1.1 Kontext der Schweizer Hochschulweiterbildung

Weiterbildungen an Schweizer Hochschulen unterliegen seit 2017 dem Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG), das Weiterbildung als «strukturierte Bildung außerhalb der formalen Bildung» definiert (WeBiG, Artikel 3). Zwar bleibt den Hochschulen eine gewisse Sonderrolle als Anbieter von Weiterbildungen erhalten, indem gemäß Artikel 2, Absatz 2 WeBiG für die Hochschulweiterbildung die Umsetzung der Grundsätze dieses Gesetzes in der Zuständigkeit der gemeinsamen hochschulpolitischen Organe nach dem Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) liegt. Jedoch ist mit der Inkraftsetzung des Weiterbildungsgesetzes eine Wettbewerbsorientierung zwischen Weiterbildungsanbietern bekräftigt worden, die eine Verbesserung bedarfsgerechter, qualitativer und zugleich wirtschaftlicher Weiterbildungen zum Ziel haben soll (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Weiterbildung, 2013: 3757). Die Schweizer Hochschulweiterbildung ist in einen ausgeprägten Weiterbildungsmarkt eingebettet, in welchem öffentliche und private Anbieter miteinander konkurrieren (vgl. Gonon, 2019: 372). Zu einer Verstärkung des Wettbewerbs hat zudem die Gründung der Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen Mitte der 1990er respektive Anfang der 2000er Jahre beigetragen. Die Anzahl von Hochschulen, zu deren Leistungsauftrag die Weiterbildung gehört, hat sich damit entsprechend vergrössert. Mit der Fachhochschulreform wurde das Ziel verfolgt, die Wirtschaft zu stärken und das Schweizer Berufsbildungssystem durch Anschluss an den tertiären Hochschulbereich aufzuwerten (SBFI, 2020). Gleichzeitig stieg im Zeitverlauf die Durchlässigkeit des Bildungssystems, um Studieninteressierten ohne vorgängigen akademischen Abschluss den Übertritt in die Hochschulweiterbildung zu ermöglichen (vgl. Gonon, 2019: 384). Hierdurch wurde der Kreis der Adressat:innen wissenschaftlicher Weiterbildung erweitert und zugleich der Anspruch an die berufsbezogene Verwertbarkeit von Abschlüssen der Hochschulweiterbildung verstärkt. So deuten im Zeitverlauf Programmierung und Valorisierung der Hochschulweiterbildung auf eine stärkere Ausrichtung auf Beruf und Profession hin (vgl. Gonon, 2019: 395). Aus Sicht der Nachfrager:innen stellt sich dabei vor allem die Frage, ob und in welcher Form sich Abschlüsse der Hochschulweiterbildung für die professionelle Biografie tatsächlich rentieren (vgl. Baumann und Keimer, 2018; Schöni, 2017; Fischer und Zimmermann, 2011). Eine Refinanzierung der Hochschulweiterbildung wurde eindeutig im Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG) geregelt. Nach Artikel 9 WeBiG darf die staatliche Durchführung, Förderung oder Unterstützung von Weiterbildung den Wettbewerb gegenüber nicht-staatlichen Anbietern nicht beeinträchtigen. Dies gilt als sichergestellt, wenn die Weiterbildung zu mindestens kostendeckenden Preisen angeboten wird. Die Teilnehmer:innen von Hochschulweiterbildungen sind demnach angemessen an den entstehenden Kosten zu beteiligen. So liegen die Studiengebühren für einen weiterbildungsspezifischen Zertifikatslehrgang (CAS; Certificate of Advanced Studies) mit ECTS Credit-Erwerb je Teilnehmer:in zwischen 5–10 Tsd. Euro, ein Weiterbildungsmaster (MAS; Master of Advanced Studies) oder EMBA (Executive Master of Business Administration) generiert am Weiterbildungsmarkt Studienerlöse zwischen 10–57 Tsd. Euro je Teilnehmer:in (vgl. Fischer, 2014: 28).  Studiengebühren für die Hochschulweiterbildung an international renommierten Universitäten liegen zum Teil auch deutlich darüber, wie aktuelle Webabfragen zeigen.Footnote 1 Für eine genaue Bezifferung des Marktvolumens der Schweizer Hochschulweiterbildung fehlen bis dato aktuelle Daten. So werden durch das Schweizer Bundesamt für Statistik (BfS) lediglich Abschlüsse des Master of Advanced Studies (MAS) ausgewiesen. Andere Weiterbildungsabschlüsse werden nicht in der nationalen Bildungsstatistik erfasst (vgl. Bundesamt für Statistik (BfS), 2022; Zimmermann, 2019b: 7). Es ergibt sich daher eine gewisse Ungenauigkeit in der Betrachtung. Jedoch ist, bezieht man zumindest die verfügbaren Daten zu den MAS Abschlüssen im Zeitverlauf ein, Weiterbildungsexpansion nachvollziehbar und kann zumindest als Trendgrösse herangezogen werden. Bei Zimmermann (2019a: 17) werden für die Jahre 2005–2017 insgesamt 52’549 MAS-Abschlüsse angegeben, wobei der Anteil der an Fachhochschulen erworbenen Abschlüsse mit ca. zwei Dritteln und der an Universitäten mit ca. einem Drittel angegeben wird. Für den Betrachtungszeitraum ist eine stetige Zunahme der Abschlüsse, insbesondere bei den Universitäten zu verzeichnen (Zimmermann, 2019b: 8). Der Leistungsbereich Weiterbildung an Hochschulen erscheint, legt man diese Wachstumstendenz zugrunde, lukrativ und somit lohnend für strukturelle Investitionen seitens der Hochschulen. Bei Zimmermann (2019b: 13) wird für den Betrachtungszeitraum 2005–2016 als Näherungswert das Finanzvolumen der MAS-Abschlüsse in der Schweizer Hochschulweiterbildung mit ca. 101 Mio. Schweizer Franken jährlich beziffert.

