Zusammenfassung
Die Redeweise, dass Außenpolitik „gemacht“ wird, verweist auf die große Bedeutung bestimmter Akteure, die sie prägen. In diesem Kapitel stehen neben solchen Akteuren vor allem die „internen“ Strukturen im Mittelpunkt, die Außenpolitik prägen. Dazu zählen insbesondere die Normen, Regeln und Praktiken, die die Außenpolitik eines Staates kennzeichnen und die sich häufig von den Normen, Regeln und Praktiken anderer Staaten unterscheiden. Die konkrete Ausprägung dieser innerstaatlichen Rahmenbedingungen deutscher Außenpolitik wird in diesem Kapitel diskutiert. Zunächst wird geklärt, welche Akteure zu unterscheiden sind, wenn danach gefragt wird wer Außenpolitik „macht“. Im Zentrum dieses Kapitels steht sodann die Aufteilung der verfassungsrechtlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern auf der einen sowie auf der Ebene des Bundes auf der anderen Seite. Danach wird anhand einiger Beispiele illustriert und diskutiert, dass und inwiefern sich die Analyse außenpolitischer Entscheidungsstrukturen nicht auf formelle Institutionen beschränken kann. Das Kapitel schließt mit einigen zusammenfassenden Einschätzungen neuerer Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen einer sowohl demokratisch legitimierten als auch effektiven Außenpolitik.
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Notes
- 1.
Die Bestimmungen des Art. 23 GG werden ergänzt durch zweierlei Rechtsakte, in denen weitere Details geregelt sind: das „Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union“ (EUZBLG) vom 12. März 1993, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. September 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3031), https://www.gesetze-im-internet.de/euzblg/BJNR031300993.html (04.05.2022) sowie die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder zur Regelung weiterer Einzelheiten der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union“ (§ 9 Satz 2 EUZBLG), https://www.bundesrat.de/DE/aufgaben/recht/bund-laender-eu/bund-laender-eu-node.html (04.05.2022).
- 2.
- 3.
Paragraph 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg.) präzisiert darüber hinaus, dass der Bundeskanzler „die Richtlinien der inneren und äußeren Politik“ bestimmt; hinzu kommt, dass er nach § 9 GOBReg. „in den Grundzügen“ die Geschäftsbereiche der einzelnen Bundesminister festlegt, er also Kompetenzen verlagern kann (Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. Mai 1951 in der zuletzt am 21. November 2002 geänderten Fassung (GMBl. S. 848) https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/geschaeftsordnung-der-bundesregierung-459846 (04.05.2022)). Dies ist für die Außenpolitik im letzten Jahrzehnt zunehmend von Bedeutung geworden, weil sich Stimmen mehrten, Zuständigkeiten für die Europapolitik auch jenseits der etwa durch den Vertrag von Lissabon erfolgten Änderungen zugunsten des Bundeskanzlers aus dem Außenministerium auszulagern.
- 4.
- 5.
Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD) vom 30. August 1990 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert am 28.06.2021 (BGBl. I S. 2250), http://www.gesetze-im-internet.de/gad/GAD.pdf (04.07.2022).
- 6.
- 7.
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), Stand 22. Januar 2020, https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_21072009_O11313012.htm (04.07.2022).
- 8.
- 9.
Vgl. Krause 1998; Art. 45a Abs. 1 GG sieht vor, dass der Bundestag jeweils einen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuss für Verteidigung einsetzt. Die Tatsache, dass diese (im Unterschied zu allen anderen Ausschüssen) zwingend eingesetzt werden müssen, deutet darauf hin, dass die Verfassungsväter und -mütter auch auf diesem Wege eine Kontrolle durch die Legislative sicherstellen wollte; zur Bedeutung des Auswärtigen Ausschusses vgl. Münzing und Pilz 1998.
- 10.
BVerfGE 1, 372 [381]; vgl. auch BVerfGE 90, 286 [359].
- 11.
So der ehemalige CDU-Abgeordnete Karl Lamers, zit. nach Schuller 2001.
- 12.
„Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland“ vom 18. März 2005, veröffentlicht in: Bundesgesetzblatt Jg. 2005, Teil I, Nr. 17 (23. März 2005), S. 775–776, https://www.gesetze-im-internet.de/parlbg/BJNR077500005.html 0(4.07.2022).
- 13.
- 14.
Vgl. https://www.swp-berlin.org/, https://www.dgap.org sowie https://www.cap-lmu.de/ (07.07.2022); zur Einschätzung der Rolle der Direktoren dieser drei Einrichtungen als außenpolitische Berater der Bundesregierung vgl. die Beiträge von Peter Mueller, Häppchen für die Macht: Christoph Bertram versucht als Berater, die deutsche Außenpolitik wissenschaftlich zu veredeln, in: Die Zeit, Nr. 38 (2002), Jochen Buchsteiner, Außenpolitik (ZEIT-Dossier „Die Berater sind los“), in: Die Zeit, Nr. 42 (8. Oktober 1998), S. 18 sowie Hartmut Kistenfeger, Ideen vom Campus: Deutsche Politologen küren Werner Weidenfeld zum einflussreichsten Politikberater ihrer Zunft, in: Focus, 31. August 1998, auch verfügbar unter https://www.cap-lmu.de/aktuell/medien/1998/1998_08_31.htm (05.02.2003).
- 15.
Vgl. Mantzke 2000 (in diesem Beitrag sind auch Auszüge aus dem Bericht der Kommission sowie einer Pressekonferenz von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping enthalten); eine vollständige Version des Kommissionsberichts ist verfügbar unter http://www.ejuba.de/frieden/Bericht.pdf, http://www.igbi.de/berweizs.exe (05.02.2003).
- 16.
- 17.
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Hellmann, G. (2024). Wer macht deutsche Außenpolitik?. In: Deutsche Außenpolitik. Grundwissen Politik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43679-7_3
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