Das folgende Kapitel fasst die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit mit dem Ziel zusammen, die anfangs genannten Forschungsfragen zu beantworten. Dabei wird auf den bestehenden Forschungskorpus im Themenfeld Bezug genommen, um zu verdeutlichen, wo bereits bestehende empirische Ergebnisse bestätigt werden und wo diese Arbeit darüber hinaus neue Einsichten liefert. Gleichzeitig wird klar benannt, wo sich durch Methoden und Stichproben Grenzen in der Aussagekraft der Ergebnisse auftun. Das Fazit schließt mit Überlegungen zur Weiterentwicklung der verwendeten Methoden und erarbeiteten Hypothesen.

7.1 Zentrale Ergebnisse

Zu Beginn der Arbeit wurde darauf verwiesen, dass der öffentliche Raum nicht für Jugendliche geplant wird (vgl. Kemper und Reutlinger 2015). Öffentliche Räume spielen im Freizeitverhalten von Jugendlichen jedoch eine zentrale Rolle und ermöglichen einen wichtigen Teilprozess der Sozialisation: Durch die Erkundung des Stadtraums und durch die Nutzung verschiedener öffentlicher Orte und Räume ohne Kontrolle durch erwachsene Aufsichtspersonen können Jugendliche sich selbstständig mit der Erwachsenenwelt auseinandersetzen (vgl. Kilb 2012). Neben den öffentlichen Räumen, zu denen hier auch öffentlich zugängliche Räume, wie Einkaufszentren und Bahnhöfe zählen, werden auch nicht-öffentliche Räume für Freizeitaktivitäten genutzt. Dazu gehören die Gelände oder Gebäude von Vereinen, das eigene Zuhause oder jenes der Freund*innen. Die offenen Bereiche von Jugendfreizeiteinrichtungen sind für Jugendliche ebenfalls frei zugänglich, genau wie nicht-öffentliche Räume sind sie jedoch stark durch erwachsene Aufsichtspersonen kontrolliert. Öffentliche und nicht-öffentliche Räume sind eingebettet in den sie umgebenden Sozialraum, der wiederum durch eine bestimmte Bewohner*innen- und Baustruktur gekennzeichnet ist sowie durch ein Image, das manchen städtischen Nachbarschaften anhaftet (vgl. Friedrichs 2013; Häußermann und Kronauer 2009). Diese Merkmale von Sozialräumen sind Teil der Umwelt, mit der sich Jugendliche im Zuge ihrer Sozialisation auseinandersetzen (vgl. Bronfenbrenner 1979; Hurrelmann und Bauer 2015). Um die Sozialisationsrelevanz städtischer Räume zu erforschen, ist es daher notwendig – so die Ausgangsthese dieser Arbeit –, die regelmäßigen Freizeitaktivitäten von Jugendlichen detailliert in ihrer räumlichen Ausprägung nachzuzeichnen. Soziale Ungleichheiten sollen dabei durch die systematische Untersuchung des Einflusses sozialstruktureller Merkmale aufgedeckt werden.

7.1.1 Das Freizeitverhalten Berliner Jugendlicher

Um die räumliche Gestalt jugendlichen Freizeitverhaltens zu untersuchen, war es notwendig zu fragen:

Welchen Aktivitäten gehen Jugendliche in ihrer Freizeit nach und welche Orte in der Stadt nutzen sie dafür? (Forschungsfrage 1)

Der Freizeitstil von Jugendlichen in Deutschland ist bereits gut erforscht (vgl. Grgic und Züchner 2016; Feierabend et al. 2019; Albert et al. 2019). Daher wurde zunächst geprüft, inwiefern diese allgemeinen Erkenntnisse auch auf die Stichprobe Berliner Jugendlicher zutreffen, die für diese Arbeit erhoben wurde. Die Auswertungen zeigen, dass sich die befragten Berliner Jugendlichen in ihren präferierten Freizeitaktivitäten nicht wesentlich von jenen Jugendlichen unterscheiden, die im Rahmen der repräsentativen Jugendstudien befragt wurden (vgl. Grgic und Züchner 2016; Feierabend et al. 2019; Albert et al. 2019). Wichtige Einzelaktivitäten der befragten Berliner Jugendlichen sind Chillen und das Treffen von Freund*innen. Außerdem gehen viele der Jugendlichen Aktivitäten aus dem Bereich Sport und Medienkonsum nach. Die meisten Freizeitaktivitäten finden zuhause statt. Außerdem halten sie sich häufig draußen in Parks, auf Straßen oder Plätzen auf. Jugendzentren werden nur von wenigen Berliner Jugendlichen genutzt. Draußen und in öffentlichen Gebäuden gehen sie vor allem unternehmungslustigen und unspezifischen Aktivitäten nach, zu denen neben Shoppen auch das Chillen und Freund*innentreffen gehört. Dies unterstreicht die Bedeutung öffentlicher Räume als Orte für spontane und unstrukturierte Aktivitäten (vgl. Maimon und Browning 2010; Neumann 2016). Bei einem detaillierteren Blick auf die vorliegenden Ergebnisse ergeben sich Differenzen bei den präferierten Freizeitaktivitäten und genutzten Orte nach individuellen Merkmalen.

Geschlecht

Während Jungen ihre Freizeit eher sportlich und medial gestalten, sind Mädchen eher kreativ und gesellig. Öffentliche Räume werden von Jungen wie Mädchen gleichermaßen genutzt, Jungen sind allerdings – auch aufgrund ihrer häufigeren sportlichen Aktivitäten – mehr draußen unterwegs. Mädchen nutzen eher öffentlich zugängliche Gebäude, wie Einkaufszentren. Vermutlich bieten sie ihnen mehr Sicherheit, da diese Räume durch Hausordnungen und Sicherheitspersonal stärker reglementiert und überwacht werden als Straßen, Plätze und Grünflächen (vgl. Haytko und Baker 2004).

Sozialer Status

Mit Blick auf den sozialen Status, der für diese Forschung annäherungsweise über den Status der besuchten Schule bestimmt wurde, lassen sich folgende Unterschiede im Freizeitverhalten ausmachen: Jugendliche von statusniedrigen Schule halten sich häufiger draußen und in öffentlichen Gebäuden auf als jene, die statushohe Schulen besuchen. Für letztere sind öffentliche Räume neben dem eigenen Zuhause zwar ebenfalls wichtige Freizeitorte, sie nutzen aber auch häufig Vereinsgelände. Diese Differenzen zwischen den Statusgruppen korrespondiert mit den Unterschieden bei den präferierten Aktivitäten: Strukturierte Aktivitäten mit festem zeitlichem und räumlichem Kontext, die häufig im Rahmen von Vereinen stattfinden, spielen bei der Freizeitgestaltung der statushohen Befragten eine deutliche größere Rolle als bei statusniedrigeren Jugendlichen.

Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sind Ausdruck einer geschlechtlichen Sozialisation, die bereits im Kindesalter beginnt und spätestens im Jugendalter zu unterschiedlichen Freizeitpräferenzen führt (vgl. Faulstich-Wieland 2008). Auch die Unterschiede zwischen Jugendlichen mit niedrigem und hohem sozialem Status sind Ergebnis einer kindlichen Sozialisation in unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus. Hinzu kommt, dass viele strukturierte Aktivitäten Geld kosten (z. B. Vereinsbeiträge, Kosten für Instrumente usw.) und dies eine Barriere für Familien mit geringerem sozialem Status und damit auch geringerem ökonomischem Kapital darstellt.