Mit zunehmender Investition der Hochschulen in die Weiterbildung ergeben sich wiederum selbstverstärkende Effekte. Es ist zumindest davon auszugehen, dass Akteur:innen in der Hochschulweiterbildung die erfolgreiche Positionierung ihrer Angebote auch vorantreiben und sich somit einem zunehmenden Wettbewerb stellen werden. Folgt man Gonon (2019: 385), so hält durch eine stärkere Ausrichtung auf Nachfrage und berufliche Bedürfnisse eine neue, marktbezogene Wertigkeit Einzug in die Hochschulweiterbildung. Die Weiterbildungsverantwortlichen üben dabei eine aktive und gestaltende Rolle aus, indem sie Angebote entwickeln und marktbezogen vertreiben (vgl. Dollhausen, 2016: 247). Neben der Logik des Wissenschaftssystems, werden Entscheide in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung verstärkt auch durch Logiken des Weiterbildungsmarktes sowie der berufspraktischen Verwertbarkeit von Weiterbildungsabschlüssen beeinflusst (vgl. Tettenborn und Tremp, 2020; Tremp, 2020).

Die Weiterbildungsangebote der Schweizer Hochschulweiterbildung folgen einer vereinheitlichen Strukturierung von Weiterbildungsabschlüssen (vgl. Reum, 2020: 97; Gonon, 2019: 377; Zimmermann, 2019b; Fischer, 2014: 25), wodurch eine nach aussen hin sichtbare Unterscheidung hochschulischer Erstausbildungen (Bachelor) und konsekutiver Masterabschlüsse (bspw. Master of Science, Master of Arts) von hochschulischen Weiterbildungsstudiengängen ermöglicht wird. Dadurch wird Nachfrager:innen nach hochschulischen Weiterbildungen die Übersicht über die vielzähligen Angebote erleichtert. So wurden durch die Schweizer Rektorenkonferenz der Hochschulen (swissuniversities) als Dachorganisation des Schweizer Hochschulsystems Abschlussformate definiert, die eindeutig der Hochschulweiterbildung zugeordnet werden können und hinsichtlich Titelvergabe und Erwerb von ECTS-Credits weitgehend standardisiert sind.1 FFootnote 2 Für die Zulassung zu einem Weiterbildungsstudium ist in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium einer Universität, Fachhochschule oder Pädagogischen Hochschule sowie Praxiserfahrung erforderlich. Die Hochschulen sind jedoch frei, für einzelne Weiterbildungsprogramme restriktivere Zulassungsbedingungen zu definieren oder die Weiterbildungsprogramme für weitere geeignete Bewerber:innen «sur dossier», also ohne tertiären Erstabschluss, zu öffnen (swissuniversities, 2020; Zimmermann, 2012). Trotz nationaler Steuerung durch die Rektorenkonferenz auf Basis der aktuellen Rechtgrundlagen, sind die Hochschulen in der Ausgestaltung ihrer Weiterbildungsangebote autonom. Die thematische Ausrichtung des Angebotsportfolios in der Weiterbildung liegt bei den einzelnen Hochschulen, beeinflusst durch Nachfrage und Konkurrenzsituation (vgl. Fischer, 2014: 38). Finanzieller Erfolgsdruck und Nachfrageorientierung bringen jedoch auch mögliche Qualitätsrisiken mit sich, wie beispielsweise eine Aufweichung von Zulassungsvoraussetzungen oder die Vermeidung von hohen Durchfallquoten und werfen Fragen nach der Governance von Hochschulweiterbildung auf (Fischer, 2014; Weber und Künzli, 2016).

