzustellen, die sich am wissenschaftlichen Diskurs orientieren. Andererseits kann Qualitätsorientierung aber auch bedeuten, sich entlang möglicher Bedarfe der Teilnehmenden stärker beruflich-handlungsorientiert in der Angebotsgestaltung auszurichten (vgl. Dörner, 2020: 27; Klages et al., 2020; Cendon et al., 2020b; Heufers und El-Mafaalani, 2011). Weitere Bedarfe zahlender Teilnehmer:innen hochschulischer Weiterbildungen, die eher Serviceleistungen entsprechen, sind dabei als Einflussgröße für die Formulierung von Qualitätskonventionen noch nicht berücksichtigt. Ebenso unberücksichtigt bleiben weitere Anspruchsgruppen des Weiterbildungsmarktes wie Konkurrenzanbieter:innen oder Kooperationsunternehmen. Eine zunehmende Markt- respektive Nachfrage- und Serviceorientierung würde jedoch die Frage nach einem Qualitätsverständnis nahelegen, welches die institutionellen Reichweiten des Systems Hochschule für den Teilbereich der Hochschulweiterbildung um den Weiterbildungsmarkt gedanklich erweitert. Eine fortschreitende Ökonomisierung von Hochschulweiterbildung führt möglicherweise zu Qualitätskonventionen, die zu einem nicht unerheblichen Anteil auf ökonomische respektive weiterbildungsmarktbezogene Kontexte zurückzuführen sind. Für die Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung ergibt sich nun die Notwendigkeit, Handlungslogiken aus den beiden Referenzsystemen Wissenschaft und Weiterbildungsmarkt aneinander anzugleichen. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Ergebnis solcher Angleichungsbemühungen im Verständnis der Konventionenökonomie um eine Äquivalenzordnung.

Eine Äquivalenzordnung, welche den Akteur:innen den Umgang mit Kritik erleichtert und zudem eine Kompromissfindung zwischen möglichen Konventionen des Weiterbildungsmarktes und der Hochschule als Wissenschaftsinstitution ermöglicht, wird sich nach konventionenökonomischem Verständnis im Handeln der Akteur:innen widerspiegeln. Sowohl Konventionen des Weiterbildungsmarktes als auch Konventionen der Wissenschaftsinstitution adressieren, aus der Perspektive der Hochschulweiterbildung, letztlich die Nachfrager:innen nach hochschulischen Weiterbildungsangeboten, auch wenn sie ihre Argumente aus unterschiedlichen «Produktionswelten» im Sinne des vorgestellten Modells in Anlehnung an Storper und Salais (vgl. Abb. 4.2) beziehen. Wie bereits mehrfach dargelegt wurde, befinden sich Akteur:innen der Hochschulweiterbildung in einem Dilemma der angebots- versus nachfrageorientierten Positionierung hochschulischer Weiterbildungen an der Schnittstelle von Wissenschafts- und Berufs-/Praxisbezogenheit auf (vgl. Dörner, 2021: 27; Cendon et al., 2020c; Klages et al., 2020; Wolter, 2011; Heufer und El-Mafaalani, 2011; Dick, 2010; Wilkesmann, 2007). Dabei wird der Annahme gefolgt, dass die Berufs- und Praxisbezogenheit hochschulischer Lernangebote einem Kundenbedürfnis entspricht, welches Planungsverantwortliche in der Hochschulweiterbildung im Rückgriff auf Marktkonventionen antizipieren. Die dahinterliegenden Rechtfertigungsordnungen folgen entweder mehr solchen Konventionen, die dem Anspruch hochschulischer Weiterbildungen an deren Wissenschaftlichkeit entlehnt sind, oder eben weiterbildungsmarktbezogenen Konventionen. Qualitätsansprüche können auf den gegensätzlichen Polen eines Verständnisses von Hochschulweiterbildung als primär wissenschaftliche Weiterbildung («academic») oder als primär berufs- und praxisbezogene Weiterbildung («practitioner») formuliert werden, wobei die strikte berufspraktische Orientierung sich stärker an den potenziellen Bedarfen ihrer Nachfrager:innen orientiert (vgl. Seitter, 2017, 2014; Wolter, 2017). Eine dritte Variante könnte in der Kombination der beiden Perspektiven als Kompromissfindung, vergleichbar einem Äquivalenzregime im Sinne der Konventionenökonomie, liegen. Eine solche Kompromissfindung wäre ein Verständnis von Hochschulweiterbildung als wissenschaftlich reflektierte, berufsbezogene Weiterbildung («reflective-practitioner»). Es stehen somit drei mögliche Kategorien für eine allgemeine Qualitätszuschreibung in der Hochschulweiterbildung zur Verfügung, die im Rückgriff auf Konventionen der Hochschule als Wissenschaftsinstitution und des Weiterbildungsmarktes formuliert werden können. Abb. 4.3 fasst diese Überlegungen grafisch zusammen.

Abb. 4.3
figure 3

Kategorisierung allgemeiner Qualitätskonventionen in der Hochschulweiterbildung; eigene Darstellung

Die Zuordnungen «academic» versus «practitioner» beziehen sich vornehmlich auf die Adressat:innen der Hochschulweiterbildung und entsprechen jeweils konventionsbezogenen Zuordnungen. Folgen Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung überwiegend dem Ansatz des «academic» als Adressat:in für hochschulische Weiterbildungsangebote, so sind mehrheitlich wissenschaftsbezogene Konventionen für die Zuschreibung von Qualität zu diesen Angeboten relevant und beeinflussen demzufolge auch das Planungshandeln in Richtung «Wissenschaftlichkeit». Die Marktkonvention spielt ebenfalls eine Rolle, jedoch deutlich weniger ausgeprägt. Folgen Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung überwiegend dem Ansatz des «practitioner» als Adressat:in für hochschulische Weiterbildungsangebote, so sind mehrheitlich marktbezogene Konventionen für die Zuschreibung von Qualität zu diesen Angeboten relevant und beeinflussen demzufolge auch das Planungshandeln in Richtung «Berufs- und Praxisbezogenheit». Die Wissenschaftskonvention ist relevant, jedoch deutlich weniger ausgeprägt. Der «academic practitioner» bildet in dieser Annahme eine konventionenökonomische Äquivalenzordnung, welche sich sowohl auf Konventionen des Wissenschaftssystems als auch der Hochschule als Wissenschaftsinstitution stützt. Es wird dabei dem Grundgedanken einer interaktiven Professionalisierung (vgl. Walber und Jütte, 2015) gefolgt, welche sich als ein reflexiver Austausch zwischen praktischer Profession und Wissenschaftsdisziplin versteht. Wissenschaft stellt dabei die spezifischen Inhalte zur Verfügung, die im Interaktionsraum der Weiterbildung die Bearbeitung von realen, praktischen Handlungsanforderungen ermöglichen (vgl. Tremp, 2020: 133). Als gültiger Kompromiss für Handlungen und Handlungskoordination in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung kann sich diese Äquivalenzordnung jedoch nur dann etablieren, wenn sie der Kritik aus beiden Welten standhält und einen Verallgemeinerungsprozess in Gang setzt (vgl. Boltanski und Thévenot, 2011: 51 ff.). Inwieweit das Akteurshandeln in der Hochschulweiterbildung bereits mehrheitlich einer solchen Äquivalenzordnung folgt, oder ob sich dieses in einem fortlaufenden, kritischen Angleichungsprozess zwischen Wissenschafts- und Marktkonvention bewegt, bedarf im Weiteren der empirischen Analyse.