7.1.2 Verteilung und Erreichbarkeit von jugendlichen Freizeitorten

Um die Sozialisationsrelevanz von Freizeitaktivitäten und -orten zu ergründen, wurde herausgearbeitet, wo die Aktivitäten in der Stadt stattfinden. Denn je nach umgebendem Sozialraum ergeben sich unterschiedliche Erfahrungen mit sozialen und physischen Kontexten. Die Verteilung von attraktiven Orten bestimmt dabei auch, ob das eigene Wohnquartier für die Aktivitäten verlassen wird oder ob die Freizeit überwiegend wohnortnah gestaltet wird. Dafür galt es zunächst zu eruieren:

Wie sind Freizeitorte in der Stadt verteilt und welchen Einfluss hat ihre Erreichbarkeit auf das Freizeitverhalten von Jugendlichen? (Forschungsfrage 2)

Da sich Struktur, Verteilung von Infrastruktur und Qualität des Mobilitätsangebots von Stadt zu Stadt unterscheiden, musste diese Frage mit Blick auf den Forschungsort Berlin beantwortet werden. Daher wurde vorab eine umfangreiche Auswertung von Daten zur Stadt- und Infrastruktur Berlins vorgenommen: Welche Struktur weist eine Großstadt im Allgemeinen auf und welche Besonderheiten zeichnen Berlin im Speziellen aus? Wo liegen die für Jugendliche relevanten Freizeitorte in der Stadt?

Stadtstruktur

Typisch für eine Großstadt ist die höhere Bevölkerungs-, Bebauungs- und Infrastrukturdichte im Zentrum (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen 2020). In Berlin betrifft dies den Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings. Die Stadt zeichnet sich jedoch gleichzeitig durch eine polyzentrale Struktur aus. Das heißt, neben den beiden Zentrumsbereichen – rund um den Kurfürstendamm und zwischen Leipziger Platz und Alexanderplatz – existieren auch Subzentren mit einer Verdichtung von gewerblicher, sozialer und kultureller Infrastruktur in anderen Bereichen der Stadt (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2016b). Dies gilt sogar für Stadtteile am Stadtrand.

Verteilung von Freizeitorten

Die für die jugendliche Freizeitgestaltung wichtigen Shoppingmalls sind überwiegend in den Haupt- und Subzentren der Stadt angesiedelt. Sie sind daher im ganzen Stadtbereich zu finden, wie die Auswertung vorliegender Daten gezeigt hat. Auch Grünflächen, Jugendfreizeiteinrichtungen und Schulen, deren oft frei zugänglichen Außengelände von Jugendlichen in ihrer Freizeit genutzt werden, sind breit über das Stadtgebiet gestreut. Die detaillierte Auswertung zeigt zwar, dass Jugendfreizeiteinrichtungen häufiger in marginalisierten Quartieren lokalisiert sind. Insgesamt lässt sich aber konstatieren, dass sich alle für die jugendliche Freizeitgestaltung wichtigen öffentlichen Ortstypen nicht in bestimmten Bereichen der Stadt konzentrieren, sondern in allen Stadtteilen zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sind. Zugleich ermöglicht das gut ausgebaute System des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) Berliner Jugendlichen, eigenständig auch weiter entfernte Gebiete der Stadt zu erreichen. Je nach Entfernung ist dies zwar mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden, die Kosten halten sich für Jugendliche mit Schülerticket jedoch in Grenzen. Auf Grundlage dieser Auswertungen lässt sich auf der Ebene der Stadt- und Infrastruktur keine Einschränkung des Freizeitverhaltens von Jugendlichen feststellen, weder durch eine ungleiche Verteilung von präferierten öffentlichen Freizeitorten noch durch ein eingeschränktes Mobilitätsangebot. Schlägt sich die für Berlin spezifische polyzentrale Stadtstruktur also im Freizeitverhalten von Jugendlichen nieder? Nutzen sie die wohnortnahen Orte? Oder nutzen sie den gut ausgebauten ÖPNV, um je nach individueller Präferenz die ganze Stadt für Freizeitaktivitäten zu nutzen?

Mobilitätsverhalten

Die Auswertung der Fragen zum Mobilitätsverhalten zeigt, dass die meisten der befragten Berliner Jugendlichen über ein Schülerticket verfügen und den ÖPNV häufig nutzen. Allgemein zeigen sich beim Besitz eines Schülerticket nur geringe Unterschiede nach sozialem Status. Die Jugendlichen von statushohen Schulen verfügen etwas häufiger über ein Auto und ein Fahrrad. Da die statusniedrigen Schüler*innen zu über 90 % – und damit deutlich häufiger als statushohe Befragte – ein Schülerticket besitzen, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die eigenständige Erkundung entfernterer Bereiche der Stadt durch geringere finanzielle Mittel eingeschränkt ist. Noch häufiger als mit dem ÖPNV werden Wege zu Fuß zurückgelegt, wie die Befragung der Jugendlichen zeigt. Dies verweist auf die polyzentrale Struktur Berlins. Auch die schulbezogenen kartografischen Auswertungen der Aktivitäten belegen die Relevanz der polyzentralen Struktur. Sie zeigen, dass die befragten Schüler*innen ihre Freizeitaktivitäten überwiegend in der Umgebung ihrer Wohn- und Schulorte verbringen und dabei auch das nächstgelegen (Sub)Zentrum aufsuchen. Dies gilt gleichermaßen für Jugendliche peripherer und zentraler Schulen. Vor allem Jugendliche von statushohen Schulen in peripheren Stadtgebieten suchen in ihrer Freizeit aber vereinzelt auch Orte in den Zentrumsbereichen auf. Trotz des wohnortnahen Angebots öffentlicher Orte gibt es also Anlässe für diese Schüler*innen, andere Stadtteile, insbesondere das Stadtzentrum, aufzusuchen. Während peripher wohnende Jugendliche genauso häufig zu Fuß unterwegs sind wie Jugendliche aus zentralen Quartieren, nutzen sie doch häufiger als jene den ÖPNV und das Auto.

Ortstypen

Unterschiede in der Nutzung der Ortstypen ergeben sich nach Wohnlage und Quartierstatus. Jugendliche aus zentralen Quartieren nutzen häufiger Parks, Jugendlichen aus peripheren Gebieten halten sich häufiger in Shoppingmalls auf. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Attraktivität von Parks und Einkaufszentren als Freizeitorte für Jugendliche je nach Lage variiert. Bei jungen Menschen beliebte Parks, wie z. B. der Mauerpark, sind vor allem in zentralen Quartieren lokalisiert. Sie bieten eine offene Atmosphäre und ziehen vor allem ein junges Publikum an. Sie eignen sich daher als interessanter Treffpunkt und zugleich als Bühne für die jugendliche Selbstinszenierung (vgl. Herlyn et al. 2003). Da es in den peripheren Quartieren Berlins keine Parks mit vergleichbaren Qualitäten gibt, nutzen die Jugendlichen zu diesen Zwecken Einkaufszentren. Dass die Attraktivität von Einkaufszentren und Parks stark variiert, belegen auch Aussagen aus den Leitfadeninterviews der qualitativen Forschungsphase. Die größeren Shoppingmalls in den Zentrumsbereichen werden von Jugendlichen, deren Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte weniger stark auf das eigene Wohnquartier bezogen sind, genutzt, um Freund*innen aus weiter entfernten Stadtteilen zu treffen. Neben der Zentralität schätzen sie auch die größere Anonymität dieser Einkaufszentren gegenüber jenen im eigenen Quartier, in denen sie eher bekannten Personen begegnen.