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Angebotsstrukturen der Hochschulweiterbildung sind Kooperationen zwischen Hochschulen und außerhochschulischen Institutionen (vgl. Gonon, 2019: 383; Fischer, 2014: 38). Organisatorisch eingebettet sind solche Kooperationsangebote in die Infrastrukturen der Hochschulweiterbildungen, dabei jedoch nur für einen definierten Kreis von Teilnehmer:innen des (außerhochschulischen) Kooperationsunternehmens zugänglich. Für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung ergibt sich bei derartigen Kooperationsangeboten eine besondere Situation, da sich diese Angebote als Weiterbildungsdienstleitungen an einen sehr viel engeren Kreis von Adressat:innen richten. Zudem sind neben den Bedürfnissen der Weiterbildungsteilnehmenden auch die des Kooperationsunternehmens als Auftraggeber zu berücksichtigen. Im Umfeld dieser Kooperationsaktivitäten erfahren ökonomische Handlungslogiken potenziell eine zusätzliche Verstärkung. Kooperationen vollziehen sich unter Wettbewerbsbedingungen und folgen kompetitiven Handlungslogiken (vgl. Alke, 2022: 257). Des Weiteren sind, neben den individuellen Motiven und Interessen der beteiligten Akteur:innen, auch unterschiedliche organisationale Logiken der Hochschule und des (zumeist privatwirtschaftlichen) Kooperationsunternehmens zu berücksichtigen (vgl. Fuchs, 2016: 29 ff). Unter Wettbewerbsgesichtspunkten bieten Kooperationen den Hochschulen jedoch die Möglichkeit zur Gewinnung neuer Weiterbildungskund:innen, zur Verbreiterung von Marktanteilen und nicht zuletzt, insbesondere bei längerfristigen Kooperationen, unternehmerische Planungssicherheit (vgl. Teusler, 2008: 21f). Zudem tragen Kooperationen mit Unternehmen ausserhalb des Hochschulkontextes möglicherweise zu einer verstärkten Profilbildung der Hochschulen bei, indem die Anwendungsorientierung der Hochschulweiterbildung durch die nach aussen sichtbare Nähe zum Praxis- und Berufsfeld potenziell verstärkt wird (vgl. Frank et al., 2007: 23f). Solch eine Profilbildung bedient zugleich auch auf den Weiterbildungsmarkt bezogene Handlungslogiken, sofern davon ausgegangen werden kann, dass die Hochschulweiterbildung in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung verstärkt die Bedürfnisse ihrer Nachfrager:innen erfüllt, indem sie vermehrt auf die Berufspraxis bezogene Weiterbildungsinhalte und Formate generiert. Die Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen swissuniversities hat den Auftrag und die Rolle der Hochschulweiterbildung an der Schnittstelle von Weiterbildungsmarkt, Berufspraxis und Wissenschaftsinstitution in diesem Sinne in einem Eckwertepapier konkretisiert: «Mit ihren Weiterbildungsangeboten unterstützen die Hochschulen Personen, die bereits in der Berufspraxis stehen, sich laufend weiter zu qualifizieren. Damit bewegen sich die Hochschulen mit ihren Weiterbildungsangeboten nahe an Berufswelt und Gesellschaft. Gegenüber anderen Angeboten im Weiterbildungsmarkt unterscheidet sich die Hochschulweiterbildung durch ihre Nähe zu Studium und Forschung der Hochschulen. Es gehört zu ihrem Selbstverständnis, ein Teil der Hochschulbildung und im Wissenschaftssystem verortet zu sein und sich gleichzeitig am Praxisfeld zu orientieren» (swissuniversities, 2020: 1). Anlass dieser Konkretisierung sind die bereits geschilderten gesetzlichen Veränderungen durch das 2017 in Kraft getretene WeBiG (Weiterbildungsgesetz) sowie Art. 12 Abs. 3 HFKG (Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz).

