Zusammenfassung
In diesem Abschnitt soll am Beispiel der Digitalstrategien der vier untersuchten Länder aufgezeigt werden, wie der Handlungsspielraum mit Inhalt gefüllt wird. Außerdem wird es möglich, Fragen für die geplante Feldforschung zu identifizieren, nämlich insofern als das Ergebnis Lücken der publikationsbasierten Außenkommunikation aufdeckt und so die „Blackbox Landesregierung“ spezifiziert.
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Notes
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Eine Zufallsauswahl ergibt also keinen Sinn, da die Gefahr, eben keine Auswahl dieser Kontraste zu erhalten, zu groß wäre (vgl. Seawright/Gerring 2008, S. 295).
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Zudem ist dank der explorativen Studie bereits einiges Fallwissen vorhanden, auch wenn sich das Untersuchungsfeld von einem Vergleich von Arbeits- und Wirtschaftspolitik hin zu dem komplexen Handlungsfeld der digitalen Transformation von Arbeit hin gewandelt hat. Innerhalb der methodischen Fachliteratur herrscht Uneinigkeit, welche Art der Fallauswahl für eine Prozessanalyse passender ist. Auf der einen Seite sind diejenigen zu verorten, die nur Fälle integrieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den zu untersuchenden kausalen Mechanismus identifizieren können (vgl. z. B. Kuehn 2018; Blatter et al. 2018). Auf der anderen Seite rangiert jene Literatur, die auf die bessere Generalisierbarkeit von gemischter Fallauswahl hinweist bzw. im Falle eines noch unbekannten Untersuchungsgegenstands eine möglichst breite Fallauswahl vorschlägt (vgl. z. B. Starke 2015). Inwiefern die Erkenntnisse der Prozessanalysen tatsächlich zu generalisieren sind, kann bei Analysen mit wenigen Fällen nur anhand des empirischen Materials argumentiert werden. In der Regel beschränkt sich die Generalisierung aber auf kontextähnliche Fälle (vgl. ebd., S. 475). Im vorliegenden Fall haben wir zwar ein Vorwissen über den Mechanismus im oben untersuchten Trade-off, möchten diesen aber in einem komplexeren und aktuelleren Setting analysieren. Außerdem wird vermutet, dass der kausale Mechanismus des Handlungsspielraums von Landesregierungen sich nicht nur durch von der Digitalisierung induzierte Arrangements beeinflussen lässt. Solche möglichen vielfältigen Spielräume würden zum Beispiel durch eine Orientierung an besonders stark ausgeprägten digitalen Arrangements gar nicht erst erkannt. Dadurch und mit den genannten Kriterien liegt es nahe, die Diverse-Cases-Methode zu nutzen.
- 3.
Bewertet anhand der Position im Finanzausgleich 2018, vgl. Bundesministerium der Finanzen 2019).
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Dieser Vorgang der inhaltlichen Strukturierung wird als Kodiervorgang bezeichnet. Kategorien werden zu Codes und diesen werden Textstellen zugeordnet.
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Bei der Übertragung der drei Elemente des Handlungsspielraums auf ein Ergebnisdokument fällt auf, was schon im Zwischenfazit des Theoriekapitels angesprochen ist: Die Dreiteilung des Handlungsspielraums ist zentral für die konzeptuelle Durchdringung des Begriffs wie auch die idealtypische Füllung zur Kontrastierung mit dem empirisch zu untersuchenden Regierungshandeln. Für die Analyse eines statischen Dokuments ist es nützlicher, den Hilfsindikator der Nutzung des Handlungspotenzials anzuwenden. Gestaltungswille und Handlungspotenzial interagieren zu stark, als dass sie trennscharf analysiert werden könnten. Beispielsweise kann aufgrund von Textpassagen eines Regierungsdokuments nicht geschlossen werden, was dazu geführt hat, dass die Entwicklung einer lebensbegleitenden Berufsberatung der BA in Brandenburg Einzug in das Dokument gefunden hat. Aus diesem Grund reduzieren sich die theoriegeleiteten Kategorien des Handlungsspielraums auf Handlungsbedarfe und Nutzung Potenziale.