Jugendfreizeiteinrichtungen werden deutlich seltener genutzt als Parks und Einkaufszentren. Die meisten Nutzer*innen finden sich unter den Jugendlichen aus marginalisierten Quartieren. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der überdurchschnittlichen Dichte an Jugendzentren in benachteiligten Quartieren. Unklar bleibt, ob diesem Zusammenhang eine Kausalität zugrunde liegt. Nutzen in benachteiligten Quartieren mehr Jugendliche Jugendfreizeiteinrichtungen, weil das Angebot besser ist?

Individuelle Präferenzen

Die Nutzung von öffentlichen Orten für Freizeitaktivitäten ist nicht nur eine Frage des objektiven Angebots und der Erreichbarkeit, wichtig sind auch individuelle Präferenzen und subjektive Wahrnehmungen. Dazu gehören auch negative Wahrnehmungen. So meiden einige der interviewten Jugendlichen bestimmte Parks oder ganze Stadtteile, weil sie diese mit bestimmten ihnen unangenehmen Personengruppen und deviantem Verhalten in Verbindung bringen. Einige Jugendliche mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund befürchteten, im Osten Berlins Opfer rassistischer Anfeindungen zu werden. Diese Befürchtung schränkt die Jugendlichen voraussichtlich in ihrer Nutzung der Stadt ein, sodass sie eher Freizeitorte im Westen Berlins wählen. Diese Vorbehalte von Jugendlichen mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund sind auch durch die Forschung belegt (vgl. Mannitz 2001; Merten 2010). Hier spielt der Migrationshintergrund als Dimension von Ungleichheit aufgrund von Diskriminierung eine Rolle.

7.1.3 Die Aktivitätsräume Berliner Jugendlicher

Es konnte – wie oben dargestellt – also gezeigt werden, dass Jugendliche sich in ihrem Freizeitverhalten nach Geschlecht und sozialem Status unterscheiden: Je nach Freizeitstil und Wohnort nutzen sie unterschiedliche öffentliche und private Orte für ihre Aktivitäten. Der polyzentralen Struktur Berlins folgend, sind die von Jugendlichen bevorzugten öffentlichen Orte im gesamten Stadtgebiet vorhanden. Sie variieren jedoch in ihrer Attraktivität je nach Lage und individueller Präferenz der Jugendlichen. Daher stellt sich die Frage:

Wie gestalten sich die Aktivitätsräume von Jugendlichen in der Großstadt und wie differenzieren sie sich nach individuellen Merkmalen und nach Eigenschaften des Wohnquartiers? (Forschungsfrage 3)

Verschiedene Studien aus dem Bereich der Mobilitäts- und Aktionsraumforschung belegen für andere Altersgruppen und Forschungsorte sowohl den Einfluss des Geschlechts (vgl. Tobias Müller 2009; von Seggern et al. 2009) und des sozialen Status (vgl. Chen und Akar 2016; Konrad und Wittowsky 2016; Plöger 2012) als auch Merkmale der Stadtstruktur (vgl. Chen und Akar 2017) und der Lage des Wohnortes innerhalb der Stadt auf den Aktivitätsradius (vgl. Chen und Akar 2017; Hesse und Scheiner 2010). Für die Stichprobe Berliner Jugendlicher ließ sich Folgendes feststellen: Insgesamt sind die Freizeitaktivitäten der meisten befragten Jugendlichen im eigenen Stadtteil und den angrenzenden Quartieren lokalisiert. Die jugendlichen Aktivitätsräume erstrecken sich somit in der Regel nicht über weite Teile des Stadtgebietes. Durch multiple Regressionsanalysen wurde untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass auch Aktivitäten in entfernteren Gebieten nachgegangen wird und sich die Aktivitätsräume weiter ausdehnen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Größe der Aktivitätsräume nicht primär durch eine Variable bestimmt wird, sondern dass fast alle untersuchten Variablen einen gewissen Einfluss haben.

Individuelle Merkmale

Auf der individuellen Ebene sind das Geschlecht und die Strukturiertheit des Freizeitstils prägend. Weibliche Befragte legen im Durchschnitt weitere Strecken zu ihren Freizeitaktivitäten zurück als männliche. Hintergrund ist vermutlich das unterschiedliche Freizeitverhalten. Jungen nutzen für sportlichen Aktivitäten eher das eigene Zuhause oder wohnortnahe Gelegenheiten. Mädchen hingegen legen für ihre geselligen und unternehmungslustigen Aktivitäten weitere Strecken zurück und treffen sich mit Freund*innen beispielsweise im Kino oder in einer Shoppingmall im Stadtzentrum. Unabhängig vom Geschlecht führt ein höherer Anteil strukturierter Aktivitäten tendenziell zu einem größeren Aktivitätsraum. Spontane und unstrukturierte Freizeitaktivitäten, wie Medienkonsum, Chillen, Freund*innentreffen oder nicht-vereinsgebundene sportliche Aktivitäten, können zuhause oder an geeigneten Orten im Stadtteil stattfinden. Für strukturierte Aktivitäten müssen zuweilen weitere Wege zurückgelegt werden, denn die Dichte an Musikschulen, Sportvereinen etc. ist weniger hoch und ein Angebot somit nicht in jedem Stadtteil vorhanden.

Sozialer Status

Obwohl andere Studien aus dem Bereich der Mobilitäts- und Aktionsraumforschung belegen, dass der soziale Status einen Einfluss auf die Bewegungsradien im Alltag hat (vgl. Chen und Akar 2016; Konrad und Wittowsky 2016; Plöger 2012), konnte ein Einfluss des Schulstatus für die vorliegende Stichprobe Berliner Jugendlicher nicht nachgewiesen werden. Es zeigt sich für die befragten Berliner Jugendlichen zwar auf bivariater Ebene eine Korrelation zwischen hohem Schulstatus und einem größeren Anteil an strukturierten Freizeitaktivitäten sowie ein Einfluss der strukturierten Aktivitäten auf die Aktivitätsraumgröße. In Gegenwart der übrigen Variablen lässt sich in den Regressionsanalysen jedoch kein Effekt des Schulstatus auf die Aktivitätsraumgröße feststellen – auch nicht vermittelt über den Anteil strukturierter Aktivitäten. Der Schulstatus stellt allerdings nur eine Annäherung an den individuellen sozialen Status dar. Erstens misst er neben dem sozialen Status der Schülerschaft auch andere Merkmale der Schule, die sich bei der Analyse nicht trennen lassen. Zweitens beruht er auf einer kollektiven Zuschreibung und ignoriert dabei individuelle Unterschiede: Nicht alle Schüler*innen von statushohen Schulen haben individuell einen hohen sozialen Status und umgekehrt haben nicht alle Schüler*innen statusniedrigere Schulen individuell einen niedrigen sozialen Status. Es ist also durchaus möglich, dass sich durch eine validere Operationalisierung des sozialen Status ein Einfluss auf die Aktivitätsraumgröße ergeben hätte. Definitiv ohne Einfluss ist nur der anhand von Merkmalen der Schule allen Schüler*innen einer Schule zugeschriebene Schulstatus.