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre machen den Versuch einer Profilbildung der Weiterbildung an Schweizer Hochschulen deutlich, welche die Handlungslogiken der Hochschule als Wissenschaftsinstitution und des Weiterbildungsmarktes miteinander vereint. Die Marktorientierung vollzieht sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen, indem sowohl Wettbewerbsdynamiken, als auch Berufspraxis und Gesellschaft als prioritäre Themenkontexte der Nachfrager:innen hochschulischer Weiterbildungen zu berücksichtigen sind. Als Teil der Hochschule ist die Weiterbildung im Rahmen der Weiterbildungsplanung und -entwicklung zudem zu einer inhaltlichen Rückbindung an Wissenschaft und Forschung aufgefordert. Trägerin der Weiterbildung ist die Hochschule, wodurch sich nicht nur ein direkter Bezug zu Wissenschaft und Forschung, sondern auch eine entsprechende Vermittlungskultur ergibt (vgl. Fischer, 2014: 26). Nach Weber (2014: 32–35) sind die dargelegten Entwicklungsprozesse Ausdruck einer zunehmenden Verschränkung der Hochschulweiterbildung mit ihrer Umwelt. Für die Universitäten ist diese Umwelt zunächst durch die Akteur:innen der Wissenschaft geprägt, weshalb sich diese im Feld der Weiterbildung stärker an den Anforderungen der Berufswelt orientieren müssen. Bei den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen hingegen sind Verschränkungen mit der Berufswelt vordergründiger (vgl. Weber, 2014; Zimmermann, 2019b; Weber, 2012). Gemäß Zimmermann und Fischer (2016: 14) bewegt sich die Hochschulweiterbildung, unter besonderer Berücksichtigung der Schweizer Rahmenbedingungen, in einer Schnittmenge von vier Kontexten: (1.) Der Hochschule als Trägerin wissenschaftlicher Weiterbildung, (2.) Wissenschaft und Forschung als inhaltlicher Bezugsrahmen, der eng mit der Trägerschaft korrespondiert, (3.) dem Weiterbildungsmarkt und (4.) der Berufspraxis respektive dem Arbeits- und Beschäftigungsumfeld der Zielgruppen von Weiterbildung (vgl. Abb. 1.1).