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Mit Hilfe von MAXQDA werden in den Dokumenten Textstellen als Sinneinheiten den entsprechenden Codes zugeordnet. Mit der MAXQDA-Funktion des Summary Grid werden diese Stellen paraphrasiert, um Füllwörter gekürzt und so auf ihren Wesenskern zusammengefasst. Am Ende dieses ersten Schritts im Material steht eine Exceltabelle mit einem Sheet pro Strategiedokument, in der die einzelnen reduzierten Sinneinheiten je eine Zelle unterhalb der jeweiligen Codes ausfüllen. Um nun eine Ausdifferenzierung der Kategorien induktiv aus dem Material zu entwickeln, werden zunächst alle den einzelnen Codes zugeordneten Textstellen auf einem Extrasheet je Code abgebildet. Alle redundanten Stellen können dort entfernt und ähnliche Stellen gebündelt werden. Aus dieser Reduktion ergibt sich eine kompakte Übersicht der Themenfelder, die unter den einzelnen Codes subsummiert sind. In weiteren Abstraktionsschritten werden diese miteinander verglichen und in der Folge zu Subkategorien bzw. Themenbündeln verdichtet. Auf diese Weise konnten den Kategorien ‚Wirtschaft‘ und ‚Arbeitswelt‘ je drei, ‚Governance‘ zwei Subkategorien zugeordnet werden (Arbeitswelt: Arbeitsweise, Arbeitsmarkt & Beschäftigungsentwicklung, Bildung & Kompetenzen; Wirtschaft: KMU, Transferstrategie & Innovation, Start-ups & Gründungsdynamik; Governance: Regierungsinterne Governance, Kollaborative Governance). In einem iterativen Prozess haben sich diese Kategorien und Subkategorien im Laufe der Zeit immer wieder entwickelt, wie auch in den begleitenden Publikationen des Autors nachverfolgt werden kann (vgl. Berzel 2020b; Berzel 2020a).
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Das daraus entstehende Summary Grid wird wieder über Reduktions- und Abstraktionsschritte in eine Exceltabelle übertragen. Diese fasst also für jedes der vier Dokumente kompakt zusammen, welche Inhalte sich je Themenbündel finden lassen.
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Die nächsten beiden Unterabschnitte basieren in Teilen auf Versatzstücken aus zwei bereits veröffentlichten Beiträgen (vgl. Berzel 2020a; Berzel 2020b).
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Dieser Gedanke ist auch bei Casado-Asensio und Steurer bereits enthalten, stellt jedoch eine eigene Dimension dar. Mit Blick auf die Digitalstrategien der Länder wird hier aus Gründen der Übersichtlichkeit lediglich eine einzige Dimension genutzt, so wandert die Steuerungsfrage in diese Dimension und bietet eine zusätzliche Merkmalsausprägung.
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Viele Strategien stellen zwar einzelne Überlegungen an, wie man etwa mit externen Akteuren zusammenarbeiten kann oder wie die technologische Komponente innerhalb der Verwaltung gesteuert wird. Dies ist aber nicht ausreichend für eine Zuordnung zum reflexiven Fokus. Notwendig dafür ist eine Auseinandersetzung mit dem regierungsinternen organisatorischen Aufbau im Hinblick auf die politikfeldübergreifende Herausforderung durch die Digitalisierung.
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Diese Verteilung deckt sich auch mit der bereits genannten Analyse über die bis 2020 erschienen Strategiepublikationen der Länder hinweg (vgl. Berzel 2020b).
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Die Investitionen im Fahrzeugbau und in der chemischen Industrie zeigen zudem, dass auch jenseits der kleinteiligen KMU-Landschaft durchaus Anknüpfungspunkte für eine industrielle digitale Dynamik bestehen.
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In anderen Ländern ist zwar von der Beteiligung von Beratungs- bzw. Netzwerkinstitutionen und deren Zulieferung von Ideen für die Strategie die Rede, konkrete eigenständig formulierte Textstellen sind aber nicht ausgewiesen.
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Die Textstelle macht allerdings auch deutlich, was schon durch die inhaltliche Form des Exkurses innerhalb des Kapitels zur Industrie 4.0 auffällt. Die Beschäftigten sind der Wirtschaft untergeordnet, wird der Arbeitnehmer*innenschutz doch als nachrangige Bedingung für die „Digitalisierung der Arbeitswelt (…) [als] Erfolgsprojekt der hessischen Wirtschaft“ (Hessische Landesregierung 2016, S. 59) gerahmt.
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Berzel, A. (2024). Die Digitalstrategien: Annäherung an die Nutzung von Handlungsspielräumen durch die Länder. In: Policy-Dynamiken im Exekutivföderalismus. Interdisziplinäre Organisations- und Verwaltungsforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43699-5_6
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