Wohnlage

Auch Merkmale des Wohnortes sind prägend für die durchschnittlichen Aktivitätsradien der befragten Berliner Jugendlichen. Je zentraler der Wohnort, desto kleiner im Durchschnitt der Aktivitätsraum. Trotz der polyzentralen Struktur Berlins und der allgemein eher auf den Wohnstandort fokussierten Aktivitäten, hat die Wohnlage einen Einfluss auf die Aktivitätsraumgröße. Denn obwohl die peripher wohnenden Jugendlichen ihren Beschäftigungen meistens in der Nähe ihres Wohn- und Schulstandortes und damit im Stadtteil nachgehen, führen sie vereinzelte Abstecher auch in den Zentrumsbereich. Umgekehrt ist das seltener oder gar nicht der Fall.

Entfernung zu Schule und Freundeskreis

Den deutlichsten Einfluss auf die Aktivitätsraumgröße haben die Entfernungen vom Wohnort der Jugendlichen zu ihrem Schulort und zu den Wohnorten ihrer Freund*innen. Je weiter diese Orte entfernt liegen, desto größer ist im Durchschnitt auch der Radius ihrer Aktivitäten. Ein Teil des Einflusses, den die Distanz zur Schule hat, wird dabei über die Entfernung zu den Wohnorten der Freund*innen vermittelt. Eine weiter entfernt liegende Schule zieht also Kontakte in entfernteren Gebieten nach sich. Diese bedingen – genau wie der Schulstandort –, dass die Jugendlichen auch Freizeitbeschäftigungen in weniger wohnortnahen Gebieten nachgehen. Die aktivitätsräumlichen Bezüge zum Stadtteil der Schule oder der Freund*innen ist zum Teil durch Umzüge zu erklären. Denn ein Teil der befragten Jugendlichen, deren Schulen in entfernteren Stadtteilen liegen, haben vorher näher zur Schule gewohnt und sind in den letzten Jahren weggezogen. Der Einfluss von entfernteren Schulen und Freund*innen auf die Aktivitätsradien der Jugendlichen ist also teilweise durch Bezüge zu vorherigen Wohnstandorten begründet. Welche anderen Gründe es für den Besuch einer weiter entfernten Schule gibt, ist aus den Daten nicht ersichtlich.

Aus den Ergebnissen der Regressionsanalysen lässt sich also ablesen, dass weiter entfernte Schulorte und Wohnorte von Freund*innen zu größeren Aktivitätsräumen führen. Ob die weiter entfernten Aktivitäten dann in der Nähe der Schule, in der Nähe der Wohnorte der Freund*innen oder in einem anderen Teil der Stadt jenseits dieser Orte und des eigenen Zuhauses lokalisiert sind, ist aus den Ergebnissen der Regressionsanalyse nicht ersichtlich. Hier sind die Auswertungen der Leitfadeninterviews und kartografische Analysen instruktiv. Die Aussagen aus den Leitfadeninterviews belegen, dass Jugendliche, deren Freund*innen weiter entfernt wohnen, diese in ihrem Stadtteil besuchen. Voraussetzung ist, dass der Wohnstadtteil der Freund*innen Freizeitorte bietet, die zusammen genutzt werden. Auch das Zuhause der Freund*innen kann ein Ort für gemeinsame Beschäftigungen sein. Daneben werden aber auch öffentliche Orte im Zentrumsbereich Berlins für Treffen mit weiter entfernt wohnenden Freund*innen genutzt, wie die Interviews ebenfalls zeigen. Die Ergebnisse der kartografischen Analysen zu den wenigen Jugendlichen mit weiter entfernten Schulen zeigen zudem, dass diese zumindest einem Teil ihrer Aktivitäten in der Umgebung ihrer Schule nachgehen. Wohnen Jugendliche weiter entfernt von ihrer Schule und ihren Freund*innen, kann dies dazu führen, dass Freizeitaktivitäten in der Umgebung der Schule, im Wohnstadtteil der Freund*innen oder im Zentrumsbereich nachgegangen wird. Jugendliche mit größeren Distanzen zur Schule und zu den Wohnorten ihrer Freund*innen sind in ihren Aktivitäten daher weniger auf den eigenen Stadtteil fokussiert.

7.1.4 Segregierte Freizeiträume

Die oben dargestellten Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Berliner Jugendliche einem Großteil ihrer Aktivitäten im eigenen Wohnquartier oder zumindest im eigenen Stadtteil nachgehen. Die Größe ihrer Aktivitätsräume variiert nichtsdestotrotz und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass insbesondere marginalisierte Quartiere einen negativen Einfluss auf die Sozialisation ihrer jugendlichen Bewohner*innen haben, stellt sich nun die Frage:

Setzt sich die residentielle Segregation in den Aktivitätsräumen der Jugendlichen fort und welche Rolle spielen dabei Quartier, Schulort undFreundeskreis? (Forschungsfrage 4)

Neuere Studien aus dem Feld der Aktionsraumforschung können einen Zusammenhang zwischen residentieller und aktivitätsräumlicher Segregation für altersübergreifende Stichproben in Los Angeles (vgl. Jones und Pebley 2014; Krivo et al. 2013) und Jugendliche im Ruhrgebiet (vgl. Plöger 2012) empirisch nachweisen. Lässt sich dieser Zusammenhang auch für die Stichprobe Berliner Jugendlicher nachweisen? Welche Faktoren führen dazu, dass Jugendliche ihre Freizeit in marginalisierten Quartieren verbringen? Dafür wurde mit einer multiplen Regression der Einfluss verschiedener Variablen auf den Anteil an Freizeitaktivitäten in benachteiligten Quartieren geprüft.

Quartierstatus und Schulstatus

Die Analysen bestätigen die Ergebnisse der erwähnten Studien zu anderen Städten: Die Marginalisierung des Freizeitkontextes der befragten Berliner Jugendlichen ist stark durch die Marginalisierung des eigenen Wohnquartiers bestimmt. Je benachteiligter das eigene Wohnquartier, desto mehr Aktivitäten sind in marginalisierten Kontexten lokalisiert. Ebenfalls einflussreich ist der soziale Status der Jugendlichen bzw. der Status der besuchten Schule. Ein Teil seines Einflusses wird über die Marginalisierung des Wohnquartiers vermittelt. Das heißt konkret, dass Jugendliche von statusniedrigeren Schulen mehr Freizeit in marginalisierten Sozialräumen verbringen. Gleichzeitig wohnen sie eher in benachteiligten Quartieren und verbringen auch daher mehr Aktivitäten in benachteiligten Kontexten. Neben dem Wohnen in einem marginalisierten Quartier führt also auch ein niedriger sozialer Status zu mehr Aktivitäten in marginalisierten Sozialräumen.