Abb. 1.1
figure 1

Kontexte der Hochschulweiterbildung (vgl. Zimmermann und Fischer, 2016: 14); modifizierte Darstellung

Für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung der Hochschulweiterbildung ergibt sich zusammenfassend ein Spannungsfeld aus möglichen Ansprüchen und Erwartungen, auf die im Rahmen von Planungsentscheiden und Handlungen in geeigneter Form reagiert wird. Die Akteur:innen der Weiterbildungsplanung und -entwicklung haben dabei bereits eine zunehmende Professionalisierung durchlaufen und sind mit aktuellen Managementherausforderungen für das Feld der Weiterbildung entsprechend vertraut (vgl. Zimmermann, 2019b: 16f). Nach einer Studie von Zimmermann und Fischer (2016: 22) verstehen sich Leitende in der Weiterbildung an Schweizer Hochschulen vor allem als Unternehmer:innen. Weitere Bezeichnungen, die das Selbstverständnis der befragten Leitungspersonen wiedergeben, sind: Manager:in, Integrierer:in, Leader:in, Bildungsexpert:in und Netzwerker:in. Eine Bezugnahme auf Wissenschaft und Forschung, wie sie im Eckwertepapier (swissuniversities, 2020) als Teil der Rolle der Hochschulweiterbildung in der Schnittmenge von Hochschule und Weiterbildungsmarkt formuliert wird, ist hier nicht unmittelbar sichtbar, jedoch nicht ausgeschlossen. Dennoch sind Entwicklungen von zunehmender Autonomie und eigener «Systembildung» angedeutet (vgl. Weber, 2014: 35), die möglicherweise eine Reformulierung von Ansprüchen und Erwartungen sowohl der Hochschule als Wissenschaftsinstitution, als auch des Weiterbildungsmarktes widerspiegeln.

1.2 Zum Argument der Wissenschaftlichkeit in der Schweizer Hochschulweiterbildung

Die Weiterbildung an Hochschulen ist Teil des Wissenschaftssystems und zugleich am Praxisfeld orientiert (vgl. swissuniversities, 2020). So lautet die Einordnung der Schweizer Rektorenkonferenz und Dachorganisation der Schweizer Hochschulen swissuniversities in einem EckwertepapierFootnote 3 aus dem Jahr 2020, welche damit den hybriden Charakter der Weiterbildung an Hochschulen betont. Es wird unterschieden: Zwar bewegen sich die Hochschulen mit ihren Weiterbildungsangeboten an der Schnittstelle zu Berufswelt und Gesellschaft. Gleichzeitig gehöre es aber durch ihre Nähe zu Studium und Forschung zu «ihrem Selbstverständnis, ein Teil der Hochschulbildung und im Wissenschaftssystem verortet zu sein und sich gleichzeitig am Praxisfeld zu orientieren» (swissuniversities, 2020: 1). Durch die Ratifizierung des Schweizer Weiterbildungsgesetzes (WeBiG) im Jahr 2017 wurde die Weiterbildung an Hochschulen als Teil der non-formalen Bildung definiert und hierdurch, zumindest per definitorischer Zuschreibung, auf die gleiche Stufe wie die nicht-hochschulischen Weiterbildungsanbieter gestellt (vgl. Sgier und Schläfli, 2021: 30f). Eine grundsätzliche Klärung zum Argument der Wissenschaftlichkeit als Teil des Selbstverständnisses von Hochschulen, wie im Eckwertepapier von swissuniversities vorgenommen (vgl. swissuniversities, 2020), erscheint in der Folge notwendig.