Zentralität

Bedeutsam, wenn auch mit geringerem Einfluss auf die Marginalisierung des Freizeitkontextes ist die Peripherität bzw. Zentralität des Wohnortes. Je zentraler der Wohnort, desto größer der Anteil an Aktivitäten in marginalisierten Quartieren. Ein zentralerer Wohnort verstärkt zudem den Einfluss der Marginalisierung des Wohnquartiers auf die Marginalisierung des Freizeitkontextes. Jugendliche, die in einem zentralen benachteiligten Quartier wohnen, verbringen im Durchschnitt einen noch größeren Teil ihrer Freizeitaktivitäten in einem benachteiligten Quartier als jene in peripheren benachteiligten Quartieren. Es liegt zunächst nahe anzunehmen, dass die nachweislich kleineren Aktivitätsräume der zentral wohnenden Jugendlichen dazu führen, dass mehr Aktivitäten im eigenen Wohnquartier stattfinden und somit Wohnquartier und Aktivitätsraum bzw. Freizeitkontext weitgehend identisch sind. Dieser Zusammenhang zwischen Wohnlage und Aktivitätsraumgröße erklärt den Zusammenhang zwischen Wohnlage und Marginalisierung des Freizeitkontextes jedoch nicht. Denn die Regressionsanalyse zeigt, dass die Aktivitätsraumgröße keinen Einfluss auf die Marginalisierung des Freizeitkontextes hat. Sie verändert auch nicht den Einfluss, den die Marginalisierung des Wohnquartiers auf den Anteil an Aktivitäten in benachteiligten Quartieren hat. Größere Aktivitätsräume führen also nicht dazu, dass Jugendliche aus marginalisierten Quartieren weniger Aktivitäten in marginalisierten bzw. mehr in nicht-marginalisierten Quartieren verbringen. Der Grund könnte vielmehr sein, dass es im Zentrum größere zusammenhängenden Gebieten benachteiligter Quartiere als am Stadtrand gibt. Bei gleicher Aktivitätsraumgröße verbleiben also Jugendliche aus zentralen benachteiligten Quartieren mit größerer Wahrscheinlichkeit innerhalb des Bereichs benachteiligter Quartiere, in dem sie wohnen.

Aktivitätsraumgröße und Bezüge zu anderen Quartieren

Warum führen größere Aktivitätsräume bei den untersuchten Berliner Jugendlichen nicht zu einem heterogeneren Freizeitkontext, ob obwohl das in anderen Studien nachgewiesen wurde (vgl. Jones und Pebley 2014; Krivo et al. 2013)? Eine Erklärung bieten die allgemein eher kleinen Aktivitätsradien und die Bezüge von Jugendlichen aus marginalisierten Quartieren in weiter entfernte benachteiligte Nachbarschaften. Die kartografische Auswertung zu den Aktivitäten der Schüler*innen dreier zentraler Schulen im marginalisierten Gesundbrunnen und in den nicht-marginalisierten Stadtteilen Prenzlauer Berg und Mitte zeigt, dass Aktivitäten überwiegend im Stadtteil der Schule und in angrenzenden Gebieten stattfinden. Obwohl der benachteiligte Stadtteil unmittelbar an die beiden nicht-benachteiligten grenzt, wird diese Grenze von beiden Seiten nur selten überschritten. Jugendliche aus Prenzlauer Berg und Mitte verbringen ihre Aktivitäten im eigenen Stadtteil sowie in angrenzenden Quartieren, aber nur sehr selten in Gesundbrunnen. Weiter entfernte Aktivitäten dieser Schüler*innen liegen ausschließlich in nicht marginalisierten Gebieten. Die Jugendlichen der Schule aus dem Gesundbrunnen besuchen umgekehrt kaum die Stadtteile Mitte und Prenzlauer Berg. Weiter entfernten Aktivitäten gehen sie in nicht-marginalisierten aber auch in marginalisierten Quartieren, wie Neukölln, nach.

Aussagen aus den Leitfadeninterviews der qualitativen Forschungsphase zeigen, dass Bezüge zu entfernteren Stadtteilen durch Umzüge bestehen. Einige Interviewte aus Gesundbrunnen und Wedding lebten früher in Neukölln oder Kreuzberg. Diese Schüler*innen gaben an, dort noch immer regelmäßig Verwandte zu besuchen. Vorbehalte gegen diese Stadtteile – die einige Mädchen äußerten – hielten die Jugendlichen in diesen Fällen nicht vom Besuch der Stadtteile ab. Ob die Umzüge nach Gesundbrunnen/Wedding die Folge von Verdrängung durch zunehmende Aufwertungsprozesse in Kreuzberg/Neukölln waren (vgl. Döring und Ulbricht 2016; Holm 2011), bleibt unklar. Aber es verdeutlicht, wie sozial segregierte Aktivitätsräume entstehen können, die zugleich in ihrer Ausdehnung über den eigenen benachteiligten Stadtteil hinausgehen: Durch Umzüge aus marginalisierten aber sich in Aufwertungsprozessen befindlichen Quartieren in entferntere benachteiligte Quartiere, in denen es noch preiswerten Wohnraum gibt. Diese Bezüge von Jugendlichen aus marginalisierten Quartieren zu anderen marginalisierten Quartieren müssen aber nicht zwangsläufig durch Umzüge entstehen. Jugendliche aus benachteiligten Nachbarschaften haben häufig einen niedrigen sozialen Status (vgl. Friedrichs 2013; Häußermann und Kronauer 2009). Mitglieder ihres erweiterten Familienkreises und ihre Freund*innen haben meist ebenfalls einen niedrigen sozialen Status und wohnen aufgrund dessen in einem benachteiligten Quartier. Insgesamt bestätigt sich, dass sich eine soziale Segregation durch alle Bereiche unserer Gesellschaft zieht. Für verschiedene Bereiche, wie Wohnquartiere, soziale Netzwerke und Schulen ist dies bereits empirisch gut belegt. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die soziale Segregation auch die Aktivitätsräume Berliner Jugendlicher betrifft und dass eine Interdependenz mit den anderen gesellschaftlichen Bereichen besteht.

7.2 Beitrag zur Jugend- und Stadtforschung

Mit diesen Forschungsergebnissen leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zu einer zentralen Frage der Stadt- und Jugendforschung: Welche städtischen Räume sind als physische und soziale Umwelt für die Sozialisation von Jugendlichen relevant? Die detaillierte Analyse zur Nutzung städtischer Räume durch Jugendliche in ihrer Freizeit zeigt, welche öffentlichen Orte und Stadträume von Jugendlichen genutzt werden. Differenziert wird dabei nach individuellen, sozialstrukturellen und wohnortbezogenen Merkmalen. Dadurch wird über die pauschale Annahme der Nachbarschaftseffektforschung, das Wohnquartier stelle den primären städtischen Sozialisationsraum dar, hinausgegangen. Mit einem aktivitätsräumlichen Ansatz wird das Freizeitverhalten Berliner Jugendlicher detailliert nachgezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Studien zu Aktivitätsräumen von Jugendlichen (vgl. Tobias Müller 2009; Plöger 2012) wird dabei systematisch der Einfluss von individuellen und wohnortbezogenen Faktoren verglichen. Damit konnte nicht nur die Frage beantwortet werden, welche städtischen Orte und Räume von Jugendlichen genutzt werden, sondern auch die Frage, welche Jugendlichen diese Räume nutzen und für wen sie damit sozialisationsrelevant sind.

Die Relevanz, die öffentliche Orte, wie Parks und Einkaufszentren, für das jugendliche Freizeitverhalten haben, wurde bereits durch andere Studien belegt (vgl. Herlyn et al. 2003; Neumann 2016) und wird durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit auch für den Forschungsort Berlin noch einmal bestätigt. Dies unterstreicht die Forderung von Stadtforscher*innen und Sozialarbeiter*innen, die Bedürfnisse von Jugendlichen bei der Planung öffentlicher Räume stärker mit einzubeziehen (vgl. Freudenau et al. 2004). Jugendliche werden häufig als störende Gruppe im öffentlichen Raum wahrgenommen (vgl. Kemper und Reutlinger 2015). Diese Perspektive muss sich ändern, denn die eigenständige Nutzung des öffentlichen Raums und die damit verbundene Auseinandersetzung mit der Erwachsenenwelt befördert zwei der wichtigsten Sozialisationsaufgaben der Jugendphase: Sie unterstützt Jugendliche dabei, selbstständiger zu werden und eine eigene Identität zu entwickeln (vgl. Ecarius et al. 2011; Frey 2004; Kilb 2012).

Bisherige Untersuchungen zur räumlichen Ausprägung jugendlichen Freizeitverhaltens verzichten auf eine eingehende Analyse zur räumlichen Verteilung der für Jugendliche wichtigen Freizeitorte (vgl. Herlyn et al. 2003; Tobias Müller 2009; Plöger 2012). Diese Arbeit verdeutlicht jedoch, dass nicht nur untersucht werden sollte welche öffentlichen Räume Jugendliche nutzen, sondern auch wie sie in der Stadt verteilt sind. Denn die Verteilung von Freizeitorten beeinflusst, in welchen Sozialräumen Jugendlichen ihre Freizeit verbringen. Dies zeigt zum Beispiel der Blick auf Jugendfreizeiteinrichtungen: Mit ihren für Jugendliche frei zugänglichen offenen Bereiche sind sie häufiger in marginalisierten Quartieren zu finden. Für einige Jugendliche, deren Freundeskreise auf das eigene Quartier oder den eigenen Stadtteil bezogen sind, bilden sie wichtige Treffpunkte. So wird die Stadtteilfokussierung dieser Jugendlichen und der damit verbundene Aufenthalt in marginalisierten Sozialräumen verstärkt.

In dieser Arbeit wurde systematisch analysiert, welche Faktoren zu kleineren und damit potenziell stärker auf den eigenen Stadtteil fokussierten Aktivitätsräumen führen. Finden die Freizeitaktivitäten überwiegend im eigenen Stadtteil statt, ist das Wohnquartier identisch mit dem Freizeitkontext und damit primärer städtischer Sozialisationsraum. Jugendliche aus marginalisierten Quartieren mit stadtteilfokussiertem Aktivitätsraum sind somit im besonderem dem benachteiligenden Kontext ihres Wohnquartiers ausgesetzt. Nachbarschaftseffekte sollten sich bei diesen Jugendlichen am stärksten bemerkbar machen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint der Fokus der Nachbarschaftseffektforschung auf Jugendliche in benachteiligten Quartieren auch aus einer aktionsräumlichen Perspektive gerechtfertigt. Nichtsdestotrotz sollte dabei differenziert untersucht werden, welche Jugendlichen aus den benachteiligten Quartieren in welchem Umfang dem Kontext des Quartiers ausgesetzt sind. Nur so kann aufgedeckt werden, welche Faktoren dazu führen, dass Jugendliche aus benachteiligten Nachbarschaften dem benachteiligendem Sozialraum ihres Wohnquartiers weniger stark ausgesetzt sind.

Die Ergebnisse dieser Arbeit belegen, dass ein größerer Aktivitätsradius kein Faktor ist, der dazu führt, dass Jugendliche aus marginalisierten Berliner Nachbarschaften in nicht-marginalisierte Kontexte gelangen. Es konnte gezeigt werden, dass sich die soziale residentielle Segregation von Jugendlichen mit geringerem sozialen Status – unabhängig von der Aktivitätsraumgröße – in den Freizeitkontexten fortsetzt. Dies unterstreicht wie wichtig es ist, nicht nur die Größe bzw. Ausdehnung der Aktivitätsräume zu untersuchen, sondern auch die konkreten sozialräumlichen Kontexte, die im Alltag aufgesucht werden.

Die Untersuchung zeigt, wie segregiert und damit sozial homogen die Räume der täglichen Aktivitäten von Jugendlichen aus marginalisierten Quartieren sind. Um der benachteiligenden Wirkung marginalisierter Nachbarschaften entgegenzuwirken, wurde von Politik und Sozialer Arbeit bisher darauf gesetzt, unterstützende Angebote für Jugendliche in den entsprechenden Quartieren zu schaffen (vgl. Lang 2009). Ein anderer, bisher kaum verfolgter Ansatz wäre, nach Wegen zu suchen, Jugendliche aus marginalisierten Quartieren dem benachteiligenden Kontext ihres Quartiers zu entziehen. Dafür wären Kontakte zu Jugendlichen aus nicht-marginalisierten gesellschaftlichen Milieus in nicht-benachteiligten Quartieren wichtig. Ein Weg dies zu erreichen, wäre eine konsequente Desegregation von Schulen und gemeinsamer Unterricht für Schüler*innen verschiedener Milieus und Herkünfte. Im Schulkontext können nachhaltige soziale Kontakte entstehen, die auch zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten in den unterschiedlichsten sozialräumlichen Kontexten führen. Zugleich muss aber auch verhindert werden, dass sich die soziale Segregation in deutschen Städten weiter verstärkt, damit sich das Problem der benachteiligten Sozialräume nicht weiter verschärft.

Auf methodischer Ebene kann konstatiert werden, dass sich das Forschungsdesign dieser Arbeit zur Erforschung jugendlicher Aktivitätsräume bewährt hat. Die aus der Sozialen Arbeit stammende Nadelmethode (vgl. Deinet 2010; Krisch 2009), ursprünglich ein zur Partizipation aktivierendes Instrument zur Beschreibung von Sozialräumen, wurde zu einer stadtsoziologischen Methode zur Erfassung des individuellen räumlichen Freizeitverhaltens transformiert. Die im Zuge dieser Methode entwickelte Anwendung bietet einen guten Kompromiss zwischen begrenztem Aufwand für die befragten Jugendlichen und möglichst detaillierten Informationen zu deren Freizeitaktivitäten inklusive ihrer präzisen räumlichen Lokalisierung. So wurde ein innovatives Forschungsinstrument entwickelt, welches auch zukünftig einen wichtigen methodischen Beitrag zur aktivitätsräumlichen Forschung leisten kann.