Rahmenvorgaben, die sich auf die Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Hochschulen erstrecken, sind nur geringfügig vorhanden. So sind die Angebotsstrukturen in Bezug auf Abschlusstitel und ECTS-Crediterwerb von Weiterbildungsstudiengängen festgeschrieben (vgl. swissuniversities, 2020: 1f). Zudem unterliegt die Weiterbildung an Hochschulen dem Primat der Selbstfinanzierung (WeBiG, Art. 9), welches aber eine Gewinnerzielungsabsicht der Hochschulen für die Weiterbildung nicht ausschliesst. Des Weiteren dürfen die Hochschulen aufgrund ihrer öffentlichen Finanzierung andere Weiterbildungsanbieter, und hier vor allem die Einrichtungen der Höheren Berufsbildung, im Wettbewerb nicht benachteiligen (HFKG, Art.3i; in Kombination mit WeBiG, Art. 9). Das Schweizer Bildungssystem verfügt über zwei Tertiärstufen (A und B), die dem Grundsatz nach jeweils für den Zugang zur Hochschulweiterbildung berechtigen. Zur Tertiärstufe A zählen Abschlüsse auf Bachelor- oder Masterstufe an Universitäten, Fachhochschulen oder Pädagogischen Hochschulen. Abschlüsse der Höheren Berufsbildung (Höhere Fachschule, eidgenössischer Fachausweis, eidgenössisches Diplom) zählen zur Tertiärstufe B. Für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Schweizer Hochschulen ergeben sich hiermit zwei Zielgruppen von Teilnehmenden. Zum einen die im akademischen Betrieb der Tertiärstufe A an Universitäten, Fachhochschule und Pädagogischen Hochschulen ausgebildeten Absolvent:innen. Zum anderen die mit primär berufspraktischer Orientierung ausgebildeten Absolvent:innen der Höheren Berufsbildung (Tertiär B). Beide Zielgruppen sind potenzielle Nachfrager:innen respektive Kund:innen der Weiterbildung an Hochschulen. Jedoch sind die Ansprüche und Erwartungen an die Wissenschaftlichkeit von Weiterbildungsstudiengängen dieser beiden Zielgruppen möglicherweise verschieden. Ein potenzielles Spannungsfeld liegt somit nicht nur in der Frage, ob sich die Weiterbildung an Hochschulen bei der Reproduktion von Inhalten mehr der Wissenschaft oder der Berufspraxis verschreibt. Aus einer ökonomischen Perspektive ist zudem ein Spannungsfeld dadurch zu erwarten, dass die Hochschulweiterbildung mit ihren Angeboten zugleich zwei Zielgruppen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in Bezug auf deren wissenschaftliche oder berufspraktisch orientierte Vorbildung adressiert. Das WeBiG ermöglicht den Hochschulen in Verbindung mit dem HFKG (Art. 12 Abs. 3, Lit. a4), für die Weiterbildung einschränkende Zulassungsbedingungen zu definieren. Diese können sich beispielsweise darauf beziehen, dass Absolvent:innen für die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten Vorbereitungskurse als obligatorische Zulassungsvoraussetzung zur Hochschulweiterbildung absolvieren.Footnote 4 Das Schweizerische Bundesamt für Statistik (BfS) liefert derzeit keine Daten, die das Verhältnis von Studierenden der Tertiärstufen A und B in der Hochschulweiterbildung wiedergeben. Noch konnten Studien oder Forschungsbeiträge identifiziert werden, die hierzu aktuelle Daten für die Schweizer Hochschulweiterbildung beitragen. Jedoch bleibt die Annahme bestehen, dass sich der hybride Charakter der Hochschulweiterbildung nicht allein in der Grundsatzfrage widerspiegelt, ob diese mehr das Wissenschaftssystem oder die Berufspraxis reproduziert. Es ist zugleich davon auszugehen, dass sich aufgrund der heterogenen Struktur der Teilnehmenden aus den Tertiärstufen A und B aus ökonomischer Perspektive konkrete praktische Herausforderungen für die Weiterbildungsplanung und -entwicklung ergeben, indem sich das heterogene Zielpublikum möglicherweise in der konkreten Nachfrage nach wissenschaftlich respektive berufs-praktisch ausgestalteten Weiterbildungsprodukten unterscheidet. Der hybride Charakter der Schweizer Hochschulweiterbildung wäre demnach also zugleich ein bildungspolitischer Anspruch im Hinblick auf die Rolle der Weiterbildung an Hochschulen als auch ein Dilemma in Bezug auf die heterogene Struktur ihrer Teilnehmerschaft und deren Bedürfnisse bei der konkreten wissenschaftlich-berufspraktischen Ausgestaltung der Weiterbildungsangebote.

Wie ist nun das Argument der Wissenschaftlichkeit im Kontext der Weiterbildung an Hochschulen zu werten? Das Eckwertepapier der Schweizer Rektorenkonferenz (swissuniversities, 2020) ist an diesem Punkt recht klar, indem festgestellt wird, dass Hochschulen in der Weiterbildung zugleich mehreren Aufträgen gerecht werden sollen: Sie orientieren sich an der Wissenschaft und am Berufsfeld und an der Gesellschaft. Ergänzend zum Angebot von Zertifikats- und Masterstudiengängen in der Weiterbildung (vgl.  Kap. 1.1), erhält die Aussenorientierung in Richtung Gesellschaft und Berufsfeld zudem noch eine Verstärkung: «Zum Weiterbildungsangebot der Hochschulen gehören weiter auch Kurse und Veranstaltungen sowie massgeschneiderte Veranstaltungen für Individuen, Gruppen, Institutionen und Organisationen. Die Hochschulen kommen damit insgesamt ihrem Auftrag nach, ihr Wissen gegenüber einem Fachpublikum und zu gesellschaftlich relevanten Themen auch für allgemein Interessierte öffentlich zur Verfügung zu stellen» (swissuniversities, 2020: 1). Nach Rohs et al. (2019: 4f) lässt sich die wissenschaftliche Weiterbildung anhand der nachfolgenden Merkmale strukturell und in Bezug auf ihren wissenschaftlichen Auftrag einordnen: Der Hochschule als Ort der Weiterbildung, fachliches und didaktische Niveau sowie Zielgruppen und deren Voraussetzungen.

Tab. 1.1 folgt der Einordnung nach Rohs et al. (2019) für den Kontext der wissenschaftlichen Weiterbildung in Deutschland und stellt dieser die strukturanalytischen Merkmale der Schweizer Hochschulweiterbildung gegenüber.

Tab. 1.1 Vergleichende Einordnung der Schweizer Hochschulweiterbildung als wissenschaftliche Weiterbildung nach Rohs et al., 2019

Bezogen auf die Diskussion und Einordnung wissenschaftlicher Weiterbildung in Deutschland stellen Rohs et al. (2019: 7) eine häufig synonyme Verwendung der Begriffe «universitäre» oder «akademische» Weiterbildung ebenso wie «Hochschulweiterbildung» fest. Die Uneinheitlichkeit im Begriffsverständnis macht eine Klärung der Terminologie unterschiedlicher Formen von Weiterbildung an Hochschulen erforderlich. Je nach Erfüllungsgrad der zuvor genannten Kriterien (Ort, Niveau, Zielgruppen und deren Voraussetzungen) werden unter dem Oberbegriff der Hochschulweiterbildung, welcher noch keine Bezüge zum Niveau und zu den Zielgruppen aufweist, weitere Weiterbildungsformen subsummiert: Die universitäre Weiterbildung (Weiterbildung an Universitäten, ohne Bezug zu deren Niveau und Zielgruppen), die akademische Weiterbildung (Weiterbildungen an Universitäten, deren Niveau mindestes über das Niveau 6 des DQR sichergestellt wird) und postgraduale Weiterbildungen (die engere Zielgruppen ohne spezifische Anforderungen an das Niveau adressieren). Demgegenüber folgen Weiterbildungen an Schweizer Hochschulen einer anderen und zudem einheitlich geregelten Strukturierung der zulässigen Abschlüsse von Weiterbildungsstudiengängen (vgl. Reum, 2020: 97) (siehe zudem  Kap. 1.1). Rahmenregulierungen zu Niveau und Zielgruppen erfolgen gesamtheitlich durch die Organe der hochschulischen SelbstverwaltungFootnote 5, auch wenn den Hochschulen in der Ausgestaltung ein gewisser Freiraum zugestanden wird. Mit diesen Rahmenregulierungen (vgl. Tab. 1.1) werden einheitliche Voraussetzungen für alle Hochschultypen (Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen) geschaffen. Eine Differenzierung zwischen universitärer, akademischer und postgradualer Weiterbildung ist für den Kontext der Schweizer Hochschulweiterbildung nur bedingt übertragbar, da es einheitliche Rahmenvorgaben zur akademischen Vorbildung und den Zielgruppen für die Hochschulweiterbildung gibt. Zumindest ist eine solche Binnendifferenzierung in den aktuellen Rahmenvorgaben der hochschulpolitischen Organe nicht sichtbar. Inwieweit sich die angesprochenen Unterscheidungen nach Niveau und Zielgruppen in der Realität gegebenenfalls dennoch wiederfinden, würde eine gesonderte Analyse der Weiterbildungsprogramme an Schweizer Hochschulen erfordern.