7.3 Limitationen der Arbeit

Durch die Auswahl der Forschungspopulation und des Forschungsorts sowie durch Schwierigkeiten bei der Stichprobenziehung ist die Aussagekraft der vorliegenden Ergebnisse zum Teil mit Einschränkungen versehen. Mit Blick auf den Forschungsort muss diskutiert werden, inwiefern die Erkenntnisse auf andere Großstädte in Deutschland übertragbar sind. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der explorativen Vorerhebungen in Kassel zeigt sowohl Konvergenzen als auch Divergenzen im räumlichen Freizeitverhalten der Jugendlichen. Der Zusammenhang zwischen sozialem Status auf der einen und Freizeitstil und Quartierstatus auf der anderen Seite lässt sich für Berlin und Kassel gleichermaßen feststellen. Jugendliche mit niedrigerem sozialem Status gehen seltener strukturierten Aktivitäten nach und wohnen mit größerer Wahrscheinlichkeit in benachteiligten Quartieren. In Kassel haben die Jugendlichen mit höherem sozialem Status zugleich weitere Aktivitätsradien als jene mit niedrigerem Status. Dies hängt mit ihren strukturierten Aktivitäten zusammen, denen sie breit über das Stadtgebiet verstreut nachgehen. Für Berlin zeigen sich zwar ebenfalls größere Aktivitätsräume bei Jugendlichen mit mehr strukturierten Aktivitäten, dies lässt sich jedoch nicht auf Statusunterschiede zurückzuführen. Der soziale Status bzw. Schulstatus hat bei den Berliner Jugendlichen keinen Einfluss auf die Größe der Aktivitätsräume. Eine Erklärung für die unterschiedliche Relevanz des sozialen Status für die Aktivitätsraumgröße könnte die Operationalisierung des sozialen Status sein. Während in den explorativen Voruntersuchungen in Kassel der soziale Status über individuelle sozioökonomische Merkmale der Befragten, wie Bildung und Beruf der Eltern, bestimmt wurde, wurde der soziale Status für die Berliner Stichprobe annäherungsweise über den Schulstatus bestimmt. Welche Folgen die Verwendung des Schulstatus als Annäherungsgröße zur Feststellung des Sozialstatus hat, wird am Ende des Kapitels noch einmal detailliert diskutiert.

Eine Divergenz zwischen Kassel und Berlin ergibt sich bei der Qualität des ÖPNV-Netzes, die sich auch in den Aktivitätsräumen der Jugendlichen niederzuschlagen scheint. Während die ausgewerteten Daten für Berlin keine Hinweise auf eine eingeschränkte Erreichbarkeit durch mangelnde ÖPNV-Anbindung liefern, scheinen die stadtteilfokussierten Aktivitätsräume der Jugendlichen aus Rothenditmold auch auf eine schlechte ÖPNV-Anbindung dieses Kasseler Stadtteils zurückzuführen zu sein. Die unterschiedlichen Ergebnisse zu den Aktivitätsräumen von Jugendlichen in Berlin und Kassel legen nahe, dass die Erkenntnisse zum Forschungsort Berlin nicht unumschränkt auch für Städte mit einem weniger gut ausgebauten ÖPNV-Netz Gültigkeit besitzen.

Eine eingeschränkte Übertragbarkeit ergibt sich des Weiteren durch die untersuchte Altersgruppe von 15–17 Jahren. Studien zeigen, dass sich Freizeitverhalten und Raumnutzung bei Jugendlichen je nach Alter unterscheiden (vgl. Freudenau et al. 2004). Daher war es notwendig, die Untersuchung auf eine begrenzte Altersgruppe zu beschränken. Die Erkenntnisse treffen somit allerdings primär auf diese Altersgruppe zu. Insbesondere die mit dem Alter zunehmende Selbstständigkeit und Fähigkeit, eigenständig die Freizeit zu gestalten und die Stadt zu nutzen, dürfte zu unterschiedlich ausgeprägten Aktivitätsräumen führen.

Die Beschränkungen durch Forschungsort und -population sind durch das gewählte Forschungsdesign bedingt. Hinzu kommen ungeplante Limitationen durch nicht erreichte Zielstichproben in der quantitativen und qualitativen Forschungsphase. So konnte keine Schule mit hohem Status in einem zentral gelegenen marginalisierten Quartier für die Teilnahme an der Befragung gewonnen werden. Daher sind kaum Jugendliche von statushohen Schulen, die in einem zentralen marginalisierten Quartieren wohnen, in der Stichprobe. Die wenigen Befragten mit diesen Merkmalen besuchen statushohe Schulen in nicht-zentralen oder nicht-benachteiligten Quartieren, wohnen aber in einer zentralen benachteiligten Nachbarschaft. Insgesamt ist die Teilstichprobe der Jugendlichen, die aus einem benachteiligten Wohnquartier stammen, sehr klein. Daher sind die Erkenntnisse der quantitativen Forschungsphase zu Jugendlichen aus benachteiligten Quartieren mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Verzerrungen durch wenige vom Durchschnitt der Subgruppe abweichende Fälle sind nicht gänzlich auszuschließen.

In der Stichprobe der qualitativen Forschungsphase sind Jugendliche aus marginalisierten Quartieren und mit niedrigerem sozialen Status hingegen überrepräsentiert. Hier konnte das Ziel einer ausgewogenen Stichprobe bezüglich Quartier und sozialem Status nicht erreicht werden. Die Zusammenhänge aus der quantitativen Forschungsphase zur Attraktivität von Freizeitorten, zu gemiedenen Orten und Bereichen sowie zur Bedeutung von Freund*innen für die Ausrichtung des Aktivitätsraumes konnten daher nur für statusniedrige Jugendliche aus benachteiligten Quartieren fundiert vertieft werden. Durch die wenigen Interviewten aus nicht-benachteiligten Quartieren mit höherem sozialen Status sind deren Sichtweisen nicht in gleichem Umfang vertreten.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist des Weiteren zu beachten, dass der soziale Status der Schüler*innen, wie bereits erwähnt, nur ein Annäherungswert ist, der über den Schulstatus erhoben wurde. Aufgrund vieler Ausfälle bei den Indexvariablen konnte der individuelle soziale Status nur für eine Minderheit der befragten Jugendlichen erhoben werden, sodass der Behelfswert über den Schulstatus verwendet werden musste. Dabei wurde allen Schulen, basierend auf dem Vorhandensein einer Oberstufe und weiteren Kriterien, entweder ein hoher oder ein niedriger Status zugewiesen. Unter der Prämisse, dass an Schulen in Berlin eine große soziale Homogenität vorherrscht (vgl. Helbig und Nikolai 2017; Jurczok 2019), wurde allen Befragten einer Schule der Schulstatus als Ersatzvariable für den individuellen sozialen Status zugewiesen. Bei den Schüler*innen, für die sich beide Variablen bestimmten ließen, zeigte sich eine deutliche aber nicht vollständige Korrelation zwischen individuellem sozialen Status und Schulstatus. Der Schulstatus ist also keine exakte Abbildung des sozialen Status. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass erstens keine trennscharfe soziale Segregation an Berliner Schulen existiert: An statushohen Schulen gibt es (wenige) Schüler*innen mit niedrigem sozialen Status und umgekehrt an statusniedrigen Schulen (wenige) Schüler*innen aus der Mittel- und Oberschicht. Zweitens bildet der Schulstatus nicht nur den potenziellen sozialen Status der Schüler*innen ab, sondern misst auch weitere Merkmale der Schule. So bieten statushohe Schulen möglicherweise häufiger organisierte Freizeitaktivitäten im Nachmittagsbereich an. Es ist schwierig, derartige mit dem Schulstatus verbundenen Einflüsse zu bestimmen und sie bei der Auswertung vom Einfluss des individuellen sozialen Status der Schüler*innen zu trennen.