Als Oberbegriff für Weiterbildung an Schweizer Hochschulen wird in den Rahmenerlassen der Organe der hochschulischen Selbstverwaltung einheitlich die Terminologie der Hochschulweiterbildung verwendet, welcher auch in der hier vorliegenden Arbeit gefolgt wird.

1.3 Erkenntnisinteresse und analytischer Aufbau

Ziel dieser Forschungsarbeit ist eine akteurszentrierte Analyse der Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Schweizer Hochschulen. Als methodologischer Zugang dient dabei die Konventionenökonomie. Berücksichtigt werden unterschiedliche kontextuelle Rückbindungen der Hochschulweiterbildung (vgl.  Abb. 1.1), welche als Basisannahme ein Spannungsfeld zwischen Handlungslogiken des Weiterbildungsmarktes und der Hochschulen als Wissenschaftsinstitutionen hervorbringen. Für eine Erforschung des Handelns von Akteur:innen in marktlich verwobenen Institutionen stehen verschiedene Zugangswege zur Verfügung. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt zunächst in der theoretischen Diskussion von drei ausgewählten Perspektiven auf das Verhältnis von Hochschulweiterbildung und Weiterbildungsmarkt, welche zu einem unterschiedlichen Verständnis zu Akteur:innen und deren Beziehungen zu den Einflusssphären Weiterbildungsmarkt, Institution und institutionellen Umwelten beitragen: Die Neue Institutionenökonomie mit einer primär rational-ökonomischen Orientierung, der soziologische Neo-Institutionalismus und dessen Orientierung an institutionellen Umwelten sowie die Konventionenökonomie mit ihrer Orientierung an situativer Handlungskoordination. Hiermit wird das Ziel verfolgt, eine theoretische Positionierung zu finden, die aus methodologischer Sicht eine akteurs- und handlungszentrierte Analyse der Weiterbildungsplanung und -entwicklung auf Basis der Konventionenökonomie plausibilisiert. Darauf aufbauend lassen sich konkrete modellhafte Überlegungen zu einer Kategorisierung von Qualitätskonventionen für die Hochschulweiterbildung als Basis für das Handeln in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung formulieren, welche zugleich als Bezugsrahmen für die anschliessende empirische Analyse dienen.

Die Forschungsfragen folgen einer konventionetheoretischen Heuristik und werden im Anschluss an die theoretische Fundierung als dessen Ergebnis konkretisiert (vgl. Kap. 5). Es werden die nachfolgenden Forschungsfragen aufgestellt und anschliessend auf der Grundlage einer explorativ-empirischen Datenanalyse beantwortet:

  1. 1.

    Welchen konventionenbezogenen Zuschreibungen folgen Akteur:innen der Hochschulweiterbildung im Spannungsfeld von Wissenschaftsinstitution und Weiterbildungsmarkt?

  2. 2.

    Korrespondieren diese konventionenbezogenen Zuschreibungen mit den Handlungen der Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung?

  3. 3.

    Welche konventionenbezogenen Typologisierungen von Akteur:innen in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung lassen sich im Spannungsfeld von Wissenschaftsinstitution und Weiterbildungsmarkt vornehmen?

Abb. 1.2 verdeutlicht den analytischen Aufbau dieser Studie in komprimierter Form.

Abb. 1.2
figure 2

Aufbau eines konventionentheoretischen Analyserahmens für das Akteurshandeln in der Weiterbildungsplanung und -entwicklung an Hochschulen, eigene Darstellung