7.4 Anschlüsse für zukünftige Forschung

Die vorliegende Arbeit bietet einen neuen methodischen Ansatz, der für Anschlussforschung zu Aspekten jugendlicher Aktivitätsräume genutzt werden kann. Die in dieser Arbeit aufgedeckten schichtspezifischen Unterschiede beim Freizeitverhalten, der Stadtnutzung und den Aktivitätsräumen von Jugendlichen deuten auf unterschiedliche Sozialisationsbedingungen hin, die zu einer Verfestigung sozialer Ungleichheit beitragen. Zukünftige Forschung zu diesen Themengebieten sollte daher den Einfluss des sozialen Status vertiefend untersuchen, um Wege zu finden, die marginalisierende Wirkung von bestimmtem Raum- und Freizeitverhalten zu durchbrechen.

Um die Erkenntnisse zum Einfluss städtischer Strukturen auf Freizeitverhalten und Aktivitätsräume von Jugendlichen auszubauen, sind Studien in weiteren Städten nötig. Wie diese Arbeit gezeigt hat, ist es dabei fruchtbar zu analysieren, welches Angebot an Freizeitorten es für Jugendliche gibt und wie dieses im Stadtraum verteilt und erreichbar ist. Der hier gewählte Forschungsort Berlin ist sowohl in Hinblick auf seine Größe als auch auf seine Polyzentralität ein Extrembeispiel unter deutschen Städten. Interessant wäre daher, im Kontrast jugendliche Aktivitätsräume in stärker monozentrischen und kleineren Städten zu untersuchen. Die Ergebnisse der explorativen Vorerhebungen aus Kassel zeigen, dass es hier zu abweichenden Ergebnissen kommen kann.

Für weitere Studien zu Aktivitätsräumen von Jugendlichen in anderen Städten sollte an die in dieser Arbeit herausgearbeiteten und überprüften Hypothesen angeknüpft werden. Die Hypothesen zu den Geschlechts- und Statusunterschieden im Freizeitverhalten (H1.a und H1.b) und der Bedeutung der öffentlichen Räume (H1.c) bestätigen für die vorliegende Stichprobe. Da sie aus Studien abgeleitet wurden, die für deutsche Jugendliche repräsentative sind (vgl. Grgic und Züchner 2016; Feierabend et al. 2019; Albert et al. 2019), sollten sie sich auch in anderen deutschen Städten bestätigen. Die Hypothese 1.d, dass Jungen in öffentlichen Räumen präsenter sind und sie eher zum Chillen nutzen, Mädchen eher für den Konsum, sollte für zukünftige Forschung differenzierter formuliert werden. Denn erstens sind aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit neben den Differenzen nach Geschlecht auch Unterschiede nach sozialem Status zu erwarten. Zweitens bestätigt sich zwar, dass Jungen öffentliche Räume eher zum Chillen und Mädchen eher für den Konsum nutzen. Erstere sind jedoch nicht generell präsenter im öffentlichen Raum. Aufgrund des durchs Geschlecht geprägten Freizeitstils, nutzen Jungen und Mädchen verschiedene öffentliche Räume aber unterschiedlich intensiv.

Die Hypothesen des zweiten Sets zur Bedeutung von Stadtstruktur und Mobilitätsangebot für das räumliche Freizeitverhalten von Jugendlichen konnten bestätigt werden. In zukünftiger Forschung müssen sie mit Blick auf den konkreten Forschungsort reformuliert werden. Dafür ist eine eingehende Analyse – wie in dieser Arbeit für Berlin vorgenommen – zur Verteilung der für Jugendliche attraktiven Freizeitorte und des ÖPNV-Angebots für die zu untersuchende Stadt notwendig. Unabhängig von der Stadtstruktur ist dabei auch für andere Städte anzunehmen, dass Schul- und Wohnstandort sowie städtische Zentren prägend Elemente jugendlicher Aktivitätsräume sind.

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass – wie in Hypothesen-Set 3 formuliert – sozialstrukturelle und wohnstandortbezogene Faktoren die Aktivitätsräume Berliner Jugendliche bestimmen. Der Einfluss von Merkmalen des Wohnortes muss dabei vor dem Hintergrund der konkreten physischen und sozialräumlichen Struktur des Forschungsortes neu formuliert werden. Als besonders prägend hat sich die Entfernung zwischen Wohnort und Schulort bzw. dem Wohnort der Freund*innen für die Aktivitätsräume erwiesen. Diese Faktoren sollten daher auch in zukünftigen Aktivitätsraumstudien zu Jugendlichen weiter erforscht werden.

Die Auswertungen zum Einfluss des sozialen Status und der Marginalisierung des Wohnortes auf den Freizeitkontext (Hypothesen-Set 4) belegen deutlich, dass sich die residentielle Segregation in den Aktivitätsräumen der Jugendlichen fortsetzt. Inwiefern dies auch für Städte mit einer anderen sozialräumlichen Struktur zutrifft, ist zu untersuchen. Dass die Größe der Aktivitätsräume Berliner Jugendliche keinen Einfluss auf die aktivitätsräumliche Segregation hat, kann auch dem Forschungsort Berlin mit seinen größeren zusammenhängenden Gebieten sozialräumlicher Marginalisierung geschuldet sein. Auch hier wären weitere Studien zu anderen Städten instruktiv.

In zukünftiger Forschung zum räumlichen Freizeitverhalten von Jugendlichen, lässt sich die modifizierte Nadelmethode verwenden, die im Rahmen dieser Arbeit entwickelt wurde. Eine Digitalisierung der Methode könnte ihren Einsatz vereinfachen und eine Umsetzung mit mobilen Endgeräten den Aufwand für Befragte und Forschende verringern (vgl. Meer et al. 2018; Rösch und Rohrauer 2016). Denkbar wäre auch eine Erweiterung der Ortsabfrage, um eine größere Anzahl an Aktivitäten und Wohnorten von Freund*innen zu erfragen. So ließe sich ein noch umfassenderes Bild des alltäglichen Raumverhaltens zeichnen.

Zusätzlich empfiehlt sich für zukünftige Forschungsprojekte die Ergänzung durch eine stärker betonte qualitative Forschungsphase. Wie die Ergebnisse der qualitativen Forschungsphase belegen, sind die subjektiven Wahrnehmungen der Jugendlichen nicht zu vernachlässigen, wenn es darum geht, welche Orte und Räume sie nutzen. Daher sollten Forschungsprojekte zu Aktivitätsräumen von Jugendlichen die Verwendung von Mixed-Methods-Designs in Betracht ziehen. Die quantitative Erforschung der Aktivitätsräume kann dadurch sinnvoll und instruktiv um eine subjektive Ebene des Raumverhaltens ergänzt werden.